Sind achtzig Prozent der Krankenhäuser überflüssig?

  • Ich habe mir ja schon kurz nach Erscheinen dieses Leopoldina-Paper durchgelesen (das ja die Grundlage des Artikels ist) und ich muss sagen, dass darin viele gute Ansätze genannt werden (die teilweise schon lange bekannt sind, teilweise auch neu) aber vieles von dem einfach nur blanke Theorie ohne jedweden Praxisbezug in Annahmen und Schlussfolgerungen ist.


    Natürlich könnte man einen kompletten Radikalumbau des deutschen Gesundheitssystem machen, begonnen bei Hausärzten, Rettungsdiensten, Fachärzten über Kliniken bis hinzu ambulanter bzw nachstationärer Betreuung, aber das ist glaube ich jedem klar eine reine Utopie im heutigen Setting.


    Im Übrigen ist es meiner Meinung schlechter Journalismus das Leopoldina-Paper auf eine krasse dänische Reduzierung auf 330 Kliniken einzudampfen und dann auch noch mit einem schlecht passenden Beispiel eines mittelmässigen winzigen (45 Betten sic!) Krankenhäuschens versuchen zu untermauern.

  • Das angeführte Luisen Krankenhaus ist natürlich ein eher ungeeignetes Beispiel für den Umbau des Gesundheitswesen bzw. die Schließung von Krankenhäusern, nichts zum trotz ist "Luise" aber ein sehr emotionales Thema. In den letzten Monaten gab es viele Berichte und Aktionen der Bevölkerung/Ärzteschaft zum Erhalt des Krankenhauses, daher hat die Schließung doch zu mehr und größeren Wellen geführt, als man es von Seiten der übergeordneten Politik erwartet hat.
    Betrachtet man sich das Thema Krankenhausstruktur im ganzen südhessischen Bereich merkt man aber, dass sich hier einiges tut. Neben dem Luisen Krankenhaus in Lindenfels wurde auch das St. Rochus Krankenhaus im "nahen" Dieburg geschlossen, im noch näheren Bensheim wurden auch umstrukturiert und auch hier fielen Betten bzw. med. Angebote zu Gunsten anderen Krankenhäuser weg. Die nahe gelegenen Krankenhäuser Erbach (ca. 35 Min. entfernt) und Groß Umstadt (ca. 40 Min. entfernt) sollen die weggefallenen Betten in Dieburg und Lindenfels kompensieren, was bei gleichbleibender Anzahl an Betten vor Ort und vor allem den bei beiden im Jahr 2017/2018 beginnenden Umbauten der Bettenhäuser mit tlw. Reduzierung der Betten schwierig ist.
    Der Verlust von "Luise" ist also alleine gesehen kein Problem, betrachtet man sich aber die Gesamtversorgung muss man schon von einem Problem sprechen. Gerade wenn man betrachtet wo Lindenfels liegt und welche allgemeine med. Versorgung (HA bis KH) es im Bereich Südhessen gibt muss man die Schließung in ihrer Art und Weise kritisch hinterfragen.


    Grundsätzlich sehe ich auch eine gewissen Überschuss an Krankenhäuser und einen Zugewinn bei der Versorgung, wenn es weniger Krankenhäuser gibt. Die reine Schließung von Krankenhäusern ohne an anderer Stelle einen Ausgleich zu schaffen wird die Versorgungsqualität aber nicht steigern und auch kein Geld sparen. Der alleinige Wegfall von Betten und oder Krankenhäusern kann kein Geld sparen und zeitgleich die Versorgungsqualität steigern, denn solang die präklinischen Strukturen gleich bleiben wird die Anzahl der eingewiesen Patienten nicht sinken. Der Wegfall von Betten und die fehlende Umstrukturierung im präklinischen Bereich führen nach meiner Erfahrung nur dazu, dass Patienten schneller wieder entlassen werden und man immer weitere Fahrwege zurücklegen muss.
    Will man weniger Krankenhäuser, mehr wirklich kranke Personen in den Krankenhäuser und eine bessere Versorgungsqualität muss das komplette System umbauen! Solang man aber nur an den Krankenhäusern und Betten schraubt wird man das Ziel nicht erreichen. Unerreichbar wird das Ziel aus meiner Sicht auch dann, wenn man jetzige Schwachstellen ignoriert und den Fokus auf Gebiete mit einer hohen Bevölkerungsdichte legt. Will man das Ziel erreichen muss eine Reduzierung von Betten bzw. die Schließung von Krankenhäusern immer mit dem Versuch eines Ausgleichs einher gehen, wobei alleine mehr RM keine Lösung sind. Will man effizienter werden, muss man aus meiner Sicht die Grenzen von Bundesländern unbeachtet lassen und auch den Haus-/Facharzt als eigenständigen überdenken.

