Fragwürdige Hilfe durch den Rettungsdienst

  • Ich möchte nur am Rande den wenig hübschen § 221 StGB ins Gedächtnis rufen; da kann man vermutlich recht schnell landen, wenn man eine betreuungsbedürftige Person bei Minderjährigen zurücklässt, die zuvor um Hilfe gerufen haben, weil sie sich mit der Betreuung überfordert fühlen.

  • Tragenträger
    Professionell bedeutet auch, dass man Übertragung und Gegenübertragung vermeidete, oder sich dieses Phänomens bewußt ist.
    (Auf gut Deutsch: Ich nehme meine Patienten und deren Verhalten nicht persönlich.)


    @Schmunzel
    Vielen Dank!


    Bei Betrunkenen außerhalb einer Wohnung gibt es für mich 2 Möglichkeiten:
    - Krankenhaus
    - Polizei
    Letzteres wäre in diesem Fall bei einer betrunkenen 14 Jährigen (die hat den Alkohol sicherlich nicht unter Aufsicht ihrer Personensorgeberechtigten getrunken..) sicherlich pädagogisch am sinnvollsten gewesen.

  • Ich gebe trotzem Tragenträger im weitesten Sinne recht.


    Erstens ist es mal wieder ein "gesellschaftliches" Problem, dass eine 14 Jährige nachts betrunken irgendwo rumsitzt und nicht weiss, wie sie heim kommen soll.
    Wo sind denn die empörten Stimmen, die die Aufsichts- oder Fürsorgepflicht der Erziehungsberechtigten anmahnen?


    Zweites ist es ein "gesellschaftliches" Problem, dass eine Gruppe von Jugendlichen (früher "Clique" genannt) nicht in der Lage ist, sich in einer solchen Situation selbst zu helfen.
    Wer hat denn denen den Alkohol ausgeschenkt? Wieso kümmert sich derjenige nicht um die Folgen seines Handelns?
    Wieso legen die Jungs und Mädels nicht zusammen um die Kohle für ein Taxi für den "Maximalausfall" zusammen zu bekommen?


    Drittens ist es ein "gesellschaftliches" Problem, dass zunehmend erwartet wird, dass mit "nur einem Anruf" irgendjemand kommt, der einem die selbstverursachten Probleme löst.
    (Ähnlich wie Mr. Wolfe in "Pulp Fiction")


    Damit sind wir wieder bei TT´s Statement:


    Es ist ärgerlich, dass es zunehmend wohl "zum Job gehört", sich um vollkommen unnötige und vermeidbare Probleme zu kümmern.
    Ich weiss, dass war schon immer so.
    Herzinfarkt wegen jahrelanger Fehlernährung und übermäßigem Nikotinkonsum, Drogensucht, Diabetes... sind alles "gesellschaftliche" Probleme.
    Aber dass wir (und andere Berufsgruppen) uns inzwischen zunehmend nicht nur originär medizinische Probleme kümmern, sondern auch die Dummheit und Hilflosigkeit bestimmter Bevölkerungsgruppen kompensieren sollen, geht mir zugegeben auf den Zeiger.
    Und das zu den gegeben Bedingungen.


    Wenn ich blöd war und den Haustürschlüssel in der Wohnúng hab liegen lassen, muss ich mir entweder was überlegen, oder ich rufe nach Mr. Wolfe (Schüsseldienst).
    Dann muss ich halt wissen, dass mich das den Betrag X (gerne auch Betrag X²) kostet.
    Wenn ich zu besoffen bin, um Heim zu kommen, muss ich mit dem Taxi fahren (kostet Betrag X/2).
    Oder ich ruf einfach den Rettungsdienst - kostet nix und es kommt auf jeden Fall ne Lösung raus...

  • P.S:
    Dass sich das eingesetzte Personal im geschilderten Fall (sofern die Darstellung im Presseartikel den Tatsachen entspricht) vollkommen unmöglich benommen hat, muss man nicht diskutieren.


    Egal, wie sinnfrei der Einsatzanlass auch sein mag, professionelles und öffentlichkeitswirksames Auftreten MUSS sein.

  • Unterschreib ich so, gilt für beide vorangegangenen Posts.


