Schadenersatzklage vor dem BGH gegen JUH-Hausnotruf

  • Zum Glück ist das lebensfremd.


    Aber das Personal was anstelle des RTW kommt, sollte halt ein vernünftiges Grundwissen verfügen. Das ist ja auch nicht unmöglich.

    The reason I talk to myself is because I’m the only one whose answers I accept. George Carlin

  • Was im Wesentlichen daran liegt, dass die Dienstleistung Hausnotruf in aller Regel gänzlich anders beworben wird. Es wird doch zumeist suggeriert, dass das freundlich lächelnde Pflegemodel von der Broschüre / dem Plakat kommt, wenn der Senior gerade nicht zurecht kommt und sie diese ruhig rufen sollen, falls irgendwas ist. Das wird dann auch getan, schließlich bezahlt man ja dafür. Und das ist letztlich auch gut so, denn so kann der eine oder andere Senior wirklich länger in den eigenen vier Wänden leben. Sicherlich sind mir auch Konzepte ohne Bereitschaftsdienst bekannt, allerdings sind meines Wissens nach auch dort die meisten Kontaktauslösungen weit, weit weg von einem Notfallereignis.


    In meinem Zivildienst bin ich (damals RS) selbst HNR gefahren - mit Schlüsselsatz auf dem Fahrzeug, vernünftiger medizinischer Ausstattung und Sondersignal für den Fall von gemeinsamen Einsätzen mit dem regulären RD als FirstResponder - und habe einen Monat in der HNR Zentrale assistiert, als ich aufgrund einer Fraktur "krank, tauglich für leichten Innendienst" geschrieben war. Dennoch waren alle HNR Leutchens, die mir im Laufe meiner Karriere begegnet sind entweder Rettungshelfer oder mehr, bzw. Pflegekräfte. Und das würde das Problem schon effektiv lösen. Sicherlich ist auch ein Rettungshelfer / Rettungssanitäter am Anfang seiner Karriere kein Garant für fehlerfreies Arbeiten. Grundsätzlich sollten wir ihnen aber weiterhin zutrauen einen Apoplex zu erkennen - oder bei Unsicherheit einen Experten zu Rate zu ziehen.

    Land zwischen den Meeren,
    vor dem sich sogar die Bäume verneigen,
    du bist der wahre Grund,
    warum Kompassnadeln nach Norden zeigen!

  • Um da mal als ehemaliger Verantwortlichen für den HNR für ein Bundesland was schreiben:

    Ich befürchte, die Konsequenz aus dem Urteil wird genau dieses sein. Allerdings finde ich, dass der wahre Skandal ist, dass da zwei Security mit einer EH Ausbildung als Hausnotrufteam fungieren. Es ist zwar regional sehr unterschiedlich, aber ich kenne es fast nur so, dass zumindest ein Rettungshelfer / Rettungssanitäter eingesetzt wird.

    Das ist absolut die Ausnahme im Bundesvergleich, die absolute Mehrheit der Hausnotruf-Bereitschaftsdienste werden durch Mitarbeiter mit Ersthelferausbildung und -in viel geringerem Maße- noch von dem ein oder anderne Pflegedienst gestellt.
    Denn "an den RD angegliederten HNR, ggf. mit SoSi" gibt es noch im Einzelfall - Er stellt aber die Ausnahme dar. (Das mit dem SoSi ist übrigens schlichtweg gar nicht drin eigentlich)

    Hier ist aber schon allen klar, das wir nicht von einem Qualfikationsproblem, sondern von einem Organisationsproblem sprechen.


    Die Wahl eines Sicherheitsdienstes als Kooperationspartners für den HNR-Bereitschaftsdienst ist schlicht nicht ausreichend. Diese hat man wahrscheinlich gewählt, weil sie da waren oder weil man das Gebiet mit Bereitschaftsdienst erweitern wollte.


    Ein ambulanter Pflegedienst wäre hier als Kooperationspartner geeigneter gewesen.

