Transport wegen nicht kompatibler Trage abgelehnt | Patientin verstorben | Staatsanwaltschaft leitet Vorermittlung ein

  • "Die sollen sich nicht so anstellen und einfach ihren Job machen"


    Zumindest ist das in vielen Fälle ergebnis-, ziel- und patientenorientierter als das was, wir hier oft im Forum diskutieren. Und das zählt leider meistens.

  • Zumindest ist das in vielen Fälle ergebnis-, ziel- und patientenorientierter als das was, wir hier oft im Forum diskutieren. Und das zählt leider meistens.


    Vermutlich ist das auch einfach dem Medium "Forum" geschuldet, dass hier aus sicherer Entfernung diskutiert und abgewogen wird. Vor Ort sieht es meistens anders aus, daraus würde ich keinesfalls eine Beurteilung ableiten wollen. Ich halte nicht alle Kollegen, die Für und Wider abwägen, etwas ausführlicher dazu schreiben, für nicht entscheidungsfreudig oder für ausschließlich defensiv. Lieber diskutiere ich hier über ein paar Seiten und erweiter damit auch meinen persönlichen Horizont, als vor Ort eine Kurzschlusshandlung erleben zu müssen.

  • Bei der Güterabwägung geh ich ja mit, von Anfang an. Nur von aller medizinischen Notwendigkeit abgesehen wird hier ja ein Stück weit in Frage gestellt, dass der Fahrer sich um irgendwas anderes zu kümmern hätte als um die reine Bedienertätigkeit vorne links.



    Zumindest ich habe genau das nicht geschrieben, sondern darauf hingewiesen, dass es aus meiner Sicht gerade keine Vorschrift gibt, die dem hier diskutierten Transport pauschal im Wege steht. Für mich ergibt sich das schlicht aus aufmerksamem Lesen der Normtexte. Es mag sein, dass ich da einen geübteren Blick drauf habe und deshalb nicht verstehe, warum Du es nicht nachvollziehen kannst. Jedenfalls ist es aber nicht so, dass man begründen müsste, gegen welche Vorschriften ein Fahrer nicht verstößt, solange schon gar nicht geklärt ist, weshalb das betreffende Verbot überhaupt einschlägig sein sollte.


    Die Vorschrift über Gurte bezieht sich auf die vorhandenen Gurte, darum geht es also vorliegend nicht.


    Von einer Weisungsbefugnis habe ich nicht gesprochen, das brauchen wir also nicht zu diskutieren. Was genau findest Du polemisch, und wieso meinst Du, dass mir meine Ausdrucksweise nicht gut zu Gesicht stehe?

  • Okay, dann nochmal aus meiner bescheidenen Sicht: Ladung ist zu sichern, Gurte sind zu benutzen. Gurte sind nutzlos, wenn sie nicht ordnungsgemäß im Fahrzeug befestigt sind. Ist die Trage nicht vernünftig im Auto befestigt, sind auch die Gurte nutzlos. Ist das so abwegig? Vom GMV mal ganz abgesehen.


    Und das hier



    Was vielleicht nicht der RTW-Fahrer wissen muss, aber sein Feuerwehrhäuptling schon. Und wenn beiden nichts besseres einfällt, als sich unter Berufung auf die StVO aufzuspielen, weil sie ein Problem damit haben, dass ihnen zwei Ärzte zur medizinisch sinnvollen Beförderung eien Vorgabe machen, dann sind sie an der Stelle falsch, an der sie sind.


    liest sich schon ziemlich abwertend. Und hier habe ich auch "Vorgabe" gefunden, was man in dem Zusammenhang durchaus auch als (fraglich zulässige) Weisung deuten könnte.

    They say God doesn't close one door without opening another.

    Please, God, open that door. :oncoming_fist_light_skin_tone:

  • Okay, dann nochmal aus meiner bescheidenen Sicht: Ladung ist zu sichern, Gurte sind zu benutzen. Gurte sind nutzlos, wenn sie nicht ordnungsgemäß im Fahrzeug befestigt sind. Ist die Trage nicht vernünftig im Auto befestigt, sind auch die Gurte nutzlos. Ist das so abwegig? Vom GMV mal ganz abgesehen.


    Formaljuristisch mag das so sein. Ist mir aber egal, ich transportiere keine Ladung. In diesem Fall erfolgt die Abwägung zwischen einem potentiell lebensrettenden Transport und dem Verstoß gegen die StVO § 22. Darüber muss man als in der Gefahrenabwehr Tätiger eigentlich nicht diskutieren.



    liest sich schon ziemlich abwertend. Und hier habe ich auch "Vorgabe" gefunden, was man in dem Zusammenhang durchaus auch als (fraglich zulässige) Weisung deuten könnte.


