München: Leitstellendisponent von Vorwurf der unterlassenen Hilfeleistung freigesprochen

  • Das Münchner Amtsgericht hat einen 38-jährigen Leitstellendisponenten der Berufsfeuerwehr vom Vorwurf der unterlassenen Hilfeleistung freigesprochen, zuvor sollte der Rettungsassistent einen Strafbefehl über 2.500 Euro zahlen.
    Der Disponent hatte in der Nacht zum 27. März diesen Jahres einem Anrufer, der für einen alkoholisierten 17-Jährigen einen Krankenwagen haben wollte, ein Einsatzfahrzeug verweigert und ihn aufgefordert, den Betrunkenen mit einem Taxi zu befördern. Als auch der Hinweis des Anrufers "Der is kaum noch wach, schon fast bewusstlos" den Disponenten nicht dazu bewegen konnte, ein Fahrzeug zu schicken, beleidigte der Anrufer den Rettungsassistenten und legte auf.
    Der 17-Jährige wurde später von seinen Eltern in ein Krankenhaus gebracht, wo er mit 1,6 Promille auf der Intensivstation aufgenommen wurde und seinen Rausch ausschlief. Die Eltern zeigten daraufhin den Leitstellendisponenten an.


    Nachdem der Angeklagte sowie ein Zeuge dem Gericht die Arbeit der Leitstelle geschildert und auf die täglich zahlreichen Anrufe aufgrund Alkohols hingewiesen hatten, entschied das Gericht zugunsten des Rettungsassistenten. Die Richterin zeigte sich froh darüber, den Disponenten freisprechen zu können. Er solle sich bloß nicht von Eltern, "deren Sohn beim Komasaufen war", in seiner Arbeit verunsichern lassen.


    Quelle: http://www.sueddeutsche.de/F5R…st-kein-Trinker-Taxi.html

    Knüpfe dich nicht an Geringes, es zieht dich ab und hinab, fügt dir Geringeres zu.

  • Und zwar ziemlich geteilter Meinung. So ein Besoffener kann ja auch schonmal ne Alkoholvergiftung haben. Wäre interessant zu spekulieren wie das Urteil wohl ausgesehen hätte, wenn der Patient verstorben wäre, was ja durchaus im Bereich des Möglichen gewesen wäre.

  • ist der Verdacht auf eine Intox nicht eine NA Indikation? Der Patient braucht sofort einen NA!! :ironie:

    Speed is life!
    Es gibt 10 Arten von Menschen. Solche, die binär zählen können, und Solche, die es nicht können.

  • Wenn jemand mit dem Handy anruft und man hört nichts, dann könnte es ja auch sein das er in einer Notlage ist, daher sollte man sofort das Handy orten lassen um anschließend direkt Fw, RD und Pol hinzuschicken!!


    Ganz erhlich, irgendwo muss das ganze doch mal ne Grenze haben und ich bin froh das dies hier ähnlich gesehen wurde. Ich finde den Schluss des Artikels großartig:

    Zitat

    Die Amtsrichterin meinte schließlich, sie sei froh, den Rettungsassistenten freisprechen zu können. Er solle sich in seiner Arbeit bloß nicht verunsichern lassen 'von Eltern, deren Sohn beim Komasaufen war.

  • Außerdem hören sich die Zitate aus dem Telefongespräch im Zeitungsartikel so an, als wurde das Gespräch durch den Anrufer abgebrochen.

  • Ich finde es gut, dass man mit diesem Urteil die Disponenten und deren Entscheidungen stärkt, insbesondere in einer Zeit wo viele Hilfeersuchende ein sehr hohes Anspruchsdenken haben.

  • Jeder Besoffene hat eine "Alkoholvergiftung".


    :thumbup:

    Du weißt genau, wie das gemeint war.
    Man kann nicht auf der einen Seite nen riesen Rummel zum Thema Komasaufen bei Kindern machen und rumheulen "Wie konnte dieses Kind sich nur tot trinken!?" und auf der anderen Seite sagen, dass die Verweigerung eines RTW oder zumindest KTW ne richtige Entscheidung ist.

  • Absolut korrekte Entscheidung! Wer saufen kann...
    Hallo? Was haben "die" denn früher gemacht? Ich sag's euch: Die Grenzen besser gekannt und mehr Sozialkompetenz gehabt. Wenn tatsächlich mal einer über den Durst getrunken hat, haben die Zechkumpanen sich gekümmert. Nach Hause ins Bett, ausgeschlafen und gut war. Nicht nur gefühlt haben die alkoholinduzierten Einsätze in den letzten Jahren zugenommen. Wo soll das nur enden?


  • Man kann nicht auf der einen Seite nen riesen Rummel zum Thema Komasaufen bei Kindern machen und rumheulen "Wie konnte dieses Kind sich nur tot trinken!?" und auf der anderen Seite sagen, dass die Verweigerung eines RTW oder zumindest KTW ne richtige Entscheidung ist.



    Was hat die Diskussion um Komasaufen mit der Notwendigkeit eines RTWs zu tun?