    Ich bin tatsächlich auch kein Freund von Sicherheitsdiensten als HNR, allerdings haben diese im Vergleich zum ambulanten Pflegedienst einen enormen Vorteil: Sie sind schnell da.
    Ambulante Pflegedienste haben standardmäßig das Problem, dass sie ihre Runden haben und gleichzeitig massiven Termindruck in Kombination mit Personalnot. Das sorgt dafür, dass zur einen "häufigen Einsatzzeit", morgens, der Patient entweder erst nach Ende der eigenen Pflegerunde bedient wird (häufig so erlebt) oder es immerhin zu massiven Verzögerungen kommt (was soll die Pflegekraft auch machen wenn sie grade Opa Heinz unter die Dusche gestellt hat?).
    Nachts gibt es bei quasi allen Diensten die ich erlebt habe immer wieder Zuverlässigkeitsprobleme - Kann ich aber auch teilweise verstehen, wenn ich ggf. noch ne Morgenrunde fahren müsste wäre ich vermtl. auch so sehr im Tiefschlaf, dass ich das Handy überhöre.
    Einen designierten Fahrer zu haben ist aber in Zeiten von Mindestlohn, strenger Bereitschaftsdienstregelung, etc. aber erst ab ca. 700 Kunden, selbst wenn er von zuhause arbeitet und man Rufbereitschaft gelten lässt.
    Das ist wenn man realistische Eintreffzeiten haben will in großen Teilen der Republik nicht möglich, selbst wenn man Kooperationen, etc. einbezieht.
    (Gemeinhin gilt übrigens 60 Minuten als realistische Zeit für den HNR)
    Von daher hätte ich ggf. vielleicht auch eher den Sicherheitsdienst vorgezogen.

    Zuerst: Die genannten Fälle in denen man den Patienten nur "atmen" hört (das ist de facto oftmals nicht von stöhnen oder röcheln zu unterscheiden - wir reden ggf. von Geräten die im Gang stehen!) sind tatsächlich eine absolute Mehrheit. Im Regelfall sieht das Vorgehen aller mir bekannten großen Hausnotrufanbieter so aus, dass man den Patienten zurück ruft und beim (quasi fast immer vorliegenden) erfolglosen Anrufversuch die Alarmkette in Gang setzt.
    Dies stellt je nach Vertragsmodalitäten die Verständigung der Angehörigen bzw. die Alarmierung des Hausnotruf-Hintergrunddienstes dar. (Übrigens: Die Mehrheit der in Deutschland abgeschlossenen Hausnotrufverträge hat gar keinen Hintergrunddienst)


    Sollte man in Zukunft tatsächlich dazu übergehen alle dieser Einsätze in denen man "unklare oder keine Geräusche" hört mit dem RTW (und der Feuerwehr - die Tür muss dann ja auch zeitnah auf) abzudecken reden wir nach meiner Hochrechnung von ca. 300.000 Einsätzen im Jahr die mehr auf den Rettungsdienst und die Feuerwehren zu kommen.


    Aus meiner Sicht liegt das juristische Versagen daher auch auf einer anderen Ebene: Die beauftragte Hilfe war zwar prinzipiell geeignet (hierzu gab es imho auch Urteile auf OLG Ebene - habe aber natürlich keinen Zugriff mehr auf die Links aus dem Intranet), wurde selber aber nicht im ausreichenden Maß tätig und hat den Patient liegen gelassen.
    Die Hausnotrufverträge sehen übrigen in der Regel nur vor, dass der Hintergrunddienst nur nachsieht ob weitere Hilfe benötigt wird - Das ist hier tatsächlich nicht artgerecht geschehen und aus meiner Sicht dürfte v.a. daraus die Haftung der Johanniter entstehen (diese dürften in dem Zug den Vertragspartner zur Kasse bitten).
    Hier steht imho übrigens durchaus auch ein Unterlassungsdelikt im Raum.


    (Es hat schon einen Grund warum wir unseren Hausnotruflern - egal welcher Ausbildung*- immer eingebläut haben beim kleinsten Zeichen von "Krankheit oder Verletzung" den RD hinzu zu ziehen. Egal wie oft, egal wie sehr die Kollegen vom RD hier meckern. *: Übrigens sind hier RDler tatsächlich problematischer, da sie eher dazu tendieren Patienten mal aus Rücksicht "auf die Kollegen" daheim zu lassen bzw. weil sie es als RS beim RettAss eben so gesehen haben - Ich kenne einzelne Verantwortliche die deswegen bewusst keine RDler mehr einsetzen)

    In der Theorie klingt das selbstverständlich logisch und richtig. In der Praxis habe ich selbst genügend Hausnotruf-Alarme gehört, um den Eindruck zu haben, dass unartikuliertes Stöhnen, Ächtzlaute, Wortfetzen oder unverständliche Rufe (gerne auch aus dem Nachbarzimmer oder noch weiter entfernt vom Notrufgerät) eher die Regel als die Ausnahme sind und bei weitem nicht in überwiegendem Maße auf einen tatsächlichen akuten medizinischen Notfall hindeuten. Meistens geht es trotz allem um Hilfeleistungen - oder Fehlalarmierungen. Wie gesagt: auch hier lohnt sich die Betrachtung des typischen HNR-Kundenkreises und die Diefferenzierung gegenüber anderen "Notrufenden". Ich halte es in sehr vielen dieser Fälle für angemessen, zunächst einen Fahrdienst oder eine Kontaktperson zu entsenden, anstatt jedes Mal auf Verdacht den Rettungsdienst zu alarmieren. Ich sehe da eine riesige Kluft zwischen Theorie und Praxis.


