Verfahren gegen Notarzt und Rettungssanitäter wegen unterlassener Hilfeleistung eingestellt

  • Wie organisiert man das, damit muss ja permanent eine Person auf der Wache sein und darf gar kein eigenes Leben mehr haben?

    Land zwischen den Meeren,
    vor dem sich sogar die Bäume verneigen,
    du bist der wahre Grund,
    warum Kompassnadeln nach Norden zeigen!

  • @Schmunzel: Ich fürchte, das stimmt beides.


    Das Schöne an der Juristerei ist ja: Immer wenn Du denkst, das kann es nur im Lehrbuch geben, klingelt das Telefon, und jemand erzählt Dir einen Fall...

  • Das Schöne an der Juristerei ist ja: Immer wenn Du denkst, das kann es nur im Lehrbuch geben, klingelt das Telefon, und jemand erzählt Dir einen Fall...


    Ah, mit dem habe ich vorhin auch schon telefoniert. Der war ja im Gericht heute.
    (Falls wir den gleichen meinen.)


    J.

  • Gerade auf die Schnelle gefunden,:
    http://bos-fahrzeuge.info/wachen/3455/DRK_NEF_Lampertheim


    Super Profilneurose...


    Achja, beimDRK Lampertheim habe ich keinen der Familie H. mehr im Vorstand entdecken können

    »Wenn das deutsche Volk nur aus den tumben Idioten bestünde, die Angst vor einer Überfremdung und dem Aussterben des deutschen Volkes haben, wäre es ein Segen für die Welt, wenn ihre Ängste berechtigt wären«

  • Zitat

    Hier ein Bericht aus dem Mannheimer Morgen: https://www.morgenweb.de/mannheim/mannheim-stadt/1.1798043


    Ich habe mir diesen Artikel gerade einmal durch gelesen... :shok:


    Zitat

    "Es ist doch protokolliert, dass uns ein Notruf erreicht hat"

    Wie? Noch ein Notruf, obwohl das NEF bereits bei einem anderen Einsatz gebunden war? Selbstständig mitgehört und eingesetzt? Anfrage durch Leitstelle (auch die für den Einsatz gerade zuständige?)?

    Zitat

    Ich hätte mich geschämt, wenn ich unter diesen Umständen nicht sofort losgefahren wäre.

    Ja nee, ist klar...

    Zitat

    Ich übernehme dafür die Verantwortung", sagt der Notarzt, der dem Rettungsassistenten weisungsbefugt ist

    Aha...

    Zitat

    Sicher hätten wir uns persönlich bei dem leitenden Notarzt abmelden müssen, das war nicht ideal. Aber aus meiner Sicht war der Einsatz beendet und alle Verletzten versorgt.

    Stimmt, war doof. Merkste selber, oder? Ob das der LNA auch so sah? Wohl nicht...

    Zitat

    Ich bin so erschüttert über das alles, dass ich als Rettungsassistent aufgehört habe

    Oh mein Gott! Was ist, wenn der süsse Junge in Lampertheim nun wieder krampfen sollte? Ist das NEF jetzt nicht mehr besetzt?


    *Polemik aus*


    Man braucht noch nicht einmal dabei gewesen zu sein, um den Eindruck zu bekommen, dass meiner Meinung nicht Kompetenzgerangel das Problem war, sondern mangelhafte Disziplin. Es hat schon seinen Sinn, dass es einen Einsatzleiter, Leitenden Notarzt, OrgL, usw., gibt, oder nicht? Kadavergehorsam war vorgestern, mitdenken ist super und gewünscht, aber nein heißt nein. Das musste ich auch schon als kleiner Pups von meiner Mama lernen. Irgendjemand hat nun einmal den Hut auf (und trägt somit auch die Verantwortung). Damit tun sich viele schwer und schieben es auf Kompetenzgerangel...


