Arzt intubierte falsch. 23-Jährige stirbt in Zahnarztpraxis.

  • Mein persönliches Credo: Sich nie in einer Arztpraxis operieren lassen! Unter den aktuellen Bedingungen raten da sogar die anästhesiologischen Fachgesellschaften ab.

  • Aktuelle Bedingungen. Bedeutet? Preiskampf?

    Ich habe einen ganz einfachen Geschmack - ich bin stets mit dem Besten zufrieden.
    Oscar Wilde, irischer Schriftsteller, 1854 - 1900


    Ich prüfe jedes Angebot. Es könnte das Angebot meines Lebens sein.
    Henry Ford 1863 - 1947

  • Ich habe mir damals die Weißheitszähne wegen extremen Würgereiz auch in Vollnarkose entfernen lassen - ich war sehr zufrieden damit... zumindest bis ich dafür bezahlt habe =)


    Fehler sind menschlich, aber das grenzt an Ignoranz...
    Das auch der zweite Arzt, den Fehler nicht korrigiert ist mir dann aber irgendwann unbegreiflich...


    Wo war denn die Anaesthesiepflege/Assistenz?


    "If in doubt - take it out"

  • Ein niedergelassener Anästhesist intubierte eine junge Frau, welche sich die Weisheitszähne entfernen lassen wollte, falsch. Wegen fahrlässiger Tötung musste er sich nun vor Gericht verantworten:


    Mainpost Artikel

    Ich weiß nicht, ob man bei ner Weißheitszahn op tatsächlich eine Vollnarkose braucht...
    Das so etwas mal passiert, denke ich mir jedes Mal, wenn ich an den großen Schildern "Wunschvollnarkose für jede Behandlung" bei den Arztpraxen vorbei fahre.
    Nichts desto trotz - Üble Geschichte für alle Beteiligten.


    Ciao,


    Madde

    "You won't like me when I'm angry.


    Because I always back up my rage with facts and documented sources."



    The Credible Hulk.

  • Matthias


    Unzureichende Überwachung, zu wenig und wenn dann unzureichend ausgebildetes Assistenzpersonal, hoher Arbeitsdruck, fehlende Rückfallebenen, zunehmend ASA II - III-Patienten, hohe Kosten im Vergleich zu den Erträgen, unzureichende Kontrolle. Die Fachgesellschaften haben deshalb gerade ein Schreiben für die Mindestanforderungen an einen anästhesiologischen Arbeitsplatz herausgegeben und fordert stärkere Kontrollen der zuständigen Behörden und Ärztekammern.

  • Matthias


    ..., zunehmend ASA II - III-Patienten, ...

    Patienten, die man im Rahmen der Prämedikation als unter diesen Bedingungen nicht narkosefähig ablehnen kann, oder nicht ?


    Zitat

    Die Fachgesellschaften haben deshalb gerade ein Schreiben für die
    Mindestanforderungen an einen anästhesiologischen Arbeitsplatz
    herausgegeben und fordert stärkere Kontrollen der zuständigen Behörden
    und Ärztekammern.

    :good2:

  • Daniel21


    Man kann solche Patienten durchaus ablehnen. Aber der Druck der Operateure und Krankenkassen stehen dem zunehmend entgegen. Hinzu kommt, daß die Narkosen immer besser verträglich werden und dadurch ein trügerisches Gefühl der Sicherheit vermittelt wird.

  • Ich habe übrigens vor einiger Zeit auch mal einen Patienten intubiert und beatmet aus einer ambulanten OP geholt, die von einem niedergelassenen betreut wurde. Wenn ich mich recht entsinne, war der Patient (vllt 30 Jahre als ASA I) damals im Rahmen der Ausleitung akut respiratorisch dekompensiert. Verdachtsdiagnose war ein Unterdrucklungenödem.


    Ich muss sagen, dass die Praxis damals auf mich einen sehr kompetenten Eindruck gemacht hat. Alles war modern ausgestattet, der Anaesthesiewagen hat einen ansehnlichen Eindruck gemacht. Es gab zwei "Aufwachliegen", die vom Saal aus überwacht werden konnten. Der Anaesthesist hat uns dankend begrüßt und uns in die Lage eingeweit. Wir haben den Patienten an unsere Geräte angeschlossen, umgelagert und ihn unter Begleitung des Arztes auf die Intensivstation eines nagegelegenen Krankenhauses gebracht.

