[LK Vorpommern-Greifswald] Projekt zur Notfallversorgung setzt auf Telemedizin

  • ich wollte auch gar nicht auf die grundsatzfrage hinaus sonder nur beschreiben, wie es in der telemedizin in aachen läuft (wir haben hier auch noch einen anderen user der eigentlich nur mitliest, vll mag der ja auch was dazu schreiben).


    runtergebrochen stimmt es schon, dass man am ende des tages gefühlt weniger qualifikation braucht da die therapie ja vom TNA vorgegeben wird. nichtsdestotrotz wird der patient in der regel durch das rettungsdienstpersonal voruntersucht und alle infos erhoben und erst dann der TNA konsultiert. dadurch verkürzt sich die konsultationszeit (es haben immerhin ca. ein dutzend autos die möglichkeit diesen einen TNA zu konsultieren, bei banalen einsätzen schafft er es 3 einsätze parallel zu bearbeiten).
    sinn und zweck des TNA war es unter anderem ja, ein system zu entwickeln, welches in gebieten mit schlechter notärztlicher abdeckung eine ärztliche therapie trotzdem an den patienten zu bringen. das das keine intubation sein wird, ist logisch (und es ist übrigens auch gar nciht sooo selten das der TNA ein NEF zum einsatz schickt weil die anlage eines venösen zugangs nicht gelingen will). letzlich finde ich es relativ unerheblich ob eine SOP auf einem blatt papier steht die ich stumpf abarbeite oder ob ich einen patienten untersuche und diesen einem TNA quasi "vorstelle" und dann seinen therapiewunsch entspreche. zumal ich eine noch höhere (rechts-)sicherheit habe, wenn ich einen TNA konsultiere.


    aber ich will hier weiss gott keine diskussion entfachen. wer mehr infos über das system haben möchte kann gerne fragen... :hallo:

    "The end and aim of all medical practice is prevention; and, failing that, cure; and, failing that, amelioration." (J.W. Ballantyne, 1902)

  • runtergebrochen stimmt es schon, dass man am ende des tages gefühlt weniger qualifikation braucht da die therapie ja vom TNA vorgegeben wird. nichtsdestotrotz wird der patient in der regel durch das rettungsdienstpersonal voruntersucht und alle infos erhoben und erst dann der TNA konsultiert. dadurch verkürzt sich die konsultationszeit (es haben immerhin ca. ein dutzend autos die möglichkeit diesen einen TNA zu konsultieren, bei banalen einsätzen schafft er es 3 einsätze parallel zu bearbeiten).
    sinn und zweck des TNA war es unter anderem ja, ein system zu entwickeln, welches in gebieten mit schlechter notärztlicher abdeckung eine ärztliche therapie trotzdem an den patienten zu bringen.

    Das halte ich aber tatsächlich für eher wenig sinnig. Wenn jeder therapeutische Schritt abgeklärt werden muss, dann würden ein Team bestehend aus 2 Personen genügen, die ein paar manuell-diagnostische Fähigkeiten wie Blutdruckmessen, EKG-Anlegen, Auskultieren etc. mitbringen, alles andere würde der TNA entscheiden. Ein SanH wäre dafür ausreichend. Übrigens ist auch die Untersuchung prinzipiell eine ärztliche Tätigkeit. Konsequenterweise dürfte diese dann auch nicht in der Form stattfinden.


    Ich würde mir auch wirklich schwer tun, aufgrund von Zurufen therapeutische Maßnahmen zu delegieren. Es ist eben doch etwas anderes, selbst in der Situation zu sein, als nur telefonisch Informationen zu erhalten. Und ich kann v.a. in relativ kurzer Zeit auch nicht alles relevante rückfragen. Das selbe Phänomen sieht man doch bei schlecht dargestellten Fallbeispielen, wo oftmals Dinge vergessen werden, weil man sie optisch/ akustisch/ "manuell" etc. nicht auf dem Schirm hat (z.B. den Wärmerhalt bei strengem Winter, weil das Fallspiel in einem überhitzten Raum stattfindet, luxiertes Gelenk o.Ä.).


    letzlich finde ich es relativ unerheblich ob eine SOP auf einem blatt papier steht die ich stumpf abarbeite oder ob ich einen patienten untersuche und diesen einem TNA quasi "vorstelle" und dann seinen therapiewunsch entspreche. zumal ich eine noch höhere (rechts-)sicherheit habe, wenn ich einen TNA konsultiere.

