Vorstellungsgespräch Wachleitung

  • Hallo liebe Community,

    Vielleicht kann mir ja jemande von euch weiter helfen. Ich habe mich auf eine Stelle als Rettungswachenleiterin beworben und bin nun auch zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Leider findet man nicht sonderlich viel darüber, was in so einem Gespräch gefragt, besprochen oder auch bearbeitet werden könnte. Natürlich habe ich mich schon mit den klassischen Assessment Center Aufgaben befasst, allerdings passen die ja nie wirklich auf den Job Wachleiterin. Meistens sind die Beispielaufgaben eher auf Vertieb, Verkauf und ähnliches bezogen.

    Vielleicht gibt es ja einige Wachleiter (oder RDL's, Personaler) unter euch, die mal ihre Erfahrungen teilen könnten?


    Vielen Dank für eure Hilfe:)

  • Grundsätzlich gerne, nur kann ich dir "versprechen", dass die Erfahrung hier aus Bayern unterschiedlich zur Erwartungshaltung in Nierdersachsen sein wird.


    Dann käme noch dazu: dass ein Wachleiter je nach Betriebskultur entweder "so" oder "so" genutzt werden kann. Das reicht von einem der mächtigsten Posten im operativen Betrieb bis zu einer Schachfigur ohne echte Gewalt.


    Da wäre es hilfreich zu wissen: weißt du um das Aufgabengebiet eines WL in dem Betrieb in welchem du dich bewirbst und übereinstimmt das mit deiner Erwartungshaltung?

  • Ein guter Schachspieler weis, dass jede Figur mächtig ist. ;)

    Under pressure, you don't rise to the occasion. You sink to your level of training.

  • Grundsätzlich gerne, nur kann ich dir "versprechen", dass die Erfahrung hier aus Bayern unterschiedlich zur Erwartungshaltung in Nierdersachsen sein wird.


    Dann käme noch dazu: dass ein Wachleiter je nach Betriebskultur entweder "so" oder "so" genutzt werden kann. Das reicht von einem der mächtigsten Posten im operativen Betrieb bis zu einer Schachfigur ohne echte Gewalt.


    Da wäre es hilfreich zu wissen: weißt du um das Aufgabengebiet eines WL in dem Betrieb in welchem du dich bewirbst und übereinstimmt das mit deiner Erwartungshaltung?

    Hier einmal die Aufgaben aus der Stellenausschreibung:

    - Organisation des Dienstbetriebes einer Rettungswache

    - Führung des Peronals an Hand des Führungsleitbilds

    - Wahrnehmung der Aufgaben gemäß des gültigen Aufgabenverteilungsplan

    Infos aus dem Alltag:

    - Planung und Organisation von Wartungsterminen (Fahrzeuge und Rettungswache), sowie Beschaffung von Möbeln, etc.

    - Teilnahme an Gesprächsrunden mit Krankenhäusern, Leitstellen und Fachdienstleitung

    - Achten auf Anwendung des QM-Handuches und der entsprechenden Dienstanweisungen

    - Beurteilung von Probearbeitenden, FSJlern und Praktikanten

    - Kontaktperson für Praktikanten

    - Durchführung und Plannung von Wachbesprechungen (4 mal im Jahr)

    - Mitarbeiter Entwicklungsgespräche


    -Jegliche Form von Dienstplanung oder Einteilung von Rufbereitschaften oder abtelfonieren von Kollegen aus dem frei, gehört NICHT zu den Aufgaben

  • Was reizt dich an der Stelle? Was sind deine Handlungsspielräume?

    Die Schilderung klingt für mich so, als wäre es deine Hauptaufgabe, die Anweisungen von oben (Dienstplan!) durchzusetzen und dafür die Prügel der Wachmannschaft einzustecken. Plus das Personal zu bewerten ohne vermutlich tatsächliches Mitsprache- oder Veränderungsrecht zu haben.

  • Was mich reizt? Ganz klar das Team, ich habe auf der Wach gelernt und arbeite jetzt seit fast 6 Jahren dort und das Team ist einfach unfassbar gut darin neue Leute aufzunehmen und an die Hand zu nehmen. Und genau das möchte ich erhalten und weiter fördern. Und auch auf die anderen Wachen weitertragen. Mitsprache Recht ist schon deutlich gegeben, bei uns wird viel wert auf die begründete Meinung der Wachleiter gelegt, was die Einstellung von FSJ'lern angeht, genauso dürfen Wachleiter auch Praktika vorzeitig beenden, sollte die Praktikanten entsprechende Arbeit leisten.

