NRW führt Achener Telenotarzt-System ein

  • Dr. med. Wolf Rommel, LL.M. im Heft "Der Notfallsanitäter fresh up! Invasive Techniken - Rechtsgrundlagen"


    Da sind ungefähr alle Juristen in meinem Umfeld, die sich mit der Materie befassen, anderer Meinung. Das sind allerdings auch keine Wirtschafts- und Unternehmensrechtler.


    Aber trotzdem mal eine Nachfrage: Wenn das denn so richtig wäre, wie du es beschreibst, weshalb bräuchte der NotSan dann denn überhaupt noch das Konstrukt des rechtfertigenden Notstands? Dann wäre er ja grundsätzlich und immer über seine Ausbildungszielbeschreibung und seine „Berufsethik“ fein raus!?

  • Ich kann mich leider des Gedankens nicht erwehren und sehe es eher als das Verbrennen von viel Geld an. Ja, es mag einzelne Situationen geben wo das nett ist, aber ich finde es ist ein verzweifelter Versuch die ärztliche Hoheit zu retten. Entweder man traut den NotSan was zu, dann bitte lässt man es ihn auch machen. Oder man traut ihm nichts zu dann hätte es ihn a) nicht gebraucht und b) dann muss man genügend Ärzte eben auf die Straße bringen.
    Schwierig.

  • Das sind allerdings auch keine Wirtschafts- und Unternehmensrechtler.

    Ein LL.M. Abschluss gibt es auch in Medizinrecht ;) Aber ehrlicherweise muss ich gestehen, dass ich nicht weiß ob der Autor auch in diesem Bereich diesen gemacht hat.

    Aber trotzdem mal eine Nachfrage: Wenn das denn so richtig wäre, wie du es beschreibst, weshalb bräuchte der NotSan dann denn überhaupt noch das Konstrukt des rechtfertigenden Notstands? Dann wäre er ja grundsätzlich und immer über seine Ausbildungszielbeschreibung und seine ?Berufsethik? fein raus!?

    Nirgendwo habe ich behauptet, dass der rechtfertige Notstand keine Relevanz hat. Ich habe nur dargestellt, dass da sehr wohl ein Spannungsfeld existiert. Die Berufsethik ist kein rechtliches Konstrukt, sondern nur ein Selbstverständnis des NotSan. Man wird ja schließlich Notfallsanitäter um Menschen zu helfen und nicht am Einsatzort, überspitzt zu sagen, neben dem Patienten zu stehen und zu sagen: "Neeee sorry, wir müssen erst auf den Arzt warten bevor ich helfen kann."

  • Ich kann mich leider des Gedankens nicht erwehren und sehe es eher als das Verbrennen von viel Geld an. Ja, es mag einzelne Situationen geben wo das nett ist, aber ich finde es ist ein verzweifelter Versuch die ärztliche Hoheit zu retten. Entweder man traut den NotSan was zu, dann bitte lässt man es ihn auch machen. Oder man traut ihm nichts zu dann hätte es ihn a) nicht gebraucht und b) dann muss man genügend Ärzte eben auf die Straße bringen.
    Schwierig.


    Man kann es auch anders herum sehen: Es ist der erste Schritt in eine Richtung, wo kein NA mehr zwingend vor Ort sein muss. Ich kann es sogar in Teilen nachvollziehen, dass die Ärzte sich derzeit noch schwer tun, viele "ihrer" Maßnahmen an das nicht-ärztliche RfP abzugeben. Sie sind sich aber wohl auch im klaren, dass es einen Mangel gibt und viele Ressourcen dadurch gebunden werden, dass der Notarzt am Einsatzort auftaucht, das schon vorbereitete Medikament gibt und dann wieder im Status 1 davon fährt.


    Und mittels des TNA Systems lässt man das nichtärztliche RfP nun eine längere Leine, aber eben (noch) nicht komplett im Freilauf.


    Ich muss da auch Mike widersprechen: Der NfS ruft den TNA ja nicht an, damit der das Denken für ihn übernimmt. Ich nehme an, dass nach einer kurzen telefonischen Übergabe bereits Behandlungsoptionen vorgeschlagen und erörtert werden.

    “When I was a boy and I would see scary things in the news, my mother would say to me, "Look for the helpers. You will always find people who are helping.”


    • Fred Rogers

  • Ein LL.M. Abschluss gibt es auch in Medizinrecht ;) Aber ehrlicherweise muss ich gestehen, dass ich nicht weiß ob der Autor auch in diesem Bereich diesen gemacht hat.

    Nirgendwo habe ich behauptet, dass der rechtfertige Notstand keine Relevanz hat. Ich habe nur dargestellt, dass da sehr wohl ein Spannungsfeld existiert. Die Berufsethik ist kein rechtliches Konstrukt, sondern nur ein Selbstverständnis des NotSan. Man wird ja schließlich Notfallsanitäter um Menschen zu helfen und nicht am Einsatzort, überspitzt zu sagen, neben dem Patienten zu stehen und zu sagen: "Neeee sorry, wir müssen erst auf den Arzt warten bevor ich helfen kann."