    Es ist aber ein Unterschied, ob ich eine allgemeine SOP anwende oder ob ich einen konkreten Patienten behandle. Außerdem wird der Patient eben nicht real vorgestellt, sondern es werden lediglich Befunde mitgeteilt. Die Rechtssicherheit ist auch schnell dahin, wenn aufgrund falsch erhobener Befunde dann fehlerhafte Therapien eingeleitet werden.

  • Ich denke wir brauchen ihn sogar grade dann dringender. Denn es wird immer die "Zebras" geben die du nicht jeden Tag siehst /oder sogar zum ersten Mal. Es wird immer die Situationen geben in denen du (und ggf. auch ein regulärer NA) mit deinem Latein am Ende bist.
    Es ist imho vermessen zu glauben, dass wir alle "Background skills" immer und jederzeit abrufen können. Im englischsprachigen Raum, insbesondere in OZ, macht man sich hierzu grade unter dem Thema "skill exposure" eine Menge Gedanken darum. Grade in ländlicheren Gebieten mit geringen Einsatzfrequenzen wirst du einen "ROSC ohne NA" vielleicht nur alle 5 Jahre mal erleben, eine Kindereanimation alle 10 Jahre, bestimmte kardiologische Bilder vielleicht sogar nie. Dann dieses Wissen punktgenau abrufen zu können ist zwar am Papier schön denkbar, praktisch aber schlichtweg oft einfach aufgrund des "Faktor Mensch" nicht machbar.


    In der "ozeanischen" Welt gibt es hierfür die "Clinical Support Paramedics" (ROC21 kann hierzu mehr sagen - er war mal einer), diese übernehmen neben Recherchefunktionen (Giftnotruf, "lebendes Lexikon/lebendes Google") auch den Link zu einer Menge Fachärzten. Ich bin tatsächlich mehr als ein Mal am Ende meines Lateins (und meiner SOPs) gestanden - einfach weil Patienten oftmals mittlerweile dermaßen multimorbide sind, dass du gerne mal grade die Kombination eben noch nicht erlebt hast - oder du dir einfach generell unsicher bist und grade noch mal jemanden haben möchtest mit dem du das durchsprichst. (Beispiele waren z.B. der Patient bei dem -bei entsprechender Vorgeschichte- ALLE Kombinationen an Analgesie die uns einfielen nicht wirksam waren. Oder der Riese - 230kg, 2.15- mit Insulin-Suizid; das Kleinkind mit der komplexen Vergiftung).
    Hier etwas in der Hinterhand zu haben ist essentiell, grade auch wenn du betrachtest das es mittlerweile genug Gegenden gibt in denen du 30+X Minuten auf den NA wartest wenn "dein Standort" nicht da ist.


    (Übrigens wurde ich damals in .ch eigentlich vom Konzept der Telemedizin überzeugt - wir haben das im kleineren durchaus mit den aufnehmenden Spitälern gelebt)

  • Ich denke wir brauchen ihn sogar grade dann dringender. Denn es wird immer die "Zebras" geben die du nicht jeden Tag siehst /oder sogar zum ersten Mal. Es wird immer die Situationen geben in denen du (und ggf. auch ein regulärer NA) mit deinem Latein am Ende bist.
    Es ist imho vermessen zu glauben, dass wir alle "Background skills" immer und jederzeit abrufen können. Im englischsprachigen Raum, insbesondere in OZ, macht man sich hierzu grade unter dem Thema "skill exposure" eine Menge Gedanken darum. Grade in ländlicheren Gebieten mit geringen Einsatzfrequenzen wirst du einen "ROSC ohne NA" vielleicht nur alle 5 Jahre mal erleben, eine Kindereanimation alle 10 Jahre, bestimmte kardiologische Bilder vielleicht sogar nie. Dann dieses Wissen punktgenau abrufen zu können ist zwar am Papier schön denkbar, praktisch aber schlichtweg oft einfach aufgrund des "Faktor Mensch" nicht machbar.

