Natürlich ist es häufig ein „Ursachenmix“ der zur Abwanderung führt. Die erhebliche Diskrepanz zwischen „Können“ und „Dürfen“ scheint bei Notfallsanitätern aber ein wesentlicher Faktor (unter mehreren zu sein) – vor allem ist es (neben gesamtgesellschaftlichen Veränderungen & der „organisatorischen Einbettung“ in das System der Gesundheitsvorsorge, d.h. der Tatsache dass es vielerorts zu einer immer umfassenderen Übernahme nicht originär dem Aufgabenfeld des NotSan entsprechenden Aufgaben kommt) mehr oder minder der einzige Faktor, welcher meist nicht bzw. nur sehr bedingt durch die Arbeitgeber beeinflusst werden kann. Ich sehe auf Seiten vieler Arbeitgeber ein ernsthaftes und aufrichtiges Bemühen, gute und qualifizierte Mitarbeiter zu binden und zu halten & in dieser Hinsicht hat der Arbeitgeber durchaus Möglichkeiten – so z.B. durch:
- Die Vermittlung von Wertschätzung für die geleistete Arbeit
- Ein aktives Gesundheitsmanagement (kostenfreie Mitgliedschaft im Fitnessstudio etc.) & Maßnahmen zum Gesundheitsschutz (Beschaffung von Raupenstühlen, elektrifizierte Fahrtragen etc.)
- Monetäre Anreize, z.B. in Form von Prämien oder der großzügigen Anrechnung von Berufserfahrung bei der Einstufung
- Die Etablierung flexibler Arbeitszeit- und Schichtmodelle
- Verbesserungen der Rahmenbedingungen im Kleinen (kostenloses Wasser & Obst auf den Wachen, moderne & vollklimatisierte Wachräumlichkeiten, kostenfreie WLAN etc.
Hier sind in den letzten Jahren schon massive Fortschritte in der Fläche zu erkennen, was sich nicht zuletzt auch in den Formulierungen von Stellenausschreibungen wiederspiegelt. Zumindest manche Arbeitgeber scheinen begriffen zu haben, dass hier Handlungsbedarf bestand und besteht, wenn man im Wettbewerb um die besten Mitarbeiter noch Chancen haben möchte. Was sich aber auch immer mehr zeigt: Die seitens der Arbeitgeber realisierbaren Verbesserungen reichen häufig nicht. Andere Faktoren wie z.B. gesamtgesellschaftliche Veränderungen lassen sich nicht ändern, man kann nur versuchen Ihren Effekten durch „Systemanpassungen“ ein wenig auszuweichen. Letztlich bleiben damit nicht allzu viele wirkungsvolle Stellschrauben übrig.
Was übrigens immer häufiger in Stellenausschreibungen zu lesen ist: Der Verweis auf im Vergleich weit reichende Kompetenzregelungen. Es gibt schon Gründe dafür, dass dies durch die Arbeitgeber zunehmend betont wird. Allem voran die simple Tatsache, dass gerade junge & besonders qualifizierte Mitarbeiter Ihr Können auch gerne unter Beweis stellen möchten – was bei der Stellenwahl offenkundig mehr und mehr Gewicht hat. Ich bin auch auf Basis meiner Kenntnis entsprechender (aus gutem Grunde nicht veröffentlichter) Erhebungen der festen Überzeugung dass eine zufriedenstellende und „praxistaugliche“ Regelung der Kompetenzen zu einer höheren Berufszufriedenheit & einer längeren Verweildauer im Beruf führen kann und wird. Die längere Verweildauer wiederum führt unweigerlich zu einem erhöhten Erfahrungsschatz der inzwischen weit überwiegend sehr gut ausgebildeten Mitarbeiter – was letztlich auch der Versorgungsqualität zu gute kommen wird. Klar, das alleine wird’s nicht retten, aber in Kombination mit anderen und vielerorts bereits eingeleiteten Maßnahmen (auch und gerade seitens der Arbeitgeber) sehe ich da enormes Potential.
„Valide herausgefunden“ ist in diesem Zusammenhang ein sehr hochtrabender Begriff, vollumfänglich wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Arbeiten gibt es zu diesem Themenkomplex nach meiner Kenntnis in der Tat nicht. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass vielerorts entsprechende Daten erhoben und ausgewertet werden – nur werden diese aus den unterschiedlichsten Gründen nicht veröffentlicht, u.a. auch weil die aus den Daten gezogenen Erkenntnisse mitunter einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil bedeuten können. Die Response-Quoten bei z.B. organisationsinternen Umfragen sind übrigens im Regelfall hervorragend und liegen sehr deutlich über den bei wissenschaftlichen Untersuchungen sonst üblichen Werten (oft deutlich >50%). In einem ganz zentralen Punkt muss ich Dir aber vorbehaltlos zustimmen: Die Thematik „Bias“ lässt sich nicht wegdiskutieren, gerade bei „internen“ Befragungen.
Die durchaus hohe Abwanderungstendenz in den nicht-akademischen medizinischen Berufen (und insbesondere in der Pflege) bringe ich dagegen übrigens eher mit einer (auch durch Überregulierung) zunehmenden Arbeitsverdichtung in Verbindung, welche leider oftmals mit mangelnder Wertschätzung & mangelnden Verbesserungen der organisatorischen Rahmenbedingungen einhergeht. Bei Ärzten sehe ich dagegen kaum Tendenzen zur grundsätzlichen/vollständigen Aufgabe des „erlernten“ Berufs – wohl aber eine sehr deutliche Tendenz zur Teilzeit, was auch dem in den letzten Jahren gestiegenen Frauenanteil in den ärztlichen Berufen geschuldet sein dürfte. Ebenso sehe ich oftmals einen Wunsch nach höherer Flexibilität im Hinblick auf das eigene Lebenskonzept – was dazu führt, das Ärzte seltener unternehmerische Risiken eingehen (möchten) und beispielsweise zu Gunsten einer Festanstellung in einem MVZ auf die eigene Praxisgründung verzichten.