Zugunglück in Oberbayern

  • Solche Praktiken sind es aber, die unter systemische Fehler fallen. Medial ist der Käse gegessen: Es kann ein Schuldiger präsentiert werden. Dem Mann ist zu wünsche, dass seine Identität vom Axel-Springer-Verlag nicht publik gemacht wird. Er ist eh für sein Leben gestraft.


    Ich hoffe, dass es aber gleichzeitig im Hintergrund bei der DB genug kluge Köpfe gibt, die es eben nicht auf den Mann alleine schieben, sondern einen systemischen Fehler, bzw. ggf. auch einen technischen (veraltete Hard - und Software) erkennen und beheben.

    “When I was a boy and I would see scary things in the news, my mother would say to me, "Look for the helpers. You will always find people who are helping.”


    • Fred Rogers

  • Das wird wohl ein Wunschtraum bleiben. Eine offene Fehlerkultur gibt es auch in meinem hauptberuflichen Bereich, eine Berufsfeuerwehr / Leitstelle nicht. Schuld ist immer der kleine Mann! Gerade mit der noch oft anzutreffenden autoritären Führung und Schwächen in der Sozialkompetenz ist das anders auch nicht durchzusetzen. Quasi auch ein Generationenproblem.


    Gruß

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • Ich hoffe, dass es aber gleichzeitig im Hintergrund bei der DB genug kluge Köpfe gibt, die es eben nicht auf den Mann alleine schieben, sondern einen systemischen Fehler, bzw. ggf. auch einen technischen (veraltete Hard - und Software) erkennen und beheben.


    Daran glaube ich ehrlich gesagt weniger. Und wenn ich dich zu bekehren versuchen darf: das sagt genug über die Fehlerkultur bei der DB.

  • Nils: Danke für den lesenswerten Link! Ich hatte damals Dienst in der Leitstelle. Die Geschichte hinter diesen Einsatz jetzt zu lesen ist unheimlich interessant. Und erschütternd zugleich...


    Gruß

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • In der Tat ein lesenswerter Artikel. Allerdings finde ich die Reaktion der Staatsanwaltschaft das Verfahren einzustellen doch auch nachvollziehbar, so wie ich das verstanden habe haben beide eine Aluminiumleiter vom Bahnsteig zum Dach aufgestellt und sind an der Grenze zum Bahnsteig in unmittelbarer Nähe zur Oberleitung aufgestiegen. Ganz ehrlich, allein der gesunde Menschenverstand sollte sich da melden, alleine schon die Gefahr bei einem Stuez ins Gleisbett zu geraten.

  • Vielleicht täuscht das in der Tat! Wir sind bis zum Erbrechen auf das Erkennen von Gefahren trainiert worden, wir sehen und ahnen diese oft voraus. Das tun aber nicht alle Menschen, vor allem diese Menschen nicht, die nicht wirklich etwas mit unserem Bereich (oder anderen wo es um Gefahren geht) zu tun haben. Man muss alleine mal bedenken, wie viele Bürger die Hilfe der Feuerwehr und des Rettungsdienstes ersuchen und letztendlich nur eine gewisse Art von Lebenshilfe geleistet werden muss. Mich überrascht es daher nicht, dass viele Menschen Gefahren nicht erkennen oder "dumme" Sachen tun. Vielleicht hätte ein Elektriker diese Gefahr besser erkannt? Es waren jedoch Maler. Ich kenne diesen genannten Bahnhof gut (Bahnhof Hannover Nordstadt), ich fahre quasi mehrmals die Woche durch oder steige da in die Straßenbahn um. Wie deutlich aus dem Artikel zu erkennen war, gab es die Bemühungen entsprechende Sicherheitshinweise und Arbeitsanweisungen zu erlassen, weil entsprechende verantwortliche (oder sich verantwortlich fühlende) Personen diese Gefahr erkannt haben. Jedoch waren monetäre Interessen wichtiger. Irgendwo ist der Bahnbeamte für mich ein Held, dass er sich dem Gegenwind so entgegen gestellt hat. Vielleicht hätte der Unfall so verhindert werden können.


