Kanzlei Spengler & Kollegen: "Bufdi/FSJ im Rettungsdienst nicht arbeitsmarktneutral"

  • Ich habe zunehmend den Eindruck dass hier die wenigsten verstanden haben worauf genau sich dieses Urteil bezieht....

    "...Was Sie brauchen haben Sie und was Sie nicht haben brauchen Sie auch nicht.."

  • D.h., du lehnst FSJler und Bufdis kategorisch im RD ab? Auch wenn beispielsweise vorher eine "Ausbildung" zum Rettungssanitäter absolviert wurde?


    Schon mal gut zu hören. Mich irritiert dieses Urteil hinsichtlich des kommenden FSJs sehr.


    Nach diesem Urteil darf bzw. muss nun der Betriebsrat eine Beschäftigung eines FSJler verweigern wen selbiger in einem regulären Schichtdienst im Krankentransport oder der Notfallrettung eingesetzt wird, da man dann nicht mehr von der zwingend gebotenen Arbeitsmarktneutraliät ausgehen kann da dieser Dienst im Regelfall von einer Hauptberuflichen Kraft ausgeübt werden müsste. Anders ausgedrückt: lehnt ein BR die Beschäftigung eines Freiwilligen unter diesen Bedingungen wiederholt nicht ab, könnte er sich der Untätigkeit schuldig machen da er die Interessen hauptberuflicher Mitarbeiter vorrangig wahren muss.
    Rechtsprechung: Die Einstellung eines Bundesfreiwilligendienstleistenden im Rahmen des BFDG stellt eine personelle Maßnahme im Sinne des § 99 BetrVG dar.
    ArbG Ulm · Beschluss vom 18. Juli 2012 · Az. 7 BV 10/11

    "...Was Sie brauchen haben Sie und was Sie nicht haben brauchen Sie auch nicht.."

  • Wenn dieses Urteil in letzter Konsequenz durchgezogen wird, gibt es keine einzige BFD/FSJ Stelle mehr hin Deutschland. Wer leistet sich denn für 15.000 ? im Jahr einen Mitarbeiter, der eigentlich ein ganzjähriger Praktikant ist?



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  • Dieses Konstrukt ist seit der Einführung des Zivildienstes bekannt und wird seither toleriert.
    Ob man den Mitarbeiter nun ZDL, Bufdi oder FSJ nennt, ist unerheblich.


    :ironie: Das nennt man dann Gewohnheitsrecht.

  • Zitat


    Rechtsprechung: Die Einstellung eines Bundesfreiwilligendienstleistenden im Rahmen des BFDG stellt eine personelle Maßnahme im Sinne des § 99 BetrVG dar.
    ArbG Ulm · Beschluss vom 18. Juli 2012 · Az. 7 BV 10/11


    Diese Rechtsprechung ist nicht neu und wenn man ein wenig "buddelt", findet man ähnliche Entscheidungen sogar auf Ehrenamtliche bezogen.


    Zitat

    Nach diesem Urteil darf bzw. muss nun der Betriebsrat eine Beschäftigung eines FSJler verweigern wen selbiger in einem regulären Schichtdienst im Krankentransport oder der Notfallrettung eingesetzt wird, da man dann nicht mehr von der zwingend gebotenen Arbeitsmarktneutraliät ausgehen kann da dieser Dienst im Regelfall von einer Hauptberuflichen Kraft ausgeübt werden müsste.


    Der BR darf das (unter Umständen), "müssen" muss er wenig bis nichts. Insbesondere kann ein BR natürlich auch zu der Einschätzung gelangen, dass ein Einsatz von FSJ´lern/BuFDis im betrieblichen Interessen liegt. Dazu ist freilich eine Gesamtbewertung im Einzelfall erforderlich.


    Der Volltext der Entscheidung findet sich im übrigen hier. Das erfordert aber etwas mehr Leseaufwand, als die Pressemitteilung/ das Facebook-Posting.

  • Ich habe das alles gelesen und habe für mich mitgenommen, dass der Einsatz von FSJ/BufDi nicht arbeitsmarktneutral ist und somit der BR eine Einstellung ablehnen darf.


    Bedeutet dies nun aber, dass grundsätzlich keine FSJ/BufDi mehr als RS/RH eingesetzt werden dürfen sondern nur noch als 3.?

  • Ich habe das alles gelesen und habe für mich mitgenommen, dass der Einsatz von FSJ/BufDi nicht arbeitsmarktneutral ist und somit der BR eine Einstellung ablehnen darf.


    Bedeutet dies nun aber, dass grundsätzlich keine FSJ/BufDi mehr als RS/RH eingesetzt werden dürfen sondern nur noch als 3.?


