Reanimation: Deutsche verweigern Erste Hilfe

  • "We are the Pilgrims, master; we shall go
    Always a little further: it may be
    Beyond that last blue mountain barred with snow,
    Across that angry or that glimmering sea,


    White on a throne or guarded in a cave
    There lives a prophet who can understand
    Why men were born: but surely we are brave,
    Who take the Golden Road to Samarkand."


    James Elroy Flecker

  • Ich kann mich nur an vier erlebte Laienreanimationen erinnern. In drei Fällen haben Arztpraxen ganze Arbeit geleistet, ihre Arbeit auch wirklich gut gemacht, der eine Fall, an den ich mich noch erinnere war eine Reanimation einer Radfahrerin mit Schädel Hirn Trauma, welche sich noch mit Händen und Füßen versucht hat zu wehren. Eigentlich ja traurig... nunja, aber eigentlich ja auch nichts neues. :hmm:


    LG TT

    NEU: Jetzt auch mit elektrohydraulischer Trage sowie Beladesystem!

  • Wie immmer:
    Das beste sind die Kommentare unter dem Spiegelartikel...
    Kommentar Nr. 2 hat was. Es sei denn ich habe die Ironie überlesen...

  • Mich stört an dem Artikel - wie bei ähnlichen Berichterstattungen - die amateuerhafte Spekulation über die Gründe der Hilfsverweigerung.
    Mein Bauchgefühl sagt mir, daß bspw. in Skandinavien die Rettungsmittelvorhaltung allein aus topographischen Gründen sehr viel schwieriger ist im Vergleich zu -D-.
    Das alleine begünstigt schon eine grössere Bereitschaft zur Hilfe durch Laien.


    Es werden "Unsummen" in aberwitzige Studien und Statistiken gesteckt.
    Einen einigermaßen repräsentativen Bericht, aus welchen Gründen welche Bevölkerungsgruppe (Männer/Frauen/Stadt/Land/Bildungsgrad/Alter usw.) Hilfe leistet oder eben nicht habe ich persönlich noch nie gesehen.


    Nur mit einer solchen Datengrundlage wäre eine gescheite Intervention zur Verbesserung der Situation ja möglich.
    Alle anderen politischen, berufsständische oder Hiorg-Bemühungen bleiben blindes Herumstochern im Strohhaufen.

    raphael-wiesbaden


    Artikel 1
    (1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.


    Selig sind die geistig Armen - nur: kann der Himmel die ganzen Seligen auch wirklich aufnehmen ?

  • Ich korrigiere...
    Noch besser ist das Paper in der Notfall und Rettungsmedizin:
    http://rd.springer.com/article/10.1007/s10049-012-1584-7
    Auszug:
    Tabelle 3
    Einsatzort:
    Häusliche Umgebung, 64,3 % der im Register gemeldeten Reanimationen, davon einen Bystander-Reanimations-Anteil von 11,8 %
    Altenheim, 7,2 % der im Register gemeldeten Reanimationen, davon einen Bystander-Reanimations-Anteil von 18,0 %
    Arztpraxen 2,2 % der im Register gemeldenten Reanimationen, davon einen Bystander-Reanimations-Anteil von 22,4 %


    Den besten Anteil an Bystander-Reanimationen erreichte der Arbeitsplatz mit 33,9 %.


    Ich muss sagen, dass das fett Unterstrichene ein Armutszeugnis darstellt.

  • Die Antworten, die ich bislang auf die Frage erhielt, ob Wiederbelebungsmaßnahmen durchgeführt wurden, bestätigt die im Artikel genannten Gründe.
    Die Angst etwas falsch zu machen oder sogar zu schaden ist bzw. war bei allen vorherrschend.

  • Kenne ich durchaus auch aus eigener Ausbildertätigkeit.
    Da wird sich in den letzten drei Jahrzehnten nichts verändert haben.
    Umso wichtiger erscheint mir die genaue Datengrundlage.
    In welchen Bevölkerungsgruppen ist der Angstfaktor am grössten und aus welchen Gründen.
    Nur so kann ich doch gegensteuern.


    Wenn der Arbeitsplatz der "sicherste Ort" ist, führe ich das auf zwei Faktoren zurück:
    1.
    der Patient ist "bekannt" als Kollege, die Ängste werden nicht so gross sein wie beim unbekannten Menschen in der Fussgängerzone oder auf dem Waldweg


    2.
    die BG's leisten immense Arbeit bei der Betriebshelferschulung.
    Die beauftragten Hiorgs sind (teilweise?) in der Lage, arbeitsplatzrelevante Schwerpunkte anzubieten.
    Die potentiellen Notfallphantasien sind bei einer KITA-Mitarbeitergruppe anders gelagt wie bei Bauarbeitern usw.

    raphael-wiesbaden


    Artikel 1
    (1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.


    Selig sind die geistig Armen - nur: kann der Himmel die ganzen Seligen auch wirklich aufnehmen ?