    Hallo Ger,


    nimm dir hier im Forum etwas Zeit und such mal über Suchfunktion nach einschlägigen Threads. Wir haben hier das Glück, einige Juristen zu haben, die ein hohes Fachwissen für den Bereich Rettungsdienst mitbringen. Deine berufsethische Einstellung ist natürlich vorbildlich, kann aber nach derzeitiger rechtlicher Auffassung unsere Forumjuristen für dich zum strafrechtlichen Nachteil sein.


    Dein genanntes Beispiel wäre z.B. bei Lebensgefahr über den rechtfertigenden Notstand abgedeckt. Ansonsten ist es derzeit nunmal noch so, dass du auf den NA warten musst. Aber meiner Erfahrung nach kann man bei rechtzeitiger Alarmierung die Zeit, bis dieser eintrifft, trotzdem sinnvoll nutzen und steht nicht doof und achselzuckend vor dem Patienten.

    “When I was a boy and I would see scary things in the news, my mother would say to me, "Look for the helpers. You will always find people who are helping.”


    • Fred Rogers

  • Ger: Die aktuelle Rechtslage zum Thema NotSan wird in der Fortbildung "Was darf der NotSan" super beleuchtet. In dieser Fortbildung wird die gängige Rechtsauffassung dargestellt und auch immer wieder auf abweichende Auffassungen verwiesen. In der Fortbildung wird kompakt das gesamte Thema abgehandelt und die wesentlichen Punkte klar herausgearbeitet. Es lohnt sich sehr diese anzuschauen.

  • Das Interview erweckt den Eindruck, als sei die Besatzung eines Rettungswagens ohne ärztliche Regieanweisungen – sei es durch Notarzt oder Telenotarzt – handlungsunfähig. Gerade die Tatsache, dass hinsichtlich der Vorteile dieses Systems so sehr auf das therapiefreie Intervall abgehoben wird, konterkariert die dreijährige Ausbildung zum Notfallsanitäter und den Pyramidenprozess. Angesichts der vielen positiven Berichte von Kollegen, die in Aachen und Umgebung mit diesem System arbeiten, verwundert mich die Form der Darstellung ausgerechnet vonseiten des Projektleiters schon.

  • Bis zum Lesen des Interviews war ich solchen Projekten gegenüber sehr offen. Mir erweckt sich leider der Eindruck, dass man mit dem Telenotarzt umgehen möchte, dem nichtärztlichen RD-Personal ordentliche SOP's/Algorithmen in die Hand zu geben um die gängigsten Einsätze selbstständig abhandeln zu können. Sicherlich würde dies allein vieles vereinfachen, sowohl für den RA/NFS als auch für den Notarzt.


    Es gibt bereits sehr viele Bereiche, in denen seit Jahren sinnvolle SOP's vorhanden sind und sich bewährt haben. Warum kann man sich nicht daran orientieren und auch im Alltag dem NFS das zugestehen, in dem er ausgebildet und geprüft wurde? Es bedarf keiner Antwort...


  • Guten Morgen,


    als "betroffener" TNA würde ich gerne einige Dinge ins rechte Licht rücken. Mir kräuseln sich immer ein bisschen meine Nackenhaare, wenn ich so manche Behauptung lese.


    1. Es handelt sich seit 2013 um KEIN Modell- bzw. Forschungsprojekt mehr. Das TNA-System ist ein regulärer Bestandteil des Rettungsdienstes in Aachen, Heinsberg, Euskirchen und Greifswald.
    2. Rechtlich gesehen ist das System, so wie es praktiziert wird, rechtskonform. Dazu gibt es Gutachten anerkannter Medizinrechtler , zB.:

    Fehn, Karsten. "Strafbarkeitsrisiken für Notärzte und Aufgabenträger in einem Telenotarzt-System." Medizinrecht 32.8 (2014): 543-552.



    Katzenmeier, Christian, and Stefania Schrag-Slavu. "Medizinrechtliche Fragestellungen des Einsatzes der Telemedizin im Rettungsdienst." Rechtsfragen des Einsatzes der Telemedizin im Rettungsdienst. Springer, Berlin, Heidelberg, 2010. 23-65.



