Bizarrer Rat vom Rettungsdienst - Kamillentee statt Krankenhaus

  • klar. natürlich hast du recht. formal hat die zeitung ihre pflicht erfüllt. aber als journalist würde ich eben auch das ergebnis der stellungnahme prüfen und hier eben zu dem schluss kommen, dass auch derjenige, der sich von der gegenpartei geäußert hat, eben keine kenntnis aus erster hand hat.


    Das ergibt sich aber doch aus dem Beitrag.


    Man sollte sich davor hüten, übersteigerte Anforderungen an die Presseberichterstattung zu stellen, die - auch unter Aktualitätsgesichtspunkten - nicht erfüllt werden können. Gerade weil Berichterstattung in der Presse oft nicht den an sie zu stellenden Ansprüchen genügt, sollte man auch anerkennen, wenn sie das einmal tut.


    Der Beitrag stellt zunächst die Sicht der einen Seite dar, dann die Sicht der anderen, aus der sich ergibt, was der Disponent gedacht und veranlasst hat, dass dies als korrekt beurteilt wird und dass die eingesetzten Rettungskräfte vor Ort noch angehört werden müssen. Wenn (!) die Darstellung zutrifft, dann wäre deren Verhalten so nicht akzeptabel - das halte ich im übrigen für konsensfähig. Zudem wird Kritik an der fachlichen Qualifikation zurückgewiesen.


    Das ist m.E. eine völlig korrekte Darstellung des derzeitigen Sach- und Kenntnisstands.


    viel eher wäre es fair, zu warten, bis die gegenpartei die beschuldigten tatsächlich angehört und sich daraus ein bild der situation gemacht hat. sonst kann ja außer gemeinplätzen nichts dabei herauskommen.


    Wieso? Die richtige Darstellung "Notarzt != vertragsärztlicher Bereitschaftsdienst", "korrektes Handeln des Disponenten", "häufig hohes Anspruchsdenken" ist doch bereits enthalten.


    und ich hätte als journalist eben auch bauchschmerzen, wenn ich genau wüsste, dass da jetzt zwei rettungsassistenten auch deshalb öffentlich in die pfanne gehauen werden, weil deren organisation eine wichtige chance zu einer adäquaten stellungnahme verpasst hat. es ist nicht fair, wenn solche konflikte aufgrund schlechter pressearbeit auf dem rücken der mitarbeiterInnen ausgetragen werden.


    Die Mitarbeiter sind aber doch nun gar nicht (namentlich) bekannt.


    ich erwarte von ernstzunehmendem journalismus wesentlich mehr. er sollte vor allem der wahrheit verpflichtet sein - der materiellen wahrheit und nicht der formalen.


    Im Rahmen des möglichen und zu erwartenden, ja. Keine Zeitung kann jeden einzelnen Beitrag wochenlang ausrecherchieren.


    man darf aber auch nicht vergessen, dass man dort zwei richtige personen mit menschenrechten und so öffentlich der lächerlichkeit preisgibt.


    Das tut man schon deshalb nicht, weil dort keine konkreten Personen benannt werden.


    außerdem lässt der artikel doch auch wesentliche objektive fragen offen, die für eine fundierte beurteilung wesentlich sind, wie zB die, wieviel zeit durch das unangemessene verhalten tatsächlich vergeudet wurde.


    Das stand wohl nicht im Fokus der Berichterstattung, die sich vor allem darauf konzentrierte, *dass* nach der Darstellung des Patienten überhaupt eine - retrospektiv ernsthafte - Erkrankung nicht als solche erkannt wurde, stattdessen unpassende Ratschläge in vulgärem Ton erteilt und ihm durch eine "Bauchmassage" Schmerzen zugefügt wurden sowie ein Transport nur aufgrund energischen Auftretens erfolgte. Es erscheint mir durchaus legitim, auf diesen Sachverhalt als solchen das Gewicht zu legen und nicht darauf, ob der Transport sich letztendlich um 5, 10 oder 30 Minuten verzögerte.


    es kann ja sein, dass BEIDE neben dem bett standen und dumme sprüche gemacht haben - oder dass es nur EINER war, während der andere das tragetuch geholt hat. diese information ist für einen wertvollen artikel einfach unabdingbar. das wäre bei einer rechtlichen beurteilung ja auch nicht anders. wenn sich aus den unadäquaten hinweisen keinerlei zeitverzögerung ergeben hat, ist der ganze vorgang strafrechtlich unerheblich, da die dummen sprüche kaum strafbar sein dürften - wenn doch, könnte man diverse unterlassungsdelikte prüfen. das kann einem journalisten doch nicht egal sein.


