Würden an allen Gräbern Lichter brennen, in denen Menschen liegen, die getötet wurden, wäre es Nachts taghell auf dem Friedhof
Soweit das Zitat eines Fachmanns über die Tatsachge, dass viele Tötungen niemals entdeckt werden.
Eher durch Zufall kam heraus, dass der Tod eines Mannes, der mittlerweile auch eingeäschert ist, in Wirklichkeit ein Mord war: der Täter verplapperte sich im Gespräch mit Verwandten des Opfers.
Doch hier der Artikel des Wiesbadener Kuriers von heute, Ausgabe Rheingau:
Mord per Zufall auf die Spur gekommen
Bis zum Geständnis galt der Tod eines Geisenheimers als natürlich
vom 06.06.2008
GEISENHEIM
Eine Richterin hat gegen Mark S. Haftbefehl wegen Mordes erlassen. Der junge Mann hat gestanden, den Lebensgefährten seiner Großmutter erstochen zu haben. Die Tat, die Mark S. vermutlich am 16. Mai begangen hat, war bis zu seinem Geständnis nicht aufgefallen.
von Christoph Cuntz
Dass ein 66-Jähriger eingeäschert wurde im festen aber falschen Glauben, er sei eines natürlichen Todes gestorben, das ist offenkundig auf die grob fehlerhafte Bescheinigung eines Notarztes zurückzuführen, der für den Malteser Hilfsdienst in Oestrich-Winkel arbeitet. Der Mediziner war am 20. Mai in eine Wohnung in der Geisenheimer Bleichstraße gerufen worden. Alarmiert hatte ihn ein Vertrauter der Lebensgefährtin, die in einer Reha-Klinik weilte. Sie war unruhig geworden, weil sie den 66-Jährigen nicht mehr erreichen konnte. Ihr Bekannter hatte einen Wohnungsschlüssel. Er sollte nach dem Rechten schauen.
Opfer war Bluter
Der Arzt wiederum hatte die Polizei verständigt. Nur der Polizeipräsenz ist es aber zu verdanken, dass es wenigstens Fotos gibt von jener Stelle, die seit Montag erst als Tatort gilt. Die Bilder zeigen den Mann, der in einer riesigen Blutlache liegt: Blutsturz im Rachenbereich, notierte der Mediziner - für ihn nicht weiter auffällig wegen der "Vorerkrankungen des Mannes", wie es im gestern veröffentlichten Polizeibericht heißt. Offenbar war der 66-Jährige Bluter. Die Fotos zeigen weiter ein Hämatom am Auge. Für den Arzt eine Sturzverletzung. Die Polizei daher: "Die Inaugenscheinnahme der Wohnung durch die eingesetzten Beamten und die Feststellungen des Arztes ließen zunächst nicht auf ein Verbrechen schließen".
Das änderte sich, als Mark S. am Montag festgenommen wurde. Der 20-Jährige ist das Enkelkind der Frau, die mit dem 66-Jährigen zusammenlebte. Mark S., der wegen Eigentumsdelikten bereits polizeibekannt war, wurde dieses Mal des Warenkreditbetruges verdächtigt: Er soll Waren bestellt und nicht bezahlt haben. Die sehr viel schwerer wiegende Erkenntnis, dass er den 66-Jährigen getötet hat, ist "Kommissar Zufall" zu verdanken.
Denn Angehörige des Opfers hatten zu diesem Zeitpunkt bereits festgestellt, dass eine Geldbörse mit EC-Karten sowie eine Geldkassette aus der Wohnung des 66-Jährigen gestohlen worden waren. Der 20-Jährige habe während der Vernehmung den Diebstahl gestanden, teilt die Polizei mit. Als er daraufhin aufgefordert wurde, endlich reinen Tisch zu machen, muss er psychisch zusammengebrochen sein. Plötzlich erzählte er, was bis dahin unentdeckt geblieben war.
Es habe am 18. Mai - mithin zwei Tage vor Auffinden der Leiche - zwischen ihm und dem 66-Jährigen Streit gegeben. Anfänglich nur Geschubse. Dann soll der 66-Jährige begonnen haben, Mark S. zu würgen. Nach dessen Abwehr sei der Ältere zu Boden gegangen, habe ohnmächtig dort gelegen. Mark S. gab zu Protokoll, er habe geglaubt, der 66-Jährige sei tot. Er habe die Gelegenheit nutzen und etwas stehlen wollen. In der Küche habe er die Geldkassette gefunden. Doch der 66-Jährige sei inzwischen wieder zu sich gekommen. Mit einem Fleischmesser, das eine 20 Zentimeter lange Klinge hat, sei er auf Mark S. los, habe gerufen: "Du wolltest mich umbringen. Das mache ich jetzt mit Dir". Mark S. gab an, den 66-Jährigen daraufhin in den Bauch geschlagen und im Reflex vier Mal mit dem Messer in den Hals gestochen zu haben. Die Waffe fand die Polizei in einem Wasserauffangbehälter.
Ermittlung gegen Notarzt
Hartmut Ferse, Sprecher der Staatsanwaltschaft Wiesbaden, sagte, Mark S. sitze wegen Mordverdachts in Untersuchungshaft. Geprüft werde nun, ob sich der Notarzt und die Mitarbeiter des Krematoriums korrekt verhalten haben. Gregor Goetz, Geschäftsführer des Malteser Hilfsdienstes in Oestrich-Winkel, sagte, er habe erst gestern Kenntnis von dem Vorfall bekommen. Er werde den Hintergrund prüfen und die gesammelten Informationen an den leitenden Notarzt des Rheingau-Taunus-Kreises weitergeben. So lange wolle er sich zu Presseanfragen nicht konkret äußern.