    Das Soz. Ministerium hat ja da einige Regelungen dazu erlassen und akzeptiert in einem beschränkten Umfang den/die FSJ/Bufdi´s als 2. im KTW. Aber ein komplettes KTW/RTW Geschäftsmodell damit zu organisieren wie es wohl leider immer noch (vereinzelt) stattfindet, das sollte durch diese Urteile unterbunden werden. Am meisten Charme hat der FSJ usw. für mich bei solchen Dingen wie ein Wünschewagen oder vergleichbare Einrichtungen die es ohne freiwilliges Engagement nicht geben würde. Der Betriebsrat kommt meiner Meinung nach dann in Zugzwang wenn Mitarbeiter eines Betriebes z.B. wiederholt etwa durch eine Mitarbeiterbeschwerde gem § 85 BetrVerG sich über den missbräuchlichen Einsatz von FSJlern und die Benachteiligung von Vollzeitkräften beklagen. Ob das aber eine grobe Pflichtverletzung darstellen würde wenn der BR nichts diesbezüglich unternimmt glaube ich momentan doch eher nicht.

    "...Was Sie brauchen haben Sie und was Sie nicht haben brauchen Sie auch nicht.."

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  • Aber auch der beschränkte Einsatz von Freiwilligen ist nicht Arbeitsplatzneutral - egal was ein Ministerium sagt (btw müssten auch den RD betreffende Maßnahmen aus dem Innenministerium kommen).

  • Zitat

    Aber auch der beschränkte Einsatz von Freiwilligen ist nicht Arbeitsplatzneutral - egal was ein Ministerium sagt (btw müssten auch den RD betreffende Maßnahmen aus dem Innenministerium kommen).


    Für das FSJ ist aber das Sozialministerium zuständig auch was die Einsatzorte anbelangt... Das Innenministerium interessiert sich natürlich nur für die Qualifikation des Personals das eingesetzt wird. Ob das ein FSJ RS zusammen mit einem ehrenamtl. Notfallsanitäter ist, ist denen schnuppe. Zurecht auch wie ich finde solange im RD Gesetz ohnehin kaum Konsequenzen fixiert sind bei Missachtung dessen.

    "...Was Sie brauchen haben Sie und was Sie nicht haben brauchen Sie auch nicht.."

  • Ok, gut. Trotzdem ist nach diesem Urteil, und daher auch die Frage ob ich es richtig verstanden habe, KEIN Einsatz von Freiwilligen als normales Besatzungsmitglied möglich.

  • Zitat

    Ok, gut. Trotzdem ist nach diesem Urteil, und daher auch die Frage ob ich es richtig verstanden habe, KEIN Einsatz von Freiwilligen als normales Besatzungsmitglied möglich.


    So richtig. Der Erlass des Soz. Ministeriums BaWü sieht eben diese Arbeitsmarktneutralität vor.

    "...Was Sie brauchen haben Sie und was Sie nicht haben brauchen Sie auch nicht.."

  • Ein ehemaliger von mir sehr geschätzter Kollege hätte mit Sicherheit von einer Entlastung durch einen FSJler, o.ä. profitiert.
    Der Kollege ist heute 60 Jahre alt und "dient" dem Rettungswesen seit mehr als 30 Jahren.
    Die hohe Wochenarbeitszeit und die Fahrzeugauslastung ist für den Kollegen ungemein anstrengend.


    Natürlich ist das nur eine Spinnerei, aber wenn man die Einstellung von FSJlern mit einer Art Altersmanegement kombinieren würde, könnten beide Seiten gewinnen. Man stelle sich vor, dass ein FSJler zusätzlich zu einem Altkollegen eingestellt werden könnte. Dann wird ein Tätigkeitskatalog definiert, der explizit nicht den Einsatzdienst umfasst. Dies kann von Abrechnungstätigkeiten, über Hausmeisteraufgaben oder das Lager bis hin zum "Küchendienst" reichen. Diese Aufgaben würden sich der Altkollege und der FSJler teilen, dafür würde der FSJler zwei Schichten des betreffenden Kollegen übernehmen, der somit immer mal aus dem "Heben, Tragen, Anstrengen"-Modus evakuiert werden könnte. Eine Art Altersteilzeit vom Fahrdienst.
    Der Gedanke setzt natürlich voraus, das der Altkollege das auch will. Aber wenn ich so an meinen ehemaligen Kollegen denke, kann ich mir gut vorstellen, dass er gerne Zeit für die Wacheninfrastruktur aufbringen würde, um ein oder zwei Tage in der Woche nicht auf dem RTW sitzen zu müssen...


    Natürlich kostet das Geld. Vermutlich könnte man hier aber zwei betriebswirtschaftliche Fliegen mit einer Klappe schlagen. Es würde aktiv Nachwuchs rekrutiert werden und die Krankheitstage für die Altkollegen könnten unter Umständen gesenkt werden.
    Das Ganze wäre zudem Arbeitsmarktneutral, weil es explizit ein "On-Top"-Arrangement wäre...

  • Oder man setzt nur Personal ein, welches dazu in der Lage ist. Und schafft alternative Posten für Personal, welches nicht mehr aktiv in der Notfallrettung tätig sein kann / will. Das geht auch ohne FSJ.

    Under pressure, you don't rise to the occasion. You sink to your level of training.