Nur 1/3 der Rettungsdienstbereiche in Baden-Württemberg halten die Hilfsfrist ein

  • @all


    Das Rad hat der LK Bergstrasse auch nicht neu erfunden. Dieses System betreibt der LK MKK seit nun mehr als 4 Jahren. Es wurden mehere Wachen gebaut, neue Fahrzeuge gekauft und Personal eingestellt. GPS gibt es länger schon. Jedes Jahr werden die Hilfsfristen ausgewertet, und deswegen gabs es dieses jahr auch wieder eine neue Wache. Für Aussenstehende mag diese Fahrzeugdichte nicht nachzuvollziehen sein, aber nur dadurch kann die Hilfsfrist gehalten werden, und wir sind auch ein ländlich struckturierter Landkreis.

  • Ich finde das faszinierend. Ein Bundesland weiter rechts geht man gerade den umgekehrten Weg und plant eine (erneute) massive Fahrzeugreduzierung. Glaubt man den Gerüchten, soll es in Zukunft keine Stellplätze mehr geben. Die Begründung: Selbst mit dem Wegfall werden 85% der Einsätze noch innerhalb der erlaubten 15 Minuten bedient. Und bei den übrigen 15% darf es statistisch gerne auch zwei Stunden dauern.
    Bei uns würde dies ein riesiges Loch reissen, das wieder von dem Ehrenamt geschlossen werden müsste.

  • ...kann ich Vossis beobachtung nur zustimmen. Unabhängig davon, ob man EA-Kräfte zur Abdeckung von Notfallspitzen mit hinzuzieht oder nicht, stimmen die Zahlen nachdenklich, denn sie sagen, dass im Regelfall etwas nicht stimmt. Und unter der Woche Morgens gegen 10:30, wenn die meisten EAs ihrem Brotwerwerb nachgehen, findet RD ebenso statt wie am Wochenende oder Abends...


    Es soll hier also nicht um die sattsam zerkaute EA-HA-Streiterei gehen, sondern darum, dass Strukturen nicht mehr tragfähig sind. Und damit auch Büromenschen (bei den Kostenträgern) das sehen können, was wir schon lange wissen - nämlich, dass wir schlicht mehr Fahrzeuge und dezentralisierte Standorte brauchen - lassen sie sich ein Gutachten anfertigen, dessen Entstehung man schön beeinflussen und dessen Ergebnisse man ganz toll interpretieren kann. Wenn schon Geld ausgeben, dann jemandem, den man leiden kann... :(


    Man gewinnt also Zeit und spart erstmal Geld, dass derweilen arbeiten und mehr Geld erzeugen kann. Denn Medizin ist ein Business - undzwar eines in dem man richtig was verdienen kann. Und genau vor diesem Hintergrund muss man die Tatsache betrachten, dass die Vorgaben zum Erreichen des Notfallortes nicht erst seit gestern nicht eingehalten werden, sondern schon geraume Zeit... :rolleyes:

    Unter den Blinden ist der Einäugige der Arsch - er muss allen Anderen vorlesen...

  • Zitat

    Original von Mowl
    ...kann ich Vossis beobachtung nur zustimmen. Unabhängig davon, ob man EA-Kräfte zur Abdeckung von Notfallspitzen mit hinzuzieht oder nicht, stimmen die Zahlen nachdenklich, denn sie sagen, dass im Regelfall etwas nicht stimmt. Und unter der Woche Morgens gegen 10:30, wenn die meisten EAs ihrem Brotwerwerb nachgehen, findet RD ebenso statt wie am Wochenende oder Abends...
    [...]


    Mowl: Interessant ist dabei, dass dein Chef, also der auf der ILST, das anders sieht und so tut, als gebe es kein Problem. Seiner Meinung nach übertreibt die Presse maßlos, weil sie nicht weiß, wie die Dinge in Wirklichkeit sind. Und das in diesen Wochen, wo man mancherorts seine Uhr danach stellen kann, dass es um 16.30h bei der SEG zur Rettungsdienstverstärkung piepst...


    J. :)

  • Ich verstehe nur nicht - vor allem, wenn ich den Bericht aus dem Mannheimer Morgen lese - wie die Entwicklung in den einzelnen Bundesländern so entgegengesetzt verlaufen kann. In Hessen und BaWü werden Wachen gebaut und zusätzliche Fahrzeuge in Dienst gestellt. Das sind vermutlich die, die in Bayern gestrichen oder geschlossen werden.
    Wir haben hier im Rettungsdienstbezirk Ortschaften, die bodengebunden nicht unter 20 Minuten erreichbar sind. Bei schlechtem Wetter oder Nichtverfügbarkeit des zuständigen RTW gerne doppelt so lange.
    Doch dann kommt wieder unser tolles TRUST-Gutachten, welches besagt, das in diesen Ortschaften nur 3,7856 Notfälle pro Jahr sind und dafür der Rettungswagen aber in X-Ort so schnell ist, dass sich das ganze statistisch wieder ausgleicht.