    Interessant wäre es einmal, die Zahlen von HNR-Alarmen und die daraus resultierende Notwendigkeit von Rettungsdiensteinsätzen gegenüberzustellen. Ich tippe aus dem hohlen Bauch heraus auf eine Rettungsdienstindikation im niedrigen einstelligen Prozentbereich.

    Beide deiner Theorien sind richtig. Unter 10% aller Hausnotruf-Alarme die NICHT direkt als Fehlalarme identifiziert werden führen zu RD Alarmierungen. Davon resultieren unter 25% in einem Transport.
    Generell kenne ich keine HNR Zentrale die nicht sehr breit die "RD Indikation" stellt - wohlgemerkt gegen den ausdrücklichen Willen der Kunden.


    Aus RD Sicht kommt beim Thema Hausnotruf ein enormer Observer-Bias hinzu, der ja auch sehr verständlich ist. Hausnotruf ist nur ganz ganz wenig "Notruf" im klassischen Sinne des medizinischen Notfalls sondern v.a. eine Vermittlung weiterer Hilfen - In der absoluten Mehrzahl der Fälle geht es um kleine häusliche Assistenz (das sprichwörtliche nicht mehr von der Toilette hoch kommen) oder Stürze ohne jegliche Verletzungen. Diese Menschen brauchen Hilfe. Aber sie brauchen nicht den Rettungsdienst. De facto bildet der Hausnotruf v.a. das soziale Netz für den "kleinen Ernstfall" das mittlerweile leider einfach oftmals fehlt.
    Das beginnt damit, dass die Hausnotrufzentrale die Angehörigen informiert wenn der Kunde ins Krankenhaus muss - eine Tatsache die früher die nette Nachbarin gemacht hat die ja eh hinter dem Herd stand- und endet damit das man manchmal die Lücken der Pflege schließt (ihr würdet euch wundern wie viele Pflegedienste nachts nicht kommen) und eine "Absicherung" erreicht.
    Grade in Zeiten zunehmender sozialer Kälte ein durchaus unverzichtbarer Bereich der aber mittlerweile dank verstärkter assisted living Orientierung auch bei jungen chronisch kranken Patienten immer mehr ankommt.


    Die Lösung mit dem "HNR Zivi mit Sondersignal" wird übrigens gemeinhin von allen Fachleuten als die schlechteste Lösung angesehen - sowohl aus rechtlichen wie auch medizinischen Gründen.

  • Hast du mal 8h in einer HNR Zentrale gesessen? Die Idee, da überall einen RTW hinzuschicken ist lebensfremd.


    Na ja, nicht ganz. Beispiel gefällig?
    Die HNR Zentrale einer HiOrg ist auf die örtliche ILS (betrieben von derselben HiOrg) geschaltet und wird durch die selben Mitarbeiter abgearbeitet.
    Personelle Besetzung der ILS am Limit.

    HNR-Alarm weil Kunde sich 24 Stunden nicht gemeldet hat = RTW mit Sonderrechten zur Rettungswache, wo die HNR Schlüssel vorgehalten werden und dann weiter
    zum Kunden um festzustellen das dieser seit Tagen im KH ist.


    Leider kein Einzelfall aber ich halte das vorgehen für (nett gesagt) nicht besonders gut.


    Andererseits, wenn ich als Kunde per Knopfdruck (oder auch nicht) ein Tüta-Auto bestellen kann ist es doch prima.

  • Das ist aber ein ganz besonderes Problem von Baden-Württemberg, wie so oft.


    Hier sind Hausnotruf sowie Rettungsdienst und Leitstelle getrennt und haben keinerlei Überschneidungen, und das ist auch gut so.

  • HNR-Alarm weil Kunde sich 24 Stunden nicht gemeldet hat = RTW mit Sonderrechten zur Rettungswache, wo die HNR Schlüssel vorgehalten werden und dann weiter
    zum Kunden um festzustellen das dieser seit Tagen im KH ist.

    Das ist allerdings aus eigener Erfahrung alles andere als die Regel. Ich habe es bisher immer so erlebt (habe schon bei mehreren HiOrgs gearbeitet), dass zu solchen Einsätzen der eigene Fahrdienst geschickt wird (natürlich ohne Alarm) und das nicht immer unverzüglich sondern auch oftmals mit Verzögerung.
    Es gibt in dem Bereich einfach ein großes Delta bezüglich der Frage wie was gemacht wird.
    Ich teile aber die Ansicht, dass man unmöglich zu fast allen Einsätzen solcher Art die Notfallrettung schicken kann. Man muss bedenken, dass diese Art an Notrufen (Teilnehmer antwortet nicht, Ablauf Tagesmeldung & co.) einen Anteil jenseits der 50% an allen Notrufen haben.