    Aus dem Artikel - der insoweit zunächst nur die Darstellung einer Seite wiedergibt - kann kaum der eine den Transport vorbereitet haben, weil ein solcher nur auf mehrfaches Drängen überhaupt zustandegekommen sein soll. Auch ist nicht nur strafrechtlich bedeutsames Handeln berichtenswert; und aus strafrechtlicher Sicht kann bereits die behauptete, nicht indizierte "Bauchmassage" sich als fahrlässige Körperverletzung darstellen.


    Dass der Sachverhalt weiterer Aufklärung bedarf, finde ich übrigens auch.

  • die diskussion ist wertvoll und interessant, wie ich finde. ich kann deine position nachvollziehen und bin dennoch nicht davon überzeugt.



    oh, oh.

    Einmal editiert, zuletzt von res cogitans ()

  • Ohne jetzt die wenig fruchtbare Diskussion von vorne beginnen zu wollen, möchte ich kurz klar machen, warum mir der Artikel massiv gegen den Strich geht.


    1. Der Artikel gibt einer Partei die Möglichkeit, ihre Sicht der Dinge bis ins kleinste Detail darzulegen, der anderen wird dies verwehrt. Dadurch werden
    2. die "Sanitäter" als unfähig und sozial vollkommen inkompetent dargestellt. Damit werden sie in ihrem Alltag auf jeden Fall konfrontiert werden, da zumindest intern schnell klar sein dürfte, wer die Betreffenden sind.
    3. Handelte es sich um einen Einsatz, der eben nicht zwingend eine absolute Rettungsdienstindikation darstellt. Daher würde ich es RDlern nachsehen, wenn der Einsatz weniger flüssig lief (Spekulation, vlt. lief er auch super!), als eine Reanimation oder ein schweres Trauma.
    4. Glaube ich immer noch nicht, dass der Patient so fürchterliche Schmerzen hatte, wie hier angenommen wurde und ihm eine Analgesie verweigert wurde, weil das a) drei RDlern nicht aufgefallen sein müsste und es b) mit keinem Wort im Artikel erwähnt wird.
    5. Hat der Patient mit der selben Erkrankung stundenlang abgewartet. Ich persönlich würde nicht auf die Idee kommen, nach Stunden in denen es nicht nötig war zum Arzt/Krankenhaus zu gehen, den Rettungsdienst zu rufen. Dazu scheint es aber verschiedene Meinungen zu geben, was ich auch respektiere.
    6. Hat der Patient keinerlei Schaden davon getragen, deswegen sehe ich es als wichtiger an, sein Augenmerk auf die Einsätze zu legen, in denen gute rettungsdienstliche Arbeit wirklich einen Unterschied macht.
    Und 7., aber das ist nun wirklich meine ganz private Meinung und Erfahrung: Wer sich mit Foto in die Zeitung setzen lässt um über sein Leid zu informieren, der gehört wahrscheinlich einer speziellen Gruppe Mensch an. Wie gesagt, meine Meinung!


    Übrigens möchte ich dir bei deinem letzten, ganz allgemeinen Absatz ganz allgemein und vollkommen zustimmen ;). Natürlich sollte JEDER Einsatz, ob langweilig oder spannend, ob indiziert oder Schwachsinn, ob morgens um 10 oder nachts um 4 professionell laufen!

  • Ich kürze das mal radikal, wir sind uns ja im wesentlichen einig, wo wir abweichender Auffassung sind.


    die diskussion ist wertvoll und interessant, wie ich finde. ich kann deine position nachvollziehen und bin dennoch nicht davon überzeugt.


    Das geht mir genauso. :-)



    online:


    da ich nicht glaube, dass der patient seine beschwerde am tag der OP verfasst hat (zumal er ja in der klinik noch "stunden" darauf gewartet hat), hat die zeitung dem DRK stuttgart also maximal drei werktage gegeben, wovon noch die versandzeiten abgezogen werden müssen.


    Ja. Das liegt völlig im Rahmen, so weit ich weiß. Und "Versandzeiten" gibt's im Zeitalter von Telefon und E-Mail nicht mehr so wirklich ...


    erstens würde es mich nicht überraschen, wenn sich die "bauchmassage" als erhebung eines palpationsbefundes herausstellt,


    Stimmt. Eine gute Idee - so weit hatte ich (trotz einiger Übung, Schilderungen aus der Laiensphäre in den anzunehmenden medizinischen Sachverhalt zu übersetzen) noch gar nicht gedacht.


    und zweitens muss man der besatzung auch eine gewisse zeit zur entscheidungsfindung zugestehen. selbst wenn ich bei einem einsatz merke, dass ich so schnell wie möglich trabsportieren muss, um den tod des patienten abzuwenden, brauche ich doch immerhin etwas zeit, um zu dieser ansicht zu gelangen.


