Rhein-Neuss-Kreis: Falsche Warnung

  • Wegen eines Alarmierungsfehlers hat die Nina-App Dienstagabend (19.12.) vor einer "extremen Gefahr" im Rhein-Kreis Neuss gewarnt. Das Gesundheitssystem im Kreis sei überlastet, hieß es darin. Später am Abend kam vom Kreis die Entwarnung: eine solche Gefahr für die Bevölkerung habe nicht vorgelegen. Trotzdem sind die Krankenhäuser gerade hoch ausgelastet. Denn viele sind aktuell krank.

    Ich habe mir die Warnung gestern Abend bei NINA auch angeschaut. Und musste schmunzeln. Auch über die Entwarnung um 23:13 Uhr. Schon komisch, diese Warnung. Klar, über die Warnplattform MOWAS gibt es Textbausteine. Jedoch nicht für diese Art der Warnung und die Nennung aller betroffenen Kreiskliniken. Die muss man selbst schreiben. Jedoch löst man hier nicht so schnell "ausversehen" etwas aus. Da muss man sich schon 20 mal verklicken. Und eine solche Meldung ist auch eher ungewöhnlich. Ich gehe jede Wette ein, dass man nach aussen nun von einem Alarmierungsfehler spricht, weil Politik und Krankenhausbetreiber hier peinlich berührt sind. Es muss zuvor ja irgendeine Interaktion zwischen den Krankenhäusern, der Leitstelle und dem Bevölkerungsschutz des Kreises gegeben haben.

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • Ist bekannt, ob es ein messbares Verhalten auf die Warnung gab? So frei nach dem Motto "Uihh, jetzt ruf ich lieber doch gleich den RTW, bevor gar nix mehr geht. Rücken schmerzt ja nu doch schon 14 Tage..."

  • Ich gehe jede Wette ein, dass man nach aussen nun von einem Alarmierungsfehler spricht, weil Politik und Krankenhausbetreiber hier peinlich berührt sind.

    Oder weil man nicht so gerne erklären möchte, warum das "extreme Gefahr" bedeuten soll. Nicht, dass Warnungen oder Warnstufen diese Warn-Apps noch irgendeine Bedeutung hätten ...

  • Genau so ist es! In den letzten 4 Wochen hätte ich eigentlich schon täglich durch apokalyptische Fluten davon gespült werden müssen, sowie gestern durch starke Gewitter mein Dachstuhl in Flammen aufgehen müssen. Ja, in der Tat wird mittlerweile zu viel gewarnt. Mehr als 35 Warnungen und passiert ist nichts. Es muss gezielter gewarnt werden! Die Risikowahrnehmung in der Bevölkerung wird so weiter abgestumpft, weil die Gefahren zu abstrakt sind bzw. diese nicht konkret werden und (zu selten tatsächlich) eintreten. Also werden diese ignoriert.


    So oder so, bei der Warnung aus dem Rhein-Neuss-Kreis glaube ich nicht, dass das ein Versehen war.

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • Außer, dass Alarm-Fatique nun auch hier gilt..

    Niemand, der noch bei Trost ist, nimmt diese Warn-Apps ernst.


    "Es gibt starken Wind! Sie werden vielleicht sterben!" - "Es schneit. Wir könnten alle sterben!" - "Es kommt ein Gewitter. Es blitzt! Es donnert! Es regnet! Wir werden alle sterben!"

    Also werden diese ignoriert.

    Nachdem "die Notaufnahme ist ab und an abgemeldet" die höchste (!) Warnstufe ist, ist das auch das einzig richtige, was man damit tun kann.

  • sehe ich leider auch so. Habe überall nur noch die höchste Alarmstufe eingestellt und selbst da gab es bisher nur Enten..

    Gerade was das Wetter angeht frage ich mich wie wir in meiner Kindheit und Jugend das nur ohne Apps überlebt haben..

  • Gerade wieder eine Hochwasser-Warnung über NINA bekommen. Naja...

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • Gerade was das Wetter angeht frage ich mich wie wir in meiner Kindheit und Jugend das nur ohne Apps überlebt haben..

    Wir haben den Himmel beobachtet und vorausschauend gehandelt.

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • Gerade wieder eine Hochwasser-Warnung über NINA bekommen. Naja...

    In Hamburg wird der Fischmarkt wieder überflutet, NINA und Katwarn sind am Dauer warnen, auf gut Deutsch, die Welt wird heute Nacht untergehen.


    Das gibt es in Hamburg fast jährlich.

    Diese Warnungen werden doch nicht mehr Ernst genommen.

  • Stimmt alles. Gleichzeitig: Menschen, die im hochwassergefährdeten Gebiet wohnen und durch ein extremes Hochwasser ihr Haus verloren haben, beschweren sich zunächst, dass sie nicht vom Landrat oder vom Innenminister persönlich vorgewarnt wurden, erwarten dann, dass ihr weggeschwemmtes, natürlich un(ter)versichertes Haus vom Steuerzahler ersetzt wird, beschweren sich dann wieder, dass die gesammelten Spendengelder viel zu spät bei ihnen ankommen und bauen dann schließlich mit dem geschenkten Geld ihr Häuschen an derselben (immer noch hochwassergefährdeten) Stelle wieder auf. Diese Leute muss man halt zukünftig sicherheitshalber warnen, wenns regnet. Ist doch klar!

  • Polemik hin oder her: Nach den Ereignissen im Ahrtal will sich ganz bestimmt niemand auf's Brot schmieren lassen, er hätte nicht rechtzeitig und ausführlich gewarnt.

    They say God doesn't close one door without opening another.

    Please, God, open that door. :oncoming_fist_light_skin_tone:

  • Polemik hin oder her: Nach den Ereignissen im Ahrtal will sich ganz bestimmt niemand auf's Brot schmieren lassen, er hätte nicht rechtzeitig und ausführlich gewarnt.