    Die von dir genannten Beispiele sind aber gerade Fälle, wo ein NA unbedingt hingehört und nicht nur telemedizinisch abgeklärt werden sollten, zumindest solange es in Deutschland ein NA-System gibt. Natürlich ist es legitim, wenn man nicht weiter weiß, dass man sich (auch telefonisch) Hilfe hinzuzieht. Hier kann man ja problemlos auch heute (und in der Vergangenheit) in der jeweiligen Notaufnahme, die man wahrscheinlich ohnehin ansteuert, anrufen und kurz ärztliche Rücksprache halten, falls in den seltenen Fällen schwerwiegende Fragen auftreten. Ich denke, dass hier kein RD-Mitarbeiter abgewiesen wird (wurde ich früher auch nicht). Ganz im Gegenteil, kann die Aufnahme sich ja eventuell einen Patienten ersparen 8-)


    In der "ozeanischen" Welt gibt es hierfür die "Clinical Support Paramedics" (ROC21 kann hierzu mehr sagen - er war mal einer), diese übernehmen neben Recherchefunktionen (Giftnotruf, "lebendes Lexikon/lebendes Google") auch den Link zu einer Menge Fachärzten. Ich bin tatsächlich mehr als ein Mal am Ende meines Lateins (und meiner SOPs) gestanden - einfach weil Patienten oftmals mittlerweile dermaßen multimorbide sind, dass du gerne mal grade die Kombination eben noch nicht erlebt hast - oder du dir einfach generell unsicher bist und grade noch mal jemanden haben möchtest mit dem du das durchsprichst. (Beispiele waren z.B. der Patient bei dem -bei entsprechender Vorgeschichte- ALLE Kombinationen an Analgesie die uns einfielen nicht wirksam waren. Oder der Riese - 230kg, 2.15- mit Insulin-Suizid; das Kleinkind mit der komplexen Vergiftung).
    Hier etwas in der Hinterhand zu haben ist essentiell, grade auch wenn du betrachtest das es mittlerweile genug Gegenden gibt in denen du 30+X Minuten auf den NA wartest wenn "dein Standort" nicht da ist.

    Eben, kurze Rücksprache mit dem entsprechenden Krankenhaus, Problem gelöst (vielleicht). Man kann natürlich auch ein teures System aufbauen und darin Geld investieren, was dann für den reellen, physischen NA nicht zur Verfügung steht.


    Ganz allgemein hört sich das von dir Genannte auch anders an, als das was stefan geschrieben hat.


    Ergänzend noch: Ja, die Patienten werden immer älter und kränker, die Fälle mitunter komplizierter. Trotzdem sollte man sich auf das Wesentliche konzentrieren, es ist nicht Aufgabe im RD X Differentialdiagnosen abzuklären und -Behandlungen durchzuführen. Auch bei den Zebras steht letztlich Atmung und Kreislauf im Vordergrund. Wenn diese stabil sind, wird der Patient transportiert, auch wenn ein gewisses Unbehagen besteht, weil man nicht weiß, was letztlich los ist. Ein "internistisches Polytrauma" profitiert am ehesten von einer raschen Krankenhausbehandlung, weil vor Ort die Möglichkeiten einfach zu gering sind.

  • Hilope, wenn man überlegt, wer häufig nachts in der Rettungsstelle alleine gelassen wird, dann ist das nicht unbedingt meine erste Wahl für Rücksprachen.


    (Ich habe durchaus befreundete Ärzte die im Dienst waren um Rat gebeten telefonisch).



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    Under pressure, you don't rise to the occasion. You sink to your level of training.

  • Hilope: Schön wenn das bei euch funktioniert mit der Notaufnahme. Ich kenne leider genug Notaufnahmen wo es so eben nicht mehr funktioniert - weil der Arbeitsdruck des dortigen Personals zu hoch ist und gleichzeitig oftmals auch "nur" der junge Assistenzarzt dort alleine gelassen wird.


    Gleichzeitig nimmt die NA Dichte in Deutschland bei steigenden Einsatzzahlen massiv zu - ich persönlich bin mir nicht so sicher ob wir nicht langfristig auf ein System zusteuern mit deutlich weniger NA-Standorten (oder der gleichen Anzahl und deutlich mehr RTW - Danach schaut es momentan ja aus).
    Daher ist es nicht so unwahrscheinlich, dass wir mittelfristig andere Indikationskataloge haben. Erst dann etwas an der sonstigen "Support-Infrastruktur" zu ändern ist aber fahrlässig, da einfach "zu spät".