  • Eunuchen - Sie glauben zu wissen, wie es geht.

    Wieso so negativ? Dass das aktuelle Modell uneffektiv und teuer ist da sind wir uns doch sicher einig.


    Ich finde es absolut positiv, mal über den Tellerrand zu schauen, wie es denn andere machen.


    Man muss ja nicht alles 1:1 kopieren, aber Ansätze sind da sicher gute dabei in DK.


    Unser Mann aus DK, SaHa, kann da doch sicher berichten.

    Einmal editiert, zuletzt von Taubenzüchter ()

  • Eine Reduzierung der Krankenhäuser in Deutschland ist sicher machbar und sinnvoll, zwingend notwendig wäre allerdings der Ausbau von Anlaufstellen für "Kleinigkeiten". Rund um die Uhr erreichbare Anlaufstellen für Husten, Schnupfen, Finger geklemmt und Bauchweh, gerne kombiniert mit mobilen Erstangriffstrupps unterhalb des Rettungsdienstes. Wenn man auch mal Nein zu einem Patienten sagen darf, ohne verklagt zu werden (Ambulanz, RD) - natürlich mit dem Hinweis auf die geeignete Stelle, dann sind wir so weit, dass es auch mit weniger Krankenhäusern geht.


    Und wie immer gilt:manchmal muss man sich auch mal was trauen.

  • Ich könnte heulen. Da sind viele Dinge drin, die man im Kollegenkreis schon 1:1 so thematisiert hat.


    Ein System, das alle zehn Kilometer eine Operationsfabrik für Knie- und Hüft-TEPs vorhält kann für die Gesellschaft nicht rentabel sein und genauso wenig kann diese Konkurrenzsituation und Privatisierungstendenz dem Patientenwohl oder den Mitarbeitern dienen.


    Wenn man die Debatte emotional führt, kommt man natürlich nicht weit. Dem "eigenen" Krankenhaus schenkt man halt einfach etwas mehr Vertrauen. Ich glaube es stiftet auch ein Stück Identität, wie die Eckkneipe oder der eigene Dialekt...in Zeiten von Landflucht und leeren Kirchenbänken.


    Das beim Herzinfarkt, beim Schlaganfall, der Geburt, dem Nasenbluten oder nach dem Verkehrsunfall dann trotzdem der nächste Schwerpunktversorger angefahren wird oder die Innere eines kleinen Hauses jeden zweiten Tag abgemeldet ist wird gekonnt ignoriert.


    Ich bin gespannt, ob es irgendwann vielleicht wirklich mal echte Veränderungen geben wird.
    Das vieles möglich wäre, zeigen auch schon die heutige Praxis (siehe oben) und andere Länder.


    PS: Ich lese in euren Beiträgen einige interessante Anregungen. Vielleicht könnte man als Forum ja mal eine Utopie als Positionspapier formulieren und bspw. an den DBRD weiterleiten. Vielleicht kommt ja mal der Tag an dem sowas an der richtigen Stelle auf Gehör stößt.

  • Vielleicht könnte man als Forum ja mal eine Utopie als Positionspapier formulieren und bspw. an den DBRD weiterleiten. Vielleicht kommt ja mal der Tag an dem sowas an der richtigen Stelle auf Gehör stößt.


    Die Braunwalder Erklärung hat ja damit angefangen, dass ein User mal einen Entwurf geschrieben hat. Also los, schreib doch mal was und stell es zur Diskussion.

