Kritik der Stuttgarter Ärzteschaft: Rufnummer 116 117 – "Patienten kommen nicht durch"

  • Das ist aber dann ein persönlicher Fehler in der Finanzplanung: Lebensstandard proportional an Nettolohn anpassen 🤷🏼

    Ich halte es für sowohl sehr verbreitet als auch relativ normal, dass man seinen Lebensstandard an seinen Nettolohn anpasst. Ich habe das jedenfalls immer so gemacht.

  • Das ist aber dann ein persönlicher Fehler in der Finanzplanung: Lebensstandard proportional an Nettolohn anpassen 🤷🏼

    Stark verkürzt und provokativ: Du legst also das Plus aus jeder Gehaltserhöhung inflationsbereinigt auf ein Sparbuch und das Geld geht später an die Erben?

    Auch interessante Einstellung, die freie Marktwirtschaft und der (noch vorhandene) Wohlstand in Deutschland wäre so - meiner Meinung nach - nicht möglich.

  • Naja, der Quotient von Lebenskosten und Nettoverdienst bliebe ja immer gleich, sofern man stets seinen Lebensstandard proportional an den Verdienst anpasst. So kann man halt nur schwer eine vernünftige Rücklage fürs Alter oder andere Investitionen bzw. finanzielle Notlagen aufbauen und ggf. sich mit 65 oder früher zur Ruhe setzen. Ich denke da eher minimalistisch und bin mit dem zufrieden was ich besitze. Konkret gehen aktuell 10% meines Nettoverdienstes in die private Altersvorsorge, 90% benötige ich aktuell zum Leben (Student, Teilzeitanstellung). Nach dem Studium dürfte sich eventuell dann der prozentuale Anteil der Altersvorsorge erhöhen. Mit 75 noch NEF fahren um den Hauskredit zu tilgen finde ich uncool (live einen solchen NA erlebt).

  • Wenn ich entscheiden dürfte, dann würde es laufen wie mit den BGen. Radikal die Anzahl reduzieren und GKV für alle. Sonderleistungen können dann gerne noch zusätzlich privat versichert werden. Grundsatz lautet aber, dass jeder eine leistungsstarke GKV hat und regulär keine Zusatzversicherung im Inland benötigt.

    Ich teile den Gedanken dahinter, in der Realität dürfte das aber eher den Weg in eine Zwei-Klassen-Medizin ebnen, in der die Mehrheit eine ausreichende bis befriedigende Absicherung hat und die, die es sich leisten können, über die Zusatzversicherung, eine gute bis sehr gute. Was regulär keine Zusatzversicherungsleitung sein soll, darüber wird dann sehr stark gestritten werden. Im Zweifel wird das Niveau dann "ok" sein. Ich sehe das aktuelle System für die GKV-Versicherten weniger kritisch, weil sich bei der medizinischen Versorgung kaum Unterschiede ergeben, so dass selbst der mit einem sehr geringen Einkommen (fast) ein Maximum an medizinischer Leistung bekommt.

  • ch teile den Gedanken dahinter, in der Realität dürfte das aber eher den Weg in eine Zwei-Klassen-Medizin ebnen

    Die haben wir doch längst.

    You know as well as I do decisions made in real time are never perfect. Don't second-guess an operation from an armchair. [Noah Vosen]

    Oldschool EMS. The Gold Standard of Ass Kickin'!

  • Das wird zwar sehr häufig so behauptet, würde ich aber, was die medizinische Versorgung angeht, bestreiten wollen. Abgesehen von Dingen wie Chefarzt-Behandlung, Wartezeiten usw. bekommt ein GKV-Patient keine schlechtere Behandlung wie ein PKV-Patient. Einige, gerade neuere Therapien, werden nicht immer von der GKV übernommen, die sind aber auch nicht immer sinnvoll. Diejenigen, die sich als sinnvoll erweisen, werden meist dann auch in als GKV-Leistung anerkannt. Unabhängig davon, würden auch im Zusatzversicherungsmodell solche Leistungen nicht erbracht werden.

  • Ich mache mir oft einen kleinen Spaß mit den Privatpatienten. Viele Kliniken in der Gegend hier sind ja immer "abgemeldet", wenn ich anrufe. Ich höre dann oft unterschiedliche Begründungen, warum die Klinik diesen Patienten gerade nicht versorgen kann und diskutiere auch ein bisschen herum. Dass es sich um einen Privatpatienten handelt, erwähne ich erst später und eher beiläufig. Oft kehrt sich die Lage dann plötzlich vollständig um. Die Klinik will den Patienten plötzlich haben. Ich hingegen sage dann immer, nein, wenn ihr so voll seid, fahren wir natürlich woanders hin.


    Bei Kassenpatienten fragen mich Unikliniken gerne, ob es sich denn um ein "universitäres Problem" handelt, sprich, ob der Patient unbedingt in die Uniklinik "muss", oder ob es nicht auch ein peripheres Haus tut. Bei Privatpatienten stellen sie diese Frage nie. Allein das rechtfertigt die Annahme, dass wir eine Zwei-Klassen-Medizin haben.