  • Es gibt sicherlich auch "gute" niedergelassene Anästhesisten, ohne Frage. Aber alleine die von Dir beschriebene Situation würde mich von einer Praxisversorgung abschrecken. Schon alleine, weil hier ein anästhesiologischer Patient in ein therapeutisches Loch fällt und in einer kritsichen Phase durch einen Nicht-Anästhesisten versorgt wird. Vom Transporttrauma mal abgesehen.


    Es kann nicht sein, daß ich im Krankenhaus Kleinkindernarkosen mit zwei Anästhesieschwestern, einem gut gefüllten Kindernarkosewagen einschließlich Notfallequipement, erfahrenen Kollegen in der Nähe durchführe und 20 km weiter in einer Arztpraxis derselbe Eingriff mit einer Arzthelferin und ohne die entsprechende Infrastruktur in einem Low level-Procedure durchgeführt wird.

  • Es gibt sicherlich auch "gute" niedergelassene Anästhesisten, ohne Frage. Aber alleine die von Dir beschriebene Situation würde mich von einer Praxisversorgung abschrecken. Schon alleine, weil hier ein anästhesiologischer Patient in ein therapeutisches Loch fällt und in einer kritsichen Phase durch einen Nicht-Anästhesisten versorgt wird. Vom Transporttrauma mal abgesehen.

    Der Anaesthesist hat die Seite des Patienten bis zur Übergabe auf der Intensiv nicht verlassen.


    Ich kann deine Argumentation natürlich nachvollziehen - teile sie jedoch nicht vollends, denn das Problem stellt sich ja nicht nur bei Praxen, sondern auch generell bei allen kleineren Krankenhäusern ohne Intensivmedizin...


    Und nach der Argumentation mit der drohenden Verlegung müsste man dann auch jeden Notfallpatienten in die Uniklinik bringen und jede werdende Mutter in einer Krankenhaus mit angeschlossener Kinderintensiv.


    Ich würde jederzeit kleinere Eingriffe auch in einer Praxis durchführen lassen. Das gilt natürlich nur für ordentlich ausgestattete Praxen und nicht für irgendwelche improvisierte Narkosearbeitsplätze.

  • Ich kenne zwar niedergelassene Anästhesisten, die ich für durchaus fähig und auch verantwortungsbewust halte, eine ambulante Narkose (in einer Praxis) wäre für mich trotzdem ein no go. Ich muss Ani 100% beipflichten und ergänzen, dass der Sicherheitsaspekt auf Grundlage von Laienmeinungen oder auch den sehr kurzen Einblicken in die Anästhesie durch das RettAss-Praktikum deutlich verfälscht wahrgenommen wird. Man muss nur etwas länger in der Anästhtesie sein und durch verschiedene Abteilungen routieren um zu sehen wie schnell und häufig es zu Komplikationen kommt. Diese werden zu 99,9% bereits im Ansatz erkannt und auch ohne Folgen behoben - ich wage allerdings zu behaupten, dass das nur aufgrund der Infrastruktur und dem anwesenden Back Up-Personal (mit Erfahrung und Fertigkeiten auf, bzw meist sogar über dem eigenen Level) so klappt.
    Möchte mir z.B. nicht vorstellen, was mit der Routine-ASA-I-Patientin zur TE gestern passiert wäre, wenn die erfahrenen OÄ nicht dazu gekommen und sie mit Hilfsmitteln doch noch intubiert bekommen hätte.. ein fall, wie er auch hätte in der Praxis vorkommen können. Und das ist nur ein Beispiel von vielen...

  • Ich kann deine Argumentation natürlich nachvollziehen - teile sie jedoch nicht vollends, denn das Problem stellt sich ja nicht nur bei Praxen, sondern auch generell bei allen kleineren Krankenhäusern ohne Intensivmedizin...


    Solche Krankenhäuser dürften eher die Ausnahme sein. Ansonsten gibt es im Regelfall zumindesten einen entsprechend gut ausgestatteten AWR. Der kann schon eine Menge auffangen.