  • Ich schrieb ja bereits, es kommt auf die Prioritäten an, ob ich einen reellen NA vor Ort haben möchte , der kritische Patienten selbst untersucht und behandelt, oder ob man lieber auf einen setzt, der nur ein Teil der Fakten (den berichteten) kennt, und daraus Anweisungen erteilt.


    Man sollte im Hinterkopf haben, dass auch der TNA nicht ein allwissender Medizin-Gott ist, es ist sogar durchaus vorstellbar, dass das der selbe, wenig erfahrene Assistenzarzt aus der Notaufnahme sein wird.

  • Man sollte im Hinterkopf haben, dass auch der TNA nicht ein allwissender Medizin-Gott ist, es ist sogar durchaus vorstellbar, dass das der selbe, wenig erfahrene Assistenzarzt aus der Notaufnahme sein wird.


    hier gilt der klassische "fast" facharzt standard. der TNA selber hangelt sich analog zu den SOPs an einer maske entlang. so werden fehler also eher reduziert als das sie vermerht auftreten.

    "The end and aim of all medical practice is prevention; and, failing that, cure; and, failing that, amelioration." (J.W. Ballantyne, 1902)

  • hier gilt der klassische "fast" facharzt standard. der TNA selber hangelt sich analog zu den SOPs an einer maske entlang. so werden fehler also eher reduziert als das sie vermerht auftreten.

    So lange es keinen FA für Notfallmedizin gibt, kann es auch keinen Facharztstandard für den Telenotarzt geben. Nur weil jemand "fast fachärztlich" einen Leistenbruch operiert, heißt das ja nicht, dass er auch fachärztlich ein Brugada-Syndrom behandeln kann.


    Wenn ein solches System großflächig etabliert werden soll, wird auch schnell der Bedarf an TNÄ steigen, so dass man vermutlich nichts gewinnen wird. Die Fahrzeit wird eingespart, das ist richtig. Wer aber meint, die Behandlungsqualität steigt, weil jemand am PC mehrere Patienten parallel "therapiert", wird sich wahrscheinlich irren.

  • Mhm, da wäre ich mir nicht so sicher was die Personaldecke angeht - Ich kenne viele NAs die dahingehend bereits Interesse geäußert haben weil sie einfach ab einem gewissen Alter keinen Bock mehr haben raus zu fahren.

  • Meines Erachtens wäre es gerade im Hinblick auf die Zukunft des NotSan wichtig, dass sich das deutsche Rettungsfachpersonal endlich mal emanzipiert und soviel Selbstvertrauen aufbaut um zu erkennen, dass ein "normaler" Notfall einfach keinen (Tele-)Notarzt braucht. Und für die "nicht normalen" Notfälle brauche ich dann meistens die Handlungskompetenz vor Ort und da liegt einfach auch die Grenze des Tele-NA.

  • Zitat

    Ich kenne viele NAs die dahingehend bereits Interesse geäußert haben weil sie einfach ab einem gewissen Alter keinen Bock mehr haben raus zu fahren.

    Schick diese mal für ein paar Wochen in eine Leitstelle. Dann haben sie darauf auch ganz schnell kein Bock mehr...

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • Mhm, da wäre ich mir nicht so sicher was die Personaldecke angeht - Ich kenne viele NAs die dahingehend bereits Interesse geäußert haben weil sie einfach ab einem gewissen Alter keinen Bock mehr haben raus zu fahren.

    Ohne diesen Kollegen nachtreten zu wollen, aber meist nimmt mit dieser Einstellung dann auch die notwendige Routine und mit der Zeit auch die Expertise ab. Von so jemandem möchte ich dann noch weniger fernmündlich behandelt werden. Für viele andere dagegen macht aber vielleicht gerade der Außeneinsatz den Reiz aus, so dass man von deren Seite dann wieder weniger zur Verfügung hätte.



    Meines Erachtens wäre es gerade im Hinblick auf die Zukunft des NotSan wichtig, dass sich das deutsche Rettungsfachpersonal endlich mal emanzipiert und soviel Selbstvertrauen aufbaut um zu erkennen, dass ein "normaler" Notfall einfach keinen (Tele-)Notarzt braucht. Und für die "nicht normalen" Notfälle brauche ich dann meistens die Handlungskompetenz vor Ort und da liegt einfach auch die Grenze des Tele-NA.

    Das würde ich genau so unterschreiben :positiv: