ksta: 76-Jährige notoperiert Leverkusener Sanitäter sollen Hilfe verweigert haben?

  • Ich frage mich ja ganz allgemein, ob man auf Fehler, selbst wenn es objektiv welche sind, immer mit Strafanzeigen reagieren muss.


    Der Tod oder die lebensbedrohliche Erkrankung/Verletzung eines Angehörigen ist ein einschneidendes Erlebnis. Der Wunsch, denjenigen, der dafür - aus eigener Sicht - verantwortlich ist, zur Rechenschaft zu ziehen bzw. ziehen zu lassen, erscheint mir daher nicht mehr als naheliegend. Das ist bei einem schicksalhaften Verlauf oder einem leicht unterlaufenden Fehler objektiv weniger begreifbar als bei schweren Fehlen und geschieht subjektiv eher dann, wenn das medizinische Personal einen schlechten Eindruck hinterlassen hat als wenn die Angehörigen sich gut aufgehoben fühlen.


    Oder, kurzum: Man muss sicherlich nicht. Der dahinterstehende Mechanismus ist allerdings - m.E. - leicht verständlich und aus Sicht von außen mal gut nachvollziehbar (wenn tatsächliche Fehler geschehen sind), mal nicht (wenn ein Schuldiger für das Schicksal gesucht wird).


    Ob der konkrete Fall zur ersteren oder zur letzteren Kategorie gehört, lässt sich anhand der vorhandenen Informationen schwer nachvollziehen. Dass Angehörige, die subjektiv eine Notfallsituation sehen, dann vom Rettungsdienst vertröstet werden und schließlich objektiv ihre Einschätzung bestätigt erhalten, dazu neigen, Strafanzeige zu erstatten, finde ich jedenfalls nicht überraschend.


    Da würde mich manchmal interessieren, was die Beschwerdeführer so arbeiten und wie unfehlbar sie darin sind.


    Einerseits ist natürlich die Gefahrgeneigtheit einer Tätigkeit zu berücksichtigen.


    Andererseits geht damit eben auch eine andere Anforderung an nicht die Unfehlbarkeit, aber die Sorgfältigkeit der Arbeit einher. Wer nicht Bäckergeselle oder Berufskraftfahrer, sondern "Sanitäter" geworden ist, von dem wird nicht mit Unrecht eine größere Sorgfalt erwartet.

  • Dummerweise: Hat sich der Express jetz auch eingemisch: Dementsprechend: Wird es jetzt noch: unsachlicher.


    Express


    Jo, da das Blatt wohl ein Straßenverkäufer ist und kein Zeitung mit Abonnementenbestand, bin ich bei den Schlagzeilen mal etwas vorsichtiger. Wir kennen die Fakten von beiden Seiten nicht, wir wissen nicht, was dokumentiert und wirklich gemessen wurde. Die Patientin laufen zu lassen ist, abhängig vom Krankheitsbild ist sicher nicht grundlegend falsch. Sollte die Patientin wirklich nicht untersucht worden sein, keine Vitalparameter erhoben worden sein, dann wäre das natürlich für die Kollegen echt doof. Das der RTW / KTW die Patientin nicht trägt wirkt reißerisch, denn der Bürger erwartet genau das von uns immer noch. Der Rettungsdienst ist dazu da, Menschen die nicht mehr laufen können in die Klinik zu bringen!


    In unserer Republik nimmt die Lust auf Regress oder der Schrei nach "Gerechtigkeit bzw. Vergeltung" immer mehr zu. Dies st eine Lebensweise die man aus den klagefreudigen USA immer wieder in Filmen vorgelebt bekommt. Gerichtssendungen die dann auf den "Qualitätssendern" RTL RTL2 und Super RTL etc ausgestrahlt werden tun ihr übriges. Ich bekomme nur Recht, wenn ich das auch einklage. Die Gesellschaft wandelt sich! Wir entwickeln uns weiter, nur wo hin, und ob das gut ist, weiß noch keiner!


    Leider würden mir in meinem Dunstkreis aber auch auf die Schnelle mehr als 5 Kollegen einfallen, die bspw. zu einer gestürzten älteren Dame mit den Händen in der Hosentaschen den Satz prägten: "Ja was ist! Können Sie nicht aufstehen?" Dabei ist das verkürzte, nach außen rotierte Bein klar erkennbar, auch ohne sich zur Patientin auf den Boden zu bewegen. Dann weiter: "Aber das tut nicht weh oder? Sie wollen doch keinen Notarzt, sie waren doch im Krieg" Von daher kann ich mir leider schon vorstellen, ohne das jetzt näher bewerten zu wollen, dass man Mitarbeiter findet, die wenn das Umfeld noch etwas schwierig ist, jegliche Profession verlieren. Gerne genommen, wenn es sich um Patienten oder Angehörige handelt, die die "Google-Diagnose" schon liefern und einen mit den Worten begrüßen "Meine Mutter hat einen Ileus, die muss sofort mit Blaulicht in die Klinik - und wer von Ihnen ist bitte der Arzt?"


    Fazit von mir: Solche Fälle wird es genauso geben, wie Ärzte die einen schlechten Tag haben und etwas übersehen, umgekehrt hätte eine fitte RTW Besatzung auch die Patientin in einem Schockraum anmelden können und der aufnehmende Arzt in der Klinik hätte die Notwendigkeit nicht gesehen und dort hätte man nach zwei Stunden den "Fehler" bemerkt. Dann hätte jetzt die Klinik die schlechte Presse. Fehler passieren, das Ziel muss es sein, jeder für sich so selbstkritisch und überlegt zu handeln, diese Fehlerquellen zu minimieren. Ich finde das RDG in Baden- Württemberg dazu ganz gut. Hier gibt es eine Transportpflicht, wenn der Kunde also wegen einem nichts in die Klinik will und er ist an den Vertreter des Hausarzt nicht zu vermitteln, dann kommt er mit mir mit. Ich persönlich delegiere solche Patienten nie per Angehörigen an den ÄBD oder ÄND sondern rufe da selber an, übergebe am Telefon die nötigen Informationen und lasse den Durchschlag des Notfallprotokolls, wie auch des ggf. obligatorischen geschriebenen 12 Kanal EKGs dort.

    Der Inhalt des Textes, möchte keine Lehrmeinung vertreten er stellt eine rein persönliche Ansicht des Autors da. Die Nutzung ausserhalb des Forums ist nicht gestattet.
    * 150 Jahre Deutsches Rotes Kreuz, Aus Liebe zum Menschen * :rtw:

  • Wir alle können den Fall nicht objektiv bewerten, da dafür die entscheidenen Hinweise fehlen.
    Ich stelle jedoch auch im eigenen Bereich immer wieder fest, dass Kollegen selbständig die Entscheidung fällen, dass an Ort und Stelle der Rettungsdienst ungerechtfertigt ist und demnach das Krankheitsbild nicht so schlimm ist. Der Patient wird oftmals zuhause gelassen.
    Tiefer nachgefragt wird oft deutlich, dass die Kollegen zwar wussten, was der Patient nicht hat, aber nicht sagen konnten, WAS der Patienten denn eigentlich hat. Dann passiert es manchmal, dass sich der Zustand so verschlechtert, dass doch noch der Rettungsdienst nach Stunden - dann meist sogar notfallmässig - ins Spiel kommt.
    Da ich im Dienst auf dem RTW über meine Zeit eh nicht selbst verfügen kann, wird jedem angeboten, mit uns die Reise ins Krankenhaus zu unternehmen. Wenn mich der Patient fragt, ob ich das unbedingt für notwendig erachte, antworte ich dann aber auch mit "Nein, aber....". Am Ende ist es dann seine Entscheidung, bei der ich bestenfalls unterstütze.
    Gerade abdominelle Beschwerden sind für mich ein klarer Grund, von mir aus KEINE Entscheidung zu Gunsten des Nicht-Transportes zu fällen.

    Ich bin nur für das verantwortlich, was ich schreibe...
    ...nicht für das, was Du verstehst!!!

  • Kurze Anmerkung, weil ich es immer wieder höre und lese:


    Wenn nach meinem Ermessen bereits im RD die Notwendigkeit für ein 12-Kanal-EKG vorliegt, dann liegt automatisch die Notwendigkeit einer zeitnahen ärztlichen Untersuchung (in Verbindung mit weiterer apparativer Diagnostik) vor.
    Ich schreibe ein 12-Kanal-EKG zur Verifizierung einer Verdachtsdiagnose bzw. bei entsprechenden Risikofaktoren und nicht auf gut Glück, weil mir nichts Besseres einfällt. Eine solide Begründung für eine EKG-Diagnostik im RD bedeutet für mich in der Regel, dass ich den Patienten nicht an andere verweisen werde.


