Stellungnahme der Swiss Paramedic Association zum Fachkräftemangel in den Rettungsdiensten

  • Verstehe. Also Krankenschwester light, die KTW-Verlegungen fahren sollen. Danke.

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • Verstehe. Also Krankenschwester light, die KTW-Verlegungen fahren sollen. Danke.

    Eher Personen, welche eine dreijährige Ausbildung im Bereich Pflege haben und (noch nicht alle) über eine einjährige Ausbildung Transportsanität verfügen.

  • Ich glaube, man muss den Rettungsdienst tatsächlich neu denken - und zwar radikal.

    Leider ist die Schweiz, ähnlich wie Deutschland, nicht besonders fix was Veränderungen in diesem Bereich angeht. Ich denke daher, dass uns die "Lage" bald überholen wird und wir keine rettungsdienstlichen Leistungen in gewohnter Qualität mehr anbieten können.

    Immerhin sehen die Rettungsdienste vermehrt, dass Fachpersonal die kostbarste Ressource ist und gehen Sachen an die früher nicht machbar gewesen währen (siehe z.B. massive Lohnerhöhung Schutz und Rettung ZH)

    Was meiner Meinung nach jetzt dringend passieren muss um asap Druck aus dem System zu bekommen:


    • Disposition der privaten Krankentransporte durch die kantonalen Einsatzzentralen
    • Inbetriebnahme von eigenen KTWs durch die grossen Player, die auch mal einen unkomplizierten S2/P2* alleine bedienen können. (Mit Backup durch zum Beispiel nachforderung eines RTW, NEF oder Community-Paramedic / single Responder).
    • Öffnung der Fahrerposition für die Transportsanitäter auf RTW (dort wo noch nicht geschehen)
    • Anpassung der Transportkategorien. Ein P1* ist nicht gleich ein P1. (Vergleiche hierzu Extremitätentrauma mit starken SZ und die Reanimation). Hier müsste man feiner Abstufen können und die RTW besser zu disponieren. Unbedingt auch mit Anpassung der Hilfsfristen. 15 Minuten sind für einen gebrochen Arm mit SZ durchaus vertretbar, bei einem Neugeborenen mit Atemstillstand natürlich nicht.
    • Inbetriebnahme eines vernünftigen Community-Paramedic Konzeptes. Bis die Leute ausgebildet sind, wäre ich schon sehr froh einen Dipl. RS im PKW zu den ganzen low-code Sachen schicken zu können und dafür meine RTW zu schonen.
    • Anpassung des Notarztindikations-Kataloges. Das hat die letzten Jahre in der Schweiz teilweise unglaubliche Züge angenommen. Hier müssen wir dringend die Pat. identifizieren die von einem Notarzt wirklich profitieren.
    • Ein rechtlich, zumindest eingermassen, sicherer Algorithmus für die Disponenten auch mal kein Auto zu schicken. Es gibt so viel "Gugus", wo schon am Telefon klar ist, das es nicht indiziert ist einen RTW zu schicken.
    • Make-ready Stations nach Londoner Vorbild. Die Dipl. RS / TS müssen auf die Strasse und nicht täglich Stunden damit verbringen Autos zu desinfizieren und aufzufüllen.
    • Gebietsabsicherungen, auch wenn mehrere Betreiber in einem Kanton zuständig sind. Muss man halt als kommunaler RD auch mal den Bereich eines privaten RD covern und andersherum.
    • Bessere Vernetzung der kantonalen Leitstellen. Ich sehe nicht wenn ein RTW vom Nachbarkanton an einer laufenden REA vorbeifährt, nachdem er in einem unserer Spitäler seinen Pat. übergeben hat.
    • Einsatz Ehrenamtlicher im RD. Jetzt nicht wie man das in Deutschland kennt. Viel mehr (wieder einmal) ich britischem Vorbild als Community First Responder. Die Leute kennen ihr Quartier, sind motiviert und können bei den absolut zeitkritischen Sachen einen Unterschied machen. Eine entsprechende Schulung und enge Betreuung als unbedingte Voraussetzung.
    • Präventionsprogramme starten. Der beste Einsatz ist der, zu dem wir nicht fahren müssen. Beispiele:
      • Wann rufe ich den Notruf / wann rufe ich die medizinische Hotline
      • Verhalten im Strassenverkehr (Helmpflicht, Alkohol am Steuer)
      • Rauchmelder (leider keine Pflicht in CH)
      • Verhalten bei Kindernotfällen / Woran erkenne ich ob mein Kind wirklich krank ist
    • Rettungsdienst 4.0 denken (Achtung Zukunftsmusik)
      • Welche Möglichkeiten ergeben sich durch den Einsatz von Drohnen? (Interhospitaltransport, Aufklärung an Einsatzstellen, AED-Drop)
      • Welche Möglichkeiten ergeben sich durch die KI (Disposition, erkennen von Herzkreislaufstillständen am Telefon)
      • Wird es mehr Möglichkeiten zur Entlastung geben? (Exo-Skelett, etc.)


