Ärztemangel trifft Reiterverein - Für Sanitätsdienst bezahlen?

  • Haaaahahaa, ich kann mich nicht mehr halten :D - und vor allem nicht daran erinnern, mal ein derartiges Goldstück der (ich möchte fast sagen) Literaturgeschichte quasi live miterlebt zu haben :D :D
    Ganz davon abgesehen, dass ich wohl zwangsläufig ein vollständiges Soziogramm des Vereinsvorsitzenden im Kopf hatte und auf der nächsten Familienfeier des JRK-Vorsitzenden alle mit Namen begrüßen kann (ich freue mich besonders auf den lecker Kuchen), frage ich mich dennoch, wie sich die Entwicklung der sanitätsdienstlichen Absicherung - insbesondere von Veranstaltungen kleinerer Vereine oder Initiativen - weiter entwickeln soll und wird.
    Wir verlangen aktuell zwischen acht und zehn Euro die Helferstunde, dazu in der Regel eine Material- / Fahrzeug- / Anfahrtspauschale. Dennoch werde ich langfristig diese Preise nicht halten können und vor allem langfristig (vor allem vor dem Hintergrund des Notfallsanitäters als Stammbesatzung auf dem RTW, der aufgrund von (behördlichen) Auflagen häufig gefordert wird) auch nicht mehr ehrenamtlich leisten können.
    Auch als Wohlfahrtsverband wird es mir (langfristig) sicherlich nicht möglich sein, für eine von mir erbrachte Dienstleistung auch noch Geld mitzubringen- auch wenn, wirklich umfassend und rein wirtschaftlich betrachtet, ich das heute schon tue.
    Sicherlich kann ich schon heute zwischen dem netten Jugendzentrum von nebenan und dem großindustriellen Bankierstreffen in meinem Angebot unterscheiden- langfristig und unter erhöhtem Kostendruck sowie unter der Prämisse, dass ich keine zwei ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer mehr habe, die sich gerne auf die Veranstaltung im Jugendzentrum setzen und auch noch auf ihre Aufwandsentschädigung verzichten, wird das aber nicht funktionieren. (zumal ich genügend Ortsverbände kenne, die in ihrem Angebot nicht differenzieren oder sogar dem Großveranstalter noch ein Angebot machen, das so viele Zugeständnisse enthält, dass es mir allein bei dem Gedanken daran schon schlecht wird- Rock im Park lässt grüßen; aber da gibt es ja einen Großveranstalter, der es sogar noch schafft, mit SEINEN Ideen die Hilfsorganisationen unter Druck zu setzen- obwohl es keine privatwirtschaftliche Organisation der Welt gibt, die diesen Dienst (überhaupt oder zumindest zu diesen Konditionen) leisten kann und will)
    Ich denke, wir müssen uns eingestehen, dass wir auch in unserer teilweise noch immer sozialromantisch verklärten Wohlfahrtswelt anders handeln müssen, als wir das seit Jahrhunderten gewohnt sind. Ich kenne einige private Anbieter, die uns das glanzvoll vormachen und die für einen Sanitätsdienst auch eine (der Dienstleistung entsprechenden, angemessene) Rechnung stellen (können). Wie dann allerdings mit denjenigen Anfragen umgehen soll, die unter dieser Prämisse schlicht durch das Raster fallen, das ist für mich fraglich. Und auch, inwiefern das in den bisher durchschnittlichen Sanitätsdienststrukturen künftig abgeschätzt werden soll (wenn ich mir ansehe, dass es immer noch genügend Gliederungen gibt, die keine Vereinbarung / keinen Vertrag allein bezüglich der beinhalteten Leistung und ggf. eines Haftungsausschlusses mit dem Veranstalter abschließen etc.)
    Gegenüber dem Großveranstalter kann ich aus meiner Sicht zeitgleich nur den Preis für ein Maß an Professionalität verlangen, wie es meiner Dienstleistung (und dazu gehört eben auch die Vertragsabwicklung, die Einschätzung des Gefahrenpotenzials etc.) gebührt.
    Im Ernst- wie viele der lecker Bratwürstchen braucht das Reitturnier wirklich; wie viele Stunden Sanitätsdienst könnte man davon bezahlen, wenn man keine Würstchen kauft? (und nein, ich möchte jetzt keine "ja, aber die machen ja auch Gewinn mit dem Verkauf"-Diskussion lostreten; es geht mir ums Prinzip und ich habe leider keinen tiefergehenden Einblick in die Kalkulation für ein Reitturnier)
    Dennoch bleiben für mich zwei Probleme- ich selbst kann in meinen ländlichen Strukturen für meine Gliederung behaupten, dass wir nicht ausreichend finanziell interessante oder wirtschaftliche Anfragen haben, um die Veranstaltungen, die ich aus Good Will vielleicht gerne machen wollen würde, aufzufangen.
    Ich habe auch nicht die Ressourcen und Kapazitäten, langfristig mit dem Sanitätsdienst draufzuzahlen- zumal das bedeuten würde, dass ich andere (soziale) Dienstleistungen innerverbandlich ggf. erheblich einschränken müsste (und da muss ich mich fragen, ob es mir wichtiger ist, dass Lieschen Müller jeden Mittag ein Essen auf dem Tisch stehen hat, zum Beispiel über die Quersubvention eines Menüdienstes aus Spendengeldern) oder ob es für mich als Sozialverband mehr Bedeutung hat, dass drei meiner Helfer einen netten Nachmittag bei Kuchen und Würstchen auf einem Reitturnier verbringen...
    Für mich persönlich habe ich in dieser Frage eine klare Antwort, die Konsequenzen auch zu ziehen und die Entscheidung mit der entsprechenden "Härte" auch umzusetzen, das wird nicht einfach, sehe ich allerdings zeitgleich auch (noch) nicht als gegenwärtiges Problem...

  • Zitat

    Mir leuchtet nicht ein, warum eine Hilfsorganisation ihre satzungsgemäßen Aufgaben nicht aus Vereinsmitteln bestreitet.


    Wird spätestens bei einer Sozialstation, im Rettungsdienst oder beim Betreiben von Kitas etwas teuer ...


    Keine HiOrg kann heute auch nur Bruchteile ihrer - satzungsgemäßen - Tätigkeiten kostenlos erbringen, im RD nicht, in den soz. Diensten (HNR, EaR, Pflege) nicht, im Fahrdienst nicht, in der Breitenausbildung nicht - warum dann ausgerechnet im Veranstaltungssanitätsdienst?


    Qualifizierte Dienstleistungen sind ihr Geld wert, und sie müssen es auch sein, wollen sie sich tragen und nicht nur durch fragwürdige Doppelverwertung von (Personal u.v.a.) Material aus KatS und erweitertem RD ermöglicht werden.


    Ob man für Personal mit einer Qualifikation unterhalb RH 35 ?/h verlangen kann und will, insbesondere, da wohl nur eine im Sinne des Wortes ehrenamtliche Tätigkeit in Betracht kommt, ist eine andere Frage, aber Geld darf, soll, ja muss man verlangen.


    Es sei denn, natürlich, der Reitverein beteiligt such im Austausch kostenlos an der nächsten Veranstaltung der HiOrg ... :-)

  • In meiner Gegend ist das auch üblich, allerdings machen sich auch die wenigsten durchführenden Hilfsorganisationen über Themen wie Gemeinnützigkeitsstatus (insbesondere bei Stundensätzen von 35 Euro), Haftung und den Sinn von Hilfsorganisationen Gedanken. Genauso wie darüber, ob die meist verwendeten Standardverträge eigentlich AGB-gerecht gestaltet sind und welchen Anforderungen Rechnungen genügen müssen, wenn man schon meint, welche schreiben zu müssen. Ganz zu schweigen davon, ob von den 35 Euro auch Geld seinen Weg zu den Aktiven findet und damit für alle Beteiligten noch einkommensteuerliche Fragen auslöst. So viel zum Thema Stuss.


    Alles grossartgie Aspekte die just meiner Wahrnehmung entsprechen. Es wird halt nicht langweilig.


    Ich weiss allerdings nicht, ob die 35,-€ aus dem Artikel als Mannstunden oder als Stundensatz pro Einsatzstunde vorgesehen sind. Bei mehreren Helfern (SB) und inkl. Material/Fahrzeuge dürfte das grob kostendeckend sein. Bei "Mannstunden-Rechnung" mehr als das.

  • Wobei es nach meiner Information fuer den Ausrichter nicht verpflichtend ist, einen Arzt nach rettungsdienstlichen Massstaeben einzuteilen.


