OVG Magdeburg: Erzieherinnen müssen Notfallmedikamente geben

  • Zitat

    Der Streit zwischen Eltern und der Stadt Landsberg um die Gabe von Notfallmedikamenten hatte bundesweit Schlagzeilen gemacht. Nun ist er offenbar entschieden. Eine Mutter hatte geklagt, nachdem sich Erzieher geweigert hatten, ihrer an einer Allergie erkrankten Tochter im Notfall Medikamente zu geben.


    Doch nun hat das Oberverwaltungsgericht Magdeburg einen unanfechtbaren Beschluss gefasst und der Mutter in weiten Teilen Recht gegeben.


    Quelle


    Schön zu sehen, dass wenigstens die Gerichte noch vernünftig denken und die zunehmende Verantwortungsverweigerung im Bereich der Kinderbetreuung etwas eindämmen.

  • Ich kenne die Problematik aus einem anderen Bereich:


    Behindertenwerkstätten haben auch eine pädagogische Aufgabe.
    Zur Erfüllung werden auch mehrtägige Ausflüge mit Übernachtungen durchgeführt.
    Begleitet werden diese Ausflüge durch die Leiter der jeweiligen Arbeitsgruppen in der Werkstatt.
    Diese haben zwar eine sonderpädagogische Zusatzausbildung die u.a. auch med. Grundlagen behandelt.
    Doch thematisiert werden hier eben die grundlegenden Erkrankungen die letztendlich dazu führten das die betreuten Personen nicht am regulären Arbeitsleben teilnehmen können.
    Es wird bspw. nicht vermittelt:
    - die Bestimmung des Blutzuckers
    - die Verabreichung von Insulin mit Insulinpen mit an den BZ-Wert angepasster Dosierung.


    Sofern also keine familiären Begleitpersonen mitfahren kann es konfliktträchtig werden.
    Aufgrund der höheren Lebenserwartung von Menschen mit Behinderungen leben diese zudem oft nicht mehr bei den Eltern sondern in einem Wohnheim.
    Hier erfolgt die Betreuung regelhaft durch Heilerziehungspfleger.
    Diese haben die notwendige Schulung und Routine.
    Problem: Dieser Personenkreis begleitet die Ausflugsfahrten NICHT.

    raphael-wiesbaden


    Artikel 1
    (1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.


    Selig sind die geistig Armen - nur: kann der Himmel die ganzen Seligen auch wirklich aufnehmen ?

  • Ganz offen gefragt: Was spricht gegen eine entsprechende Nachschulung der betroffenen Personals?
    Also an meiner damaligen Schule eine Allergikerin mit Notfallset eingeschult wurde, wurden auch die Lehrerschaft in einem Eintageskurs von einem Arzt geschult.
    Bei solchen dauerhaften Massnahmen der Behandlungspflege wie der Diabetestherspie mag ich mir eher Schwierigkeiten vorstellen. Aber bei Notfallmassnahmen bei denen zwei Medikamentengruppen unterschieden werden müssen, verstehe ich zumindestens den Komplexitätseinwand nicht.


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  • Nun, vllt haben die Betroffenen Lehrkräfte Angst vor möglichen Anwendungsfehler oder juristischen Konsequenzen. Geht ja auch nicht eindeutig hervor, ob die behandelnden Lehrkräfte damit ein Problem hatten oder die Bildungseinrichtung als solches.


    In unserer Gegend gibt es einen Behindertenbildungseinrichtung. Die meisten Kinder dort haben schwere Behinderungen und sehr viele leiden an verschiedenen Krampfleiden. Sie haben individuelle Notfallpläne mit Medikamente. Aber es gibt dort für alle Kinder nur einen richtige Pflegekraft, die auch nur den halben Tag dort sein kann. Das übrige Personal sind Pädagogen die die Notfallpläne umsetzen, aber im Zweifel rufen sie eben auch den Rettungsdienst. Weil sie jurisitisch sicher gehen wollen oder weil sie sich eben Sorgen um ihre Kinder machen.

  • Für mich sind die Lehrer, die sich dahingehend weigern, feige Versager.