    --


    * Definitionen P1, etc. durch den IVR

    Alle getätigten Aussagen stellen meine private Meinung dar und stehen in keinem Zusammenhang mit meiner beruflichen Tätigkeit.

  • Lustig,dass wir den P2 der durch den TS gefahren wird der im Zweifelsfall vom RS per "REF" verstärkt wird falls doch notwendig schon in meiner Zeit in .CH vor 12 Jahren hatten.

    Und eine sinnvollere NA Indikationsliste und generell die ersten vier Punkte.


    Leider sind da zuletzt aus dem Norden bei manchen Punkten echt negative Einflüsse spürbar gewesen.


    Aber ja,gerade die Schweiz könnte mit ihren doch noch viel besser aufgestellten Ressourcen und dem vorhanden hochqualifizierten (und meist auch noch sehr motivierten) Fachpersonal durchaus der europäische Vorreiter sein. Aber das würde einen Punkt bedeuten: Man müsste über alte Zöpfe und v.a. den Kantönligeist springen.

    Und nunja,da ist es genauso wie bei mir in BW leider sehr schwer.

  • Munin - im Kleinen sind deine Vorschläge bereits teilweise umgesetzt worden, dass dies auf Bundesebene passieren wird dürfte auf Grund der Zuständigkeiten aber schwierig werden.

  • Und ich bleibe dabei: eigentlich müsste nicht (nur) der RD sich für die gestiegenen Einsatzzahlen und Bagatelleinsätze umstellen (Gemeinde NotSan etc.), sondern endlich die Ursache dafür angegangen werden. Und das ist nunmal, dass die weiteren Angebote ausser dem RD mittlerweile so schlecht verfügbar oder gar nicht vorhanden sind, so dass der RD oft die einzige Option ist.
    Und da auch den Leitstellen und dem RTW vor Ort die Optionen nicht kurzfristig zur Verfügung stehen, bleibt da wiederum häufig nur der (unnötige) Weg ins Krankenhaus. Eine schweizweite Nummer für „gesundheitliche Probleme“ (nicht 1000 verschiedene wie aktuell bei manchen Krankenkassen z.B.),

    Schnittstellen wie Hausarzt, Notfallarzt mit telefonischer Beratung aber auch Hausbesuche (ÄBD), Spitex (ambulante Pflegedienste), psychosoziale Dienste usw. müssten auf- oder ausgebaut werden damit die vermeintlichen Bagatellen die richtige Hilfe bekommen. Weil auch die „Bagatellen“ haben ja ein Problem. Der RD oder die Notaufnahme sind nur nicht die richtige aber oft leider die einzige Lösung.
    Hier muss den Leitstellen und dem RD die Möglichkeit gegeben werden, den Pat. (auch rechtlich abgesichert) an die richtige Stelle zu vermitteln. Und das funktioniert bei den aktuellen Angeboten einfach nicht.

    Dass auch der RD sein Angebot den aktuellen Bedingungen anpassen muss, ist unbestritten. Das ist aber nur ein kleines Detail von ganz vielen. Das Gesundheitswesen müsste als Ganzes überdacht und reformiert werden. Aber wer traut sich da hin, wer nimmt soviel Geld in die Hand?


    PS: sogar bei uns auf dem Land haben die Einsätze seit 2018 um knapp 30 % zugenommen. Und auch hier ist die Tendenz eher, dass wegen vermeintlichen Bagatellen angerufen wird, bei denen man früher den Hausarzt bemüht hätte. Aussagen sind häufig: „HA nicht erreicht, hat keine Zeit, finde keinen HA mehr, HA hat gesagt der Pat. soll ins KH, sie sollen direkt 144 wählen“ usw. Und das sind auf dem Land halt oft einfach ältere Pat. mit AZ Reduktion. Was will ich mit dem denn machen, wenn der HA sich nicht mehr zuständig fühlt oder gar kein HA mehr zur Verfügung steht. Ein Notfallarzt, der den Pat. nicht kennt kommt (wenn überhaupt erreichbar) frühestens in 5 - 6 Stunden (mag ja oft reichen), weist den Pat. dann aber auch der Einfachheit halber meistens ein (will ja nicht die nächsten Tage nochmal regelmässig vorbeischauen).

  • Ich stimme dir zu. Aber es wird meiner Meinung nach nicht mehr lange dauern, da wird sich der Rettungsdienst für solche „low-codes“ auch für nicht mehr zuständig erklären (müssen).

    Alle getätigten Aussagen stellen meine private Meinung dar und stehen in keinem Zusammenhang mit meiner beruflichen Tätigkeit.