    Edit: Finde gerade keinen passenden Thread.

    2 Mal editiert, zuletzt von red_cap ()

  • Kurze Anmerkung, weil ich es immer wieder höre und lese: Wenn nach meinem Ermessen bereits im RD die Notwendigkeit für ein 12-Kanal-EKG vorliegt, dann liegt automatisch die Notwendigkeit einer zeitnahen ärztlichen Untersuchung (in Verbindung mit weiterer apparativer Diagnostik) vor. Ich schreibe ein 12-Kanal-EKG zur Verifizierung einer Verdachtsdiagnose bzw. bei entsprechenden Risikofaktoren und nicht auf gut Glück, weil mir nichts Besseres einfällt. Eine solide Begründung für eine EKG-Diagnostik im RD bedeutet für mich in der Regel, dass ich den Patienten nicht an andere verweisen werde.


    Hmm, also für mich ist das 12 Kanal EKG über die Jahre auch ein Instrument geworden, das ich jedem internistischen Patienten zukommen lassen, es wird hier in den Kliniken auch bei jeder Aufnahme geschrieben unabhängig des Krankheitsbildes. Wenn ich also einen Patienten zu hause lasse, und an den ÄND verweise, möchte ich dem ärztlichen Kollegen so viele Informationen wie möglich hinterlassen, das finde ich auch nur fair, denn ich übergebe den Patienten in dessen "Weiterbehandlung", sollte ich etwas übersehen haben, dann kann der Arzt hier noch an Hand meiner Informationen den Fall anders bewerten und ggf. doch noch eine Einweisung veranlassen. Ich bin was das betrift ein Freund von Transparenz und guter Kommunikation zwischen den Fachdiensten. Ich habe durch mein 12 Kanal EKG schon öfter Zufallsbefunden erheben können, die wohl dann erst in der Klinik zu Tage gekommen wären, zugegeben hätten diese aber zu keiner Konsequenz in der Versorgung geführt.

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  • Bei Bäuchen, Thoraxen und Köpfen ist meine Argumentationskette bei vermeintlichen Lappalien immer ähnlich.
    "Ich kann da nicht hineinschauen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit könnte es sich um dieses oder jenes handeln, abschließend kann man das nur in einem Krankenhaus feststellen oder durch den Kassenärztlichen Notdienst nochmals bewerten lassen. Ihre Entscheidung."


    Und das ist nicht gelogen. Ich kann in die Leute nicht hineinschauen. Auch mit etwas Berufserfahrung nicht. Solange nicht alle Differentialdiagnosen sicher ausgeschlossen werden können (und manch einer scheitert da ja schon am Aufzählen) kommt man um eine weiterführende Diagnostik nicht herum.

    Alle sagten: "Das geht nicht!". Dann kam einer, der wusste das nicht und hat es einfach gemacht.

  • Ich überlege mir im Einsatz bevor ich ein 12-K schreibe mögliche Differentialdiagnosen, die potenziell eine EKG-Veränderung (HRST und ERBS) hervorrufen können. Diese DD stellt im Zweifel aber bereits die Indikation für eine Klinikeinweisug dar und ich verifiziere den jeweiligen Verdacht nur mittels EKG bzw. klassifiziere die Dringlichkeit, denn viele akute (kardiale) Erkrankungen sind trotz entsprechender Klinik und/oder Anamnese nicht im 12-K darzustellen bzw. nur durch einen Experten mit regelmäßigen Verlaufs-EKG.


    PS: Ich glaube, dass ich im RTW-Dienst im Vergleich zu meinen Kollegen sehr häufig 12-K-EKG ableite.

  • Das regelt eine solche Transportpflicht im Krankentransport, nicht aber in der Notfallrettung.


    (Die weitergehende Frage, ob sich daraus auch eine Beförderungspflicht für Fahrten ergibt, die nach § 1 Abs. 3 RDG BW gerade keine Krankentransporte darstellen, blende ich einmal aus.)