    Gruß

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • Ich habe eine ähnliche Situation während eines RTW-Dienstes vor einigen Jahren erlebt. Ein Entstörungstrupp der Bahn (2 Personen) sind in der Nacht (gegen 4:30 Uhr) zu einer vereisten Weiche gerufen wurden. Dort angekommen, es handelte sich um eine Hochbahntrasse mit Fern- und Güterverkehr (der S-Bahnverkehr nutzt andere Gleise), begannen diese mit der Entstörung der Weiche. Ein Güterzug in Fahrtrichtung Hildesheim hatte ca. 100m vor der Weiche ein Rotsignal und hielt dort. Da der Entstörungstrupp der Bahn sich auf dem Gleis des Güterzuges befand, der 100m zuvor auf Weiterfahrt wartete, beachten sie den Verkehr von der anderen Seite nicht. Was sie nicht wussten, dass der Güterzug in Warteposition nicht auf das Ende ihrer Arbeiten wartete, sondern auf einen anderen Güterzug, der in Richtung Hannover fuhr und genau an dieser genannten Weiche wieder auf das andere Gleis wechseln wollte. So rauschte dieser von hinten heran und tötete einen der beiden Arbeiter und verletzte den anderen schwer. Da die Unfallstelle nur schwer zu erreichen war (hochklettern an einer Noteinstiegluke, dann ca. 1000 m Fussmarsch), waren die beiden Arbeiter erst gut 45min nach Alarmierung zu erreichen. Um meine Kollegen (2x RTW, 2x NEF) an die Einsatzstelle heran zu lotsen bin ich mit dem Angriffstrupp des ersten LF einer Ortsfeuerwehr auf den Hochbahnstrecke geklettert (Leiter an einer Betonstütze) und dann zur Einsatzstelle gewandert, meine Kollegen habe ich nach Auffinden der Einsatzslle über Feldweg heran gelotst. Vielleicht hätte auch dieser Unfall vermieden werden können, denn es gab keinen Sicherungsposten, der mittels eines Warnsginales die beiden Arbeiter hätte waren können. Vermutlich deswegen auch nicht, weil sich bei den Arbeiten nur "um ein paar Minuten" gehandelt hätte. Auch dieser Unfall ereignete sich zu einem Zeitpunkt, wo es mehrere dieser Unfälle von Bahnarbeitern gab. Nur wenige Kliometer von dem genannten Bahnhof Nordstadt ist ebenfalls ein Bahnbauarbeiter von einem ICE platt gemacht worden. Irgendwas stimmt bei der Bahn nicht, finde ich...


    Edit: Hier zwei Links dazu: Bahnunfall Wunstorf und Bahnunfall Laatzen. Allerdings hatte ich die Uhrzeit anders in Erinnerung. Naja...


    Es ist aber erschreckend, wie viele diese Unfälle zur gleichen Zeit passierten. Zu dem Zeitpunkt des Unfalls in Wunstorf kam es in Köln und Berlin ebenfalls zu getöteten Bahnarbeitern.

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

    5 Mal editiert, zuletzt von Harris NRÜ () aus folgendem Grund: ...wenn man immer so viele Dinge auf einmal macht!

  • In der Tat ein lesenswerter Artikel. Allerdings finde ich die Reaktion der Staatsanwaltschaft das Verfahren einzustellen doch auch nachvollziehbar, so wie ich das verstanden habe haben beide eine Aluminiumleiter vom Bahnsteig zum Dach aufgestellt und sind an der Grenze zum Bahnsteig in unmittelbarer Nähe zur Oberleitung aufgestiegen. Ganz ehrlich, allein der gesunde Menschenverstand sollte sich da melden, alleine schon die Gefahr bei einem Stuez ins Gleisbett zu geraten.


    Dieses Statement finde ich ein bisschen zynisch.
    Sicherheitsvorschriften sind immerhin nicht nur dazu gedacht, den intelligenteren Teil der Bevölkerung vor Unfällen zu bewahren.

  • Trotzdem finde ich dass man einem Handwerker(Auch Glaser haben mit Strom zutun) durchaus ein gewisses Grundverständnis bezüglich Strom zuschreiben kann. Vor allem bemerkenswert finde ich die anschließende Reaktion der Umstehenden(Ua Sekretärin), die sofort kapiert haben dass eine Annäherung an die Verletzten gefährlich ist.

  • [align=justify] Eine offene Fehlerkultur gibt es auch in meinem hauptberuflichen Bereich, eine Berufsfeuerwehr / Leitstelle nicht. Schuld ist immer der kleine Mann! ]


    Das sog. "Shame, blame, name".
    Zum Glück gibt es auch Betriebe, die eine andere Fehlerkultur pflegen.

  • Wenn ich richtig informiert bin, ist es üblich, dass FDL Zs 1 nutzen, um den Betrieb bei Verspätungen zu beschleunigen. Das war keine Einzelaktion von dem einen FDL, sondern soll öfter vorkommen. Ergo, die Führung toleriert das, auch wenn es deine zitierten Regeln nicht hergeben. Nun hat das missachten dieser Regel zu einem schrecklichen Unfall geführt. Und nun soll ein einzelner Schuld sein.


    Das wäre mir völlig neu.