    Ich empfinde es auch nicht wirklich als Durchsetzen von Anweisungen sondern eher die Kontrolle und entsprechende Rückmeldung ob Prozesse verbessert werden müsen, da die Umsetzung noch nicht optimal geklärt ist.

    Ich will als Führungskraft dafür sorgen, dass dieser Wachenspirit den wir haben nicht verloren geht und sich eher ausbreitet, weil ich glaube, dass besonders ein gutes TEam dazu beiträgt, ob die Leute bleiben oder nicht (natürlich nicht der einzige Faktor). Für mich persönlich ist es zum Beispiel einer der wichtigsten Faktoren, dass das Team gut ist. Bei meinem letzten Arbeitgeber war das Wachenklima so schlecht, dass ich einfach direkt wieder gehen wollte, da war es mir auch egal das ich andere Vorteile hatte, weil diese für mich einfach micht überwogen haben.

  • wenn du bereits 6 Jahre auf der Wache bist für dessen Wachleiterposten du dich bewirbst, wundert mich ein bisschen die Frage nach Tipps im Bewerbungsgespräch ;)


    Die Trümpfe hast du bereits in der Hand: Du kennst den überliegenden Führungskader, du kennst die Position im Echtbetrieb, wahrscheinlich weißt du auch um die Gründe für die Ausschreibung eines neuen WL (geht der alte? flüchtet der alte? war der alte nicht mehr gewünscht - team oder überliegende Strukturen?)


    Das Aufgabenspektrum wirkt für mich...Dünn.

    Gespräche mit den Mitarbeitern zur Personalentwicklung klingen toll, machen aber keinen Sinn ohne etwaige Handhabe zur Personalentwicklung.

    Praktikanten früher beenden / bewerten? - klingt für mich für eine Aufgabe für die Praxisanleiter der Wache, nicht für einen Wachleiter (insbesondere Kontaktperson für Praktikanten kann unglaublich Zeitfordernd sein, je nach Größe der Wache / Anzahl der durchgeschleusten Praktikanten)

    Beurteilung von Praktikanten / FsJ - das macht bei der WL meines Erachtens nach wenig Sinn, das gehört in die Hände der PAL.

    Achten auf Anwendung des QM und entsprechenden Dienstanweisungen? - Das ist immerwährende Aufgabe eines jeden Mitarbeiters. Ist es dann dein Job Ermahnungen auszusprechen / zu schreiben oder sogar Abmahnungen? - oder darfst du Projekte umsetzen und die in die Regelstruktur eures QM Handbuch packen? (das kann sehr viel Spaß machen :) )

    Teilnahme an Gesprächsrunden - je nach regionaler Struktur mehr oder wenig spaßig / sinnvoll - da kann ich kaum was zu sagen. Hier reicht das Spektrum von: langweiliger Pflichttermin bis zu sinnvoller produktiver Austausch der wichtigen Entscheider.

    Planung/Organisation von Wartungs/Reparaturterminen der Fzg - ob das in die WL Hände gehört liegt meines Erachtens auch an der Betriebsgröße. Je mehr Fzg - desto eher ist es unbedingt sinnvoll einen direkten Beauftragten zu haben (Fuhrparkmanager, Werkstattbeauftragten, o.Ä. - evtl. auch ein ganzes Team damit immer jemand da ist der sich entsprechend auskennt. Verantwortlich sollte sich jeder MA fühlen.)


    Ich gebe auch unbedingt zu bedenken: ein Wechsel "aus dem Team" in die "Führung" ist nicht immer so wie man ihn sich vorstellt, unter anderem kann es sein dass sich Kollegen plötzlich anders verhalten, man nicht mehr zum Feierabend Bier eingeladen wird - das kann hart sein. Hier vorher Prüfen: könnte man das? steht das im Raum? Wer will eigentlich dass ich WL werde? (Ich selbst? - das Team? - die überliegende Führungsstruktur?)


    Viel Glück und viel Spaß :)


  • Ich finde das ehrlich gesagt für den Anfang gar nicht so dünn. Natürlich ist das nicht gleichbedeutend mit dem Job "Rettungsdienstleiter" o.ä., aber um überhaupt mal in Verantwortung reinzukommen ist das doch ein Start.

