KV BW: BSG-Urteil führt zu Einschränkungen im Ärztlichen Bereitschaftsdienst

  • Das geile daran: Während im kleineren Nachbarlandkreis zwei Notdienstpraxen unverändert weiter betrieben werden sind dann weiter südlich 400.000 Menschen ohne Versorgung.


    Aber es ist ja nicht zumutbar das der Arzt mal eine halbe Stunde fährt zum Notdienst verrichten.

    Jetzt zeigt sich halt sehr genau, in welchen Bereichen die dortigen Niedergelassenen den Notdienst selbst tragen und wo sie ihn durch Poolärzte erledigen lassen.... Jetzt diejenigen niedergelassen, die in ihrem Bereich die Dienste selbst machen, zu zwingen, weitere Dienste in anderen Gegenden zu machen, ist etwas unfair... Die KV muss halt nun die niedergelassenen, die sich bisher von ihren Diensten "freigekauft" haben, dazu zwingen, die Dienste selbst zu machen...

    "We are the Pilgrims, master; we shall go
    Always a little further: it may be
    Beyond that last blue mountain barred with snow,
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    Who take the Golden Road to Samarkand."


    James Elroy Flecker

  • Dafür braucht es doch keine GmbH und Arbeitnehmerüberlassung - warum sollte die KV die Ärzte nicht direkt einstellen können? Der Punkt dürfte doch eher sein, dass man die Sozialabgaben nicht zahlen "kann" bzw. will. Auch das lässt sich doch aber recht einfach dadurch lösen, dass jeder Vertragsarzt eben so oft "dran" ist, wie eben nach Zahl der Ärzte und Besetzung der Notfallpraxen nötig, und wer das nicht will, zahlt eine Umlage, aus der man dann die angestellten Ärzte bezahlt.

    So funktioniert(e) das System ja bisher im Wesentlichen. Nur dass das Ganze sozialabgabenfrei als freelancer lief. Ich muss krumel in diesem Punkt recht geben, wenn man zu den Stundensätzen nach Abführen von Sozialabgaben keinen mehr findet, müssen halt die Stundensätzen entsprechend nach oben angepasst werden.

  • Die KV muss halt nun die niedergelassenen, die sich bisher von ihren Diensten "freigekauft" haben, dazu zwingen, die Dienste selbst zu machen...

    Naja, das ist auch nur begrenzt sinnvoll.


    Die Notdienstordnung der KV BW verpflichtet alle (!) Vertragsärzte zur Teilnahme am Notdienst, unabhängig von der Fachrichtung, und sieht auch keine Befreiungsmöglichkeit vor ("Das Erreichen eines bestimmten Lebensalters, belegärztliche oder berufspolitische Tätigkeiten oder fehlende aktuelle Kenntnisse und Fähigkeiten für die Durchführung des Notfalldienstes sind keine schwerwiegenden Gründe im Sinne des Satzes 1", § 6 Abs. 2 S. 4 Notdienstordnung).


    Ob ein Pathologe, Radiologe oder Labormediziner im ärztlichen Bereitschaftsdienst sinnvoll ist, erscheint mir sehr fraglich - und selbst wenn man sich auf den Standpunkt stellt, diese Fachrichtungen müssten dann eben selbst durch Fortbildungen und Hospitationen dafür sorgen, den Notdienst wahrnehmen zu können (was mir einigermaßen lebensfremd erscheint), geht das auch nicht von heute auf morgen.

  • Das ist letztlich ein Problem der Gleichbehandlung und des berühmten "Wo fang ich an, wo hör ich auf?". Letztlich sind alle der genannten Disziplinen approbierte Ärzte und kein niedergelassener Arzt im Notdienst kann alle Fachbereiche abdecken, die anfallen können. Es ist offenkundig, dass manche ärztliche Disziplinen, wie beispielsweise Allgemeinmedizin, Innere Medizin und Allgemein- & Viszeralchirurgie sicherlich leichter ein großes Spektrum abdecken, da sie ohnehin sehr breit sind und häufig Erkrankungen aus anderen Bereich mitbehandeln. Aber am Ende wird im Notdienst ja nur eine Grundversorgung angeboten, die einen bis zum nächsten Werktag überbrückt (entgegen der Erwartungshaltung). Und dafür soll die Zulassung als Arzt ausreichen. Es führt natürlich vermehrt dazu, dass Probleme, bei denen Unsicherheiten bestehen, klinisch eingewiesen werden. Aber es ist auch nur ein Notdienst und lässt sich letztlich nicht anders zu lösen. Zwingt man es zurück auf die wenigen Disziplinen, die viel abdecken, macht man diese noch unattraktiver und verhätschelt die ambulant ohnehin Übervorteilten (insbes. Radiologie und Labormedizin), das kann nicht die Lösung sein. Die müssen sich langfristig weiter davon "freikaufen" auch wenn es nun teurer wird. Oder es eben hinbekommen.