  • Ich bin gespannt, ob es irgendwann vielleicht wirklich mal echte Veränderungen geben wird.
    Das vieles möglich wäre, zeigen auch schon die heutige Praxis (siehe oben) und andere Länder.


    PS: Ich lese in euren Beiträgen einige interessante Anregungen. Vielleicht könnte man als Forum ja mal eine Utopie als Positionspapier formulieren und bspw. an den DBRD weiterleiten. Vielleicht kommt ja mal der Tag an dem sowas an der richtigen Stelle auf Gehör stößt.


    Ich persönlich glaube auch , dass sich viel an unserem Gesundheitssystem ändern kann und muss. Wenn wir jetzt allerdings auf die Krankenhauslandschaft zu sprechen kommen, dann sehe ich vor allem 2 Nebeneffekte auf uns zukommen:
    1. Längere Fahrtwege in das nächste geeignete Krankenhaus aufgrund von Spezialisierung der Kliniken.
    2. Deutlich mehr Verlegungen/Konsiliarfahrten, ebenfalls aufgrund der Spezialisierung der Kliniken.

    Alle sagten: "Das geht nicht!". Dann kam einer, der wusste das nicht und hat es einfach gemacht.

  • Aus meiner Sicht traut sich die Politik durchaus an Veränderungen ran, gerne unter dem Deckmantel "Überflüssige/ineffektive Krankenhäuser zu Gunsten der Stabilisierung der Kosten und Verbesserung der Versorgungsqualität" zu schließen. Krankenkassen; Chefetagen manches Krankenhauses und auch mancher Bürger bejubelt das, warum auch nicht? Man spart überflüssige Betten ein und lastet damit vorhandene Betten besser aus, obendrein senkt man mit diesem Vorgehen noch die Kosten bzw. hält sie stabil.
    Was man bei diesem Vorgehen gerne mal verschweigt, die Versorgungsqualität steigt dabei nicht wirklich. Der Durchlauf der Patienten im Krankenhaus steigt und damit die Auslastung der Betten, dadurch bekommen die pflegerischen und ärztlichen Kräfte mehr Patienten zu Gesicht und sollten damit mehr Erfahrung sammeln und die Versorgungsqualität verbessern können. Tatsächlich ist es doch aber so, dass nicht nur Krankenhäuser/Krankenhausbetten wegfallen, sondern eben auch Haus- und Fachärzte, und diese Kombination ein Problem für die Reduzierung darstellt. Auch wird gerne mal verschwiegen, dass ein Bett mit "unzureichender" Auslastung manchmal nur auf dem Papier wegen den Kosten besteht. Die Tatsache das Betten mit unzureichender Auslastung manchmal schon überlastet sind und man tatsächlich mehr bräuchte wird meist nur vom unteren Fußvolk bemerkt und äußerlich kaum wahrgenommen. Was auch gerne unter den Teppich gekehrt wird, die Auslastung der Betten wird allgemein gesteigert, dabei steigt meist auch die Belastung für die Pflege bzw. Ärzte und das ohne einen Zugewinn bei der Versorgungsqualität.


    Die Reduzierung der Krankenhäuser auf z.B. 330 wird keine tatsächliche Verbesserung der Versorgungsqualität und Verringerung der Kosten bringen. Solang in den Krankenhäuser keine tatsächlich ausreichende pflegerische und ärztliche Betreuung erfolgt, haben wir hier das tatsächliche Problem der schlechten Versorgungsqualität.
    Ich wage die Behauptung, dass unsere System mit mehr Personal am Patienten und nur einigen Krankenhäusern weniger durchaus eine ordentliche Versorgungsqualität bieten könnte. Zu Kosteneinsparung würde es dabei dadurch kommen, dass 1. die Patienten klinisch besser versorgt werden würde und 2. der Patient im Vergleich zum jetzigen System das Krankenhaus in einem besseren Zustand verlassen würde.