    Der "Rummel" richtet sich gegen die wegbrechenden Grenzen bzw. den Spaß am Kontrollverlust. Das ist eine sicher mögliche, jedoch politische (im Sinne von: nicht zielführende, weil emotional geführte) Diskussion, an der ich mich nicht beteiligen möchte.


    Etwas ganz anderes ist die Frage, ob (und wenn ja: bis zu welcher Schmerzgrenze) jeder Depp für jede Eventualität mit einem RTW transportiert werden muss. Und Volltrunkene sind in erster Linie erst einmal Betrunkene, deren Risiko einer langfristigen Schädigung angesichts tausender Betrunkener jenseits von 2 Promille pro Wochenende unwahrscheinlich erscheint.

  • [Polemik]


    Ja, es gibt Komasaufen. Aber realistisch kann die Gesellschaft nur präventiv arbeiten, da wir bei der gefühlten Steigerungsrate der Alkifahrten jetzt und in Zukunft einfach nicht genügend Kapazitäten haben.
    Wenn ich zu einem durchschnittlich Betrunkenen auf einem Dorffest gerufen werde, stehen und liegen mindestens 10 Andere in unmittelbarer Nähe herum, die genauso "erkrankt" sind, wie mein Patient. Aber da erzähle ich hier keinem was Neues. Meistens fordere ich keine 10 RTW nach.
    Irgendwann kommen wir bei einem Komasäufer zu spät, weil wir gerade bei einem Somnolentsäufer sind. Der HI Patient ist inzwischen mit dem Taxi ins Krankenhaus gefahren. :hmm:


    [/Polemik]

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  • Die Bemerkung der Richterin zu den Eltern des 17-jährigen Betroffenen (?) ist für mich zwar einerseits menschlich nachvollziehbar, aber andererseits macht sie mich auch nachdenklich.
    Zur Erziehung eines heranwachsenden Menschen gehört eben auch das Gewähren von Freiheiten und nicht pausen- und lückenlose Überwachung.
    Das in dieser Phase auch Fehler gemacht werden, nennt man Leben.
    Das der RD Nacht für Nacht die Fehler anderer ausbügeln darf bzw. die sozialen Inkompetenzen wegarbeiten soll, hat damit erst einmal nichts zu tun.


    Vielleicht hatte dieser alkoholisierte Jugendliche erstmals in seinem Leben so eine Situation bzw. noch gar keine Erfahrung, wo die persönliche Grenze der Alkoholverträglichkeit (in Abhängigkeit der verschiedensten Faktoren) liegt.
    Inwieweit hat dies die Richterin gewusst oder vermutet?


    Davon unabhängig finde ich das Urteil in Ordnung.
    Ob ich diese Bewertung auch hätte, wenn diesem Jugendlichen ein dauerhafter Schaden entstanden wäre, weiss ichnicht.

    raphael-wiesbaden


    Artikel 1
    (1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.


    Selig sind die geistig Armen - nur: kann der Himmel die ganzen Seligen auch wirklich aufnehmen ?

  • Absolut korrekte Entscheidung! Wer saufen kann...
    Hallo? Was haben "die" denn früher gemacht? Ich sag's euch: Die Grenzen besser gekannt und mehr Sozialkompetenz gehabt. Wenn tatsächlich mal einer über den Durst getrunken hat, haben die Zechkumpanen sich gekümmert. Nach Hause ins Bett, ausgeschlafen und gut war. Nicht nur gefühlt haben die alkoholinduzierten Einsätze in den letzten Jahren zugenommen. Wo soll das nur enden?


    Das war nicht nur "früher" so, das war bei meinen Gelagen auch der Fall. Der Fahrer hat auf seine Mannschaft aufgepasst.

  • Die Bemerkung der Richterin zu den Eltern des 17-jährigen Betroffenen (?) ist für mich zwar einerseits menschlich nachvollziehbar, aber andererseits macht sie mich auch nachdenklich.
    Zur Erziehung eines heranwachsenden Menschen gehört eben auch das Gewähren von Freiheiten und nicht pausen- und lückenlose Überwachung.


    Und zur Erziehung eines Kindes gehört, ihm beizubringen, dass jedes Handeln eine Konsequenz nach sich zieht.


    Im konkreten Falle bestehen zwei Alternativen für eine solche Lektion:


    A) Das liebe, arme, unschuldige Kind hat sich nur ein wenig ausprobiert, dann wurde ihm plötzlich ganz schlecht und es war hilfsbedürftig. Diese Hilfe wurde ihm von der bösen, bösen Erwachsenenwelt verweigert. Der Mann am Telefon ist schuld, er muss bestraft werden. Irgendjemand muss ja schließlich schuld daran sein, wenn es Mamas Liebling schlecht ergeht.


    B) Das heranwachsende Kind hat sich und seine Grenzen überschätzt und deshalb ist ihm jetzt schlecht. Außer der Übelkeit und den Kopfschmerzen am nächsten Tag drohen Ausgehverbot und Kürzung des Taschengeldes für mindestens vier Wochen. Außerdem ein familiäres Krisengespräch.