    Fraglos.


    und der artikel geht in keiner weise darauf ein, wie lange sich das spiel hingezogen hat. deshalb empfinde ich auch das nicht-vorliegen eineer zeitlichen rekonstruktion als eklatanten mangel.


    Ich vermute, man hat keine festen Zeiten gehabt und konnte oder wollte sie sich nicht besorgen ... Der Tenor "Patient wird nicht ernstgenommen" kommt ja auch so rüber.


    schließlich darf man auch nicht vergessen, dass sowohl der patient als auch die ehefrau schon zum zeitpunkt des anrufes beschlossen hatten, in die klinik zu fahren. wenn ich dann als rettass auch nur eine minute "diskutiere", bevor's losgeht, wird das oft schon als trödelei empfunden, ohne es auch wirklich zu sein.


    Allerdings. Zudem liegen Zeitschätzungen in solchen Fällen regelmäßig erheblich daneben. Man kennt das ja: wenn man auf etwas wartet, werden aus Minuten Stunden, umso mehr in solchen Situationen. Darauf darf man nicht allzuviel geben; der zeitliche Verlauf lässt sich zudem in der Regel zumindest im groben ganz gut rekonstruieren.

  • Und dass da Steine drin sind ist wohl auch eher die Regel als die Ausnahme :) Nur meistens machts halt keine Probleme :)


    Entwickle doch mal ne Gallenblasenerhaltende Op Technik :)

  • Entwickle doch mal ne Gallenblasenerhaltende Op Technik


    Wurde in den Achtziger Jahren noch so praktiziert. Die Gallenblase wurde eröffnet und nur die Steine entfernt. Das Verfahren hat sich aber aufgrund der hohen Rezidivrate nicht bewährt.

  • Das ist ja gar nicht mein Bereich. Ich würde höchstens eine Technick entwicklen, mit der nachts ohne Anästhesie operiert werden kann :-]


    Pass' bloß auf, am Ende sägt tatsächlich noch jemand an deinem Stuhl. :-D

  • Zitat

    Das Rote Kreuz in Stuttgart hat sich jetzt schriftlich bei Bossert gemeldet. „In der Zwischenzeit konnten wir den Sachverhalt prüfen und wir haben allen Grund, uns bei Ihnen in aller Form zu entschuldigen“, heißt es in der E-Mail von Kreisgeschäftsführer Frieder Frischling. Sowohl der Umgangston als auch die mangelnde Kommunikation über die getroffenen Maßnahmen seien „nicht akzeptabel“ gewesen.


    Quelle und ausführlicher Text: http://www.stuttgarter-nachric…bc-85a8-a61154865e50.html


    Weiterer Artikel zum Thema: http://www.stuttgarter-nachric…c9-8527-6482a628e8e1.html

    Knüpfe dich nicht an Geringes, es zieht dich ab und hinab, fügt dir Geringeres zu.

  • Zitat

    „Wir werden den Vorgang in angemessener Weise aufarbeiten und der Mitarbeiter wird sich für dieses Verhalten zu verantworten haben“, heißt es in der E-Mail des Kreisgeschäftsführers Frieder Frischling.

    Ganz toll!

    Zitat

    „Wir haben hier ein System mit seinen Beschäftigten, das bereits im roten Bereich des Drehzahlmessers läuft“, sagt ein Rettungsdienstmitarbeiter. Daran sei zum einen der ständig wachsende Druck auf die Angestellten schuld. Zum anderen aber auch manche Patienten selbst.

    aber das dürfte den Herrn Frischling aber wohl kaum interessieren.


    Übertragen auf das BRK: Dort steht folgendes Motto für den Rettungsdienst: Wir sind ein Dienstleister, der Patient ist Kunde und der Kunde ist König!


    Danke, keine weiteren Kommentierungen.

  • Was ist denn daran falsch, dass der DRK-Chef sagt, dass er den Vorfall aufarbeiten möchte und das sich dann - in logischer Konsequenz - die Mitarbeiter für ein Fehlverhalten verantworten müssen?

    The reason I talk to myself is because I’m the only one whose answers I accept. George Carlin

  • Was ist denn daran falsch, dass der DRK-Chef sagt, dass er den Vorfall aufarbeiten möchte und das sich dann - in logischer Konsequenz - die Mitarbeiter für ein Fehlverhalten verantworten müssen?


    Nichts. Es widerspricht höchstens dem Korpsgeist.


    Interessant ist natürlich die Art der Aufarbeitung und Konsequenz. Ich könnte mir zum Beispiel als sinnvoll vorstellen, dass der betroffene Betrieb seinen Mitarbeitern eine Fortbildung zum Thema Kommunikation anbietet und die betroffenen Mitarbeiter zur Teilnahme verpflichtet.
    Weniger konstruktiv wäre hingegen eine schnöde Abmahnung.