  • Ich stimme dir zu. Aber es wird meiner Meinung nach nicht mehr lange dauern, da wird sich der Rettungsdienst für solche „low-codes“ auch für nicht mehr zuständig erklären (müssen).

    und das zurecht. Meiner Meinung nach muss sich nicht der RD anpassen (ein Kollege meint z.B. wir bilden die Studierenden am Bedarf vorbei aus; Schwerpunkte sollten mehr auf sozialen und psychiatrischen Krankheitsbildern liegen), sondern der RD sollte wieder die Aufgaben erfüllen, für die er eben ausgebildet und gedacht ist. Dass der RD versucht, die Missstände auszubügeln ist löblich aber nur bedingt zielführend.

  • Für den "low code" Bereich sehe die Lösung ausserhalb des RD, allein schon aus dem Grund, dass man die eigenen zu knappen Ressourcen nicht kannibalisiert.


    Die Bereiche "telemedizinischer Support" und "acute community care" könnten von einem Drittanbieter bezogen werden oder man könnte diese in einem Joint-Venture aus verschiedenen Leistungserbringern selbst aufbauen.


    In anderen Ländern gibt es dafür sehr interessante Beispiele.

  • und das zurecht. Meiner Meinung nach muss sich nicht der RD anpassen (ein Kollege meint z.B. wir bilden die Studierenden am Bedarf vorbei aus; Schwerpunkte sollten mehr auf sozialen und psychiatrischen Krankheitsbildern liegen), sondern der RD sollte wieder die Aufgaben erfüllen, für die er eben ausgebildet und gedacht ist. Dass der RD versucht, die Missstände auszubügeln ist löblich aber nur bedingt zielführend.

    Solange es keine Strukturen gibt, an denen der RD solche Fälle weiterreichen kann, wird der RD sich überlegen müssen, wie er damit umgeht.

    Under pressure, you don't rise to the occasion. You sink to your level of training.

  • Das ist dann nicht mehr das Problem des Rettungsdienstes. Wir haben hier den gesetzlichen Auftrag zur Notfallrettung (und im sehr beschränkten Rahmen für Verlegungen innerhalb des Kantons). Alles weitere, was bisher Angeboten wird, ist ein addon aber keines Falles eine Leistung auf die der Bürger einen Anspruch hat.
    Nicht falsch verstehen, wir bieten das sehr gerne an - nur denke ich, dass man bald um Einschränkungen nicht herumkommt um den gesetzlichen Grundauftrag zu erfüllen.

    Alle getätigten Aussagen stellen meine private Meinung dar und stehen in keinem Zusammenhang mit meiner beruflichen Tätigkeit.

  • Das ist dann nicht mehr das Problem des Rettungsdienstes.


    Wie kurzsichtig ist das denn? Was meinst du denn, was die hilfesuchende Person macht, wenn sie nirgends Hilfe findet? Am ende wieder den RD rufen. Oder irgendwann eben wirklich den RD benötigen.

    Under pressure, you don't rise to the occasion. You sink to your level of training.

  • Ich weiss durchaus, dass dann wieder der RD gerufen wird. Ob dann ein Auto kommt ist halt eine andere Frage.

    Alle getätigten Aussagen stellen meine private Meinung dar und stehen in keinem Zusammenhang mit meiner beruflichen Tätigkeit.

  • Wenn wir einfach lange genug nicht helfen, erledigt sich das auch irgendwann von selbst.

    Under pressure, you don't rise to the occasion. You sink to your level of training.

  • Vielleicht habe ich mich missverständlich Ausgedrückt. Daher noch mal der Versuch einer Klarstellung:


    Ich würde gerne jedem Anrufer einen RTW schicken. Jetzt kommt das Aber:


    Wenn ich keine freien Autos (oder nur noch 1-2) im Bereich habe, wird Durchfall und Erbrechen seit 3 Tagen keinen RTW bekommen können.

    Bis auf einzelne Tage im Jahr können wir ja NOCH gewährleisten, dass ein RTW kommt. Jetzt zu meiner "dunklen Zukunftsvision":


    Zürich hatte einen Anstieg der Einsätze um 9%

    Basel um 14%


    Das wird nicht aufhören. Und hier wird dann, eines Tages, eine härtere Triage nötig sein. Denn mehr Personal ist nicht in Sicht.

    Alle getätigten Aussagen stellen meine private Meinung dar und stehen in keinem Zusammenhang mit meiner beruflichen Tätigkeit.

  • Das Ziel ist es schon S3 und P3 so weit es geht a Private abzugeben.
    S2 müssen von RTW gefahren werden.

    Alle getätigten Aussagen stellen meine private Meinung dar und stehen in keinem Zusammenhang mit meiner beruflichen Tätigkeit.