  • Wenn wir jetzt allerdings auf die Krankenhauslandschaft zu sprechen kommen, dann sehe ich vor allem 2 Nebeneffekte auf uns zukommen:
    1. Längere Fahrtwege in das nächste geeignete Krankenhaus aufgrund von Spezialisierung der Kliniken.
    2. Deutlich mehr Verlegungen/Konsiliarfahrten, ebenfalls aufgrund der Spezialisierung der Kliniken.

    Diese Probleme haben in der Tat schon jetzt, dass ständig alles und jeder kreuz und quer durch die Gegend transportiert wird, wenn wir von Transportstrecken aufgrund Spezialisierung und Sekundärtransporten reden. Und damit meine ich nicht nur KTW-Einsätze, sondern auch Sekundäreinsätze mit RTW und RTW+NEF. Die ITW nehme ich mal aus. Und diese Einsätze nehmen seit Jahren immer mehr bzw. deutlich zu.


    Was die Transportstrecken betrifft, würde ich gerne an den "Krankenhaus-Abmelde-Thread" aus Hannover verweisen. Wenn ständig alles abgemeldet ist, dann...


    Gruß

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • Ich glaube, securo meinte den Journalisten...


    Auch, aber genauso diese Berater-Schnösel, die solche Studien erstellen und die die Hintergründe nicht einmal interessiert.



    Wieso so negativ? Dass das aktuelle Modell uneffektiv und teuer ist da sind wir uns doch sicher einig. Ich finde es absolut positiv, mal über den Tellerrand zu schauen, wie es denn andere machen. Man muss ja nicht alles 1:1 kopieren, aber Ansätze sind da sicher gute dabei in DK.


    Im Gegenteil, ich kann mir vorstellen, dass das dänische System hervorragend funktioniert ! In Dänemark ! Mit Dänen !


    Das heisst aber nicht, dass es in Deutschland funktioniert. Zum einen sind die Investitionskosten immens. Rechne mal die dänischen Kosten anhand der Bevölkerung mit 14 multipliziert, okay ist nicht ganz seriös, aber möglich.
    Im Weiteren scheinen mir die nordischen Völker (Saha kann hier sicherlich genaueres sagen) für bedeutend pragmatischer und experimentierfreudiger.
    Vor allem finde ich es immer sehr bedenklich, wenn in Studien auf die Verfahren anderer Länder exemplarisch hingewiesen wird, mit einer anderen Topographie, anderem Gesundheitssystem, anderen Krankenkassensystem, anderen Steuern. Das ist nun mal mehr, als ein paar Kliniken zu verschieben.
    Einer unserer lokalen Gesundheitsvertreter hat mir letztens erklärt, dass es in meinem Arbeitskanton mehr öffentliche Spitäler gäbe, als in ganz Schweden. Das mag zwar für sich betrachtet zunächst richtig sein, ist aber nur ein (winziger) Teil einer Wahrheit.

  • Auch mal ein Diskussions-Aspekt; ich würde mal nicht nur nach Dänemark schauen:


    Die Niederlande hat 130 Krankenhäuser, knapp 17 Millionen Einwohner und eine Fläche von 41.000 km².
    Nordrhein-Westfalen hat 350 Krankenhäuser, knapp 18 Millionen Einwohner und eine Fläche von 34.000 km².

  • Die Braunwalder Erklärung hat ja damit angefangen, dass ein User mal einen Entwurf geschrieben hat. Also los, schreib doch mal was und stell es zur Diskussion.


    Gerne! Interessanter als jetzt direkt was in Stein zu meißeln, das dann auf Zuspruch des einen oder anderen trifft oder eben nicht, fände ich es wenn wir es basisdemokratisch und geordnet angehen. Jeder könnte die Punkte unseres Gesundheitssystems nennen, die ihn persönlich stören. Danach könnte man die Punkte herausgreifen, die mehrfach genannt wurden und sie einzeln thematisieren.
    Schritt für Schritt könnte man so Lösungsvorschläge entwerfen und zu guter Letzt darüber abstimmen welcher Vorschlag den meisten Anklang findet und ob er auf einem Positionspapier genannt werden sollte.
    Wichtig wäre mir dabei, dass so ein Brainstorming auch als solches verstanden wird. Utopie - wie umsetztbar etwas unter den aktuellen politischen und finanziellen Rahmenbedingungen ist sollte bestenfalls zweitrangig sein.