    Das, was ich schrieb' ist meine persönliche Meinung als Insider zu dieser Problematik. Und das ist es auch, was ich meinen Freunden und meiner Familie empfehle. Der Patient wird im Zweifel den ordentlich ausgestattete Anästhesiearbeitsplatz nicht vorher sehen, geschweige denn irgendeine Beurteilung machen können. Für den Patienten ist wichtig, daß er sich gut fühlt. Das hat aber nix mit Sicherheit zu tun. Die meisten verstehen noch nicht mal die Aufklärung und wissen, was sie da unterschreiben.


    Der Vergleich mit der Uniklinik ist eher ungünstig, weil wir in diesem Fall vorher in der Regel eine ausreichende Grundversorgung haben und ggf. auf adäquate Transportmittel zurückgreifen können (ITW, ITH etc.). Aus einer Praxis wird man unversorgt in einem RTW von zwei Feuerwehrmännern, einem Perfusor, einer Luftpumpe und einem bulgarischen Chirurgen transportiert. Zudem haben Patienten, die eine Praxis aufsuchen, eine Wahl gehabt.

  • Ich kenne beides... Ich habe selber schon mit dem RTW einen Patienten aus dem zum "AWR" umfunktionieren Lagerraum einer Arztpraxis geholt der mit einem GCS von 3 dort vergessen wurde... Umgekehrt kenne ich auch anästhesiologische Praxen die bewusst nur "Teilzeitkräfte" aus der Klinik anheuern und auf 50% Klinikanteil bestehen... Und soweit ich es bis jetzt gesehen habe auch guter Ausrüstung...


    Es ist halt aber wie so oft alles eine Frage der Preise, grade bei solchen "Wahlleistungen"...

  • Es ist halt aber wie so oft alles eine Frage der Preise, grade bei solchen "Wahlleistungen"...


    Die Preise richten sich nach der GOÄ und sind vorgeschrieben. Ausnahme sind Narkosen bei OP's, die von den Kassen nicht übernommen werden wie z.B. bei Sterilisationen, viele Zahnbehandlungen, Schönheits-OP's etc.. Hier können Preise frei verhandelt werden.

  • Wie sind denn da so die Preise für einen Honoraranästhesisten ?
    Es muss offensichtlich günstiger sein, sich einen Freischaffenden in die Praxis zu holen, statt in der Klinik zu operieren.

  • Das sind keine Honorarärzte, sondern Ärzte mit einer Kassenzulassung. Also niedergelassene Anästhesisten. Sonst könnten sie die Leistungen nicht mit den Kassen abrechnen. Ausnahme: Privatpatienten. Ihre Leistungen rechnen sie mit den Kassen oder Patienten selber ab, nicht mit den Operateuren.


    Der Nachteil mit der Kooperation einer Klinik ist vor allem die Flexibilität. . Man kann halt nicht um 18 Uhr mit Klinikpersonal operieren. Wobei es aber sehr unterschiedliche Modelle gibt. Und die Klinik muß die Voraussetzungen für diese OP's haben (z.B. HNO-OP). In meinem alten Krankenhaus waren die Operateure im Ambulantorium sowohl festangestellte Ärzte als auch externe Belegärzte, die Anästhesisten aus einer benachbarten Praxis. Lediglich die Räumlichkeiten, die Ausrüstung, die Medikamente und die Anästhesie- und OP-Pflege wurden vom Haus gestellt.

  • Matthias


    Unzureichende Überwachung, zu wenig und wenn dann unzureichend ausgebildetes Assistenzpersonal, hoher Arbeitsdruck, fehlende Rückfallebenen, zunehmend ASA II - III-Patienten, hohe Kosten im Vergleich zu den Erträgen, unzureichende Kontrolle. Die Fachgesellschaften haben deshalb gerade ein Schreiben für die Mindestanforderungen an einen anästhesiologischen Arbeitsplatz herausgegeben und fordert stärkere Kontrollen der zuständigen Behörden und Ärztekammern.


    Hier nachzulesen:
    http://www.dgai.de/eev/EEV_12_2012_S_575-580.pdf

    "We are the Pilgrims, master; we shall go
    Always a little further: it may be
    Beyond that last blue mountain barred with snow,
    Across that angry or that glimmering sea,


    White on a throne or guarded in a cave
    There lives a prophet who can understand
    Why men were born: but surely we are brave,
    Who take the Golden Road to Samarkand."


    James Elroy Flecker