    Es ist für alle Kinder wichtig, in eine Schule zu gehen und dabei sollten sie nach Möglichkeit nicht ums Leben kommen.
    Wer ausreichend intelligent ist, Lehrer zu werden (und es gehört tatsächlich einiges dazu...!), dürfte intellektuell nicht mit der Gabe eines Medikamentes überfordert sein selbst, wenn es davor unter mehreren ausgewählt werden muss oder die Dosis berechnet werden muss (zur Not wird es an jeder Schule einen Mathematik-Lehrer geben, der das Lesen von Tabellen an seine philologischen Kollegen vermitteln kann.
    Was das Erkennen eines anaphylaktischen Schocks angeht, kann die Biologie-Lehrerin sicher Nachhilfe geben.


    Wer unsere Kinder auf ein verantwortliches und selbst tständiges Leben vorbereiten will, darf nicht den Schwanz einziehen, wenn es einmal darauf ankommt. Wer komplexe Differenzialgleichungen löst, längst verstorbe Dichter treffend interpretiert oder alle Feldzüge Julius Caesars auf lateinisch nachplappern kann, der sollte doch in der Lage sein, einen winzig kleinen Bereich dessen zu erlernen, was Rettungsassistenten mit Hauptschulabschluss und bestenfalls zwei Jahre währender Ausbildung locker hinbekommen, oder?


    Versicherung, Dienstvorschrift, Zuständigkeit, Befindlichkeit.... Alles faule Ausreden. Und hier hat ein Gericht exakt das sehr schön klargestellt: Wenn's ums Leben geht, zählt dieser beamtische Schwachsinn nicht.


  • Schöne Argumentation, die ich auf der Sachebene teilen würde, auch wenn du hier (wieder) durchblicken lässt, dass du ein ziemlich loses Mundwerk hast (was ich nicht per se unsympathisch finde, falls wenigstens auch „etwas dahinter ist“).
    Im konkret verhandelten Fall geht es aber gar nicht um überforderte Lehrer, sondern um verunsicherte KiTa-Erzieher. Die möchten zwar auch regelmäßig gerne als hochprofessionelle Fachkräfte gesehen werden (zumindest wenn es um Eingruppierung geht) und sind das in ihrem Bereich sicher auch, auf Mathematiker und Biologen können sie in ihem Kollegenkreis aber kaum zurückgreifen. Von daher geht deine etwas großmäulige Argumentation hier ins Leere.

  • Deswegen fand ja auch laut Artikel eine eintägige Schulung durch einen Kinderarzt statt. Die Eltern des Kindes sind ebenso medizinisch unqualifiziert (wenn nicht noch unqualifizerter, immerhin brauchen Erzieher einen großen EH-Kurs+ Kinder-EH).
    Die Allergiker-Notfallsets sind für Laien gedacht und schließen Anwendungsfehler nahezu aus.


    Sich hier bis vor das OVG gegen lebensrettende Notfallhilfe zu wehren wirft ein erschreckendes Licht auf die Kita und die Stadt.
    Aber passt ja ins Zeitbild, wo Lehrer nicht mehr mit Schulklassen schwimmen gehen, Altenpflegekräfte für die Wundversorgung ans Krankenhaus überweisen und Unfallchirurgen bei Babies Schädel-CT nach Stürzen vom Sofa fahren. Verantwortung? Bloß nicht.

  • In einem Land in dem die Mehrheit der Bevölkerung nicht mutig genug ist die Hände rhythmisch auf einen Körper zu bewegen der bereits tot ist, inklusive der Feuerwehr...wundert es mich nicht, dass manche Leute Probleme damit haben Nadeln in ein lebendes Kind zu stechen.


    Das sei nicht gut, aber vllt einer der Gründe warum man sich schwer tat.

  • Ja, Jörg,
    Da hast du natürlich in mehrerlei Hinsicht natürlich recht.


    Ich bin grundsätzlich nicht unbedingt für meine Zurückhaltung bekannt... So bin ich nun mal.


