ksta: 76-Jährige notoperiert Leverkusener Sanitäter sollen Hilfe verweigert haben?

  • Zitat

    Wegen unterlassener Hilfeleistung ermittelt die Polizei gegen zwei Rettungssanitäter der Leverkusener Feuerwehr. Sie sollen sich am Sonntag vor einer Woche geweigert haben, einer 76-jährigen Rentnerin zu helfen und ihre besorgten Angehörigen auf den ärztlichen Notdienst verwiesen haben.
    Quelle und weiterlesen: http://mobil.ksta.de/25008756


    Keine Wertung zum vorliegenden Fall, jedoch muss ich daran denken:
    Eine Sepsis wird präklinisch noch häufig unterschätzt, da auch der Einblick in die Therapie einer Sepsis in der Klinik fehlt. Viele Kollegen fragen mich, was ich auf meiner chirurgischen Intensivstation denn so für Patienten hätte und ob das sozusagen der Aufwachraum wär. Das der Patient nach der Sigmaresektion bei perforierter Divitikulitis erst noch so richtig krank wird und nicht mit OP-Ende die Lebensgefahr vorüber ist, verkennen viele.

  • Ich frage mich ja ganz allgemein, ob man auf Fehler, selbst wenn es objektiv welche sind, immer mit Strafanzeigen reagieren muss.
    Da würde mich manchmal interessieren, was die Beschwerdeführer so arbeiten und wie unfehlbar sie darin sind.

  • Dabei wäre es relativ einfach, entsprechende Scores (qSOFA um den aktuellen zu nennen) sind eigentlich verbreitet und nicht über die Maßen kompliziert.


    Ein Score ersetzt nie die klinische Erfahrung und Diagnostik. Da präsentiert sich manches initial unscheinbarer als man glaubt und umgekehrt.
    Auch ersetzt er nicht das eigenständige Denken. :-)

  • Wobei man das imho nicht von Sanitätern erwarten kann. Man sieht die Patienten eben nur kurze Zeit und hat somit nicht wirklich die Gelegenheit den Erfahrungsschatz aufzubauen. Wenn man im KH arbeitet und den Patienten vom anfiebern bis zum (hoffentlich nicht) septischen Schock beobachten kann ist das natürlich was anderes.


    Ich würde auch nicht sagen, dass man diesen Erfahrungschatz durch Famulaturen oder die Praktika in der Sani-Ausbildung aufbauen kann. Da muss man wahrscheinlich wirklich über längere Zeit auf einer passenden Station gewesen sein und die Patienten über Tage begleiten.


    Bei dem Thema geht sicher viel mit Bauchgefühl (klinischer Blick), aber den muss man sich erstmal erarbeiten (und das wird in der Präklinik nicht gelingen, alleine schon deshalb nicht, weil man in den seltensten Fällen erfährt was aus den Patienten wird...).

  • Wobei man das imho nicht von Sanitätern erwarten kann.


    Sanitäter - Rettungshelfer - Rettungssanitäter - Rettungsassistent - Notfallsaniäter...
    für den durchschnittlichen Zeitungsschreiber ist das alles pille-palle.
    Das sind halt die Männer in den :rtw:


    Auch unabhängig vom NRW-Konstrukt des Rettungshelfers kann ich mir nicht vorstellen, daß ein Fzg. mit Personen besetzt ist, die gerade einmal 60UE + Lehrgang hinter sich gebracht haben.

    raphael-wiesbaden


    Artikel 1
    (1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.


    Selig sind die geistig Armen - nur: kann der Himmel die ganzen Seligen auch wirklich aufnehmen ?

  • Mir ist ehrlich gesagt ziemlich egal, ob es ein Bundesland gibt in dem man auf Teufel komm raus ein Missverständnis konstruieren kann.


    Ich denke es war hinreichend klar, dass ich "paramedizinisches Personal im Rettungsdienst" meinte. Ich beziehe das explizit auch auf den Notfallsanitäter.


    Also was ist dein Punkt?


  • Da würde mich manchmal interessieren, was die Beschwerdeführer so arbeiten und wie unfehlbar sie darin sind.


    Es ist prinzipiell einfacher, im Nachhinein, ohne Zeitdruck oder anderen Umständen, eine Situation "richtiger" zu entscheiden als vor Ort und direkt verantwortlich. Das ist ja auch immer diese Angst "mit einem Bein im Knast", weil man in der Situation denkt "ah, da können wir nix mehr machen" und danach kommt ein Rechts-/Staatsanwalt/sonstiger Experte und kann in Ruhe im Büro die Sachlage entspannt einschätzen und dann wird man als in der Lage so Entscheidender bestraft.

  • Ich frage mich ja ganz allgemein, ob man auf Fehler, selbst wenn es objektiv welche sind, immer mit Strafanzeigen reagieren muss.


    Ich glaube, dass bei einschneidenden Erlebnissen sich die Menschen nach etwas sehnen das schwierig in Worte zu fassen ist.
    In archaischen Kulturen ist es die Blutrache oder in leichteren Fällen "Paar aufs Maul". In unserer Kultur ist es die Strafanzeige.