    Gruß

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • Tatsächlich lag der Folgeeinsatz noch gar nicht vor, als das NEF eigenständig die Einsatzstelle verlassen hat und sich bei der Heimatleitstelle selbstständig freigemeldet hat.
    Erst, als der LNA das NEF zurückpfeifen wollte (via eigener und Nachbarleitstelle), war das NEF bereits im neuen Einsatz.


    Da stimmte so einiges nicht, aber Gericht und Presse haben sich da heute um den Finger der barmherigen Samariter wickeln lassen.


    J.

  • edit... sorry den zweiten artikel eben erst gesehn... hat sich erledigt...

  • Ganz interessante Frage übrigens: Nach § 7 Abs. 3 des Hessischen Rettungsdienstgesetzes ist nicht der Leitende Notarzt alleine weisungsbefugt, sondern die Einsatzleitung Rettungsdienst, zu der auch noch der OrgL gehört. Von daher könnte man wahrscheinlich sogar spitzfindig argumentieren, dass der LNA alleine das NEF gar nicht anweisen konnte, vor Ort zu bleiben.

  • Ganz interessante Frage übrigens: Nach § 7 Abs. 3 des Hessischen Rettungsdienstgesetzes ist nicht der Leitende Notarzt alleine weisungsbefugt, sondern die Einsatzleitung Rettungsdienst, zu der auch noch der OrgL gehört. Von daher könnte man wahrscheinlich sogar spitzfindig argumentieren, dass der LNA alleine das NEF gar nicht anweisen konnte, vor Ort zu bleiben.


    Erstens war der Einsatz nicht in Hessen, sondern in Ba-Wü, zweitens war natürlich auch ein OrgL vor Ort.

  • Was dann erstens die Frage aufwirft, nach welchem Rettungsdienstgesetz die Frage eigentlich zu beantworten ist, und zweitens, ob der OrgL mitangewiesen hat. Aber es ist natürlich eine theoretische Frage, schon klar. Die Probleme des Falles sind eher nichtjuristischer Natur.

  • Was dann erstens die Frage aufwirft, nach welchem Rettungsdienstgesetz die Frage eigentlich zu beantworten ist, und zweitens, ob der OrgL mitangewiesen hat. Aber es ist natürlich eine theoretische Frage, schon klar. Die Probleme des Falles sind eher nichtjuristischer Natur.


    Naja, angeklagt war ja eine Unterlassene Hilfeleistung. Die hat ja mit dem Rettungsdienstgesetz und der Weisungsbefugnis erst mal wenig zu tun. Fraglich war ja, ob sich die NEF-Besatzung der Begleitung eines (notarztpflichtigen) Patienten "entzogen" hat.

  • Es gilt auf Baden-Württembergischem Boden auch das Ba-Wü-RD-Gesetz.


    Wenn Du im Urlaub in Frankreich Blödsinn machst, dann wirst Du auch nach französischem Recht angeklagt und nicht nach Deutschem.


    Aber das ist ja hier gar nicht die Frage, denke ich.

  • Wenn Du im Urlaub in Frankreich Blödsinn machst, dann wirst Du auch nach französischem Recht angeklagt und nicht nach Deutschem.


    Das ist schon noch was anderes.


    Aber in der Tat ist das nicht die Frage, habe ich ja auch schon gesagt.

  • Wenn ich mich tatsächlich in meinem Rettungsmittel, gleich welcher Art, einschließe, während draußen Patienten meine Hilfe benötigen, dann habe ich definitiv ein größeres Problem. Dies mag erstaunlicherweise nicht juristischer Natur sein, aber zumindest das Selbstverständnis meines Berufs ist etwas durcheinander. Vielleicht wird es dann auch einfach Zeit, diesen Job aufzugeben.

    Land zwischen den Meeren,
    vor dem sich sogar die Bäume verneigen,
    du bist der wahre Grund,
    warum Kompassnadeln nach Norden zeigen!