    Aber zum Thema:
    Völlig richtig, im Gerichtsurteil und in der Berichterstattung waren natürlich ErzieherInnen betroffen und nicht Lehrerinnen. Mein Fehler. Ich hatte den Artikel heute Vormittag durchgelesen und mir sind sofort mehrere Beispiele von Lehrern eingefallen.
    An meiner alten Schule zum Beispiel wurde mal ein Rollstuhlfahrer abgelehnt, weil es zu wenige Aufzugschlüssel gäbe. Shitstorm. Ach nee, eine Extrawurst tut dem Klassenverbund nicht gut. Shitstorm. Die Lehrer sind nicht geschult und überhaupt .. Versicherung.
    Und immer wieder geht es auch um die schreckliche Tatsache, dass geistig völlig agile Kinder auf Sonderschulen müssen, weil sie nicht Gehen können oder weil ihnen ein Arm fehlt etc, erst heute habe ich privat wieder in einem Gespräch darüber teilgenommen. Und weiter oben waren schonmal Lehrer und andere Professionen angrsprochen. Irgendwie habe ich das vermutlich vermischt, ohne die Quelle, um die es hier geht, nochmal durchzusehen.


    So geht meine Argumentation natürlich hier ein Stück weit ins Leere. Trotzdem bleibe ich bei dem, was ich geschrieben habe. Es ist nämlich immer noch richtig.


    Und was die Erzieher angeht: Viele von denen haben natürlich nicht studiert. Dümmer als Retter sind die aber ganz bestimmt nicht. Deshalb sollte es auch Erziehern möglich sein nach entsprechender Schulung, Kinder zu betreuen, die regelmäßig oder notfallmäßig Medikamente brauchen.

  • Freut mich ja, wenn der ein oder andere hier ein willkommenes Ventil für seine kulturpessimistischen Animositäten gefunden zu haben glaubt. Reicht aber dann jetzt auch.


    Ganz schön viele Fremdwörter. Hast heute Mittag bestimmt wieder Caesar gelesen, während andere Leute gearbeitet haben!


  • Nicht, weil es nichts zum Thema beiträgt, sondern weil ich einfach zu faul bin (!), beschreibe ich dir jetzt nicht die ganzen Gegenbeispiele zu deinen Stammtischklischees aus der Realität meines Gymnasiums, also die ganzen Blinden, Hörbehinderten, Autisten, Epileptiker oder Kinder mit Undine-Syndrom et al., die bei uns Abitur machen und gemacht haben. Und ein paar, die einfach ganz herkömmlich doof waren, waren auch dabei. Ein paar davon haben sogar diverse Anfälle oder Schübe ihrer vielfältigen Erkrankungen in der Schule überlebt, trotz des Eingreifens der Lehrerschaft.


    Aber klar, es macht natürlich mehr Spaß, erstmal ganz pauschal die Polemikkeule zu schwingen. Mach ich ja auch manchmal. Gelegentlich hat man damit sogar Recht, manchmal ist es aber halt auch nur ziemlich viel Meinung bei relativ wenig Ahnung. Das ist allerdings ein Aspekt, an den wir Lehrer hinlänglich gewöhnt sind.

  • Ich hab mich vorhin bei einem befreundeten Pädiater erkundigt um meine Vermutung zu bestätigen: Die beiden Säfte sind höchtstwahrscheinlich Antihistaminika plus eben der Adrenalin-Pen.


    Zur Diskussion: Ich weiss ja nicht aber für mich sind die Regel-Aufgaben eines Erziehers/einer Erzieherin deutlich komplexer als folgende Mehrfachauswahl:
    Kind gehts scheisse und hat gerade eben gegessen, wenn ja Notfallset holen und Karte darin befolgen. Auf der Karte: 112 rufen, Adrenalinpen anwenden plus wenn möglich beide Säfte in folgender Dosierung geben wenn Kind wach. Fertig.

  • Die Säfte sind einmal Fenistil und einmal Prednisolon. Es gibt üblicherweise ein Stufenschema beiliegend im Notfallset.
    Je nachdem, wie schwer die Reaktion ist werden entweder abgezählte Tropfen gegeben oder die ganze Flasche gekippt. Zusätzlich eben der Pen für akut lebensbedrohliche Zustände.