    Ich freue mich auf eure Ideen und starte mal:



    Kontext Rettungsdienst:


    - Ich wünsche mir zentralere Strukturen - es darf nicht sein, dass sich der Ausbildungsstand der Mitarbeiter, Fahrzeuge, Ausrüstung teils von Kreis zu Kreis stark unterscheidet
    - Rettungsdienst gehört für mich in die kommunale Hand oder die des Landes
    - Vermehrte Einrichtung von großen Regionalleitstellen mit je einem diensthabenden Arzt, der Triagieren kann und bspw. RTW-Fahrten, bei nicht vorhandenen KTW-Kapazitäten verhindern
    - Rechtliche Absicherung für Leitstellenmitarbeiter und Rettungskräfte (Ablehnen von Transporten etc.)
    - Ausbau abgestufter Alarmierungsdringlichkeiten (z.B. Kategorie I -V) - wobei bspw. bei Reanimationen nach 3 Minuten BLS (siehe nächster Punkt) begonnen sein soll und bei letzter es genügt wenn innerhalb von mehreren Stunden ein Fahrzeug anfährt
    - Ausbau von First-Responder-Systemen (Polizei, Personen im öffentlichen Dienst, Smartphone-APPs)
    - einheitliche Regelkompetenz für nicht-ärztliches Personal, bei dem ein Überschreiten ebenso wenig geduldet wird wie Unterlassen von Notwendigem
    - Klasse statt Masse, weniger RTW und NEF, mehr KTW...dafür besser ausgebildetes, glücklicheres Personal



    Kontext Klinik:


    - MVZs an jeder Klinik (eine Schnittstelle für alle mit ordentlicher Triage)
    - Kliniken in die öffentliche Hand



    Kontext Kostenträger + Politik:


    - Einführung eines flächendeckenden QM-Systems mit verpflichtenden Standards in Sachen Hygiene, Patientenversorgung und Ausbildung mit Datenerhebung und Auswertung a la SQR-BW in Klinik und Rettungsdienst
    - starkes Casemanagement (War die OP indiziert? War ein RTW+NEF nötig oder hätte es Taxi oder KTW getan?)

    3 Mal editiert, zuletzt von Elliot () aus folgendem Grund: Fehler Satzbau

  • Auch mal ein Diskussions-Aspekt; ich würde mal nicht nur nach Dänemark schauen:


    Die Niederlande hat 130 Krankenhäuser, knapp 17 Millionen Einwohner und eine Fläche von 41.000 km².
    Nordrhein-Westfalen hat 350 Krankenhäuser, knapp 18 Millionen Einwohner und eine Fläche von 34.000 km².

    Klasse ist daran ja zum Beispiel, dass es Onkologien in Krankenhäusern gibt, die keine fünf Fahrradminuten von einer Uniklinik entfernt sind. Wenn man sich überlegt wie viel Spezialwissen für jede einzelne onkologische Erkrankung nötig ist, dann weiß man, dass niedrige Fallzahlen nicht das beste für den Patienten sein können.


    (Wenn man ganz böse wäre, könnte man sagen, dass es eher kein Zufall war, dass Guido Westerwelle, der sicher auch in die Welt der Medizin gut vernetzt war, in einer Uniklinik gestorben ist und nicht in einer der Klitschen nebenan.)


    Und das gleiche gilt mehr oder weniger ja für alle Disziplinen...