    Zur Eingangsfrage, was dich so erwarten könnte, möchte ich meiner Antwort voranstellen, dass das Nachfolgende nicht aus aus irgendwelchen Erfahrungen in RDen stammt, sondern lediglich aus meiner Überlegung, wie ICH ein solches Vorstellungsgespräch führen / vorbereiten würde. Meine Vorstellungsgespräche führe ich jedoch im Rahmen einer öffentlichen Verwaltung, nicht im RD, und vermutlich wird es bei dir deutlich weniger vorbereitet, sondern eher schematisch ablaufen.



    Vorüberlegungen zur Struktur meines Bewerbungsleitfadens wären u.a. ein beständiges Themenhopping, um deine Flexibilität zu testen, also dir wenig Chancen geben, dich in einem Thema gemütlich einzunisten. Angenehme Gesprächsatmosphäre, freundliches Gesicht, egal wie es läuft. Auch Menschen, bei denen ich nach 5 Minuten wusste, dass ich sie niemals einstellen würden, sind aus meinen Gesprächen mit dem Gefühl rausgegangen, dass sie den Job quasi in der Tasche haben. Wichtig für MICH ist vor allem, eine Vergleichbarkeit zwischen den Kandidaten herstellen zu können, um meine Auswahl am Ende gut begründen zu können.


    • Können Sie mir in 5 Minuten darstellen, welche Qualifikationen und welche Berufserfahrungen Sie in Bezug auf die in der Ausschreibung genannten Aufgaben mitbringen?
    • In Ihrem Team ist Unruhe aufgekommen, es bilden sich zwei Lager. Wie sieht Ihre Intervention aus?
    • Welche Fortbildungen zum Thema Arbeitsrecht haben Sie besucht?
    • Was verstehen Sie unter Führung? Können Sie mir Ihr Konzept von Führung in zwei Minuten skizzieren?
    • Sie begleiten mich bei Bewerbungsgesprächen für eine vakante Position in Ihrem Team. Wir haben am Ende drei hoch qualifizierte Kandidaten ermittelt, es gibt keine Möglichkeit einer objektiven Binnendifferenzierung zwischen den drei Bewerbern. Nach welchen Kriterien überlegen Sie sich, wer von den drei Kandidaten am besten in Ihr Team passt?
    • Wie vermeiden Sie Beobachtungs- und Beurteilungsfehler bei der Einschätzung der Ihnen anvertrauten Probearbeitenden/Praktikanten/FSJlern?
    • Was ist Sinn und Zweck eines QM-Konzeptes im Rettungsdienst?
    • In welchen Situationen haben Sie sich bisher mit der Notwendigkeit einer Mitarbeiterbeurteilung konfrontiert gesehen?
    • In welchen Situationen hat sich Ihr Führungsstil in der Vergangenheit nicht bewährt?
    • Wie vermeiden Sie, dass bisherige Erfahrungen mit den Kollegen nicht dazu führen, dass Sie diese unterschiedlich behandeln?
    • Sagt Ihnen der PDCA-Zyklus etwas?
    • Welche Persönlichkeitstyp-Modelle kennen Sie?
    • Wie organisieren Sie eine Wachbesprechung so, dass sie nicht zur Laberrunde verkommt, sondern greifbare Ergebnisse produziert werden?
    • Haben Sie sich mit dem Führungsleitbild unseres Hauses befasst? Können Sie dieses in wenigen Sätzen zusammenfassen?
    • In Ihrem Team kommt es bei Einzelnen zu systematischen Verstößen gegen eine bestimmte Dienstanweisung. Wie gehen Sie mit dieser Erkenntnis um?
    • Eine Mitarbeiterin berichtet Ihnen, dass der neue Praktikant ihr die ganze Schicht immer wieder sexuelle Angebote unterbreitet hat. Was sind Ihre nächsten Schritte?
    • Die Lokalzeitung ruft bei Ihnen an. Angehörige hätten sich gemeldet und behaupten, bei einer frustranen Reanimation vorgestern sei durch Ihr Team nicht leitlinienkonform vorgegangen worden. Vor der Veröffentlichung am nächsten Tag möchte die Zeitung auch gerne ein Statement der Rettungsdienstorganisation zu diesem Einsatz haben. Wie gehen Sie mit dieser Situation um?
    • Ihr Team beschwert sich über Schwester Sabrina aus der Notaufnahme, diese kommentiere jeden Rettungsdienstpatienteneingang mit herablassenden Bewertungen. Gibt es für Sie Interventionsmöglichkeiten und wie sehen diese ggf. aus?
    • Die Stellenausschreibung, die Sie zur Bewerbung motiviert hat, ist ja sehr formal und nüchtern formuliert. Würden Sie diese anders formulieren?
    • Mich interessiert Ihre Einschätzung: mit welchen Problemen des Vorgesetztendaseins glauben Sie am meisten Schwierigkeiten zu haben?
    • Was müsste passieren, damit Sie die Position als Wachleitung wieder abgeben?
    • Was ist Ihre Erwartung an mich als Ihren Vorgesetzten?
    • Wie gehen Sie damit um, wenn ich eine Dienstanweisung schreibe, mit der Sie nicht einverstanden sind?
    • Ich halte ja die meisten Mitarbeiterentwicklungsgespräche für eine strukturierte Demotivationsveranstaltung. Wie stellen Sie sicher, dass die Entwicklungsgespräche auch tatsächlich ein positiver Punkt im Jahreskalender Ihrer Mitarbeiter werden?
    • Wir beide stellen fest, dass wir zu einem speziellen Thema völlig unterschiedliche Vorstellungen von einem sachgerechten Umgang damit haben. Was bedeutet diese Erkenntnis für Sie und Ihr künftiges Handeln?
    • Wie formen Sie aus Ihren Mitarbeitern auf der Wache ein wirkliches Team?
    • Was war Ihre Motivation, sich auf diese Stelle zu bewerben?
    • Wechseln wir mal die Rollen. Welche Fragen haben Sie als Bewerberin an uns als Organisation oder an mich als möglichen künftigen Vorgesetzten?