  • Das fände ich gut Jörg, sowas wäre wirklich konstruktiv, aber solche Fortbildungen kosten dem Kreuz ja Geld, daher befürchte ich.....


    Anhand des Berichtes wage ich zudem mal die Behauptung aufzustellen, das der Patient durchaus auch selbstständig hätte ins Krankenhaus gehen können. Zum Zeitpunkt während der Anwesenheit des Rettungsdienstes lag zumindest keine reale vitale Bedrohung vor.

  • Anhand des Berichtes wage ich zudem mal die Behauptung aufzustellen, das der Patient durchaus auch selbstständig hätte ins Krankenhaus gehen können. Zum Zeitpunkt während der Anwesenheit des Rettungsdienstes lag zumindest keine reale vitale Bedrohung vor.


    Ach, in diese Richtung ist eine "Fern-Verurteilung" anhand von Presseinformationen also zulässig?

  • ....es ist keine Verurteilung, sondern eine ganz persönliche Meinung, die ich in täglichen Einsätzen selber erlebe, das viele Menschen mittlerweile unfähig sind, selbstständig und vernünftig auf Unvorhergesehenes (wie auch Erkrankungen) zu reagieren.

  • ....es ist keine Verurteilung, sondern eine ganz persönliche Meinung, die ich in täglichen Einsätzen selber erlebe, das viele Menschen mittlerweile unfähig sind, selbstständig und vernünftig auf Unvorhergesehenes (wie auch Erkrankungen) zu reagieren.


    Es gibt aber doch einen kleinen Unterschied zwischen dieser allgemeinen Feststellung und der konkreten Behauptung, dass dieser eine bestimmte Patient nicht bedrohlich erkrankt war und daher selbst hätte ins Krankenhaus fahren können.
    Das sollte man schon auseinanderhalten können, finde ich.

  • Ich war nicht bei dem Einsatz dabei und es hat immer zwei Seiten und wahrscheinlich noch mehr Ansichten zu diesem Fall.
    Letztendlich hat der Patient wegen den Beschwerden von seiner Cholelithiasis angerufen. Das die Beschwerden nicht durch Kamillentee zu bessern sind, sollte jedem Rettungsdienstmitarbeiter bekannt sein. Bester Beweis ist ja wohl dann auch die Cholezystektomie im Spital.


    Ich verstehe nicht, dass wenn der Rettungsdienst eh schon aufgeboten wurde und der Patient diese Symptome beschreibt oder sich durch die Symptome und eine fokussierte Anamnese und Untersuchung ein solcher Verdacht ergibt, warum man diesen Patient nicht einpackt und mit ins Spital nimmt. Er ist nicht beschwerdefrei und man bricht sich keinen grossen Ast aus der Krone den Patienten zu hospitalisieren. Wenn die Anamnese sauber gemacht würde, hätte man seine abdominal Schmerzen ja evaluieren können und wäre so auch auf eine Arbeitsdiagnose gekommen. Man kann doch froh sein, dass der Patient nicht einen kolikartigen Schmerz der Skala 8-10 angibt und man dort noch gezwungen wäre den Notarzt aufzubieten.


    Wie gesagt, ich war nicht bei diesem Einsatz dabei und kann natürlich nur auf Vermutungsbasis kommentieren.

  • Das was ich geschrieben haben, die Unfähigkeit der Menschen selbstständig und vernünftig auf Ereignisse zu reagieren deckt sich doch schon sehr stark mit dem hier beschriebenen Fall. Das schlimme ist, das man diesen Menschen es noch nicht mal sagen darf, weil sie dann beleidigt sind und über den bösen Rettungsdienstler sich beschweren. Natürlich gehört der Patient ins Krankenhaus, die Frage ist aber doch, ob er es hätte selber schaffen können oder nicht? Zum einen wurde der Patient vom RTW ins Krankhenhaus gebracht, zum anderen kann man anhand des Zeitungsartikel daraus schließen, das er es auch selber geschafft hätte.


    Letztendlich kann man anhand des Zeitungsberichtes sagen, das sich die Rettungsdienstler gem. der heutigen Vorstellung der breiten Maße der Bevölkerung nicht gut verhalten haben, (vielleicht hätten sie anstatt kacken lieber Stuhlgang gesagt) wiederum das Ergebnis für den Patienten dasselbe geblieben wäre, unerheblich welches Beförderungsmittel (RTW/ PKW, Taxi) er gewählt hätte. Da fällt mir nur ein: Hauptsache ICH! - die anderen gehen mir am A... vorbei, da ist es egal ob sie wirklich vital gefährdet sind und sie wegen persönlicher Unfähigkeit halt länger auf Hilfe warten müssen. Immerhin zahl ich doch Krankenkassenbeiträge, gelle.