  • Bevor ich auf die Details von Elliot eingehe hier meine Ideen:


    Präklinik:
    - Ausbau und wirkliche Förderung ärztlicher und pflegerischer Betreuung, z.b. Hausärzte auch zu Hausbesuchen animieren/verpflichten
    - Mehr Kompetenzen für nicht ärztliches Personal, um z.b. unnötige Einweisungen zu minimieren indem vor Ort z.B. eine Flüssigkeitszufuhr sichergestellt wird
    - Förderung von Fachärzten und entsprechender fachärztlicher Versorgung
    - Aufbau & Ausbau von MVZ als Ersatz für fehlende Haus-/Fachärzte
    - Anstellung von Haus-/Fachärzten durch Kliniken und oder Behörden zur Förderung der präklinischen Versorgung
    - Feste Standards bei "Liegendtaxis" und Ausbau deren Vorhaltung
    - Disponierung von Liegendmietwagen (LMW); ärztlichem Notdienst; Krankentransport und Notfallrettung über eine regionale Leitstelle
    - Sinnvolle Zuteilung von Patienten zu Transportmitteln, z.b. der bettlägerige Patient zum DK-Wechsel im LMW; zur kl. Schnittwunde bzw. Kopfplatzwunde ein KTW und der RTW bzw. RTW mit NEF für entsprechende Notfälle
    - Sicherstellung, dass auf einen RTW Einsatz ohne Indikation und mit Bedarf an weiterer Versorgung zeitnah eine pflegerische oder ärztlicher Versorgung erfolgt
    - Anpassung der med. Vorhaltung an tatsächliche Gegebenheiten
    - Sinnvolle Nutzung von regionalen Versorgungsmöglichkeiten, d.h. der Patient mit einer Pneumonie kann auch zum niedergelassenen Radiologen wegen dem Röntgen und muss deshalb nicht ins KH
    - Einführung von Telemedizin für pflegerische, rettungsdienstliche und ärztliche Versorgung.


    Klinik:
    - Aufstockung des Personals, eine Schwester bzw. ein Arzt für 30 und mehr Patienten kann nicht ausreichend sein
    - Fachübergreifende Begutachtung und Versorgung eines Patienten, inkl. sozialer Begutachtung und Versorgung
    - Kontrolle und ggf. Anpassung der medikamentösen Therapie durch Apotheker und oder Fachärzte
    - Aufbau von Kurzlieger-Stationen, z.B. für Patienten die auf einen Transport warten oder für 24h überwacht werden sollen
    - Die Bezahlung einer Behandlung nicht auf einen Durchschnittspatienten auslegen, sondern dem tatsächlichen Bedarf anpassen
    - Kontrolle der pflegerischen / ärztlichen Versorgung auf ihre Qualität und Sinnhaftigkeit
    - Ausreichende Bezahlung ambulanter Versorgung durch Krankenhäuser, ohne dass hier zur rechtlichen Absicherung alles gemacht werden und bezahlt werden muss


    Allgemein:
    - Einführung einer digitalen Patientenakte
    - Einführung einer vernetzten Patientenversorgung zum Abbau von doppelten Untersuchungen bzw. zur Besserung der Versorgungsqualität
    - Verteilung der präklinichen und klinischen Versorgung ohne Beachtung von Bundesländergrenzen.
    - Bewerben der präklinischen und auch eigenständigen Versorgung, inkl. entsprechender Schulung
    - Bewerben von Nummern für den ÄBD und Krankentransport
    - Schulung im Bezug auf das Ausstellen von Transportschein und Kontrolle mit z.B. Nachschulung oder gar Bußgeld.



    - Vermehrte Einrichtung von großen Regionalleitstellen mit je einem diensthabenden Arzt, der Triagieren kann und bspw. RTW-Fahrten, bei nicht vorhandenen KTW-Kapazitäten


    Große Leitstellen lesen sich gut, spart man doch Personal- und andere Kosten; sorgt für eine bessere Auslastung und für mehr Erfahrung bei der Abfrage. Tatsächlich erlebe ich aber, dass diese große Leitstellen ein echter Knackpunkt sind und nicht die Versorgungsqualität steigern. Man kann Menschen eben nur zum Teil durch Technik ersetzen und der Versuch die Technik auf den Stand des Menschen zu bringen verursacht eine enorme Bürokratie bzw. Kosten. Ein Beispiel für diese Problematik sind markante Punkte innerhalb eines Kreises die man als Mensch von dort kennt, als Mensch von außerhalb wird man diese weniger kennen und diese einzupflegen bedeutet einen enormen Aufwand.
    Ein weiteres Problem ist, dass entsprechende Leitstellen meist nur auf einen leicht erhöhten durchschnittlichen Bedarf ausgelegt werden und damit in absoluten Stoßzeiten relativ schnell an ihre Grenzen kommen.
    Den Wegfall von X Leitstellen für den Krankentransport und Krankenfahrte und den ärztlichen Notdienst und... zu Gunsten einer Leitstelle halte ich für sinnvoll, aber nicht die Idee aus 3 oder mehr Leitstellen eine zu machen.