    Und das mit den Wartezeiten ist ein zentrales Thema, wie ich finde. Ich hatte vor ein paar Jahren eine Supraspinatussehnen-Entzündung. Viele Orthopädie-Praxen haben mich abgewimmelt, nachdem sie gefragt haben, ob ich privat versicht bin.

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  • Dass Arztpraxen PKV-Patienten vorziehen, ist mir ebenso bekannt, daher auch meine Einschränkung bzgl. der Wartezeiten. Das ist bei einer x-fach besseren Vergütung aber zumindest nachvollziehbar.

    In mehr als 20 Jahren Rettungsdienst habe ich nicht einen einzigen Fall erlebt, dass der Versicherten-Status eines Patienten etwas an der Aufnahme-Bereitschaft eines Krankenhaus geändert hätte. Daher kann ich die Behauptung, dass auch Notaufnahmen lieber PKV- als GKV-Patienten aufnehmen möchten, auch nicht im Ansatz nachvollziehen. Für das Personal vor Ort macht es weder vom Arbeitsaufwand noch von der Vergütung einen Unterschied, wie der Patient versichert ist. PKV-Patienten sind sogar eher die unbeliebten, weil das Anspruchsverhalten ausgeprägter ist, oft mehr organisatorischer Aufwand wie Bettenschieberei, weil Einzel- oder Zwei-Bett-Zimmer versichert ist, dahintersteckt usw.

  • In mehr als 20 Jahren Rettungsdienst habe ich nicht einen einzigen Fall erlebt, dass der Versicherten-Status eines Patienten etwas an der Aufnahme-Bereitschaft eines Krankenhaus geändert hätte.

    Ich erlebe diese Fälle regelmäßig. Das basiert oft auf ausdrücklichen Anweisungen von Chef-Ärzten. Vor allen Dingen eine der Unikliniken in meinem Rettungsdienstbereich ist dafür bekannt, dass Privatpatienten in jeder Hinsicht vorgezogen werden.

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  • Die meisten Häuser haben in den letzten zwei Jahren richtig hohe Verluste eingefahren, das geht bei einzelnen Häusern in die zweistelligen Millionen, u.a. deswegen, weil die Fallzahlen deutlich nach unten gegangen sind. Jedes Haus müsste daher eigentlich um jeden einzelnen Patienten buhlen, den es aufnehmen und behandeln kann. Dennoch führe ich seit Monaten wie nie zuvor zu jeder Tageszeit bei jedem einzelnen Patienten Abwehrkämpfe, ob nicht ein anderes Haus 5 Minuten näher liegen würde, und dieses erst einmal anzufahren sei. Das passt einfach nicht damit zusammen, dass dem Aufnahme-Personal die finanzielle Situation des Arbeitgebers wichtiger sei als die eigene Arbeitsbelastung.

  • Dann haben wir offenbar unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Lassen wir's dabei bewenden.

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  • Ich erlebe diese Fälle regelmäßig. Das basiert oft auf ausdrücklichen Anweisungen von Chef-Ärzten. Vor allen Dingen eine der Unikliniken in meinem Rettungsdienstbereich ist dafür bekannt, dass Privatpatienten in jeder Hinsicht vorgezogen werden.

    Das habe ich bei der mir näher liegenden Uni-Klinik und daher auch primär erreichbaren, nicht einmal erlebt. Auch, wenn ich von unserer Intensiv-Station Patienten verlegen wollte, war das Versicherungsverhältnis nie Thema. Nicht einmal beiläufig. Zur Exzellenz-Uni kann ich tatsächlich nichts sagen.

  • Ich mache mir oft einen kleinen Spaß mit den Privatpatienten. Viele Kliniken in der Gegend hier sind ja immer "abgemeldet", wenn ich anrufe. Ich höre dann oft unterschiedliche Begründungen, warum die Klinik diesen Patienten gerade nicht versorgen kann und diskutiere auch ein bisschen herum. Dass es sich um einen Privatpatienten handelt, erwähne ich erst später und eher beiläufig. Oft kehrt sich die Lage dann plötzlich vollständig um. Die Klinik will den Patienten plötzlich haben. Ich hingegen sage dann immer, nein, wenn ihr so voll seid, fahren wir natürlich woanders hin.


    Bei Kassenpatienten fragen mich Unikliniken gerne, ob es sich denn um ein "universitäres Problem" handelt, sprich, ob der Patient unbedingt in die Uniklinik "muss", oder ob es nicht auch ein peripheres Haus tut. Bei Privatpatienten stellen sie diese Frage nie. Allein das rechtfertigt die Annahme, dass wir eine Zwei-Klassen-Medizin haben.

    Echt? Habe ich hier noch nie erlebt. Also weder die Nachfrage seitens KH, noch das das Argument auf Patientenseite einen Benefit bzgl Akutaufnahme gemacht hätte. Tagsüber wenn über den niedergelassenen Kollegen eingewiesen wird ja klar, das läuft dann im Zweifel ja nicht über die Notaufnahme, aber abgesehen davon hat das noch niemanden interessiert. Was ich aber natürlich nicht weiß ist, ob die Privatpatienten nicht eher (vllt auch unnötig) aufgenommen werden. Noch ein Grund warum ich nicht in der Notaufnahme arbeiten will...