    So in etwa würde ich versuchen, mir ein Bild von administrativer Fachlichkeit, der Person und ihrer gedanklichen Agilität zu verschaffen. Mich interessiert: hast du dich mit deiner Rolle als Führungskraft auseinandergesetzt? Wie siehst du den Rollenwechsel von der Kollegin zur Chefin? Hast du die Werkzeuge des Führens irgendwie verstanden, wie sieht dein Methodenkoffer aus, kennst du deine Stärken und Schwächen in dieser Rolle? An passender Stelle würde ich immer auf deine Antworten eingehen und schauen, ob ich da noch tiefer bohren kann oder ob du nur die Bullshitbingokategorien gelernt hast. Und natürlich ist das jetzt nur schnell aus der Hüfte geschossen, gute Bewerbungsgesprächvorbereitungen verbauchen schnell mal ein paar Stunden. Irgendwann wird es aber besser, wenn man dann für jede zu besetzende Funktion schon ne Vorlage in der Schublade liegen hat.

  • Da wird man sich auf einen sehr ausführlichen Vortrag über den "Methodenkoffer" einstellen können, wenn jemand aus der Mannschaft das erste Mal einen Job mit administrativer Verantwortung übernimmt.

    They say God doesn't close one door without opening another.

    Please, God, open that door. :oncoming_fist_light_skin_tone:

  • Da wird man sich auf einen sehr ausführlichen Vortrag über den "Methodenkoffer" einstellen können, wenn jemand aus der Mannschaft das erste Mal einen Job mit administrativer Verantwortung übernimmt.

    Es ist ja ein Vorstellungsgespräch und kein Kolloquium.


    Davon abgesehen war das ja nicht auf ihre Biographie bezogen, sondern auf meine Neugier gegenüber der Bewerbergruppe.

  • Ich finde Nils antwort super, da er einen tollen Überblick über mögliche Fragen, Themen und auch "Fallstricke" aufzeigt. Ich muss gestehen, dass ich bisher nie einen solch ausführlichen Leitfaden hatte.


    Das einzige was ich noch in dem Leitfaden ergänzen würde, sind die folgenden Fragen:

    • Wie stellen Sie sich die Tätigkeit vor?
    • Was müsste passieren, dass Sie an Ihrem 30./40./50./60. Geburtstag Ihren Liebsten sagen: "Es war die beste Entscheidung als Wachleiterin anzufangen?
  • Was müsste passieren, dass Sie an Ihrem 30./40./50./60. Geburtstag Ihren Liebsten sagen: "Es war die beste Entscheidung als Wachleiterin anzufangen?

    Wie viel Zeit haben Sie denn? Die Antwort dauert ein wenig! :S

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.