    Ich finde das liest sich zu recht abwertend. Wer nicht in der Lage ist in Extremsituationen Entscheidungen im Sinne der ihm anvertrauten Patienten zu treffen, dem dürfen diese Patienten nicht anvertraut werden.


    RettAssG § 3:

    Zitat

    Die Ausbildung soll entsprechend der Aufgabenstellung des Berufs [...] dazu befähigen, am Notfallort [...] lebensrettende Maßnahmen bei Notfallpatienten durchzuführen,


    Hier wäre die lebensrettende Maßnahme ein Transport über einige 100 Meter gewesen. Durchgefallen.

    Alle sagten: "Das geht nicht!". Dann kam einer, der wusste das nicht und hat es einfach gemacht.

  • Die wichtigere Frage wäre IMHO warum es zu diesem Problem kommen musste. Das war doch vorherzusehen, wenn das Tragenproblem bekannt ist.


    Und eines wäre in diesem Fall noch zu klären: war das umlagern wirklich nicht möglich? Wie hat das der ITW gelöst?



    Sent from my iPhone

    Under pressure, you don't rise to the occasion. You sink to your level of training.

  • Und eines wäre in diesem Fall noch zu klären: war das umlagern wirklich nicht möglich? Wie hat das der ITW gelöst?


    Ich gehe mal davon aus, dass sie die Patientin auf ihre Trage gelagert haben. Der Hubi wird ja nur ungerne auf seine Trage verzichten wollen. Ob die Umlagerung direkt erfolgte oder der Patient vorher wieder in das Krankenhausbett zurückgebracht wurde, bleibt nur zu vermuten. Es wäre zumindest der übliche Weg.

  • Ich bin mir nicht ganz sicher, aber stand irgendwo, dass der Patient überhaupt schon auf der Trage des Hubi war?


    Die Diskussion kann ja schon vorher stattgefunden haben. Insofern hat der ITW auch nur einmal umlagern müssen.


    Eddy

  • Das ist ein absolutes No go im Intensivtransport. Wir raten in unseren DIVI-Kursen unbedingt davon ab. Deshalb wäre die Patientin mit großer Wahrscheinlichkeit erst wieder ins Bett gebracht worden. Zumal man ja wahrscheinlich auf den ITW hätte warten müssen.

  • Ich habe das schondutzende Male vollkommen problemlos durchgeführt Ani. Ist bei uns vollkommen üblich und wenn man sich 2 Minuten zeit nimmt alles zu sortieren auch problemlos machbar.


    Gesendet von meinem SM-T533 mit Tapatalk

  • Man macht viele Dinge, wenn man nicht weiß, was alles passieren kann. Und meistens hat man Glück. Gut für den Patienten, aber schlecht für den Lerneffekt. Deshalb gibt es die DIVI-Kurse. Es hat schon seinen Grund, warum man im Intensivtransport eine Übernahme nicht in der Fahrzeughalle oder am Landeplatz macht. Schon gar nicht, wenn es sich um richtige Intensivpatienten handelt.

  • Wer nicht in der Lage ist in Extremsituationen Entscheidungen im Sinne der ihm anvertrauten Patienten zu treffen, dem dürfen diese Patienten nicht anvertraut werden.



    Jupp, ist es aber eine Extremsituation oder kam das die Woche schon 10x vor und der RTW hat jetzt einfach mal die Schnautze gestrichen voll trotz bekannter Problematik die Kastanien aus dem Feuer zuholen und das immer und immer wieder?


    Wer weiss das schon, im Einzelfall würde ich immer alles möglich machen und wenn ich die RTH Trage quer in den RTW schiebe, nur irgendwann ist meine Experementier- und Improvisationslust auch aufgebraucht.


    Und was ist wenn die Kolegen das schon einmal probiert haben und es ist damals schon in völliger Grütze gendet, dann will man sich den Schuh sicher auch nicht noch einmal anziehen!

  • Daniel21


    Nur um Mißverständnissen vorzubeugen: meine Aussagen bezogen sich auf den Sekundärtransport. Nicht auf die primäre oder postprimäre Übernahme von anderen Rettungsmitteln.

  • Das Problem ist ja, dass irgendjemand mal angefangen hat, den Fahrern von Rettungswagen zu erzählen dass sie - egal was ist- immer mit ihrem persönlichen Hintern zu haften hätten. Und das wird genauso von rettungsdienstleitern, wachenleitern usw auch so weitergetragen. In der Medizin ist aber nichts ohne Ausnahme.
    Es wäre total toll wenn alles immer überall passen würde. Das würde unsere Aufgabe immens erleichtern ...Aber so isses eben nicht...