  • Das ist doch genau das, was Mowl und Jörg schon angedeutet hatten:
    Statistisch betrachtet kann ich aus jeder Statisik mir das statistisch wesentliche so hininterpretieren dass ich statistisch gut da stehe (oder schlecht - grad so wie ichs gern hätte).


    Dass die Ergebnisse solcher Studien in mehr als nur eine Richtung interpretiert werden können und diese Erhebungen (bzw. die Firmen, die sie durchführen) in der Regel auch noch alles andere als unabhängig sind, weiß doch jeder, der einigermaßen Einblick in das rettungsdienstliche Außenrum hat.
    Provokant gesagt ist so ein Gutachten eine enorme, unnötige Geldverschwendung, weil für die Kostenträger die Ergebnisse ja schon vorher feststehen.

  • Man braucht das ganze halt trotzdem schwarz auf weiß. Könnte ja doch passieren, dass jemand dagegen klägt...

  • Wer sollte denn dagegen klagen?
    DAS Argument versteh ich nicht.


    Aber ganz unabhängig davon wäre es ja auch eine gangbare und billige Möglichkeit die Hilfsfristen in Ba-Wü einfach gänzlich abzuschaffen.
    Andere Bundesländer haben auch keine.
    (Wäre ein gutes Argument für die Kostenträgerseite, das ich mir übrigens nicht ausgedacht habe... ;) )


    Statistik und Realität gehen ganz oft meilenweit aneinander vorbei.

  • Zum Beispiel ein Bürger, weil der Rettungswagen wegoptimiert wurde. Oder eine HO, weil sie wegen einer Wachschliessung sechs Leute auf die Strasse setzen muss.
    Wobei wir in Bayern ja nicht mal eine Hilfsfrist haben, sondern nur festgelegt sein muss, wie die Wachen verteilt sein müssen.

  • Nur mal so am Rande:


    So einfach mit der Klagerei ist das nicht, zumal eine Klage vor einem Verwaltungsgericht selten zügig zu einem Urteil führt, dann kann man noch eine Revisionsinstanz dazurechnen und kommt schnell mal auf ein bis drei Jahre die so ein Prozess dauern wird.


    Der Bürger hat selten Einblick in die tieferen Strukturen, der stellt nur fest, dass der RTW "lange" braucht, wenn er ruft. Und auch wenn die Bürger bzw. Patienten/Angehörige regelmäßig meckern, ist mir bislang keine solche Klage bekannt. Und das Problem existiert ja nicht erst seit heute und auch nicht nur im Ländle..


    Wenn es nur eine Wahrheit gäbe, könnte man nicht hundert Bilder über das selbe Thema malen. (Pablo Picasso)

  • Zitat

    Original von oepfae
    Der Bürger hat selten Einblick in die tieferen Strukturen, der stellt nur fest, dass der RTW "lange" braucht, wenn er ruft. Und auch wenn die Bürger bzw. Patienten/Angehörige regelmäßig meckern, ist mir bislang keine solche Klage bekannt.


    Hm. noch wirklich keine Klage wegen zu langer Wartezeiten? Ich meine damit nicht solche,bei denen ein Patient einen halben Tag länger im KH bleiben musste, weil der Transport so lange dauerte, sondern solche, bei dem es im Notfall zu lange dauerte und der Patient deswegen Schaden genommen hat bzw haben soll.

  • Nein, nach meinem aktuellen Kenntnisstand gibt es bislang dazu keine Klage die auch zu einer Gerichtsverhandlung geführt hätte.


    Solche Sachen werden ja oftmals durch einen aussergerichtlichen Vergleich gelöst :]


    Wenn es nur eine Wahrheit gäbe, könnte man nicht hundert Bilder über das selbe Thema malen. (Pablo Picasso)

  • Zitat

    Original von oepfae
    War das nicht der Bereich Heidelberg???? ICh kenn das nicht wirklich von der Bergstrasse. Mag aber sein, dass ich mich hierbei irre.


    Es gibt auch RD-Verstärkung ähnlich wie hier - die Alarmierung von EA RD-Qualifikationen per FME um EA-Rettungsmittel aus den OVs zu besetzen.
    Daneben auch ohne Qualifikationsanforderung als FR (keine Transport, keine Abrechnung).


    Gruß Marcus

  • Zitat

    Original von Gepard


    Keine Hilfsfrist in Bayern????


    Ist dort nicht vorgeschrieben 12-15 min???


    Nein. In Bayern ist nur geregelt, dass jeder Ort innerhalb dieser Zeitspanne von einem Rettungsmittel erreichbar sein muss. Dies bezieht sich also nur auf die Plazierung der Wachen. Ist der RTW im Einsatz, hätte aber aufgrund seines Standortes den Einsatzort innerhalb der Zeit erreicht, ist dem Gesetz Genüge getan.
    Gäbe es eine echte Hilfsfrist, hätten wir bei mir alleine drei RTW und eine Wache mehr... wO kämen wir denn da hin, wer sollte das denn bezahlen? (Ironie!)

