Bayern: Bald ungeeignete Ärzte im Bereitschaftsdienst?

  • Und nun kommen Ärzte die sich gegen einen Bereitschaftsdienst(!) drücken wollen in dem es zu 90% oder mehr um Husten, Schnupfen, Heiserkeit geht.


    Diese Verallgemeinerung wird den Anforderungen an den Ärztlichen Bereitschaftsdienst in keinster Weise gerecht.



    Das ist auch eine völlig ernstgemeinte Frage. In den Bereichen in denen ich gerettet habe fahren regelmäßig "unerfahrene" Ärzte im Bereitschaftsdienst rum und die Diagnosen oder Maßnahmen waren aus meiner Sicht nie besser oder schlechter als bei anderen Ärzten.


    Da kann ich mich aber an einige Posts hier erinnern, in denen ganz ordentlich gegen "unerfahrene" oder "unwissende" Ärzte und deren fragwürdige Heilversuche gewettert wurde.
    Und nur weil es Bereiche gibt, in denen Ärzte aus für den Ärztlichen Bereitschaftdienst ungeeignete Fachrichtungen den Dienst versehen (müssen), macht es das jetzt wirklich nicht besser. Ich habe in meinen jetzt etlichen Jahren MItarbeit im ÄBD auch schon sehr viele neue und in dem Feld unerfahrene Ärzte erlebt. Da können sie in ihrem "richtigen Job" gut und sogar sehr gut sein (Klinik, Praxis, ...), die Arbeit samstags nachts um drei mit minimalem Equipment bei unbekanntem Patienten in dessen Haus ist etwas komplett anderes.

    "Glück ists wenn man sich dort kratzen kann wos einen juckt" - L. Hirsch
    »Das Problem der Welt ist, dass intelligente Menschen voller Zweifel und Dumme voller Selbstvertrauen sind!« – Charles Bukowski

  • Ich will auch nicht sagen das der Bereitschaftsdienst ein Zuckerschlecken ist.
    Ich würde mal behaupten der komplette Arztberuf in so ziemlich allen Ausprägungen ist keines.


    Natürlich wäre es auch schön wenn nur der geeignete Facharzt (z. B. Allgemeinmediziner) Bereitschaft schiebt.
    Wird aber wohl nix.


    Und genauso wie es hier im Forum (und wohl auch außerhalb) Menschen gibt die sich über "unfähige Ärzte" echauffieren gibt es doch immer wieder auch Ärzte die von der schon regelrecht gottgleichen Unfehlbarkeit ihres Berufsstandes (bewusste Übertreibung) reden.


    Da mag man (also ich in diesem Fall - auch wenn ich damit alleine bin) doch davon ausgehen das ein Arzt gleich welcher Richtung den normalen Bereitschaftsdienst absolvieren kann. Meinetwegen auch nach entsprechender Fortbildung/Auffrischung.


    Ich sagte es bereits, was ist die Alternative? Lücken im Bereitschaftsdienst? Doppelbelastungen für die Willigen? Alles mit dem NEF/RTW?

    The reason I talk to myself is because I’m the only one whose answers I accept. George Carlin

  • Klar behandelt er. Was er kann.
    Aber ich hab ja nun auch schon Kontakt mit dem ÄND als Patient gehabt und er hat gemacht was in seiner Macht stand.
    Zum Beispiel Schmerzen lindern.


    Was ich noch nicht gesehen habe ist das er eine komplexe Therapie begonnen hat. Was ich aber auch okay finde.
    Aber was weiß ich schon... :pardon:

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  • Ich glaube, manche hier haben ein falsches Bild vom kassenärztlichen Bereitschaftsdienst. Auf der einen Seite wird über die unfähigen Kollegen hergezogen, auf der anderen Seite wird ein Kollege, der offen zugibt, dafür nicht geeignet zu sein über alle Gebühr gedissed.

  • Wieso wird er gedissed? Ich hab doch gesagt das ich es gut finde das er dazu steht, aber scheinbar wird er da ja durch müssen, oder?
    Also was genau soll passieren?


    Er ist Arzt. Er muss das also (theoretisch) können. Gibt es Alternativen?
    Wer sagt welcher Arzt ab wann geeignet ist? Freie Entscheidung?


    Mir gehts auch nicht mal im Speziellen um den Doc sondern einfach mal um alle die theoretisch Dienst leisten müssten sich aber rausreden und das zu Lasten letztendlich von wem? Vom Rettungsdienst der desnächtens zur Bronchitis fährt.

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  • Mir ging es nur um den Tenor und den Ton. Nicht um die Alternativen. Und da fand ich Deine Aussagen nicht okay. Nicht nur gegenüber dem Kollegen, sondern auch bezüglich des kassenärztlichen Bereitschaftsdienstes.

  • Och Ani. Mit Ton und Tenor ggü. dem nichtärztlichen Personal kennst du dich ja aus, gell?


    Sollte ich aber dem kassenärztlichen Bereitschaftsdienst, dessen Dasein ich sehr schätze, oder dem Kollegen unfair oder verletztend gegenüber aufgetreten sein entschuldige ich mich ausdrücklich. Das war nicht meine Absicht... :flag_of_truce:



    Ich werde mich jetzt auch hier ausklinken.
    Irgendwie dreht sich das im Kreis und führt zu nix. :hi:

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  • Natürlich haben die Ärzte ihr grundlegendes Handwerk gelernt.
    Doch aufgrund der Spezialisierung kann es ja passieren, daß bestimmte Fertigkeiten nicht mehr tagtäglich ausgeübt werden.
    Ein HNO-Arzt wird womöglich ab und zu zur Auskultation kommen, ein Neurologe wohl weniger.
    Soweit ich es als Patient überblicke, haben sowohl Neurologen als auch HNO-Ärzte den Überblick über die Fachressourcen in ihrem Bereich.
    Der FA für Allgemeinmedizin oder der hausärztlich tätige Internist haben aber den breiteren Überblick und aufgrund ihrer ständigen Hausbesuchstätigkeit mehr Sicherheit.


    Dazu kommt, daß die Organisation von ärztl. Bereitschaftsdiensten die Form eines kunterbunten Flickenteppichs hat.
    Die RD-Gesetze der Bundesländer sind im Vgl. dazu fast einheitlich.

    raphael-wiesbaden


    Artikel 1
    (1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.


    Selig sind die geistig Armen - nur: kann der Himmel die ganzen Seligen auch wirklich aufnehmen ?

  • @Guy,


    ich glaube Du hast ein nicht zutreffendes Bild vom kassenärztlichen Notdienst und von der Tätigkeit eines Allgemeinmediziners. Die Vorstellung alle Ärzte müssten doch irgendwie den Job eines Allgemeinmediziners machen können, die trifft man ja öfters an, sie entspricht jedoch nicht der Realität. Auch Dein Bild vom KV Notdienst scheint mir sehr durch die "Retterbrille" geprägt, so nach dem Motto: na wenn es kein Notfall für die 112 ist, dann kann man da auch den Psychiater hinsetzen, der wird das schon reissen können. Gerade im KV Notdienst geht es jedoch darum bei unbekannten Patienten mit begrenzten Mitteln aus denjenigen 100 Patienten zB den einen mit Pneumonie rauszufischen, oder aus 20 Bauchschmerzen den einen mit der Appendizitis. Auch geht es darum schädliche Übertherapie (die oft aus Angst oder Unkenntnis erfolgt) zu vermeiden, zB nicht jeden Atemwegsinfekt mit Antibiotika zu versorgen (oder nicht Cipro bei der Tonsillitis aufzuschreiben), oder jeden Patienten mit Bauchschmerzen einzuweisen etc.. Auch die oft bestehende Polymedikation und Begleiterkrankungen müssen beachten werden bez. Kontrainidikationen (zB gerade bei den so gerne verordneten Schmerzmitteln Ibu, Diclo etc.).