    Der Transport eines schwerkranken Menschen - ob primär oder so wie im zugrundeliegenden Fall sekundär ( aber trotzdem als Notfall im Sinne eines evakuierungstransportes zu sehen)- ist in jedem Fall aber eine Situation die es nötig machen kann, zwischen zwei oder mehreren sich eventuell entgegenstehenden Regelungen oder Vorschriften abzuwägen.


    Das müssen wir Ärzte in so einer Situation ( und häufig genug auch woanders) machen und auch entscheiden können.
    Ich verstehe aber auch die Sorge der Assistenten, die es ja auch einfach zu pauschal gesagt bekommen.


    Egal was bei der rechtlichen Beleuchtung dieser Geschichte rauskommt: kein Gericht kann für jetzt und zukünftig auftretende Eventualitäten Regelungen finden. Es wird immer eine Entscheidung von Fall zu Fall bleiben müssen.


    wer solche Transporte durchführt muss auch mit soetwas leben können. Das liegt in der Natur der Sache.


    Fakt ist - wenn ein solcher Transport (lebens-)notwendig , dann muss er auch so gut es geht und zügig gemacht werden. Darauf hat der Patient ein Recht . Und er trägt übrigens auch das größte Risiko- das nämlich bei der ganzen Geschichte entweder weiteren Schaden zu nehmen oder das Ganze nicht zu überstehen...

    Einmal editiert, zuletzt von DocJojo ()

  • In dem Fall ist es ja gut, dass Regierungen Regelungen treffen und die Gerichte sie nur anwenden.

    Land zwischen den Meeren,
    vor dem sich sogar die Bäume verneigen,
    du bist der wahre Grund,
    warum Kompassnadeln nach Norden zeigen!

  • Okay, dann nochmal aus meiner bescheidenen Sicht: Ladung ist zu sichern, Gurte sind zu benutzen. Gurte sind nutzlos, wenn sie nicht ordnungsgemäß im Fahrzeug befestigt sind. Ist die Trage nicht vernünftig im Auto befestigt, sind auch die Gurte nutzlos. Ist das so abwegig? Vom GMV mal ganz abgesehen.


    Dann schlage ich vor, wir lesen noch einmal gemeinsam die StVO:


    In § 22 Abs. 1 StVO finde ich Vorschriften über die Sicherung von "Ladung". Also frage ich mich zuerst, was mit "Ladung" gemeint ist. Ich schätze, der Verordnungsgeber hat sich dabei in erster Linie Frachtgüter auf einem Lkw vorgestellt und nicht Patienten in einem RTW. Das schließe ich aus dem Rest der Vorschrift, die eine Reihe von Regelungen enthält, die offenkundig zu solchen Gütern passen. Deshalb habe ich schon Zweifel daran, dass der hier diskutierte Transport überhaupt unter die Vorschrift fällt (übrigens auch deshalb, weil mich sonst interessieren würde, wie denn Notarzt und Rettungsassistent im Patientenraum zu sichern sind).


    Aber auf die Frage, was "Ladung" ist, kommt es vorliegend gar nicht an, denn § 22 Abs. 1 StVO enthält gar kein absolutes Verbot, sondern schreibt vor, dass man "Ladung" in Bezug auf bestimmte fahrphysikalische Erscheinungen zu sichern hat. Soweit wir den Sachverhalt kennen, hat sich aber niemand aus dem Kreis des Rettungspersonals mit dieser Frage beschäftigt. Insbesondere ist offenkundig nicht hinterfragt worden, ob auf einem Weg von mehreren hundert Metern das Auftreten von Bewegungen dieser speziellen "Ladung" zum Beispiel durch Langsam- und Stetigfahren bei Sperrung des Transportweges für den sonstigen Verkehr mit hinreichender Sicherheit hätte vermieden werden können.


    § 23 Abs. 1 StVO fordert eine Ladungssicherung, durch welche die Verkehrssicherheit des Fahrzeugs nicht gefährdet wird. Es geht hier also ausdrücklich nicht um die Sicherheit der Ladung selbst. Deshalb mein Hinweis weiter oben, dass der RTW als solcher wohl kaum verkehrsunsicher wird, wenn man eine Hubitrage irgendwie befestigt.