    Durchaus interessant dazu:


    Merkblatt "Organisation der Notfallvorsorge auf Turnieren" (Deutsche Reiterliche Vereinigung)


    Danach muss der Arzt gerade keine Facharztqualifikation oder Zusatzbezeichnung haben (dort S. 6 unten). Der Hausarzt auf der Tribüne wäre also nach diesen Anforderungen ausreichend.

  • Durchaus interessant dazu:


    Merkblatt "Organisation der Notfallvorsorge auf Turnieren" (Deutsche Reiterliche Vereinigung)


    Danach muss der Arzt gerade keine Facharztqualifikation oder Zusatzbezeichnung haben (dort S. 6 unten). Der Hausarzt auf der Tribüne wäre also nach diesen Anforderungen ausreichend.

    Ähm... der Hausarzt ist Facharzt.

    Under pressure, you don't rise to the occasion. You sink to your level of training.

  • OT: Kann bitte irgendjemand dieses blöde "Z" in "Ärztemangel" im Threadtitel einbauen??? Bitte Bitte Bitte. :greeting:

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  • Franka hat es m. E. ganz gut beschriebenn.
    Es gibt lanauf-landab viele kleine Vereine, die sich gegenseitig mit Mensch + Material bei ihren jeweiligen Veranstaltungen unterstuetzen. Das betrifft alle Hiorgs, in besonderer Hoehe auch die Freiwilligen Feuerwehren.
    Es gibt aber eben auch Veranstaltungen, bei denen nicht nur Geld verdient wird, sonder umgangsspralich formuliert "Reibach" gemacht wird.
    Das sind bspw, Konzertveranstaltungen.
    Natuerlich haben hier die eingesetzten Kraefte auch ein Erlebnis, doch dem steht ein nicht unerheb,icher Arbeitsaufwand gegenueber.


    Jeder, der erlebt das der Veranstalter davon ausgeht, dass "die Sani's" alles fuer "Gotteslohn" erledigen, sollte doch einmal kritisch hinterfragen, was eigentlich die Toilettenfrau oder die Getraenkeverkaeufer pro Std. erhalten.


    Umgekehrt darf eine Hiorh nicht jeden Teenie mit angefangener Sanitaetsausbildung in Rechnung stellen.
    Hier ist die Veranstaltung, also der Sanitaetsdienst, nichts anderes wie eine prakt. Uebung, wo Erfahrungen gesammelt werden.


    Mein letzter Sanitaetsdienst war bei einer oeffentl. Veranstaltung.
    Hier waren viele Schulklassen sowie eine Person, die mit zwei Personenschuetzern teilgenommen hat.
    Angeforder war ein Sanitaetshelfer; ich bin nun einmal ein wenig "mehr"
    Die Sanitaetshelferstunde bekam ich mit 9,00€ als Aufwandsentschaedigung.
    Dafuer informierte ich mich ueber die Flucht- und Rettungswege, machte Kontaktaufnahme und -pflege mit den Polizeibeamten des Objektschutzes, hatte natuerlich ein gepflegtes Aeusseres und kurz-saubere Fingernaegel plus eine umfangreiche Ausruestung,mit der ich auch haette umgehen koennen.
    Mein Verband wird natuerlich mehr wie diese 9,00€ in Rechnung stellen. Und das ist auch gut so!

    raphael-wiesbaden


    Artikel 1
    (1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.


    Selig sind die geistig Armen - nur: kann der Himmel die ganzen Seligen auch wirklich aufnehmen ?

  • Sorry fuer meine ganzen Tippfehler.
    I h schreibe derzeit mit einemTablett und habe hier erhebliche Probleme mit meinendicken Fingern.

    raphael-wiesbaden


    Artikel 1
    (1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.


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  • OT: Kann bitte irgendjemand dieses blöde "Z" in "Ärztemangel" im Threadtitel einbauen??? Bitte Bitte Bitte. :greeting:


    Mod.: Ja, klar. Willst du meine Stundensatz jetzt gleich wissen oder erst auf der Rechnung nachlesen?


    J. :drinks:

  • Zitat

    Angeforder war ein Sanitaetshelfer; ich bin nun einmal ein wenig "mehr"
    Die Sanitaetshelferstunde bekam ich mit 9,00€ als Aufwandsentschaedigung.


    [...]


    Mein Verband wird natuerlich mehr wie diese 9,00€ in Rechnung stellen. Und das ist auch gut so!