    Ich persönlich sehe mittlerweile immer mehr Patienten mit absurdesten Therapien/Fehldiagnosen durch den KV Notdienst, ich denke auch die Krankenhauskollgenen wissen einiges zu berichten (zB dass man an der Einweisungsfrequenz die Fachrichtung des KV Dienst Kollegen erkennen kann). Natürlich kann man die Performance durch Kurse/Fortbildung verbessern, ein wesentlicher Bestandteil der ärztlichen Arbeit ist jedoch die Erfahrung und die ist durch Fortbildung eben nur marginal verbesserbar. Der Kollege hat absolut recht, ich würde mich als psychother. Kollege auch nicht in der LAge sehen den Dienst gut zu versehen.

  • Ich versteh die Sicht des Arztes, der sich selbst nicht geeignet für den kassenärztlichen Bereitschaftsdienst hält. Und ich ziehe meinen Hut für den offenen Umgang damit.
    Aber: Wenn es allgemein üblich ist, dass sich alle Ärzte, also auch Psychiater, Urologen und Gynäkologen daran beteiligen, dann muss man nach dem Erwartungshorizont der Institution fragen, die diese Regeln aufstellt. Vielleicht wird ja wirklich lediglich "nur" noch erwartet, dass man als Arzt eine Einweisung ausstellt oder den Rettungsdienst nachfordert.
    Und das sind in der Tat dann auch Dinge, die ein in der Notfall- oder Akutmedizin nicht routinierter Arzt hinbekommen sollte. Schließlich sind das Situationen, mit denen man auch in der eigenen Praxis konfrontiert werden kann.
    Das soll in keinster Weise despektierlich klingen - mir ist durchaus klar, dass für eine differenzierte Diagnostik im Ärztlichen Bereitschaftsdienst mit Blutdruckmanschette, Pupillenlampe und Thermometer jede Menge Erfahrung und Routine benötigt wird und diese halt beim eher spezialisierten Niedergelassenen nicht so ausgeprägt sein kann - wie denn auch!


    Gruß, Christian

  • Ich fahre in schöner Regelmäßigkeit abwechselnd Notdienst und KTW. Deshalb weiß ich: tätige Hausärzte "können" viel mehr vor Ort, weisen prozentual signifikant weniger ein und schöpfen dazu aus ihrem Praxisalltag: sei es, dass sie Medikamente und Diagnosen parat haben, die der Spezialist nicht kennt. Sei es, dass sie Medikamentenmuster für die gängigsten Probleme mitschleppen, um die Fahrt zur Apotheke zu sparen. Sei es, dass sie Formulare, Abrechnungsziffern und umliegende Krankenhäuser im Kopf haben. Deshalb empfinde ich die Dienstverpflichtung von Spezialisten als echten Nachteil, für die Patienten, für die betroffenen Ärzte und auch für den Kollegen vom RD.

  • Wenn ich die letzten Beiträge so lese, dann scheint dies doch ein Problem der ärztlichen Selbstverwaltung zu sein.
    Diese legt die Regeln nun einmal fest.
    Dabei können dann abstruse Regelungen stehen, wie bspw. die Benachteiligung bestimmter FA-Gruppen oder die Bevorzugung anderer bei der Vergütung.
    Aber auch die Notdienstbereitschaft ist ein derartiger Punkt.


    Das die Bevölkerung immer älter wird und der Hang der Menschen städtisch oder zumindest stadtnah zu wohnen besteht ist ja nicht erst seit gestern eine Tatsache.
    Ebenso ist durchaus bekannt, daß die Niederlassungsbereitschaft auch von Faktoren wie Freizeitwert, KITA's/Schulen für die Kinder u.a.m. abhängen kann.
    Ich möchte ja auch kein staatliches Verteilungssystem, dennoch...


    Jetzt ist das Kind in den Brunnen gefallen und alles schreit - nach dem Motto: das konnte doch keiner ahnen!
    In Ostdeutschland ist die Problematik mit der ärztlichen Grundversorgung schon jetzt in vielen Gegenden eingeschränkt.
    Die damals propagierten "blühenden Landschaften" sind heute eher entvölkert.


    Der psychotherapeutische Arzt spricht offen aus, daß er Befürchtungen hat.
    Dies ist auf jeden Fall anzuerkennen.