    Sicherheitsgurte werden in § 21a StVO geregelt, und diese Vorschrift spricht von "vorgeschriebenen" Sicherheitsgurten. Also ist die Frage, was ein "vorgeschriebener" Sicherheitsgurt ist. Wie man das auch dreht und wendet, handelt es sich vermutlich nur um die Gurte auf Plätzen, auf denen auch eine Person befördert wird (ich muss nicht auf der leeren Rückbank die Sicherheitsgurte schließen). Die hier fragliche Patientin sollte aber nicht auf einem der normalen Plätze befördert werden - auch nicht auf der regulären Trage des RTW, das war ja gerade das Problem.


    Und davon völlig abgesehen regelt § 21a Abs. 1 Nr. 3 StVO, dass niemand sich bei Fahrten mit Schrittgeschwindigkeit anschnallen muss - das wäre dann wohl auf jeden Fall eine Lösung für ein eventuelles Problem mit den Sitzgurten.


    Und über alledem schwebt natürlich der § 35 StVO, der genau für solche Fälle regelt, dass man unter Anwendung des GMV auch mal was anders machen darf als Jupp in seinem Kadett. Dass eine sich selbst als professionell wahrnehmende Rettungsmannschaft inklusive deren Vorgesetzem das weiß, erwarte ich ehrlich gesagt schon.



    Was genau findest Du daran "ziemlich abwertend"? Den Begriff "Feuerwehrhäuptling"? Den benutze ich öfter mal, wenn mir die korrekte Dienstbezeichnung nicht einfällt oder entbehrlich erscheint. Das Wort "aufspielen"? Nenn´ mir eines, das die Situation besser erfasst, aber berücksichtige dabei bitte, was ich oben zur Rechtslage geschrieben habe.



    Und hier habe ich auch "Vorgabe" gefunden, was man in dem Zusammenhang durchaus auch als (fraglich zulässige) Weisung deuten könnte.


    Wenn man ein wenig oberflächlich liest, vielleicht. Wenn man genauer liest, ist "Vorgabe" das Setzen einer Rahmenbedingung und "Weisung" die mit Verbindlichkeit ausgestattete Aufforderung zu einem konkreten Verhalten. Der Begriff "Vorgabe" stammt aus der Ursprungsnachricht, in der übrigens auch steht, dass die Rettungskräfte und ihr Chef mit DIN-Normen argumentieren (die ganz sicher aus sich heraus keine Haftung für irgendetwas auslösen).

  • In dem Fall ist es ja gut, dass Regierungen Regelungen treffen und die Gerichte sie nur anwenden.


    Gerichte lesen in den vorliegenden Gesetzen und Regelungen und interpretieren und bewerten diese.


    Und dann regeln sie -von mir aus indirekt- dadurch sehr wohl auch Sachverhalte. Weil sie wissen, dass es eben sich entgegenstehende Regelungen/Vorschriften/Gesetze in einer Sitation geben kann. Und dass dann zu bewerten ist, was wichtiger ist.


    Deswegen darf man manchmal schneller als erlaubt fahren , manchmal körperlichen Zwang anwenden usw.
    Die Abwägung des höheren Rechtsgutes nennt man das. Weißt Du ja sicher.


    Und wenn man sich vernünftig mit dem zur Verfüng stehen Material anstellt (alle sinnvollen Gurten und Geräte benutzt, langsam fährt usw.) und dies sauber dokumentiert( Dringlichkeit des Erkrankungsbildes, Nutzen des Vorhandenen), dann wäre in dem Sachstand den wir haben dieser Transport auch ok gewesen, selbst wenn was passiert wäre.

  • Jupp, ist es aber eine Extremsituation oder kam das die Woche schon 10x vor und der RTW hat jetzt einfach mal die Schnautze gestrichen voll trotz bekannter Problematik die Kastanien aus dem Feuer zuholen und das immer und immer wieder?


    Wer weiss das schon, im Einzelfall würde ich immer alles möglich machen und wenn ich die RTH Trage quer in den RTW schiebe, nur irgendwann ist meine Experementier- und Improvisationslust auch aufgebraucht.


    Und was ist wenn die Kolegen das schon einmal probiert haben und es ist damals schon in völliger Grütze gendet, dann will man sich den Schuh sicher auch nicht noch einmal anziehen!


    Berechtigter Einwand. Aber da kann ja die Patientin in der Akutsituation nichts dafür. Und deswegen jemanden über die Klinge springen zu lassen halte ich auch für unverhältnismäßig. Ich bin ein großer Befürworter davon auf Mißstände deutlich und auch laut aufmerksam zu machen. Diese Konflikte haben aber nicht auf dem Rücken von Patienten ausgetragen zu werden.

    Alle sagten: "Das geht nicht!". Dann kam einer, der wusste das nicht und hat es einfach gemacht.