    Solche Unfälle passieren - im Grundsatz auch nicht zum allerersten Mal - aus einer Verkettung von Fehlerquellen:


    - Routine schleift sich ein (Zugmeldebücher werden vorbeschrieben statt live ausgefüllt, Funkmeldungen verkürzt ...)
    - aus verschiedenen Gründen mussen Sonderbedienformen regelmäßig eingesetzt werden (Baustellen, bei denen keine regulären Fahrstraßen eingestellt werden können) oder es kam in der Vergangenheit mehrfach zu Störungen
    - Stress


    Natürlich kann im Einzelfall auch der Wunsch, Verspätungen zu vermeiden oder zu vermindern, mitspielen; das ist per se ja auch kein Problem. Es gibt aber auch dafür keinen Grund, ein Zs1 zu ziehen - was soll das bringen?


    Es kann aber durchaus passieren, dass - Routine! - die Fahrstraße für den einen Zug schon weit im voraus eingestellt wird (dann hat man das schon einmal erledigt). Dann ist der Zug verspätet und man denkt sich "Dann lassen wir die Züge heute mal nicht im Bahnhof A aneinander vorbei, sondern am Bahnhof B" und will daher die Fahrstraße für den Gegenzug von A nach B einstellen, damit der nicht ewig in A warten muss. Geht aber nicht (weil ja die Strecke für den Gegenzug freigegeben ist, man das aber nicht mehr präsent hat). Dann muss zu einer Ablehnung nur noch ein anderer plausibler Grund für die Weigerung des Systems, die Fahrstraße zu stellen vorliegen, so dass man sich denkt "Ach, das hängt schon wieder, gebe ich halt Zs1 ..." und - bumm.


    Es gibt viele Möglichkeiten, wie es trotz klarer Vorschriften und mehracher Sicherungsebenen eben doch zu solchen eigentlich nicht denkbaren Fehlern kommen kann. Die Untersuchungsbericht der Eisenbahnuntersuchungsstelle des Bundes, die - genau wie bei Flugunfällen - zumindest bei den spektakuläreren Unfällen regelmäßig veröffentlicht werden, bieten dafür interessante Lektüre.


    (In Mannheim musste - ich hoffe, ich bringe die Zusammenfassung aus dem Kopf hin - der unfallversursache Triebfahrzeugführer eine Zeitlang auf einer Strecken fahren, die nur eingleisig ist, wo also die Signale aus seiner Richtung auf der falschen Seite, nämlich links von der Strecke, stehen. In der Einfahrt zum Mannheimer Hbf mit ganz vielen Gleisen nebeneinander schaute er dann auch auf das Signal links von seinem Gleis, das einen Fahrtbegriff zeigte. Das rechts stehende, für ihn geltende Signal zeigte rot. Klar weiß er das, aber er war auch schon recht lange (objektiv wohl zu lange) im Dienst, weil es vor der Abfahrt stundenlange Verzögerungen gegeben hatte. In Mannheim hatte man ihm daher eine am Gleis wartende außerplanmäßige Ablösung organisiert, mit der er wohl gerade per Handy telefonierte und so das rot zeigende Lichtsignal überfuhr. Folge: Zwangsbremsung. Vorschrift: Vor der Weiterfahrt Kontaktaufnahme mit dem Fahrdienstleiter. (Technische Sicherung hat gewirkt, Vorschrift stellt sicher, dass trotz Irrtum des Triebfahrzeugführers nichts passieren kann.) Die Kontaktaufnahme erfolgte aber nicht (zum einen mutmaßlich mit dem Feierabend greifbar in Sicht, zum anderen, weil es immer mal wieder zu Zwangsbremsungen kommt, wenn ein Geschwindigkeitsprüfabschnitt zu schnell durchfahren wird o.ä. und es nervig und zeitraubend ist, den Fahrdienstleister zu kontaktieren) - vielmehr fuhrt der Triebfahrzeugführer einfach wieder an: das Signal war ja grün gewesen, was soll also der Quatsch? Und so nahm das Unheil seinen Lauf.


    Ich hoffe, dass es aber gleichzeitig im Hintergrund bei der DB genug kluge Köpfe gibt, die es eben nicht auf den Mann alleine schieben, sondern einen systemischen Fehler, bzw. ggf. auch einen technischen (veraltete Hard - und Software) erkennen und beheben.


    Dafür gibt es die Aufsichtsbehörden, die diese Unfälle auswerten - dafür eben auch die EUB, die die Unfälle untersucht - und ggf. Anregungen oder bindende Weisungen erlassen, nicht gar so anders als im (Dir sicher vertrauten) Luftverkehrsbereich.

  • Der Großeinsatz von Bad Aibling hat einen unguten Nachgeschmack.