    Eine Frage an die Ärzte hier:
    Gibt es besondere Regelungen bzgl. Versicherungen (Behandlungsfehler usw.) bei Ärzten, die eine Hausbesuchstätigkeit haben?
    Gibt es so etwas auch für Notdienst leistende Ärzte; hier insbesondere bei Fachärzten, die dann ausserhalb ihres originären Bereichs tätig werden?

    raphael-wiesbaden


    Artikel 1
    (1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.


    Selig sind die geistig Armen - nur: kann der Himmel die ganzen Seligen auch wirklich aufnehmen ?

  • Vielleicht wird ja wirklich lediglich "nur" noch erwartet, dass man als Arzt eine Einweisung ausstellt oder den Rettungsdienst nachfordert.

    Das kann wohl nicht Sinn eines Notdienstes sein, dann könnte man da auch einen dressierten Affen hinsetzen, abgesehen von den Kosten und der Ressorcenverschwendung die das verursacht.

  • Das kann wohl nicht Sinn eines Notdienstes sein, dann könnte man da auch einen dressierten Affen hinsetzen, abgesehen von den Kosten und der Ressorcenverschwendung die das verursacht.


    Auf keinen Fall kann das der Sinn des Notdienstes sein. Aber wieviele Situationen aus dem Gesundheitssystem kennen wir, die eigentlich nicht Sinn und Zweck der Sache sind. Und wie oft entscheiden das Leute, die wirklich keine Ahnung davon haben und von Zahlen und Powerpointpräsentationen leben...


    Aber die Affen werden doch für die Leitstellen benötigt. :ironie:


    Ich weiß nicht, wie es den anderen hier geht, aber langsam geht mir das Affen-Bananen-Leitstellen-Gerede auf den Senkel!

  • Wie mir scheint, ist einigen das kassenärztliche System nicht ganz vertraut.


    Die einzelnen kassenärztlichen Vereinigungen garantieren in ihrem ambulanten Bereich, dass 24 Stunden am Tag ein Arzt in angemessener Reichweite zur Verfügung steht. Da auch Ärzten gewisse Ruhezeiten zugestanden werden, hat man eben das kassenärztliche Notfallsystem aufgebaut. An diesem nehmen alle niedergelassenen Kollegen mit Kassenzulassung teil bzw. können für den Dienst herangezogen werden.


    Wie oben schon erwähnt, entledigen sich viele Kollegen dieser Pflicht, indem sie an ihrer Stelle Honorarkräfte bezahlen.


    Die ist auch absolut sinnig, da doch die meisten Notfälle im allgemeinmedizinisichen, internistischen oder pädiatrischen Bereich passieren. Am Tag geht doch auch niemand mit Bauchschmerzen zum Augenarzt oder mit starken Halsschmerzen zum Gynäkologen.


    Wenn die Kassenärztliche Vereinigungen Probleme haben, diese Dienste zu besetzen (oder in Zukunft in der ländlichen Fläche präsent zu sein), sollten sich die verantwortlichen Personen mal Gedanken machen, grundsätzliche Probleme zu lösen.


    Alternativ können die Niedergelassenen auch ihre Kassenzulassung zurückgeben, um der Dienstpflicht zu entgehen, ob das aber hier im Forum allen gefällt, wenn sie mit ihrem Kassenkärtchen plötzlich nicht mehr so einfach zu einem (Fach)Arzt können?

  • Das kann wohl nicht Sinn eines Notdienstes sein, dann könnte man da auch einen dressierten Affen hinsetzen, abgesehen von den Kosten und der Ressorcenverschwendung die das verursacht.


    Und doch gibt es Dienste, in denen man als Rettungsmittel dem Diensthabenden munter hinterherreist. Ja, es sind Ausnahmen, diese zeigen aber das grundsätzliche -auch in diesem Artikel angesprochene- Problem auf.

    Alle sagten: "Das geht nicht!". Dann kam einer, der wusste das nicht und hat es einfach gemacht.

  • Und doch gibt es Dienste, in denen man als Rettungsmittel dem Diensthabenden munter hinterherreist. Ja, es sind Ausnahmen, diese zeigen aber das grundsätzliche -auch in diesem Artikel angesprochene- Problem auf.


    Es zeigt aber umgekehrt auch, welch guten Job der KV-Notdienst im Regelfall macht.