    Gut, dann stelle ich fest das es ein KTW Einsatz wäre dann fahre ich ihn selber oder geben ihn, wenn verfügbar ein einen KTW ab. Transportieren muss ich, wenn der Patient das ausdrücklich wünscht. Wenn die Kasse den Transport als nicht nötig erachtet kann sich ja versuchen die Kosten wieder vom Versicherten einzutreiben. Nach dem Sozialgesetzbuch sollte das aber bei plötzlich einzutretenden Erkrankungen oder Unfällen fast unmöglich sein. Bei uns geht das so weit, das bei einem Gutachten die Gutachterin feststellte das von der ILS definierte KTW Einsätze tatsächlich Einsätze des Rettungsdienstes vorlagen. Die Gutachterin erklärte das alle Erkrankungen oder Ereignisse die zu einem Anruf bei der ILS führen (nicht planbar sind) automatisch als Einsätze des Rettungsdienstes einzustufen sind. Nur Krankenfahrten oder Termine zum Arzt, Dialyse etc. sind Einsätze des Krankentransportes. Es ist also auch unerheblich, wie lange eine Grunderkrankung besteht, wenn diese jetzt in diesem Moment zu einer neuen Symptomatik oder zu einer Verschlimmerung führte, ist das ein Notfalleinsatz (Einsatz für den Rettungsdienst)


    Aber da schweife ich jetzt ab :-)

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  • Bei uns geht das so weit, das bei einem Gutachten die Gutachterin feststellte das von der ILS definierte KTW Einsätze tatsächlich Einsätze des Rettungsdienstes vorlagen. Die Gutachterin erklärte das alle Erkrankungen oder Ereignisse die zu einem Anruf bei der ILS führen (nicht planbar sind) automatisch als Einsätze des Rettungsdienstes einzustufen sind. Nur Krankenfahrten oder Termine zum Arzt, Dialyse etc. sind Einsätze des Krankentransportes. Es ist also auch unerheblich, wie lange eine Grunderkrankung besteht, wenn diese jetzt in diesem Moment zu einer neuen Symptomatik oder zu einer Verschlimmerung führte, ist das ein Notfalleinsatz (Einsatz für den Rettungsdienst)

    So argumentiert man hier seit Jahrzehnten übrigens auch. Wenn kein Arzt den Transport angeordnet hat, somit keine Einweisung und kein T-Schein vorliegt, handelt es sich bei einem Hilfeersuchen um einen Notfalleinsatz, wenn ein Rettungsmittel disponiert wird. Ob mit Alarm oder ohne, ob KTW oder RTW, ist dabei völlig egal. Es ist ein Notfalleinsatz und wird erfolgreich so abgerechnet. Und das finde ich auch korrekt so. Streß gibt´s nur, wenn die Protokolle nicht vernünftig ausgefüllt sind, oder bei Versorgungen vor Ort keine drei Vitalparameter über mindestens 15min dokumentiert wurden. Transportscheine brauchten wir hier für Notfalleinsätze ohnehin noch nie...


    Gruß

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • Zur Diskussion bzgl. Anklage:
    Ich sehe das sehr positiv. Klar kann jedem von uns mal ein Fehler passieren. Schlechter Tag, Stress, was übersehen, was nicht gewusst usw. Alles möglich. Ich für meinen Teil und mit Sicherheit ein großer Teil der Mitleser arbeiten gewissenhaft und sorgfältig. Einige Kollegen bzw sogar komplette Organisationen tun das nicht. Das Beispiel aus Leverkusen lässt so etwas ja ein bisschen vermuten (ohne was unterstellen zu wollen). Ein System von Minimaltherapie, Transporte ablehnen, Patienten abwimmeln, wenig untersuchen, wenig Kompetenzen, schlechte Ausrüstung usw. bestätigt sich doch alleine dadurch, dass es immer wieder gut geht.


    Ich finde, dass schon viel schlechte Qualität durchgeht, ohne dass was passiert. Wenn sich das Berufsbild Rettungsdienst verbessern soll, dann sind solche Anklagen und ggf. Urteile kein falscher Weg. Schöner und nachhaltiger wäre natürlich wenn sich die Überzeugung zu einer guten Transport- und Versorgungsleistung ohne negativen Druck bei den Beteiligten durchsetzt. Ich sehe sowas für mich aber als Ansporn für meine Arbeit und den Mehraufwand den ich mir beim ausführlichen Untersuchen, Protokollieren und bei evtl. mehr unnötigen Transporten mache. Die Arbeitgeber sollten merken, dass Ausbildung kein verschenktes Geld ist, dass engagierte Führung und gute Arbeitsbedingungen sich auszahlen, dass das Qualitätsmanagementsystem richtig und wichtig ist, weil solchen Fehlern vorgebeugt wird.

    "Um ein tadelloses Mitglied einer Schafherde sein zu können, muss man vor allem ein Schaf sein. "