    Letztendlich wird damit aber irgendwie ein ähnliches menschliches/gesellschaftliches Bedürfnis gestillt.

  • Ich frage mich ja ganz allgemein, ob man auf Fehler, selbst wenn es objektiv welche sind, immer mit Strafanzeigen reagieren muss.


    Oftmals, gerade im medizinschen Bereich - ist das die einzige Möglichkeit, zumindest etwas an die Wahrheit heranzukommen.

  • Na ja, und ein akutes Abdomen an den Hausarzt zu verweisen ist schon kein kleiner Patzer.
    Man darf von einer RTW-Besatzung erwarten, dass sie die Notwendigkeit einer sehr zeitnahen Hospitalisierung erkennt. Man muss nichts von Sepsis verstehen oder wissen, aber ein Bauch der umgehend operiert und in der Nacht noch revidiert (möglicherweise Entlastung eines abdominellen Kompartment) wird, der war zwei Stunden vorher nicht so blande, dass eine RTW-Besatzung das eigentmächtig so entscheiden kann.
    Und wenn man sich diesen Schuh anzieht, muss man auch mit allen Konsequenzen leben.


    (Und jetzt mutmaße ich doch wieder über den Fall, obwohl ich das gar nicht wollte.)

    Einmal editiert, zuletzt von bodo#3 ()

  • Zitat

    Ich frage mich ja ganz allgemein, ob man auf Fehler, selbst wenn es objektiv welche sind, immer mit Strafanzeigen reagieren muss.
    Da würde mich manchmal interessieren, was die Beschwerdeführer so arbeiten und wie unfehlbar sie darin sind.


    Ich sehe keine andere Möglichkeit, einen Fehler in der Medizin aufzuarbeiten in Deutschland, als eine Strafanzeige zu veranlassen.



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    Under pressure, you don't rise to the occasion. You sink to your level of training.

  • Aus dem Artikel geht nicht hervor, wie sich der Patient präsentiert hat, man sollte diesen Aspekt in der Diskussion berücksichtigen.
    Unklare abdominelle Beschwerden (nicht das akute Abdomen) werden überwiegend durch die hausärztliche Versorgung erfolgreich behandelt - oder wenn erforderlich, in die Klinik geschickt.
    Die meisten "unklaren Abdomen" (geschätzt 90%) verlassen die Notaufnahme nach Diagnostik zur Weiterbehandlung durch den Hausarzt.

  • Jörg, das ist ein System , das muss man fairerweise sagen, das aber auch von den "medical professionals" so über lange Zeit genauso angenommen und gepflegt wurde. Es setzt sich nur langsam eine andere Fehlerkultur durch. Und dann kommen eben solche Aussagen zustande. Und wir alle sind noch weit davon entfernt, mit Fehlern richtig offen umzugehen.
    Zumindest die meisten Ärzte denke ich bekommen das leider immer noch anders beigebracht.

  • Aus dem Artikel geht nicht hervor, wie sich der Patient präsentiert hat, man sollte diesen Aspekt in der Diskussion berücksichtigen.
    Unklare abdominelle Beschwerden (nicht das akute Abdomen) werden überwiegend durch die hausärztliche Versorgung erfolgreich behandelt - oder wenn erforderlich, in die Klinik geschickt.
    Die meisten "unklaren Abdomen" (geschätzt 90%) verlassen die Notaufnahme nach Diagnostik zur Weiterbehandlung durch den Hausarzt.


    Deshalb wollte ich meine Anmerkungen losgelöst vom Artikel wissen.
    Aber nochmal zum Fall: die Klinik scheint ja eine mindestens dringliche OP-Indikation gestellt zu haben. Und so ein Ileus entsteht nunmal nicht in zwei Stunden.
    Worum es mir nur ging: das Wissen des gemeinen Rettungsassistenten ist nicht tief genung, um die Entscheidung in solch einem Fall treffen zu können.

  • Zitat

    Das hab ich mir gedacht.


    Ich freue mich, wenn du mir andere Wege aufzeigst. :)



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  • Was ich in solchen Fällen nicht verstehe ist, warum die Leute 40 Minuten auf den nächsten RTW warten, anstatt einfach selber in die Notaufnahme oder zum Hausarzt fahren, wenn sie mit der Meinung des Rettungsdienstes nicht überein stimmen. (Unabhängig davon, dass der Einsatz vermutlich nicht so toll gelaufen ist.)

  • Weil viele Krankenschwester, Arzt, Rettungssanitäter etc. nicht wirklich auseinander halten können.


    D.h. sie können deren Kompetenz nicht abschätzen und vertrauen darauf, dass Ihnen geholfen wird.


    Ob die Hilfe dann tatsächlich richtig oder falsch ist können Sie noch weniger beurteilen.



    Es bleibt als ein „Gefühl“ von angemessen behandelt oder nicht,
    ggf. sogar nur ein Gefühl von irgendwie doof oder tatsächlich ernst genommen.



    Und all dies hat nichts mit der richtigen oder falschen Therapie zu tun.


    Und wer sich vom Rettungsdienst schlecht behandelt fühlt, erwartet vom Arzt, Krankenhaus etc. auch keine bessere Behandlung