    Interessant. Auf welcher Rechtsgrundlage bezahlt ihr denn nebenamtliche Tätigkeiten im Veranstaltungssanitätsdienst steuerfrei (so verstehe ich jedenfalls den Begriff "Aufwandsentschädigung" hier, denn eine reine Entschädigung tatsächlichen Aufwands bei ehrenamtlicher Tätigkeit kann es bei dieser Pauschalierung wohl nicht sein)?


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  • Da bin ich gerne dabei und präzisiere, auch mit Blick auf frankas umfangreichen Beitrag: Wenn die Hilfsorganisation Kostendeckung betreibt, geht das in Ordnung. Ich hab nur bislang wenig nachvollziehbare Berechnungen der tatsächlichen Kosten gesehen, aus denen sich die oft geforderten Beträge ergeben könnten. So etwas wie 9 Euro "Aufwandsentschädigung" - deutlich mehr als der diskutierte Mindestlohn - für "Ehrenamtliche", die ihrem Hobby nachgehen, gehört sicher nicht dazu.


    Als gemeinnütziger Verein habe ich bei wirtschaftlichen Großveranstaltungen mit einem gemeinnützigen Konzept in der Regel nichts verloren. Wenn ich mich da betätigen möchte, muss ich entweder auf Basis meiner Gemeinnützigkeit sehr konkret kalkulieren oder mir eine Struktur überlegen, in der ich solche Prozesse vernünftig abbilden kann (wenn ich das öfter machen möchte).


    Unterhalb dieser Schwelle spricht absolut nichts dagegen, wenn eine reiterliche Vereinigung die örtliche Hilfsorganisation mit Spenden bedenkt, damit diese ihre satzungsgemäßen Aufgaben wahrnehmen kann. Und Hilfsorganisationen müssen ihre satzungsgemäßen Aufgaben sicher nicht gegenüber Personen erbringen, die sich nicht dafür interessieren, wie die Hilfsorganisation das bezahlt.

  • [quote='thh','index.php?page=Thread&postID=312574#post312574'][quote]
    Als gemeinnütziger Verein habe ich bei wirtschaftlichen Großveranstaltungen mit einem gemeinnützigen Konzept in der Regel nichts verloren. Wenn ich mich da betätigen möchte, muss ich entweder auf Basis meiner Gemeinnützigkeit sehr konkret kalkulieren oder mir eine Struktur überlegen, in der ich solche Prozesse vernünftig abbilden kann (wenn ich das öfter machen möchte).


    Das Problem wird vermutlich sein, dass nur die Hilfsorganisationen über Fahrzeugmenge, Personalstärke und Ortskenntnis (in BW neuerdings mWn. gefordert). Da wohl eher kaum ein RA kommen wird für 6 € und der wohl auch kaum als Hobby dort auftauchen wird, muss man das wohl angemessen entlohnen.
    Bei kommerziellen Großveranstalltungen mal ein wenig Geld abzugreifen und mal in die Jahre gekommene Fahrzeuge/Ausrüstungsgegenstände/Kleidung zu ersetzen finde ich nicht verwerflich...


    Sobald der Notfallsanitäter auf RTWs ein Muss ist, wird es -da bin ich ganz bei Franka- praktisch unmöglich ehremamtliche RTWs für Veranstalltungen zu besetzen.... Generell wird es denke ich sehr schwer eine Großveranstalltung mit vielen Rettungsmitteln zu schultern.

  • Dann wird halt der NFS bezahlt, und die Preise steigen. Wo ist das Problem?



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  • Nix wird steigen...

    Mindestens deine Beitragszahl hier im Forum. :-D


    Ich glaube schon, das wenn der NFS sich mit 12-15€ / h bezahlen lässt, das entsprechend die Kosten für einen SanD in die Höhe treibt.

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  • Ich glaube schon, das wenn der NFS sich mit 12-15? / h bezahlen lässt, das entsprechend die Kosten für einen SanD in die Höhe treibt.




    Die heutigen Rettungassistenten machen das doch auch umsonst, wenn sie für "ihre" Organisation "privat" auf San-Dienste gehen. Unabhängig von der individuellen Motivation. Warum sollte das in Zukunft anders sein?

  • Ich kenne genug die das nicht umsonst machen. Schon jetzt lassen sich einige das bezahlen.


    Wenn es weniger NotSan gibt, wird "der Wert" steigen.

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  • Ich glaube nicht, daß das die Regel ist.


    Was den Wert des NFS angeht, gehe ich von anderen Voraussetzungen aus: es wird keinen Mangel geben.