    Letztendlich kann ich schon ein wenig nachvollziehen, warum man den Steuer-/ Sozialversicherungsunterschied zwischen ärztlichem Notdienst und Notarztdienst nicht so recht sehen will und die gleich Ausnahme erzwingen möchte. Ob dies sinnvoll ist, bin ich sicherlich befangen, aber man muss schon bedenken, dass man in der Regel soviel zahlt, dass man sie gerade so vernünftig besetzt bekommt, und auch ein gewisses Interesse besteht, die Kosten des Systems so niedrig wie möglich zu halten, auch gesamtgesellschaftlich. Und mir ist schon bewusst, dass für KV Notdienste in aller Regel ein Vielfaches von einem Notarztdienst gezahlt wird, bei meist niedrigerer erforderlicher Qualifikation, aber die Dienste sind auch recht unangenehm und niemand macht die, weil er sie gern möchte. Obendrein benötigt man in aller Regel sein komplettes Arbeitsmaterial selbst etc. pp.

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    warum Kompassnadeln nach Norden zeigen!

    Einmal editiert, zuletzt von Johannes D. ()

  • Grundsätzlich passt das leider in die Wahrnehmung, die man aktuell bei jeder Diskussion von der KV hat:


    „Wir könnten das ja machen, aber halt nur, wenn wir (viel) mehr Geld dafür bekommen. Da man uns das aber nicht geben will, reduzieren wir halt das Angebot auf Kosten anderer.“


    Natürlich ist die Vergütung ein wichtiger Punkt, aber in der Wahrnehmung der Bevölkerung ist es m. M. n. ziemlich der einzige, mit der die KV alles zu begründen und auch zu lösen versucht. Und aus dieser Situation müsste auch die KV endlich mal rauskommen.


    Hier im Landkreis sind wir auch von der Interims-Schließung einer Notfallpraxis betroffen, ich bin mal gespannt, welche Auswirkungen auf den Rettungsdienst und die Klinik das hat. Meine Befürchtung ist, dass die KV nach wenigen Monaten feststellen wird, dass es ja auch ohne die Praxis gegangen ist und sie dann gar nicht mehr öffnet. Dass dies zusätzliche Aufwände bei den anderen Playern generiert, kann der KV ja egal sein. War es ihr bei der Schließung der letzten Notfallpraxen auch schon.

  • Das ist letztlich ein Problem der Gleichbehandlung und des berühmten "Wo fang ich an, wo hör ich auf?". Letztlich sind alle der genannten Disziplinen approbierte Ärzte und kein niedergelassener Arzt im Notdienst kann alle Fachbereiche abdecken, die anfallen können.

    Sie können dann ja vielleicht ein bißchen Notarzt fahren, um wieder reinzukommen. :S

    Es ist offenkundig, dass manche ärztliche Disziplinen, wie beispielsweise Allgemeinmedizin, Innere Medizin und Allgemein- & Viszeralchirurgie sicherlich leichter ein großes Spektrum abdecken, da sie ohnehin sehr breit sind und häufig Erkrankungen aus anderen Bereich mitbehandeln. Aber am Ende wird im Notdienst ja nur eine Grundversorgung angeboten, die einen bis zum nächsten Werktag überbrückt (entgegen der Erwartungshaltung). Und dafür soll die Zulassung als Arzt ausreichen.

    Diesbezüglich habe ich dann doch erhebliche Zweifel. Ärzte der betreffenden Fachrichtungen im Übrigen auch. Der einzige Rat, den ich dazu aus rechtlicher Sicht geben konnte, war eben auch: im Zweifel jeden einzelnen Patienten einweisen ... Sinnvoll ist das natürlich nicht. Und es ist natürlich auch keine Art, den Sicherstellungsaufrag zu erfüllen. Treibt man das lange genug, wird das Ende vermutlich nicht schön sein.

    Letztendlich kann ich schon ein wenig nachvollziehen, warum man den Steuer-/ Sozialversicherungsunterschied zwischen ärztlichem Notdienst und Notarztdienst nicht so recht sehen will und die gleich Ausnahme erzwingen möchte. Ob dies sinnvoll ist, bin ich sicherlich befangen, aber man muss schon bedenken, dass man in der Regel soviel zahlt, dass man sie gerade so vernünftig besetzt bekommt, und auch ein gewisses Interesse besteht, die Kosten des Systems so niedrig wie möglich zu halten, auch gesamtgesellschaftlich.