  • Ganz interessante Frage übrigens: Nach § 7 Abs. 3 des Hessischen Rettungsdienstgesetzes ist nicht der Leitende Notarzt alleine weisungsbefugt, sondern die Einsatzleitung Rettungsdienst, zu der auch noch der OrgL gehört. Von daher könnte man wahrscheinlich sogar spitzfindig argumentieren, dass der LNA alleine das NEF gar nicht anweisen konnte, vor Ort zu bleiben.


    "Flüchten" ohne Abmelden geht aber auch nicht, solange der Einsatz nicht defintiv abgeschlossen ist bzw. die Einsatzleitung das NEF ausdrücklich entlässt.
    Für Hessen sind die jeweiligen Zuständigkeiten des OLRD und LNA in der Durchführungsverordnung zum HRDG beschrieben, "eigene Lage" gehört in dem Fall in den Kompetenzbereich des OLRD. Hilft in BaWü wahrscheinlich aber hier nicht weiter, da kenn ich die Vorschriftenlandschaft überhaupt nicht.
    Aber wir reden gerade doch grundsätzlich von so ner Art "Befehlsverweigerung". In Hessen ist das eine Ordnungswidrigkeit. Von daher wundert es mich, dass da einzig und allein von unterlassener Hilfeleistung gesprochen wird.
    Oder ist das wegen Tateinheit egal (für den Fall, dass BaWü einen Tatbestand für Missachtung von Anweisungen im Einsatz kennt)?

    They say God doesn't close one door without opening another.

    Please, God, open that door. :oncoming_fist_light_skin_tone:

    2 Mal editiert, zuletzt von Alrik ()

  • Aber wir reden gerade doch grundsätzlich von so ner Art "Befehlsverweigerung". In Hessen ist das eine Ordnungswidrigkeit. Von daher wundert es mich, dass da einzig und allein von unterlassener Hilfeleistung gesprochen wird.
    Oder ist das wegen Tateinheit egal (für den Fall, dass BaWü einen Tatbestand für Missachtung von Anweisungen im Einsatz kennt)?


    Vereinfacht formuliert: Wenn eine Ordnungswidrigkeit und eine Straftat zusammentreffen, dann tritt die Ordnungswidrigkeit hinter die Straftat zurück, wenn sie rechtlich denselben Sachverhalt ahnden (§ 21 Abs. 1 OWIG), es sei denn, die Straftat wird nicht geahndet. Typisch ist das bspw. bei Verkehrsverstößen, die zugleich eine Straftat verwirklichen (fahrl. Körperverletzung, fahrlässige Tötung); kann der Nachweis der Straftat nicht erfolgen oder wird von der Strafverfolgung nach einer Opportunitätsvorschrift abgesehen, wird die Sache zur Ahndung der Ordnungswidrigkeit an die Verwaltungsbehörde abgegeben. (Nur) dann lebt quasi der Vorfahtsverstoß - oder was immer auch Ursache des Unfalls war - wieder auf.


    Wenn ansonsten dieselbe Tat Ordnungswidrigkeiten und Straftaten verwirklicht, ist die Staatsanwaltschaft gemäß §§ 40, 42 Abs. 1 OWiG einheitlich für die Verfolgung auch der OWi zuständig bzw. wird diese mitübernehmen (und wird dann in der Regel von der Verfolgung der OWi absehen).


    Grüße,
    -thh

  • Wenn man das so liest scheint ja doch eine kleine Lücke zwischen Auffassung des Anklägers (bzw. auch des Anzeigenden (gibt es das Wort eigentlich?)) und des tatsächlich Geschehenen zu geben - zumindest wenn man sieht das der Richter das Verfahren nach einem halben Verhandlungstag und einem Zeugen eingestellt hat.


    Sagen wir so: der Artikel vermittelt den Eindruck, dass der Sachverhalt eher als leidiger Kompetenzstreit zwischen ärztlichen Gockeln, die sich nicht einigen konnten, eingeschätzt wurde. Es ist in der Praxis nicht ungewöhnlich, Verfahren nach § 153 StPO zu erledigen, wenn am Ende nichts (schwerwiegendes) passiert ist und der Eindruck vorherrscht, dass man die knappen Ressourcen der Justiz anderswo sinnvoller einsetzen könnte ... unabhängig von der Rechtslage. Im Grundsatz ist die Vorschrift dafür ja auch da.