    Und nochmal: Professionelles Verhalten sieht für mein Verständnis nicht so aus, dass ich jeden, der mir vorgestellt wird, irgendwo hin fahre. :nein:
    Das ist vollkommener Unsinn. Wie will man einen nicht gerechtfertigten RTW-Transport begründen, mit dem man nur jemand anderem (nämlich z.B. einer Klinik) eine Entscheidung aufnötigt?
    Es gehört auf jeden Fall dazu, sich um den weiteren Verbleib von betrunkenen oder sonstwie aufsichts- oder hilfsbedürftigen Personen zu kümmern (das ist für mein Verständnis übrigens Pflicht für jeden, der Kenntnis über die Situation erlangt), aber das Problem durch Verlagerung zu "lösen", ist einfach nur der falsche Weg. Verursacht nur Kosten und Ärger.

    They say God doesn't close one door without opening another.

    Please, God, open that door. :oncoming_fist_light_skin_tone:

  • Wird eine 14 oder 16jährige in der Stadt betrunken und mehr oder weniger hilflos aufgegriffen, dann ist es erst einmal an den Eltern zu entscheiden, was mit ihr zu passieren hat. Auch ich habe schon Jugendliche ihren Erziehungsberechtigten übergeben. Wer weder mit Hilfe gehen kann noch spontan erweckbar ist, der fährt dann halt mit uns.


    Dass ich persönlich dabei erstens ruhig bleibe und zweitens professionell bleibe, ist eigentlich selbstverständlich. Dennoch ärgere ich mich darüber.


    Zum Thema Fürsorge: Ich habe vor zwei Jahren sogar mal einen stadtbekannten Berufsalkoholiker morgens um 8 Uhr nach Hause fahren dürfen, als Krankentransport mit meinem Rettungstöfftöff. Die Schwester hat den Transport damit begründet, er habe gestern Nacht keine Schuhe dabei gehabt und könne so ja nicht gehen... ein Taxi kann sich der arme Kerl ja nicht leisten. Zum Glück gibt es Betablocker.

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  • @ Tragenträger


    Zitat

    Zum Thema Fürsorge: Ich habe vor zwei Jahren sogar mal einen stadtbekannten Berufsalkoholiker morgens um 8 Uhr nach Hause fahren dürfen, als Krankentransport mit meinem Rettungstöfftöff. Die Schwester hat den Transport damit begründet, er habe gestern Nacht keine Schuhe dabei gehabt und könne so ja nicht gehen... ein Taxi kann sich der arme Kerl ja nicht leisten.


    Das ist "manchmal" leider so. Aber es ist halt so, dass die Ambulanz in der Klinik jemanden nicht einfach vor die Tür setzen kann und dann muss er jalt durch den RD transportiert werden. Denn das andere Problem wäre: "Weil er Alkoholiker war müssen ihm nun die Beine abgenommen werden. Krankenhaus schickte alkoholisierte Person bei Schnee und Minusgraden barfus nachhause." Ich habe derzeit lange Diskussionen mit Juristen und die sagen: "Sorry prinzipiell haben sie Recht, aber im Zweifel wird der Staatsanwalt und Richter immer auf der Seite des armen Patienten sein und dieser konnte in seinem Zustand nicht den Umfang seiner Handlung erkennen. Andererseits wird man ihnen aber auch die Einschränkung seines Lebensumfeldes zum Vorwurf machen. Von daher hat man in dem Bereich immer schlechte Karten."
    Als Pflegeheim kann ich uneinsichtige Bewohner auch nicht einfach vor die Tür setzen.

  • Hat ja auch niemand verlangt. Man kann aber durchaus einen Transportschein für ein Taxi ausstellen, warum muss es denn gleich ein Rettungswagen sein?

  • Hat ja auch niemand verlangt. Man kann aber durchaus einen Transportschein für ein Taxi ausstellen, warum muss es denn gleich ein Rettungswagen sein?

    Ganz einfach, damit die bestellende Person sich keinen Vorwurf machen muss, dass sie Schuld ist, wenn auf der Taxifahrt dann doch irgendwas passiert.