  • Passenderweise hatte ich vergangene Woche Donnerstag eine Reanimation auf offener Straße; unser KTW wurde als First Responder zu einem bewußtlosen Radfahrer nach Sturz alarmiert. Vor Ort imponierte nicht nur ein reanimationspflichtiger Patient in Seitenlage mit occipitaler Koplawu mit entsprechener Blutlache sondern auch 5 bis 10 Personen die untätig daneben standen.


    Positiv:
    Während meine Kollegin über Funk eine Rückmeldung gab und weiteres Material aus dem KTW brachte, fragte von sich aus ein Erst-Helfer ob er helfen könne. Gemäß "Push hard, push fast" konnte er von uns zu einer vernünftigen HLW angeleitet werden so das wir bis zum Eintreffen des NEF zu dritt reanimierten. :positiv:


    Habe total vergessen mich zu bedanken.

  • Bystander-CPR Raten international:


    - Prag: 70%
    - Seattle: 70%
    - Lugano: 70%


    Und ein wesentlicher Faktor für diese hohen Prozentzahlen ist die Telefon-CPR.


    Aber das nur so am Rande.

  • Deutschland ist mit seinem notarztgestützten Rettungssystem doch führend in der Welt, dachte ich... sobald der Notarzt vor Ort ist, wird alles wieder gut. :chinese:

    NEU: Jetzt auch mit elektrohydraulischer Trage sowie Beladesystem!

  • Gemäß "Push hard, push fast" konnte er von uns zu einer vernünftigen HLW angeleitet werden


    Es wird bei uns aber auch viel zu wenig "Werbung" dafür gemacht. In meinem Kanada Urlaub im Hotel mal den Fernseher eingeschaltet und zur prime time kam um acht abends ein 1.5 min "Werbespot" der AHA zum Thema CPR. Die Aussage: "da liegt einer, der bewegt sich gar nicht mehr -> Notruf und schnell und fest auf den Brustkorb drücken". Das ganze grafisch sehr einfach veranschaulicht und gut. Und Laien CPR ist ja mittlerweile auch so einfach, dass man das in den 1.5 min erklären kann. Wenn ich das jeden Abend vor dem Spielfilm erzählt bekomme, verliere ich vielleicht auch die Hemmungen dann "auf der Strasse" was falsch zu machen, weil "ist ja eigentlich ganz leicht".
    Ich behaupte mal "nur" für die CPR brauchs für den Laienhelfer keinen EH Kurs mehr.

    Einmal editiert, zuletzt von Blodwyn76 ()

  • Kann mir jetzt noch einer erklären, was mit Bystander-CPR gemeint ist?


    Damit ist die Laienreanimation durch Notfallzeugen gemeint.

    Land zwischen den Meeren,
    vor dem sich sogar die Bäume verneigen,
    du bist der wahre Grund,
    warum Kompassnadeln nach Norden zeigen!

  • Wobei sich in der Seniorenresidenz schon fragen lässt ob die Quote ggf. nicht sogar recht hoch ist. Immerhin sind dort viele Leute versammelt, die dort eben ihren letzten Lebensabschnitt verbringen. Zumindest in unseren Breitengrade gibt es unglaublich viele Verfügungen und dergeichen, die die Maßnahmen nach Todeseintritt regeln.

  • Mensch, Monschi, mach dir doch nichts vor! Sicherlich gibt es im Altenheim den ein oder anderen Patienten mit Verfügung- trotzdem sind wir uns wohl einig, dass der klassische Altenheim-Mitarbeiter nicht mehr über Erste-Hilfe weiß als der Durchschnittsbürger. Ich halte immer wieder Kurse sowohl als Teil der Ausbildung zum Altenpfleger und Altenpflegehelfer, als auch für ausgebildete "Fachkräfte"- eben vor dem Hintergrund, dass diese Menschen mit Bewohnern "im letzten Lebensabschnitt" arbeiten, wird es mir da regelmäßig schlecht. Ich finde es unglaublich traurig, wenn mir dieses Fachpersonal nicht sagen kann, wie man einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall erkennen kann...
    Wir sind selbst Betreiber eines AH- und dort bekommen alle Neuen erst mal einen San A/B- einfach weil wir der Meinung sind, dass es gerade hier wichtig ist, dass das Personal lebensbedrohliche Situationen sicher erkennen kann und auch weiß, wie man hier handeln kann.
    Sicherlich eine Frage des Geldes, wie überall- aber in meinen Augen leider an genau dem falschen Ende gespart, wenn es nicht angeboten wird....

  • Ich mach mir da nichts vor und auch ich hab bspw. schon mehr als einen EH-Kurs in Altenheimen für das dortige Personal gegeben. Mein persönliches Fazit: es gibt nichts frustrierenderes! Die Ausreden nicht zu helfen die hier tlw. kommen sind haarsträubend.
    Trotzdem hat das eine mit dem anderen nichts zu tun. Normalerweise verlässt man ein Altenheim als Bewohner nicht mehr. Die Leute kommen - überspitzt ausgedrückt - dort hin um zu sterben. Das ist doch Fakt. Wieso also erwartet man ausgerechnet hier eine hohe Quote in der Reanimation?