    Das würde dann ja dafür sprechen, auch in Kliniken, bei MFAs, im Rettungsdienst, ... auf die Zahlung von Sozialabgaben verzichten.


    Aber möglicherweise möchte man nicht, dass das - ohnehin derzeit aus allgemeinen Steuermitteln subventionierte - System noch weniger Geld hat, so dass auch im medizinischen Bereich weniger Geld übrigbleibt. Vielleicht nicht gesamtgesellschaftlich, aber wenn man in diesem Bereich tätig ist. :S

  • Naja, das ist auch nur begrenzt sinnvoll.


    Die Notdienstordnung der KV BW verpflichtet alle (!) Vertragsärzte zur Teilnahme am Notdienst, unabhängig von der Fachrichtung, und sieht auch keine Befreiungsmöglichkeit vor ("Das Erreichen eines bestimmten Lebensalters, belegärztliche oder berufspolitische Tätigkeiten oder fehlende aktuelle Kenntnisse und Fähigkeiten für die Durchführung des Notfalldienstes sind keine schwerwiegenden Gründe im Sinne des Satzes 1", § 6 Abs. 2 S. 4 Notdienstordnung).


    Ob ein Pathologe, Radiologe oder Labormediziner im ärztlichen Bereitschaftsdienst sinnvoll ist, erscheint mir sehr fraglich - und selbst wenn man sich auf den Standpunkt stellt, diese Fachrichtungen müssten dann eben selbst durch Fortbildungen und Hospitationen dafür sorgen, den Notdienst wahrnehmen zu können (was mir einigermaßen lebensfremd erscheint), geht das auch nicht von heute auf morgen.

    Es gäbe natürlich auch die Möglichkeit, dass die KV den Notdienst so organisiert, dass alle Ärzte, die den Notdienst machen, als Poolärzte mit fester Vergütung unabhängig vom Patientenaufkommen bei der KV angestellt werden und die entsprechenden Sozialabgaben abgeführt werden, wobei die finanziellen Mittel von der KV aufgebracht werden, indem ein bestimmter Prozentsatz der Überweisungen an die einzelnen niedergelassenen Praxen, egal welcher Fachrichtung dafür einbehalten wird.....

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  • Das würde dann ja dafür sprechen, auch in Kliniken, bei MFAs, im Rettungsdienst, ... auf die Zahlung von Sozialabgaben verzichten.

    Naja, so ganz eindeutig war die Rechtsprechung bei nicht angestellten Ärzten, die als Freelancer unterwegs waren, anfangs ja nicht, was die Selbstständigkeit angeht. Das hat sich erst in den letzten Jahren zu deren Ungunsten verschoben. Beim Bereitschaftsdienst kommt hinzu, dass viele mit eigenem PKW und Koffer, sprich Material, unterwegs waren, und man höchstens das unternehmerische Risiko verneinen konnte.

  • Naja, so ganz eindeutig war die Rechtsprechung bei nicht angestellten Ärzten, die als Freelancer unterwegs waren, anfangs ja nicht, was die Selbstständigkeit angeht. Das hat sich erst in den letzten Jahren zu deren Ungunsten verschoben. Beim Bereitschaftsdienst kommt hinzu, dass viele mit eigenem PKW und Koffer, sprich Material, unterwegs waren, und man höchstens das unternehmerische Risiko verneinen konnte.

    Es geht doch um Dienst in Notfallpraxen, bei dem die Hausbesuche - wenn es nicht ohnehin einen gesonderten Hausbesuchsdienst gibt - allenfalls einen kleinen Teil ausmachen; und in Baden-Württemberg gibt es dafür (fast) landesweit einen Vertrag mit den Maltesern, die ein Fahrzeug mit Fahrer stellen. Dass ggf. eine Hausbesuchstasche auf eigene Kosten zu unterhalten ist (wobei Verbrauchsmaterial regelmäßig in der Notfallpraxis aufgefüllt werden kann), scheint mir für eine selbständige Tätigkeit offenkundig nicht auszureichen.

  • Es geht doch um Dienst in Notfallpraxen, bei dem die Hausbesuche - wenn es nicht ohnehin einen gesonderten Hausbesuchsdienst gibt - allenfalls einen kleinen Teil ausmachen; und in Baden-Württemberg gibt es dafür (fast) landesweit einen Vertrag mit den Maltesern, die ein Fahrzeug mit Fahrer stellen. Dass ggf. eine Hausbesuchstasche auf eigene Kosten zu unterhalten ist (wobei Verbrauchsmaterial regelmäßig in der Notfallpraxis aufgefüllt werden kann), scheint mir für eine selbständige Tätigkeit offenkundig nicht auszureichen.

