Tim Becker konnte es nicht fassen, und sein Vater Hubert Becker auch nicht: "Das hätte doch um Leben und Tod gehen können", regten sie sich über ein nächtliches Erlebnis mit der Rettungsleitstelle auf, das zwar glimpflich ausging - aber nach ihrer Meinung eine Schwachstelle zeigte.
Es war in der Nacht von Samstag auf Sonntag, gegen 3 Uhr, als Tim auf dem Heimweg von der Stadt nach Sandhofen in Höhe von Roche entdeckte, dass da ein Mann auf der Straße lag - hilflos, nicht ansprechbar. Er reagierte richtig, wählte die Notrufnummer, via Handy die kostenfreie 112. Damit landete er bei der Mannheimer Berufsfeuerwehr, die ihn per Knopfdruck an die Rettungsleitstelle (Telefon eigentlich: 19 222) weiter verband.
Doch dort habe man ihn erst einmal nach Straße und Hausnummer gefragt. Mit der "Sandhofer Straße" allein habe der Gesprächspartner am Telefon ebensowenig etwas anfangen können wie mit "in Höhe von Roche" als Ortsangabe. "Der kannte Roche nicht, der kannte sich gar nicht aus hier und hat gesagt, dass er ohne Hausnummer niemand losschicken kann", wundert sich Tim Becker, und sein Vater empört sich: "Roche muss man doch kennen, das gibt es doch nicht". Becker beendete dann das Telefonat mit der Rettungsleitstelle, rief die Polizei an, die einen Streifenwagen ebenso wie einen Krankenwagen schickte. Es stellte sich heraus, dass der Mann nicht verletzt oder krank, sondern nur betrunken war und keinen Rettungswagen benötigte - "aber das weiß man ja nicht vorher", so Hubert Becker.
In der Rettungsleitstelle ist der Vorgang als Fehlfahrt vermerkt, mehr nicht. Die Schilderung von Tim Becker, dass der Disponent die Firma Roche nicht gekannt hat, kann Peter Müller nicht nachvollziehen: "Quatsch, jedem hier ist Roche bekannt", so der Leiter der Integrierten Leitstelle Ladenburg, die seit April 2006 den Rettungsdienst in Mannheim, Heidelberg und dem gesamten Rhein-Neckar-Kreis sowie die Freiwilligen Feuerwehren des Landkreises steuert.
Alle Disponenten des Rettungsdienstes hätten die höchste Ausbildungsstufe, also Rettungsassistent, und müssten mindestens zwei Jahre hauptamtlich gefahren sein. Allerdings, räumte Müller ein, gebe es auch Mitarbeiter aus den Reihen der Feuerwehr, die keine Rettungswagen-Erfahrung hätten. Doch sei bei der Eingabemaske am Computer, mit der jeder Notruf erfasst werde, eine "optimale Datenbank hinterlegt", die selbst ohne Straße und Hausnummer sofort den Weg zu markanten Zielen und großen Firmen zeige, darunter selbstverständlich auch Roche. Doch zumindest in der Nacht, als Tim Becker anrief, hat der Disponent dieses Suchsystem nicht genutzt, sondern doch nach der Hausnummer gefragt.
Mannheimer Morgen