  • Ein kleiner Beitrag zum Altenheim:


    Ein Projekt welches wir mit einem sehr großen AH durchgeführt haben (350 Betten, 40 Betten mit geschlossener geriatrischer Psychiatrie).
    Alle AH Fachkräfte wurden mit einem erweiterten EH Kurs versehen (Patientensimulation direkt auf ihre Bedürfnisse ausgerichtet mit HI, Apoplexerkennung und Therapie inklusive der ERC Guidelines mit ASS, Sauerstofftherapie etc.)
    Ausbildung eines "Code Blue" Teams - Reateams das über interne Alarmierungskette (wie in der Klinik) alarmiert wird und mit Rettungsrucksack (Sauerstoff, Beutel, LT-D, etc.), Absaugpumpe und AED ausgerüstet ist.
    Einführung einer Rea-Früherkennung nach ERC Empfehlungen - frühes Erkennung von Patienten mit möglich hoher Inzidenz eines Herz-Kreislauf-Stillstandes im weiteren Lebensverlauf (näherer Zukunft).


    Die Defipatches sind so gewählt, das die Geräte des Rettungsdienstes diese direkt an ihr Gerät übernehmen können (Tausch ist vorgesehen).
    Die Pflegehelfer und exam. Fachkräfte sind auf den LT intensiv geschult worden und ihre Anwendung steht für die kontinuierliche HDM im Vordergrund.


    Bis jetzt nur gutes Feedback. Derzeit noch keine Fallstudie dort gemacht, wie sich das auswirkt. Wäre aber sicherlich interessant.

  • Die Thematik der EH-Schulung für MitarbeiterInnen in der stationären Altenpflege ist ein Kapitel für sich!
    Ich habe diesen Umstand (vor einigen Jahren?) hier schon einmal beschrieben.
    Zur Erinnerung:
    Die Fachkräfteqoute in Altenpflegeeinrichtungen ist erheblich niedriger wie in der Krankenpflege.
    Wenn 50% einer Pflegekräfteschicht exam. Altenpflegekräfte (dreijährige Ausbildung) sind, ist das eine sehr gute Quote!


    Die Auszubildenden sind Angestellte der Einrichtung und nicht primär Azubi's der für den Unterricht verantwortlichen Einrichtung.
    Dies bedeutet ein wirtschaftliches Interesse der Einrichtung, diese MitarbeiterInnen schnell in der Praxis einzusetzen und nicht mit "unnötigem Kram" zu überfrachten.


    Die Altenpflegeschulen vermitteln i.d.R. die durchschnittlichen Kenntnisse einer EH-Schulung mit 8 Doppelstunden.
    Da die eigenen Fachressourcen der Lehrkräfte dort ebenso i.d.R. begrenzt sind, wird die Schulung ebenso i.d.R. an eine örtliche Hiorg vergeben.
    Das hat für den AG der Azubis's den Vorteil, daß es "hinterher" eine offizielle TN-Bescheinigung gibt.
    Die wird dann nämlich ordentlich abgeheftet und bei Bedarf überwachenden Institutionen (MDK, Versorgungsamt, Gesundheitsamt, Gewerbeaufsicht...) präsentiert.
    Die Vorschriften wurden erfüllt - alle sind glücklich.


    Die Institutionen, welche den EH-Ausbilder stellen, sind in aller Regel in erheblichem Maße an der Misere verantwortlich!
    Notwendig wäre eine EH-Schulung mit Zuschnitt auf die Klientengruppe und vernetzt mit den übrigen Unterrichtsfächern der ausbildenden Einrichtung.
    Wenn (aus Kostengründen?) ein 08-15-Ausbilder geschickt wird, der selbst keinerlei praktische Notfallerfahrung hat (noch nicht einmal auf dem Sportplatz, geschweige denn im RD mit seinen häufigen Einsätzen in Altenpflegeeinrichtungen...
    ...dann kann auch ein ehrlich-frommer kath. Pfarrer einen Fachvortrag über Beischlafstellungen halten.


    Es könnten ja gezielte Angebote erstellt werden.
    Qualität hat aber seinen Preis.
    Medic hier macht das Ganze ja gewerblich - und wird wohl nicht mit den Sätzen einer Hiorg konkurierren können.
    Also wird es bei der Schalspurausbildung durch die Hiorgs bleiben, damit beim nächsten Hiorg-RD-Einsatz nur die Stahlkappen der Sicherheitssteiefel verhindern, daß sich die Fußnägel der RTW-Besatzung nach oben verbiegen.

    raphael-wiesbaden


    Artikel 1
    (1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.


    Selig sind die geistig Armen - nur: kann der Himmel die ganzen Seligen auch wirklich aufnehmen ?