    Wo wir dann wieder bei der weitergegebenen Verantwortung wären.

  • Wie bitte?
    Mit der Begründung müsste jede Entlassung aus dem Krankenhaus mindestens mit einem KTW durchgeführt werden. Zudem müsste man jedem Ex-Patienten medizinisches Fachpersonal an die Seite stellen, schließlich kann er oder sie am nächsten Tag im Supermarkt kollabieren.


    Entweder ich bin mir sicher dass bei Herrn X medizinisch Alles im grünen Bereich ist, dann braucht er keinen Rettungsdienst um nachhause zu kommen oder ich bin mir nicht sicher, dann kann ich ihn auch nicht wieder heimschicken.

  • Ich muss sagen, ich persönlich auch mehr als genervt von Einsätzen wegen eines Alkoholabusus. Und auch ich muss mich der Riege anschließen, dass ich einer Meinung mit CP bin. Ich muss sagen ein professionelles Verhalten gehört dazu und das geschilderte Verhalten gehört sicher nicht in die Kategorie. Ich hätte sicherlich die Vitalfunktionen geprüft und die junge Dame bei fehlender medizinischer Indikation an die Landespolizei übergeben. Die Eltern können sie dann aus dem Gewahrsam abholen, dort ist sie überwacht und betreut. In den Händen anderer Minderjähriger hätte ich sie nicht gelassen.


    Ich muss allerdings auch mit der Gegenseite mitgehen, ich habe erhebliche Zweifel an der Darstellung. Wenn man mit einer Behandlung unzufrieden ist, wird schnell dramatisiert. Deswegen beziehe ich mein Statement darauf, dass es wirklich so abgelaufen wäre, wie in dem Artikel geschildert. Und ich bin nicht geneigt, dies zu glauben. Aber das ist meine persönliche Ansicht.

    Land zwischen den Meeren,
    vor dem sich sogar die Bäume verneigen,
    du bist der wahre Grund,
    warum Kompassnadeln nach Norden zeigen!

  • Die Darstellung des jungen Mädchens unterscheidet sich zu stark von der des Rettungsdienstes, um erkennen zu können, was wirklich vorgefallen ist.
    Aber eine Zigarette an einer Einsatzstelle rauchen gibt einen Hinweis, wie es wirklich gewesen ist und dass ist peinlich.
    Wer Profi genannt werden will, Mus sich wie ein Profi benehmen.
    Wer solche Patienten nicht versorgt, weil ?die es ja selber schuld sind ?, soll sich bitte einen anderen Job suchen, Fremdschämen ist so unangenehm.

  • Ich finde es bedenklich, dass von Seiten des Rettungsfachpersonals oftmals unzureichende Ersthelfermaßnahmen beklagt werden und in so einem "Musterbeispiel" für Hilfsbereitschaft stattdessen das zu hohe Anspruchsdenken bemängelt wird. Mag ja sein, dass die Geschichte einseitig und ungerecht dargestellt wird, aber spätestens wenn man das mit der Zigarette hört (vorausgesetzt es stimmt), sollte doch die Solidarität mit den beteiligten Kollegen nochmal überdacht werden.


    Ich war vor kurzem auch mal in einer ähnlichen Situation, wegen eines erwachsenen Trinkers (der der RTW-Besatzung wahrscheinlich schon bekannt war). Dieser war zumindest Zeitweise bewusstlos und mehrmals u.a. auf den Kopf gestürzt. Da ist die Besatzung auch mit Händen in den Taschen ausgestiegen, ohne vernünftige Begrüßung.


    Den Frust kann ich verstehen, aber mit der Professionalität sehe ich es wie Cerebralperfusion.

  • Bei manchen Stadtbekannten mach ich auch nix außer aufladen und mich daneben setzen. Wenn ich da die Jacke ausziehen wollte würde ich mir nur eine fangen und da hab ich keine Lust drauf.


    Abgesehen davon, dass ich auch der Meinung bin dass ein 14 jähriges Mädchen, dass erweckbar und orientiert ist und "nur ein bißchen kotzt" und schläfrig ist keine apparative Diagnostik benötigt. Da reichen mir in aller Regel meine Hände.