    Feuer unterm Dach! Feuerwehr gegen Stadtrat: Bad Aibling steht vor einem Eklat

    Zitat

    Dicke Luft in der Stadt! Zwischen Feuerwehr und Rathaus kann es in dieser Woche zum großen Knall kommen. Auslöser ist ein Leserbrief, der in einem Online-Portal veröffentlicht wurde. Ein anonymer Schreiber warf den Mitgliedern des Stadtrats Bad Aibling vor, dass sich in den Tagen des Zugunglücks niemand von ihnen bei den Einsatzkräften in den Pausen oder am Abend hätte blicken lassen. Tenor: Wie immer fehle der Rückhalt seitens des Stadtrates für die Einsatzkräfte. Nun fordert der Stadtrat den federführenden Kommandanten der Aiblinger Feuerwehr, Wolfram Höfler, auf, sich dafür zu entschuldigen. Und Höfler kocht vor Wut.

    Weiterlesen: *klick*


    Meine persönliche Meinung dazu:
    Leider ist Aibling nicht die einzige Gemeinde, in der das Verständnis und die Anerkennung seitens der kommunalen Organe fehlt. Nicht umsonst traten in den letzten Monaten reihenweise Führungsdienstkräfte von Feuerwehren zurück, weil man "unter den gegebenen Umständen nicht mehr zusammenarbeiten" kann. Schade, aber Ehrenamt ist mittlerweile viel zu oft selbstverständlich.



    Weitergehende Berichterstattung findet sich hier .



    Ich bin gespannt, was morgen in der Zeitung zu lesen sein wird...

  • Hi!
    Meine Meinung dazu: Während eines Einsatzes oder während der Pausen brauche weder ich noch irgend jemand der Einsatzkräfte einen Politiker oder Stadtrat oder so was an oder in der Nähe der Einsatzstelle.
    Dies hat sich schon des öfteren als eher störend gezeigt.
    Als Beispiel sei da das Jahrhunderthochwasser an der Elbe genannt. Der Oberbürgermeister von Grimma hatte dazu vor Jahren mal ein sehr deutliches Interview/Kommentar abgegeben. Solche "Politiker" sind dort nur störend, z. B. Sperrung von gewissen Bereichen, Personenschutz, Bindung von bestimmten Einsatzkräften die orginär gerade woanders wichtiger zu gebrauchen wären usw....


    Zu Bad Aibling: Anders bei Nachbereitung und Einsatznachbesprechung, da kann man sich als Gemeindepolitiker vll. schon mal sehen lassen.
    Grüße Dani

    Wenn man tot ist, ist das für einen selbst nicht schlimm, weil man ja tot ist. Schlimm ist es aber für die anderen...
    Genau so ist es übrigens wenn man doof ist...

  • Zitat

    Nach dem Zugunglück in Bad Aibling sitzt der Fahrdienstleiter in Untersuchungshaft. Er soll im Dienst auf dem Handy ein Online-Computerspiel gespielt haben und dadurch abgelenkt gewesen sein, so die Staatsanwaltschaft.

    *klick*

  • Kann mir jemand erklären war er gleich in Haft muss? Hätte er flüchten wollen wärs längst geschehen. Die Haft jetzt kommt in meinen Augen einer Vorverurteilung gleich.

  • Ich weiß zwar nicht, was ihm zur Last gelegt wird, aber bei Totschlag, Mord & Co bzw. bei Taten, bei der das Leib oder Leben eines anderen gefährdet worden ist, muss kein Haftgrund bestehen.

  • Ich weiß zwar nicht, was ihm zur Last gelegt wird, aber bei Totschlag, Mord & Co bzw. bei Taten, bei der das Leib oder Leben eines anderen gefährdet worden ist, muss kein Haftgrund bestehen.

    Was aber gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstößt. Auf Deutsch: Es muss zumindest ein Haftgrundverdacht vorliegen. Das sehe ich in diesem Fall nicht, da sich das maximal erreichbare Strafmaß (fahrlässige Tötung, fahrlässige KV und gefährlich Eingriff in den Bahnverkehr) nicht ändert. Und Vorsatz kann man dem FDL nicht unterstellen.

  • Es gibt gewisse 'schwere' Straftaten, bei denen automatisch eine U-Haft mit einhergeht. Da müssen keine gesonderten Gründe, wie Verdunklungsgefahr oder Fluchtgefahr vorliegen.


    Das steht irgendwo in der Strafprozessordnung, da werden unsere Forumsjuristin bestimmt genaueres zu sagen können.

    “When I was a boy and I would see scary things in the news, my mother would say to me, "Look for the helpers. You will always find people who are helping.”


    • Fred Rogers