Nicht bereit im Notfall: So schlecht sind die Erste-Hilfe-Kenntnisse der Deutschen

  • Ist zwar korrekt, betrifft aber nur definierte Personengruppen (seit Okt. 2014, vgl. DGUV Vorschrift 1 Abschnitt 3 i.V.m. DGUV Regel 100-001 zu § 24 ff).


    Keine Kostenübernahme gibt es u.a. bei Personen, die sich in einer (medizinischen) Berufsausbildung befinden oder diese abgeschlossen haben, also für Fachangestellte für Bäderbetriebe, Medizinische Fachangestellte, medizinische Bademeisterinnen und Bademeister, Physiotherapeutinnen und -therapeuten, Heilpraktiker/innen, GuK, Heilerziehungspflegerinnen und -pfleger, und andere mehr.

    Grüße, 0-85-1


    Sapere aude! (Horaz)
    Bei Gefahr im Verzug ist körperliche Abwesenheit besser als Geistesgegenwart!
    Der Anfang einer jeden Katastrophe beginnt mit den Worten: "Ich dachte ...", "Ich wollte...", "Ich glaube ...", "Ich kann ...", "... mal eben ..." !

  • Aber um zum ursprünglichen Thema zurück zu kommen:

    EIGENTLICH haben wir ein gutes System- über die Führerscheine hat fast jeder einen EH-Kurs gemacht. Dazu noch das System der Betriebsersthelfer.


    Aber aus irgendeinem Grund bekommen wir das nicht auf Notfallsituationen umgesetzt.


    Ich denke das liegt zum einen daran, dass es in breiten Kreisen der Bevölkerung IN ist, zu sagen "das könnte ich nicht"- und das übersetzt sich in "das kann ich nicht" und in Nichtkönnen.

    Es besteht eine riesige Angst, etwas falsch zu machen. Gepaart mit schon fast einem Aberglauben, dass wenn man sich vorbereitet, der Notfall auch eintritt. Und dazu noch eine massive Abgabe von Verantwortung- das Vertrauen auf andere- mutigere und kundigere- Ersthelfer und "den Staat".
    Ich habe zu Zeiten als ich noch aktiver war, versucht meine Mutter zu einem EH-Kurs zu bewegen. Immerhin war sie in der Kirche sehr aktiv, hat eine MuKi-Gruppe geleitet, ist lange Strecken Auto gefahren. Es war nicht möglich "Wenn ich den Kurs habe, dann muss ich ja helfen und es ist ja sicher jemand anderes da der besser helfen kann als ich". Oder meine Nachbarin- klingelt bei mir "da liegt ein Toter in der Garage" (zum Glück nach dem Notruf). Hab dann mit einem Nachbarn mit der Reanimation angefangen- auch der "nein, Beatmen das kan ich nicht und Sie müssen mir genau sagen, wie ich drücken soll, ich weiss nicht wie das geht". Die Reanimation war erfolglos.

    Irgendwas scheint- zumindest an den älteren- Kursen nicht zu passen. Viel zu viel Theorie, viel zu akademisch, zu viele Entscheidungsmöglichkeiten, zu viele Fremdwörter. Ernsthaft- wer erstmal die ganzen Schockarten mit lateinischen Begriffen lernen soll, wird im Realen keinen Schock behandeln können. Oder "tropfende Blutungen, rinnende Blutungen, spritzende Blutungen, arteriell, venös"- wer braucht sowas? Und genau dieses Verkomplizieren führt zu Angst.


    Ein weiteres Problem: Erste Hilfe wird in x Fernsehserien- auch den "medizinischen"- falsch gezeigt. Und diese Bilder werden im Notfall übernommen. Ja auch die Schrottsendungen werden ja geschaut.

    Gleichzeitig fehlt es an öffentlichen und niederschwelligen Fortbildungsmöglichkeiten- geht schon los bei Fernsehspots, Fernsehsendungen wo EH immer wieder Thema ist und richtig gezeigt wird. Aber das haben wir ja auch schon bei Corona verbockt. Oder was ist mit öffentlich geförderten Auffrischkursen? Hier wurde doch mal ein Artikel zu einem Reanimationstrainer an nem Flughafen (?) gezeigt.

  • DocUlli Jede BG / UK hat da eigene Regelungen (Satzungsrecht).

    Grüße, 0-85-1


    Sapere aude! (Horaz)
    Bei Gefahr im Verzug ist körperliche Abwesenheit besser als Geistesgegenwart!
    Der Anfang einer jeden Katastrophe beginnt mit den Worten: "Ich dachte ...", "Ich wollte...", "Ich glaube ...", "Ich kann ...", "... mal eben ..." !

  • Ich habe 9 Jahre bei einer HiOrg die Breitenausbildung geleitet.

    Und war dementsprechend häufig auf Fortbildungen für Ausbilder.