    Man muss einem Kind schon auch beibringen, dass manche Handlungen nicht akzeptiert werden, wenn man deren Wiederholung vermeiden will. Aber vermutlich wischt die zitierte Mutti ihrem armen Jungen auch noch die Kotze weg und wäscht seine vollgepissten Hosen, wenn er Samstags mal wieder voll war, anstatt ihn die Suppe selbst auslöffeln zu lassen.


    :cookie: J.

  • Jörg, ich kann Dich (und die anderen ebenso) verstehen.
    Vielleicht würde ich ausschließlich auch so reagieren, wenn ich noch aktiv im RD wäre.
    Es ist frustrierend, der Tranportmülleimer für Personen jedweden Alters und Geschlechts zu sein, die sich "die Kanne geben" und das ganze (nämlich die Folgen) noch auf Sozialstaatskosten (also auch noch durch uns) bezahlt bekommen.


    Ich gebe auch allen anderen recht, die sagen, daß es "früher" eine höhere soziale Kontrolle gegeben habe und erwachsene Menschen tatsächlich ihrer Erziehungspflicht nachgekommen sind, anstelle "alles" auf die Gesellschaft - also von sich weg - zu schieben.
    Ebenso wird es Hätscheleltern geben, die ihrem Kind alles mögliche nachsehen - wo das rechtzeitige Aufzeigen von Konsequenzen sinnvoller gewesen wäre.


    Andererseits denke ich mir, daß gerade Du als Pädagoge ebenso Erfahrungen darin haben wirst daß die beste Erziehung in Kombination mit festem sozialem Gefüge und wirklich guter Aufsicht und Kontrolle nicht ausreicht um bspw. bei Klassenfahrten "Ausrutscher" zu vermeiden.
    Diese Ausrutscher sind vielleicht gelegentlich gewollt; zum Austesten von Grenzen aber auch aus purer Böswilligkeit.
    Oft genug sind sie aber auch ungewollt, z.B. weil die Grenzen eben noch nicht bekannt sind bzw. weil der vermeindliche Gesichtsverlust, wenn eine Person sich nicht dem Rudel und seinen Ritualen unterwirft, für die Einzelperson soziale Ausgrenzung bedeuten kann.


    Alkoholabusus ist ebenso MIST wie Betäubungsmittelmißbrauch, Kindesmißhandlung, häusliche und sexuelle Gewalt, Fahren unter Suff, im Dunkeln-auf-der-falschen-Strassenseite-rumlaufen, Suizid mit Messer + Gabel (wir sind zwei aus dieser Gruppe :hallo:) und vieles mehr.
    Mit all dem ist der RD tagtäglich konfrontiert.
    Das ist gelegentlich zum Kotzen, ohne Frage.
    Es ist aber auch (leider) normales Leben.

    raphael-wiesbaden


    Artikel 1
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    Selig sind die geistig Armen - nur: kann der Himmel die ganzen Seligen auch wirklich aufnehmen ?

  • Jörg, ich kann Dich (und die anderen ebenso) verstehen.
    Vielleicht würde ich ausschließlich auch so reagieren, wenn ich noch aktiv im RD wäre.


    Ich bezog dies nicht auf meine rettungsdienstliche Sicht der Dinge. Das hat mehr etwas mit gesundem Menschenverstand zu tun als mit Notfallmedizin, da es ein gesellschaftliches Phänomen ist und kein medizinisches.



    Andererseits denke ich mir, daß gerade Du als Pädagoge ebenso Erfahrungen darin haben wird, daß die beste Erziehung in Kombination mit festem sozialem Gefüge und wirklich guter Aufsicht und Kontrolle nicht ausreicht um bspw. bei Klassenfahrten "Ausrutscher" zu vermeiden.


    Natürlich weiß ich das, ich bin ja nicht weltfremd. Ich habe aber auch nirgendwo behauptet (und das unterstellst du mir wohl), dass solche Ausrutscher grundsätzlich verwerflich oder gar vermeidbar seien. Ich kritisierte lediglich den Umgang mit der Situation, so sie denn eingetreten ist. Und wenns nun mal passiert ist, sollte man dem "Heranwachsenden" eben deutlich signalisieren, wer dafür verantwortlich ist und dass man eine Wiederholung nicht wünscht oder dulden wird. Kontraproduktiv hingegen wäre es - und das versuchte offensichtlich die Dame, die den Disponenten angezeigt hat - die Verantwortung für die Konsequenzen eines Fehlverhaltens auf andere abzuwälzen.


    J.

  • Eine Unterstellung hatte ich Dir gegenüber nicht im Sinn.
    Ich hatte lediglich den Eindruck, daß Du situationsbedingt (gebunden an dieses Thema) kein Augenmerk auf die anderen Möglichkeiten hattest.
    Das die Mutter jetzt versucht, da einen Sündenbock dafür zu finden, daß der Sohnemann eine schlimme Nacht hatte (und Mutti ebenso?), ist für mich ebenso verwerflich.
    "Gesunder Menschenverstand" ist eine immer seltener werdende Gabe und der anklagende Finger ist (dank Rechtsschutzversicherungen) ja schnell erhoben.
    Das dann vier Finger auf die anklagende Person zurück zeigen, wird übersehen.

    raphael-wiesbaden


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