    - Ausbau abgestufter Alarmierungsdringlichkeiten (z.B. Kategorie I -V) - wobei bspw. bei Reanimationen nach 3 Minuten BLS (siehe nächster Punkt) begonnen sein soll und bei letzter es genügt wenn innerhalb von mehreren Stunden ein Fahrzeug anfährt

    Entsprechende Stichworte gibt es doch heute schon in verschiedenster Art und Weise, wirklich neu erfinden bzw. etablieren müsste man da nicht wirklich was.

    - einheitliche Regelkompetenz für nicht-ärztliches Personal, bei dem ein Überschreiten ebenso wenig geduldet wird wie Unterlassen von Notwendigem


    Das sehe ich kritisch, denn wo fängt man mit dem Maßregeln an bzw. wo hört man auf? Ist es dann noch zu akzeptieren, wenn man sich etwas nicht zutraute und damit unter den Freigaben geblieben ist? Was ist wenn, eine Maßnahme zwar nicht freigegeben, aber durchaus indiziert war und der Steigerung der Versorgungsqualität gedient hat.
    Solang freigaben auf Standesdenken basieren und als Ende meist den aller kleinsten gemeinsamen Konsens haben kann ich die Idee nicht gut heißen. Erst wenn das Patientenwohl bzw.die Versorgungsqualität tatsächlich im Vordergrund stehen und sich das etwas etabliert hat kann man aus meiner Sicht deinem Gedanken folgen.

    - Klasse statt Masse, weniger RTW und NEF, mehr KTW...dafür besser ausgebildetes, glücklicheres Personal


    Das Widerspricht jetzt aber etwas deinem ersten Zitat, denn wenn ich weniger RTW habe kann ich nicht auch noch diese wenigen mit Krankentransporten belegen. Eine entsprechendes Vorgehen ginge wieder zu Lasten der Versorgungsqualität der Patienten.

    - Kliniken in die öffentliche Hand

    Kann gut sein, muss es aber nicht. Kritisch wird dies vor allem dann, wenn diese von Städten/Kreisen/Ländern betrieben werden die knapp bei Kasse sind oder die kaum Fachwissen haben im entsprechenden Bereich.

    - Einführung eines flächendeckenden QM-Systems mit verpflichtenden Standards in Sachen Hygiene, Patientenversorgung und Ausbildung mit Datenerhebung und Auswertung a la SQR-BW in Klinik und Rettungsdienst

    Die Einführung alleine nützt uns nichts, außerdem gibt es bereits entsprechende Standards und Kontrollen. In den meisten Fällen sogar mit dem Nachweis einer Einhaltung der entsprechenden Standrad bzw. einer guten Versorgungsqualität. Entsprechende Systeme müssen nicht geschaffen werden, sondern mit Personal umgesetzt werden und auch tatsächlich überprüft werden. Ein QM welches nur alle X Monate gelebt wird und ein MDK und Co. die schon Wochen vorher ihr kommen ankündigen bringt nichts und genau dieses System und seine Folgen erleben wir gerade.

    - starkes Casemanagement (War die OP indiziert? War ein RTW+NEF nötig oder hätte es Taxi oder KTW getan?)


    Gute Idee, nur was sind gerade im Bezug auf das letzte in Klammern die Folgen? Was passiert, wenn der Bewusstlose nur kollabiert war und damit ein RTW gereicht hätte und dennoch ein NEF mit rausgefahren ist? Wer kommt nach diesem System für den unnötigen Einsatz von Rettungsmitteln auf oder sollen die Kosten dann einfach nicht übernommen werden und durch andere Einsätze quer finanziert werden?