    Da standen einen regelmäßig die Haare zu Berge, was für ein Quatsch erzählt wurde.

    Auf der anderen Seite gab es einen kontinuierlichen Prozess, die Theorie zu kürzen, die Praxis zu vereinfachen und die komplizierten Regeln zu vereinfachen.

    Als ich mit Erste Hilfe angefangen habe, wurde noch zwischen AP und MI unterschieden Inclusive Pathologie.

  • EIGENTLICH haben wir ein gutes System- über die Führerscheine hat fast jeder einen EH-Kurs gemacht. Dazu noch das System der Betriebsersthelfer.

    Mit Verlaub, aber unser aktuelles System taugt gerade mal was auf dem Blatt Papier und selbst dem kommen Zweifel auf.
    Es stimmt was du schreibst, allerdings macht man ggf. in seinem Leben höchstens 1-2x einen Führerschein und darüber einen Erste Hilfe Schein und mit dem Betriebshelfer ist es auch nicht ganz so rosig. Nach meiner Erfahrung bilden nur ein kleiner Teil der Firmen Betriebshelfer aus und dann wiederum nur ein kleinen Teil der Angestellten und das in aller Regel auch nur 1-2x im Berufsleben. Die Bilanz ist also offen und ehrlich gesagt verheerend.

    Irgendwas scheint- zumindest an den älteren- Kursen nicht zu passen. Viel zu viel Theorie, viel zu akademisch, zu viele Entscheidungsmöglichkeiten, zu viele Fremdwörter. Ernsthaft- wer erstmal die ganzen Schockarten mit lateinischen Begriffen lernen soll, wird im Realen keinen Schock behandeln können. Oder "tropfende Blutungen, rinnende Blutungen, spritzende Blutungen, arteriell, venös"- wer braucht sowas? Und genau dieses Verkomplizieren führt zu Angst.

    Böse gesagt: Wann hattest du deinen letzten Erste-Hilfe Kurs? ;)
    Tatsächlich hat man doch den Ersten-Hilfe-Kurs in den letzten Jahren immer wieder überarbeitet, alles mit dem Ziel es noch einfacher und noch kürzer zu machen. Die Aufteilung LSM und EH gibt es schon lange nicht mehr und auch der Kurs an sich wird immer "kundenfreundlicher", natürlich vorrangig mit dem Argument den Leute die Angst davor zu nehmen. Unterm Strich kommen die von dir erwähnten Sachen heute so quasi gar nicht mehr vor, mal ganz davon zu schweigen, dass immer weniger vorgetragen bzw. geübt wird. Betrachtet man sich dann noch wer tlw. die Kurse hält, bei den HiOrg gerne auch mal FSJler und bei den privaten irgendwer der sich Geld dazu verdienen will, dann bekommt man bei der Sache noch mehr Bauchschmerzen. Da wird dann ggf. bei Bauchschmerzen nach dem Essen auch direkt empfohlen den Rettungsdienst zu rufen, denn: "Es könnte ja eine Lebensmittelvergiftung oder gar ein Herzinfarkt sein und da ist es immer besser den Rettungsdienst zu rufen. Zusätzlich, rufe ich den Rettungsdienst bin ich rechtlich abgesichert und das ist für mich als Ersthelfer ja wichtig, nicht das ich verklagt werde!". Leider ein O-Ton eines EH-Ausbilders der selbst seit Stunden etwas Bauchweh hatte.

    Persönlich sehe ich es so, dass wir es einfach nicht hinbekommen die Leute mit dem Thema Erste Hilfe schon frühzeitig zu konfrontieren und das dann immer wieder. Aus eigener Erfahrung lassen sich schon Kinder im Kindergarten für das Thema begeistern und gut daran heranführen, man muss es eben richtig machen. Schafft man es darüber auch die Eltern zu erreichen und auf solche Aktionen aufzubauen, dann vermittelt man Wissen, Kompetenz und mindert Ängste. Die entsprechende Diskussion wird im übrigen schon seit Jahren geführt und auch immer wieder mit verschiedensten Kampagnen unterstützt, aber wir bekommen keine tatsächlich Veränderung hin. Wobei doch, der Inhalt der bisherigen Kurse wird immer mehr minimiert und das ist eine Katastrophe bzw. kann man als Kapitulation ansehen.
    Wir brauchen dringend eine Veränderung, weg von der alten Herangehensweise und der Diskussion um "Alle x Jahre muss man ein EH-Kurs besuchen, sonst...!". Die Vermittlung des Wissens muss viel früher beginnen und einem ab dann immer wieder begegnen, z.B. durch entsprechende Kurse in der Schule, Werbekampagnen, ..... Bekommen wir das nicht hin, dann werden wir die Bürger nie fit in Erster Hilfe bekommen und Unsummen ausgeben müssen um das mit Notrufzentralen, vor- bzw. nachgeschalteten Einrichtungen und Co. aufzufangen.

