Wenn rasende Retter zum Risiko werden

  • Aus dem Stern


    Zitat

    Es sind nur Sekunden, die mich plötzlich vom Tod trennen. Um kurz vor acht Uhr abends gehe ich in Lübeck über einen Zebrastreifen. Es ist dunkel. Und es regnet. Als ich auf der kleinen Verkehrsinsel angekommen bin, die den Zebrastreifen in der Mitte der Straße teilt, schrillt plötzlich ein Martinshorn. Ein Rettungswagen mit Blaulicht rast direkt auf mich zu.


    Weg, schießt es mir durch den Kopf. Nur dieses eine Wort: WEG. Ich renne über den Zebrastreifen. Der Rettungswagen ist jetzt dicht neben mir, hupt. Ich renne. Schaffe es gerade noch auf die andere Straßenseite. Spüre den Fahrtwind im Nacken. Der RTW rast, immer noch hupend, geradeaus weiter in den Kreisverkehr.

    The reason I talk to myself is because I’m the only one whose answers I accept. George Carlin

  • War auch mein erster Gedanke. Ein wenig mehr Dramatik hätte sicher nicht geschadet. Und mehr Kinder.

    The reason I talk to myself is because I’m the only one whose answers I accept. George Carlin

  • Vielleicht auch ein bisschen weniger Überheblichkeit beim einen oder anderen Retter unter der Leserschaft.
    Oder ist das ein unterbewusster Abwehrmechanismus?

  • Da wird ja auffällig oft die Abkürzung RTW benutzt, eigentlich eine eher unbekannter Begriff in der Öffentlichkeit. Macht mich irgendwie stutzig, warum auch immer.

  • Da wird ja auffällig oft die Abkürzung RTW benutzt, eigentlich eine eher unbekannter Begriff in der Öffentlichkeit. Macht mich irgendwie stutzig, warum auch immer.


    Vielleicht wurde ja mal ausnahmsweise recherchiert.

  • Ich weiss nicht, find es komisch. Naja wenigstens sind wir von der Strafprozessordnung befreit...


    Das Thema ist leidig, es wird immer einen geben der: "in die Sparkasse rast". Egal ob mit oder ohne Tempolimit, im Ganzen denke ich, sind Alarmfahrten in Deutschland weit wehniger dramatisch als dargestellt, insbesondere glaube ich auch, dass eine deutliche Mehrheit der Fahrer sich an §1 halten und eben nicht Wildesau spielen.


    Und woher weiss man das 75 Todesfälle zu beklagen sind, wenn doch nirgends eine Unfallstatistik geführt wird. Auch das finde ich merkwürdig dargestellt, die grosse RTW Alarm-todes-fahrten Verschwörung: come on?!


    Glaubt mir, ich habe das hinter mir, Kollegen nach RTW-VU mit Toten und Schwerverletzten zu retten, dass macht absolut keinen Spaß! Dennoch halte ich diesen Artikel eben nicht für differenziert.

  • Naja ich war im Urlaub, klingt jetzt doof ist aber so, da konnten meine Zähler nicht abgelesen werden. Da wurde auch hochgerechnet, naja... gepasst hat da nichts!


    Mir geht es nicht um die Zahl als solches, sondern um das Verschwörungskonztrukt was da aufgeblsen wird, das ist albern und dämlich.

  • Ich finde den Artikel ebenfalls unschön geschrieben, da er sich weniger auf das systemische Problem fokussiert, sondern ein Bild erzeugt, in dem tagtäglich hunderte Kinder gerade so vor rasenden Mördern in Rettungswagen flüchten können und im Nachhinein alles vertuscht wird.


    Auf der anderen Seite sehe ich viele der aufgezeigten Probleme genauso.
    Die Fahrer sind nicht ausgebildet, weder im Bezug auf die Rechtsgrundlage, noch bezüglich der Fahrphysik, und die Rechtslage ist ausgesprochen schwammig formuliert, genauere Definitionen finden sich zumeist nur in Gerichtsurteilen.


    Hier werden junge RS oder Azubis ab dem 1. Tag ihres Führerscheins als Fahrer eingesetzt, es gibt keinerlei Fort- oder Ausbildung, alles ist learning by doing unter Supervision von Kollegen, die teilweise nur ein Jahr älter sind.
    Blitzerfotos werden nie zugestellt, Fahrsicherheitstrainings gibt es nicht und so kommt man, ohne dass jemals jemand korrigierend eingreift, mit einem halsbrecherischen Fahrstil gut durchs Leben - bis es eben kracht.


    Ich würde mir eine genauere Definition von "angemessen" wünschen, verpflichtende Fahrerschulungen inklusive Fahrsicherheitstraining sowie eventuell regelmäßige "Kontrollfahrten" in Begleitung besonders geschulter Fahrlehrer.
    Die Bundespolizei und einige Länderpolizeien haben solche Programme bereits!