    Ich habe ausdrücklich geschrieben "unterwegs waren". Das dürfte heute natürlich in den wenigsten Praxen der Fall so sein, auch weil das ganze ja zentral über die 116117 koordiniert wird.

  • im Zweifel jeden einzelnen Patienten einweisen ...

    Aber bitte mit NAW, sonst muss man ja die Verantwortung weiter tragen weil die Krankenträger können das nicht.


    (Das hat übrigens mal ein Orthopäde hier wirklich so gehandhabt. Gab dann ein nettes Gespräch mit mir)

  • Ich Schleswig-Holstein hat die Kassenärztliche Vereinigung nun sehr vielen Poolärzten aufgrund des Urteils gekündigt und bangt um die Versorgung im Land.


    Quelle SHZ

    Land zwischen den Meeren,
    vor dem sich sogar die Bäume verneigen,
    du bist der wahre Grund,
    warum Kompassnadeln nach Norden zeigen!

  • Es ist schon verwunderlich:

    Im Notarztdienst hat man Lösungen gefunden, für Honorarärzte in Kliniken hat man Lösungen gefunden, aber im KV Dienst ist muss nun die Versorgung reduziert werden?

    Die Urteile sind doch eindeutig: Sozialabgaben sind zu leisten.

    Under pressure, you don't rise to the occasion. You sink to your level of training.

  • Es ist schon verwunderlich:

    Im Notarztdienst hat man Lösungen gefunden, für Honorarärzte in Kliniken hat man Lösungen gefunden, aber im KV Dienst ist muss nun die Versorgung reduziert werden?

    Die Urteile sind doch eindeutig: Sozialabgaben sind zu leisten.

    Ist die Lösung im Notarztdienst nicht eine neu-geschaffene, gesetzliche Ausnahme geworden? Ich halte es für nachvollziehbar, dass die kv dasselbe durchsetzen will, das Problem ist identisch.

    Land zwischen den Meeren,
    vor dem sich sogar die Bäume verneigen,
    du bist der wahre Grund,
    warum Kompassnadeln nach Norden zeigen!

  • Ist die Lösung im Notarztdienst nicht eine neu-geschaffene, gesetzliche Ausnahme geworden?

    Doch, schon.

    Ich halte es für nachvollziehbar, dass die kv dasselbe durchsetzen will, das Problem ist identisch.

    Eigentlich nicht. Die KV hat den Sicherstellungsauftrag und die Ärzte, ihn zu erfüllen. Wollen die Ärzte das nicht selbst tun, müssen sie eben jemand anderen dafür bezahlen. Einschließlich der Sozialabgaben.

  • Doch, schon.

    Eigentlich nicht. Die KV hat den Sicherstellungsauftrag und die Ärzte, ihn zu erfüllen. Wollen die Ärzte das nicht selbst tun, müssen sie eben jemand anderen dafür bezahlen. Einschließlich der Sozialabgaben.

    Ich verstehe auch diese Sichtweise. Diese Sichtweise wird nur mit dem notdienstfahrenden Pathologen und Labormediziner leben müssen.

    Land zwischen den Meeren,
    vor dem sich sogar die Bäume verneigen,
    du bist der wahre Grund,
    warum Kompassnadeln nach Norden zeigen!

  • Naja, die Sichtweise kann dann aber dazu führen,dass thh in seinem Hauptberuf mehr zu tun hat.


    Und, nur ein bisschen geträumt:

    ...was dann dazu führen kann,dass die Gesellschaft in Form der Legislative tätig wird.

    ...Entweder indem man Mindestqualifikationen festschreibt.


    oder,ganz weit hergeholt:

    Sogar darüber nachdenkt ob die Selbstverwaltung so eine gute Idee war.

  • Ich verstehe auch diese Sichtweise. Diese Sichtweise wird nur mit dem notdienstfahrenden Pathologen und Labormediziner leben müssen.

    Oder diese Zahlen eben Sozialabgaben.

    Under pressure, you don't rise to the occasion. You sink to your level of training.

  • Eigentlich skurril, dass das Verfahren, dass die Pool-Ärzte sozialversicherungspflichtig sind, vom Zahnarzt selbst aus ging, und nicht wie sonst von der Deutschen Rentenversicherung Bund, die in diesem Fall sogar ebenfalls keine Sozialversicherungspflicht sah.


    Da hätte sich die Zahnärzte-KV wohl lieber zuvor mit dem Zahnarzt außergerichtlich geeinigt.