  • Ich muss sagen, dass auch ich diese Unterschiede im Rettungsdienst feststellen musste. Auch finde ich den Umstand, dass aufgrund eines Privatpatienten ein Zwei- oder Drei-Bettzimmer zu einem Einzelzimmer umfunktioniert wird, bedenklich. Dann stehen nämlich weniger Betten zur Verfügung = Krankenhaus ist schneller voll. Als Krankenpfleger hunderte Male so erlebt. Aktuell ist die Praxis auch noch, wie ich dieses aus meinem Bekanntenkreis der Pflege immer noch solche Rückmeldungen bekomme.


    Im ambulanten Bereich ist es auch ein Unding, dass ein Privatpatient auf einem Samstagnachmittag noch einen Zahnarzttermin bekommt (kein Notdienst). Auch ich werde bei Facharztterminen zuerst immer nach meinem Versichertenstatus gefragt, nicht nach dem Grund oder Dringlichkeit. Nur weil der Privatpatient mehr Geld in die Kasse spült, ist die Erkrankung eines Privatpatienten nicht wichtiger (oder dringlicher) wie die eines Kassenpatienten. Oute ich mich als Kassenpatient, muss ich in der Regel 4-6 Monate auf einen Termin warten. Ich habe mir den Spaß schon einmal gemacht, und habe einfach nur mit "ja" geantwortet, als man nach Privat oder Kasse fragte. Die MFA ging dann davon aus, dass ich Privatpatient bin und bekam am Folgetag einen Termin. Die Praxis war etwas sauer, aber das war mir egal; "ich dachte halt, ob sie Arbeitsunfall oder Unfall in der Freizeit meinen". Tja...


    Alleine die üblichen Sprüche der Patienten oder Angehörigen ("mein Mann ist aber Privatpatient"; "der Herr Professor PD Dr. Dr. Dr. MBA M.Sc. Supermann kennt uns schon", usw.), die an allen Ecken und Situationen vorgetragen werden (beim Notruf in der Leitstelle, wenn man mit dem RTW eintrifft, in der Notaufnahme, auf Station, überall und ständig eben), sagt mir, dass aufgrund dieses Status "Privatpatient" eine bessere und bevorzugte Behandlung erwartet wird (sie es wohl also auch geben muss).


    Also ja, wir haben eine Zwei-Klassen-Medizin. Und die gehört abgeschafft. Ob die Medizin weniger gut ist kann man diskutieren. Aber sie ist definitiv langsamer und schwerer zu erreichen / zu bekommen und weniger flexibel.

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • Solange ich in der Klinik gearbeitet habe, hat der Versicherungsstatus in der Notaufnahme keine Rolle gespielt. Außer bei einen Punkt.

    MRT geht auch ohne stationäre Aufnahme bei privat, weil man es dann ambulant abrechnen kann, bei Kasse nur stationär (also im Umkehrschluss, war das MRT infiziert, wurde es gemacht, der Kassenpatient hat danach aber leider ein Bett für eine Nacht belegt).

    Und wenn einen Kassenpatient aufgenommen werden musste und das letzte freie Bett war das andere Bett im Doppelzimmer auf der Privatstation, dann ist der auch da aufgenommen worden.

    Das Einzelzimmer haben die privaten Patienten so gut wie nie bei der Aufnahme gehabt, sondern erst ein oder zwei Tage später.

  • In der Notaufnahme, auch auf Intensiv (bei mir damals) und auch im Rettungsdienst habe ich das in der Tat auch nie erlebt. Gut so, muss man dazu sagen. Aber die RTW sind ja ohnehin alle Einzelzimmer mit Chef-Sanitäter-Behandlung.

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • Aber die Möglichkeit besteht. Und so habe ich (damals) als junger Krankenpfleger aus einem Drei-Bett-Zimmer (wo man drei Kassenpatienten normalerweise einpfercht) mal eben ein Ein-Bett-Zimmer machen müssen. Die Station hatte somit weniger Aufnahmekapazitäten. Und wenn ich dran denke, wie oft ich aus einem Drei-Bett-Zimmer ein Vier-Bett-Zimmer machen musste, oder Patienten auf dem Gang "wohnen" mussten, muss ich eine solche Praxis in der Tat hinterfragen. Richtig ist (war) das nicht.

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • Aber die Möglichkeit besteht. Und so habe ich (damals) als junger Krankenpfleger aus einem Drei-Bett-Zimmer (wo man drei Kassenpatienten normalerweise einpfercht) mal eben ein Ein-Bett-Zimmer machen müssen. Die Station hatte somit weniger Aufnahmekapazitäten. Und wenn ich dran denke, wie oft ich aus einem Drei-Bett-Zimmer ein Vier-Bett-Zimmer machen musste, oder Patienten auf dem Gang "wohnen" mussten, muss ich eine solche Praxis in der Tat hinterfragen. Richtig ist (war) das nicht.

    Die Möglichkeit besteht für jeden. Auch für Kassenpatienten mit Zusatzversicherung.