    Katzenmeier, Christian, and Stefania Schrag-Slavu. Rechtsfragen des Einsatzes der Telemedizin im Rettungsdienst: eine Untersuchung am Beispiel des Forschungsprojektes Med-on-@ ix. Vol. 2. Springer-Verlag, 2010



    3. Für uns sind natürlich alle NFS, RA und RS hirnlose, ahnungslose robotische Ausführungsgehilfen.................. :flag_of_truce: NICHT !
    Wir sind extrem darauf angewiesen, daß das Team vor Ort eine adäquate, hochwertige Diagnostik und Anamnese erhebt. Gerade deshalb ist es wichtig, daß man als Team agiert und auch Vorschläge bzw. Bedenken annimmt. Mit typischer "Ich sage -Du tust" kommt man hier nicht weit. Man kann den TNA eher als Backup sehen bei "EKG komisch ? Klinik untypisch ? Alles komisch. " oder bei bestimmten Medikamentengaben. Bzgl. Freigaben von Medikamenten in bestimmten Kreisen via VAW o. SOPs --> Ist es dann ein Fortschritt, wenn man nach der erlaubten Medigabe einen NA nachfordern muss ? Schon oft gesehen. Dann doch lieber den TNA anrufen, kurze, adäquate Übergabe und die medizinische Gesamtveratnwortung abgeben.


    Wer Fragen oder Anregungen hat ?!


    VG

  • Es erscheint mir möglich, diese persönliche Untersuchung durch eine telemedizinische Untersuchung zu ersetzen. Es erscheint mir in Ausnahmesituationen - namentlich schweren Traumata - auch denkbar, vom Erfordernis einer persönlichen Untersuchung abzurücken. Man muss sich dabei nur vor Augen halten, dass es dafür bisher weder in der Rechtsprechung noch in der Kommentarliteratur oder im wissenschaftlichen Schrifttum (ich tue mich schwer, die Stellungnahmen von Fehn darunter zu fassen - eine Grundlage gibt.


    vs.


    2. Rechtlich gesehen ist das System, so wie es praktiziert wird, rechtskonform. Dazu gibt es Gutachten anerkannter Medizinrechtler , zB.:


    Fehn, Karsten. "Strafbarkeitsrisiken für Notärzte und Aufgabenträger in einem Telenotarzt-System." Medizinrecht 32.8 (2014): 543-552.


    Bezüglich Herrn Fehn hatte ich in der Vergangenheit schon häufiger den Eindruck, dass seine Gutachten hauptsächlich bei denen anerkannt sind, die sie in Auftrag gegeben haben oder denen sie inhaltlich entgegenkommen.


    Die Mehrheit der mir persönlich bekannten Juristen legte dahingehend eigentlich immer die Stirn in sorgenvolle Falten.


    Aber ich will nicht missverstanden werden: Inhaltlich finde ich das Konzept von TNA-Systemen vielversprechend und sicher oft hilfreich.
    Ich bin nur immer skeptisch bei zu großer Sorglosigkeit hinsichtlich juristischer Konsequenzen, solange es quasi keine Rechtsprechung zu einem Thema gibt.

  • Man muss vielleicht differenzieren. Das Hauptproblem sind die Aussagen zum Einsatz von BtM und zur vorweggenommen Delegation. Beides scheint mir bei einem Telenotarzt weniger schwierig zu sein.

    Lügen ist keine Kunst. Kunst ist, anderen die Wahrheit in einem neuen Licht zu zeigen.

  • Needafix, ich sehe das Projekt auch als positiv an, aber rechtskonform ist ein Urteil bzw. eine klare Gesetzliche Grundlage.

  • Ger: Die aktuelle Rechtslage zum Thema NotSan wird in der Fortbildung "Was darf der NotSan" super beleuchtet.


    Die nächste Fortbildung zu dem Thema dann im Dezember in Mannheim ...


    Man muss vielleicht differenzieren. Das Hauptproblem sind die Aussagen zum Einsatz von BtM und zur vorweggenommen Delegation. Beides scheint mir bei einem Telenotarzt weniger schwierig zu sein.



    Naja, man muss schon sagen, dass der Kollege über die Jahre immer wieder mit schwer nachvollziehbaren Gutachten und Publikationen aufgefallen ist ...

  • Die nächste Fortbildung zu dem Thema dann im Dezember in Mannheim ...




    Naja, man muss schon sagen, dass der Kollege über die Jahre immer wieder mit schwer nachvollziehbaren Gutachten und Publikationen aufgefallen ist ...


    Ja, das habe ich ihm auch schon mal gesagt.


    In Bezug auf den Telenotarzt halte ich die beiden Punkte allerdings wirklich für weniger schwierig. Zumindest für die Personen vor Ort. Aber ob es dabei ein echtes Risiko für den Arzt gibt, ist auch ganz spannend. Rein tatsächlich nehme ich an: Nein. Weil man vermutlich mit den Möglichkeiten schon einen ganz guten Eindruck von der Situation bekommen kann.


    Interessant ist natürlich, wie das auf der Ebene des Trägers aussieht. Der schafft ja womöglich eine Struktur, in welcher der Notarzt gezielt nicht ausrückt.

    Lügen ist keine Kunst. Kunst ist, anderen die Wahrheit in einem neuen Licht zu zeigen.