  • Zitat

    Als ich auf der kleinen Verkehrsinsel angekommen bin, die den Zebrastreifen in der Mitte der Straße teilt, schrillt plötzlich ein Martinshorn. Ein Rettungswagen mit Blaulicht rast direkt auf mich zu.


    Weg, schießt es mir durch den Kopf. Nur dieses eine Wort: WEG. Ich renne über den Zebrastreifen. Der Rettungswagen ist jetzt dicht neben mir, hupt. Ich renne. Schaffe es gerade noch auf die andere Straßenseite. Spüre den Fahrtwind im Nacken. Der RTW rast, immer noch hupend, geradeaus weiter in den Kreisverkehr.


    Ich würde auch hupen, wenn jemand, der gerade an einer Verkehrsinsel in der Straßenmitte steht, das Herannahen meines Einsatzfahrzeugs zum Anlass nähme, mir vors Auto zu laufen statt dort zu warten ...

  • Ich finde den Artikel sehr aufgeregt und ziemlich dramatisiert. Neben den ganzen Bildern, mit denen Ängste vor den Rettungswagen, die halsbrecherisch durch die Stadt rasen, geschürt werden, sind die Fakten doch sehr zu hinterfragen. Angeblich passiert alle fünf Tage ein tödlicher Unfall mit einem Rettungswagen, die Beispielliste geht jedoch durchaus quer durch Deutschland und hat eine monatelange Lücke. Die 75 tödlichen Unfälle, die ganzen Schwerverletzten und die demnach ja schon unzählbaren erheblichen Sachschäden gehen nicht ganz mit der schon recht breit aufgestellten Presseschau hier im Forum einher. Eigentlich wirklich so gar nicht. Auch trifft sie nicht die Erfahrungen, die man hat. Diese sind natürlich immer subjektiv, aber nach der Statistik müsste selbst in ruhigen Großstädten alle paar Wochen ein tödlicher Sondersignalunfall geschehen. Die würden dann offenbar ganz gut vertuscht. Auch das subjektive Empfinden einer Vertuschung durch das schnelle Eintreffen des Abschleppdienstes als Indiz dafür heranzuziehen, ist mindestens mutig. Mal abgesehen, dass ein Rechtsanwalt zum Staatsanwalt hin und her wechselt und die Straßenverkehrsordnung zur Strafprozessordnung wird. Auch geben Institutionen, wie die Lübecker Feuerwehr sehr öffentlich Statements zu ihren vertuschten Unfällen ab. Der wichtigste herangezogene Jurist ist durch einen eigenen, anscheinend wirklich schweren Unfall alles andere als ein objektiver Sachverständiger. Vojn der "Gegenseite", wenn man sie als fahrendes Rettungsdienstpersonal mal sehen will, wird nicht berichtet. Dies gehört für mich zu einem differenzierten Bericht schon dazu.


    Am Ende bleibt, eine piekierte Journalistin, die vielleicht auch nicht gänzlich objektiv ist, und sich selbst nach ihrer Einschätzung falsch verhalten hat. Und ein beinahe tödlicher Unfall, von dem wohl mehr als fragwürdig sein dürfte, ob er wirklich ein beinahe Unfall war und ob er dann auch noch als beinahe tödlich gilt. Wäre das so gewesen, könnte man mutmaßlich die Besatzung leichter ausfindig machen.


    Irgendwie ziemlich wenig Inhalt in sehr vielen Worten.

    Land zwischen den Meeren,
    vor dem sich sogar die Bäume verneigen,
    du bist der wahre Grund,
    warum Kompassnadeln nach Norden zeigen!

  • Mein Eindruck von dem Geschrubel* ist recht eindeutig, dass sich da zwei gefunden haben. Die Recherche wird von einem persönlichem Ereignis ausgelöst, wie es der traurige Zufall will, gab es "vor Ort" nicht nur einen Beinahe-Unfall sondern den den Wort Case. Dann trifft die gute Dame auf den Fernseh-Juristen und der Rest schreibt sich von selbst.


    *Spiegel Online hat ja schon länger den Ruf nicht an das Namensgebende Printmedium heranzukommen, scheint beim Online-Portal des Stern wohl nicht anders zu sein.

  • die demnach ja schon unzählbaren erheblichen Sachschäden gehen nicht ganz mit der schon recht breit aufgestellten Presseschau hier im Forum einher.


    Siehe immerhin - von der gleichen Autorin - hier: http://www.stern.de/panorama/g…016-und-2017-7479332.html. Ob das zutrifft, weiß ich natürlich nicht. Sie selbst schreibt ausweislich ihres Autorenprofils in der Freizeit gerne Krimis; das wiederum glaube ich. Dass der Beitrag wenig überzeugende Teile enthält (ich springe von der Fußgängerinsel vor ein heranfahrendes Fahrzeug und bin überrascht, wie gefährlich das ist), teile ich.


    Der Kollege hingegen hilft im Bedarfsfall gerne weiter: https://www.droemer-knaur.de/b…garantiert-nicht-strafbar

    Lügen ist keine Kunst. Kunst ist, anderen die Wahrheit in einem neuen Licht zu zeigen.