  • Betrachtet man sich dann noch wer tlw. die Kurse hält, bei den HiOrg gerne auch mal FSJler

    Bei den Kursgebühren, die von den Berufsgenossenschaften für einen Betriebshelfer-Kurs bezahlt werden, kann man nicht mit hauptamtlichen Ausbildern arbeiten. Das geht nur mit Honorarkräften und FSJ.

    You know as well as I do decisions made in real time are never perfect. Don't second-guess an operation from an armchair. [Noah Vosen]

    Oldschool EMS. The Gold Standard of Ass Kickin'!

  • Meinem Arbeitgeber reicht das nicht, daher werde ich hier im Betrieb nicht als Ersthelfer geführt. ;-)

    Ich habe auch fast 10 Jahre lang erst alle zwei Jahre und dann jährlich an EH-Kursen teilnehmen müssen, um als betrieblicher Ersthelfer geführt zu werden (bis ich keine Lust hatte und das seitdem nicht mehr bin). Auf Nachfrage wurde mir aber auch angeboten, stattdessen eine regelmäßige Fortbildung als RettSan nachzuweisen (m.E. durchaus ein vernünftiger Einwand, zumal man das, wenn man noch aktiv ist, ja sowieso muss).

  • Honorarkräfte können durchaus eine gute Lösung sein, es müssen halt eben Leute mit Erfahrung sein bzw. die eine gute Ausbildung und Anleitung durchlaufen haben.

    Da stimme ich Dir zu. Aber wer von diesen guten Leuten stellt sich für ein EH-Ausbilder-Honorar vor einen Kurs?

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  • Ich habe das einige Male gemacht, EH bzw. LSM Kurse. Nöö, muss ich auch nicht mehr machen. Obwohl die Bedeutung der EH-Kenntnisse in der Bevölkerung groß sind. Aber was will man von einem Land erwarten, wo in Flughäfen, in den Bahnhöfen, in den S-Bahnen und in den U-Bahn-Stationen mehr AEDs zu finden sind wie auf den Normalstationen im Krankenhaus oder im Altenheim.


    Vielleicht sollte die EH-Ausbildung im Rahmen der Gesundheitsreformen irgendwie und irgendwo mit eingebaut werden, damit mit einem neuen Konzept Einheitlichkeit im Land hergestellt werden kann. Wie das aussehen könnte? Ich weiß es auch nicht. Aber es gibt sicher hier und da was abzuschauen. Und Strukturen sind überall vorhanden, die in ähnliche Richtungen gehen (Brandschutzerziehung, Selbstschutzerziehung (kommt langsam wieder), usw.). Welche Pflichten man dem Volk auferlegen will, mag ich auch nicht sagen. Die EH-Ausbildung sollte jedoch zusammen mit der Brandschutzerziehung und der Selbstschutzerziehung bereits im Schulalter beginnen. Danach wird es schwieriger, die Kenntnisse an Mann und Maus zu bekommen ...

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • An den Kursen kann man glaube ich noch so viel „optimieren“ wie man will. Das Problem setzt schon viel früher an. Ich muss die Bereitschaft zum Helfen erhöhen und die Erste Hilfe ins Bewusstsein der Leute bringen. Kindergarten, Schulen sind da die ersten Anlaufpunkte. „Werbung“ in TV und sonstigen Medien (und zwar täglich, nicht nur im Rahmen einer „Woche der Wiederbelebung“ oder so). Präsentere Präsentation von Notrufnummern, AEDs usw. Kurze Teaser im Alltag in den Fussgängerzonen usw. Ich glaub damit erreiche ich viel mehr als mit dem besten EH-Kurs.

  • Es gab eine Untersuchung, bei der die Fähigkeiten zur Hilfe untersucht wurden.

    Eine Differenzierung war, ob regelmäßig Krankenhausserien geschaut wurden.

    Wenig überraschend schnitten die Teilnehmer schlecht an, die regelmäßig diese Serien schauen.

    Ein Ansatzpunkt könnte sein, dass in diesen Serien alles annähernd korrekt dargestellt wird.

  • Es gibt den alten Spruch: "Was nichts kostet ist nichts wert"

    Die Berufsgenossenschaften als Auftraggeber wollen und werden aber keine finanzielle Schippe drauflegen.


    Selbstzahlende Teilnehmer wollen aber ebenso den "billigen Jakob" weil: "Ich bin versichert... bzw. "der Führerschein ist ja so teuer..."


    Mein Fazit: es wird sich gar nichts verändern

    raphael-wiesbaden


    Artikel 1
    (1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.


    Selig sind die geistig Armen - nur: kann der Himmel die ganzen Seligen auch wirklich aufnehmen ?