    Bei dieser Entscheidung kann der Strafrichter beim Amtsgericht weitgehend eigenständig schalten und walten, solange die Angeklagten einverstanden sind, weil die Staatsanwaltschaft dort - im Gegensatz zum Landgericht und manchmal dem Schöffengericht - eigentlich nie durch den Sachbearbeiter vertreten ist, sondern da nur irgendwer sitzt (oft ein Referendar, der sich bei der StA zur Ausbildung befindet), der den Fall nicht kennt, meistens noch nicht einmal eine AKtenkopie hat und zudem natürlich auch eigene Fälle, zu denen er schneller zurück an den Schreibtisch kommt, wenn er nicht in einem subjektiv als überflüssig empfundenen Verfahren den halben oder ganzen Tag lang sieben Zeugen anhören muss ... "Verhindern" lässt sich das eigentlich nur, wenn der Sachbearbeiter den Sitzungstag selbst wahrnimmt oder dafür sorgt, dass das jemand aus der eigenen Abteilung tut oder den Sitzungsvertreter mündlich oder schriftlich - wenn auch nicht bindend - instruiert.


    Das muss hier nicht der Fall gewesen sein, aber es kann durchaus. Der Fall klingt jedenfalls so, als sei er für Empfindungen des Überdrusses ("Und damit sollen wir uns jetzt auch noch herumschlagen?!") geeignet. :pleasantry: Und man muss ja, bei Licht betrachtet, wohl auch sagen, dass das Verhalten natürlich völlig indiskutabel ist - wie auch die Organisation des "NEF-Standortes" an sich -, aber wohl nichts ernstes, noch nicht einmal eine konkrete Gefährdung, geschehen ist und der Nachweis einer Straftat gar nicht so einfach sein dürfte, von der zu erwartenden Strafe am alleruntersten Rand des Denkbaren bei dieser Begehungsweise, den Folgen und der untadeligen Führung der schon lebensalten Angeklagten einmal abgesehen.


    Ich habe den Eindruck, dass das eher ein Fall für das Eingreifen der zuständigen Aufsichtsbehörde ist als für die Strafverfolgungsbehörden. (Ich hätte nicht gedacht, dass man solche Konstrukte mit an einem Sanitätshaus stationierten NEFs - "hier fährt der Chef noch selbst" - heutzutage tatsächlich noch findet.)

  • Vereinfacht formuliert: Wenn eine Ordnungswidrigkeit und eine Straftat zusammentreffen, dann tritt die Ordnungswidrigkeit hinter die Straftat zurück, wenn sie rechtlich denselben Sachverhalt ahnden (§ 21 Abs. 1 OWIG), es sei denn, die Straftat wird nicht geahndet.


    Genau. Die Vorfrage wäre aus meiner Sicht, ob ich als "ausländisches" Rettungsmittel den OWi-Tatbestand verwirklichen kann. Da sind wir dann im Organisationsrecht angekommen; ich hatte oben schon darauf angespielt. Rettungsmittel sind Teil der Verwaltungsstruktur ihres jeweiligen Bundeslandes, und sie werden nicht automatisch Teil einer anderen, wenn sie über die Landesgrenze fahren. Deshalb stellt sich auch die Frage, ob eventuelle Weisungsrechte gegenüber Rettungsmitteln aus anderen Bundesländern gelten. Müsste man mal aufbohren.

  • Sagen wir so: der Artikel vermittelt den Eindruck, dass der Sachverhalt eher als leidiger Kompetenzstreit zwischen ärztlichen Gockeln, die sich nicht einigen konnten, eingeschätzt wurde.


    Natürlich eine abwegige Vermutung!