  • Zitat

    Original von Vossi
    Das ist doch genau das, was Mowl und Jörg schon angedeutet hatten:
    Statistisch betrachtet kann ich aus jeder Statisik mir das statistisch wesentliche so hininterpretieren dass ich statistisch gut da stehe (oder schlecht - grad so wie ichs gern hätte).


    Dass die Ergebnisse solcher Studien in mehr als nur eine Richtung interpretiert werden können und diese Erhebungen (bzw. die Firmen, die sie durchführen) in der Regel auch noch alles andere als unabhängig sind, weiß doch jeder, der einigermaßen Einblick in das rettungsdienstliche Außenrum hat.
    Provokant gesagt ist so ein Gutachten eine enorme, unnötige Geldverschwendung, weil für die Kostenträger die Ergebnisse ja schon vorher feststehen.



    Was ich in BW noch viel schlimmer finde, ist, dass in manchen RD-Bereichen (so wie in unserem) seit 4 Jahren die Hilfsfristen nicht eingehalten werden können. Die Überwachung dieser Frist ist ja wohl die Aufgabe des Bereichsausschusses und dieser hat 4 Jahre lang nichts gemerkt? Ich denke, dass damit das gesamte System der "selbstüberwachenden" Bereichsausschüsse in Frage gestellt werden müsste. Wer sitzt denn da drin: 50% Kostenträger, die sparen wollen und daher sich nicht um die Einhaltung der Hilfsfristen kümmern und 50% HiOrg (in B.W. meist sehr sehr lastig zugunsten eines Anbieters), die sich offensichtlich nicht ausreichend kümmern. Und nicht einmal der Vertreter des Landkreises hat ein Stimmrecht. Nicht mal eines gegen 7 Stimmen KK und 7 Stimmen HiOrg (bei uns).


    Bei der ganzen Diskussion stößt mir sehr sauer auf, dass man bei den Berichten um die Hilfsfrist immer den Eindruck hat, hier wird um irgendeine "nicht ganz so wichtige" Sache gesprochen. Dass damit aber über Jahre hinweg ganz bewusst gegen geltende Gesetze verstoßen wird, wird nirgend vermerkt und letztendlich wird auch niemand dafür zur Rechenschaft gezogen. Mal von der Sache mit den Patienten und dem Überleben ganz abgesehen, aber mit den "alten Reden vom armen Notfallpatienten" lockt man ja schon lange keinen mehr hinterm Ofen vor. Hoch lebe die Kostenersparnis und die Vetterles-Wirtschaft im Rettungsdienst, von der Politik öffentlich gefördert.



    Eddy

  • Paradox finde ich in diesem Zusammenhang das stete Herausstellen der hervorragenden Erstversorgung durch First Responder / Helfer vor Ort / Notfallhilfen oder wie auch immer sie genannt werden, während man das Problem der Hilfsfristen garnicht erst zur Sprache bringt. Das ist Schönfärberei auf Kosten der Patienten und des professionellen Rettungsdienstes.

    Knüpfe dich nicht an Geringes, es zieht dich ab und hinab, fügt dir Geringeres zu.

  • Zitat

    Original von Vossi


    Gerade in einem Bereich (wie hier) in dem eine so massive Klinikdichte gegeben ist und so viele Krankentransporte täglich anstehen sollte über eine Aufgabe der Mehrzweckfahrzeugstrategie nachgedacht werden.
    Was nutzt die beste Vorhaltung, wenn am Vormittag alle Fahrzeuge des Bereiches mit Krankentransporten belegt und für Notfälle nicht disponibel sind?


    Das Mehrzweckfahrzeugsystem würde funktionieren, wenn man es nicht missbrauchen würde. Laut Rettungsdienstplan 2000 Punkt 5.4 darf ein RTW nur dann zum Krankentransport eingesetzt werden, wenn ein anderes Rettungsfahrzeug diesen Wachenbereich für Notfälle absichert. Also immer einen RTW je Wachenbereich freihalten und wenn dieser einen Notfall bekommt, den nächsten freien RTW zur Notfallreserve benennen.


    Aber auch hier werden die Vorgaben gebeugt und es gibt keine echte Kontrollinstanz, und schon gar keine wirkungsvollen Starfen.


    Eddy

  • Mannheim: Retter sind öfter in Zeitnot / Heute Sitzung zu nicht eingehaltenen Hilfsfristen


    Zitat

    An Selbsthilfe denkt man inzwischen auch bei der Feuerwehr. Der Personalrat hat daher jetzt die Amtsleitung aufgefordert, dass alle Beamten zumindest wieder zu Rettungssanitätern ausgebildet werden. Eine Auswertung der Leitstelle ergab nämlich: Zu häufig kämen bei Unfällen und Bränden die Feuerwehrleuten vor dem Rettungswagen an.

    Knüpfe dich nicht an Geringes, es zieht dich ab und hinab, fügt dir Geringeres zu.