  • Nicht, weil es nichts zum Thema beiträgt, sondern weil ich einfach zu faul bin (!), beschreibe ich dir jetzt nicht die ganzen Gegenbeispiele zu deinen Stammtischklischees aus der Realität meines Gymnasiums, also die ganzen Blinden, Hörbehinderten, Autisten, Epileptiker oder Kinder mit Undine-Syndrom et al., die bei uns Abitur machen und gemacht haben. Und ein paar, die einfach ganz herkömmlich doof waren, waren auch dabei. Ein paar davon haben sogar diverse Anfälle oder Schübe ihrer vielfältigen Erkrankungen in der Schule überlebt, trotz des Eingreifens der Lehrerschaft.


    Aber klar, es macht natürlich mehr Spaß, erstmal ganz pauschal die Polemikkeule zu schwingen. Mach ich ja auch manchmal. Gelegentlich hat man damit sogar Recht, manchmal ist es aber halt auch nur ziemlich viel Meinung bei relativ wenig Ahnung. Das ist allerdings ein Aspekt, an den wir Lehrer hinlänglich gewöhnt sind.

    Mir ist schon klar, dass es da auch positive Beispiele gibt (da die selten Auffallen, sind sie vermutlich nicht die Minderheit).
    Und natürlich seid ihr Lehrer ein Berufsstand, der irgendwie zu Kritik einlädt ... Jeder kennt sich aus, da er mal Schüler war etc...).
    Trotzdem kenne ich nunmal solche Beispiele (Private und dienstliche Erfahrungen, Presse, einige Freunde von mir sind Lehrer,.. ).


    Und in jedem Beruf gibt es nunmal die ganze Palette. Engagierte und resignierte Faulenzer, Kluge und Doofe, Querulanten und Angepasste, etc.
    Bei uns Rettern, bei Lehrern und sonst überall.
    Und ich nehme es mir einfach raus über die jeweiligen Spezialisten auch etwas zu sagen und auch meine Urteile zu fällen.


    Und ich sage das nochmal ganz deutlich: Wenn ihr behinderte und kranke Schüler habt, sie betreut und schließlich mit Erfolg zum Abschluss bringt, ist das richtig gut. Und die, die das ablehnen, machen es richtig schlecht. Und wer einen Mittelweg geht, macht das so mittelmäßig.

  • Zumindest sind wir uns alle einig, dass der Vorgang und die Haltung sowas bis zum OLG zu klagen schon sehr fragwürdig sind und ein interessantes Licht auf die Kita wirft...

  • Nicht immer werden Gerichte bemüht, weil man etwas nicht machen will, sondern weil man eine richterliche Entscheidung haben möchte. Sollten zukünftig Erzieher nun vorgehaltene Notfalledikamente geben, sind sie abgesichert.


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  • Nicht immer werden Gerichte bemüht, weil man etwas nicht machen will, sondern weil man eine richterliche Entscheidung haben möchte. Sollten zukünftig Erzieher nun vorgehaltene Notfalledikamente geben, sind sie abgesichert.


    Auch ein guter Punkt, hier aber vermutlich nicht zutreffend da es ja bereits ein gleichlautendes erstinstanzliches Urteil des Verwaltungsgerichtes Halle gab. Wenn das ein Urteil zur Erlangung höherer Rechtssicherheit gewesen sein sollte, wäre der Schritt eins höher zum Oberverwaltungsgericht ja irgendwie Makulatur...

  • Zitat

    Und ich sage das nochmal ganz deutlich: Wenn ihr behinderte und kranke Schüler habt, sie betreut und schließlich mit Erfolg zum Abschluss bringt, ist das richtig gut. Und die, die das ablehnen, machen es richtig schlecht. Und wer einen Mittelweg geht, macht das so mittelmäßig.


    Das sollte der Auftrag sein. Art 24 der UN-BRK sieht eine gleichberechtigte Teilnahme am Unterricht vor. Eine Ausgrenzung oder Ablehnung wegen fehlender Fahrstuhlschlüssel darf nicht vorkommen.


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