    Ja klar, das ist die Motivation: Immer und jederzeit sagen zu können, dass ja gewarnt wurde. Es geht also nicht um echte Gefahrenwarnungen, sondern darum, sich gegen Vorwürfe abzusichern. Im Ergebnis wird dann bei jedem hohen Pegelstand der großen Flüsse gewarnt und keine Sau interessierts. Ich wohne keine 500m vom Neckar entfernt und habe diese Woche ungefähr täglich Hochwasserwarnungen von KatWarn und/oder Nina erhalten, dass die Hochwasserpegel steigen. Konsequenz für mich: keine. Ich wäre dankbar, wenn nur dann gewarnt würde, wenn das Dorf kurz vor dem Absaufen steht. Dann ziehe ich auch gerne die Gummistiefel an und verlege meinen Standort ins nahe Mittelgebirge (also zu dir in den Odenwald).

  • Ich bin vollkommen Deiner Meinung und Du bist jederzeit willkommen.
    Kurze VorWARNzeit (5er in die Wortspielkasse!), damit ich das Gästezimmer von meinem Gerümpel befreien kann.

    They say God doesn't close one door without opening another.

    Please, God, open that door. :oncoming_fist_light_skin_tone:

  • Gleichzeitig: Menschen, die im hochwassergefährdeten Gebiet wohnen und durch ein extremes Hochwasser ihr Haus verloren haben, beschweren sich zunächst, dass sie nicht vom Landrat oder vom Innenminister persönlich vorgewarnt wurden [...]

    Ich war im Oktober in Ahrweiler auf Lehrgang. Dort haben wir uns auch ausführlich über die Ahrflut unterhalten (Schwerpunkt Führungsstäbe, Verwaltungsstab und die KVK/BVK in den Stäben). Auch wurde sich über die Warnungen unterhalten. Ich kann mich beispielsweise gut an die Warnungen des Wetterdienstes und in den Wettervorhersagen in den Nachrichten erinnern, die vor massiven Niederschlägen und möglichen Fluten gewarnt haben. Also gewarnt wurden die Bürger. Eigentlich. Und damit sind wir wieder beim Thema ...


    Nach den Ereignissen im Ahrtal will sich ganz bestimmt niemand auf's Brot schmieren lassen, er hätte nicht rechtzeitig und ausführlich gewarnt.

    Ja klar, das ist die Motivation: Immer und jederzeit sagen zu können, dass ja gewarnt wurde. Es geht also nicht um echte Gefahrenwarnungen, sondern darum, sich gegen Vorwürfe abzusichern.

    ... Risikowahrnehmung. Denn genau das ist das Problem, dass mittlerweile zu viel gewarnt wird (Abstumpfung und so, hatten wir ja schon). Einer der Auslöser des expandierenden Warnextremismus war der Unwettervorfall vor mehr als 20 Jahren auf einem Kinderzeltlager in Berlin (siehe Link). Der technische Fortschritt macht es nun möglich, dass die Endgeräte zur Übertragung von Warnungen zugenommen haben. Auch ich habe gestern gut zwei Dutzend Warnungen zum Hochwasser und Sturm erhalten. Von vier Apps (DWD, NINA, KATWARN, BIWAPP). Und der Grund des Warnextremismus ist der Gleiche wie der in den Leitstellen bei der standatisierten/strukturierten Abfrage und der Umsetzung des NAIK. Da geht es nicht nur um Qualität, sondern auch ganz viel um Absicherung gegen Vorwürfen. Also hauen wir täglich Weltuntergangswarnungen raus, ziehen Hubschrauber von Sekundäreinsätzen ab zu Einsätzen, die gemäß der Erfahrungen dort nicht gebraucht werden, fahren lieber doch mal zum Durchchecken ins Krankenhaus und lass uns lieber einen RTW schicken, der Kassenarzt braucht 3 Stunden. Sicher ist sicher ...


    Link: Tragischer Gewittersturm - Zwei Tote und 13 Verletzte in Berliner Kinderzeltlager

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • Ja klar, das ist die Motivation: Immer und jederzeit sagen zu können, dass ja gewarnt wurde. Es geht also nicht um echte Gefahrenwarnungen, sondern darum, sich gegen Vorwürfe abzusichern.


    Aber auch das ist nur ein Teil der Wahrheit. Wir haben bei der Flugsicherung einen guten Draht zum DWD, von dem die Warnungen als Behörde ja ausgehen. Einer meiner besten Freunde ist dort zudem Flugwetterberater. Und zur gesamten Geschichte gehört eben auch, dass sich regional Wetter extrem schwer präzise vorhersagen lässt. Das gilt ganz besonders für Großwetterlagen. Ich rede da oft mit ihm drüber, weil wir ja teils Flugverkehr einschränken lassen, weil ein bestimmtes Wetter vorhergesagt wurde. Und dann zieht es doch "knapp vorbei".


    Die Stadt, in der ich wohne, ist so gut wie nie von Unwettern betroffen. Man sieht sie kommen, dann fällt es kurz vorher zusammen und das wars. Die Nachbarorte - da reden wir von weniger als 10km Luftlinie - werden aber ständig voll getroffen. Warum das so ist, kann keiner sagen. Aber selbstverständlich wird auch für unsere Region gewarnt.


    Es ist aber zu kurz gedacht, dass mit einer "Arsch an die Wand" Mentalität abzutun.


    Ganz ehrlich: Wenn du nicht 100%ig sagen kannst, ob Stadt A oder Sadt B getroffen wird, dann würdest du doch auch lieber beiden Städten Bescheid sagen, oder?

    “When I was a boy and I would see scary things in the news, my mother would say to me, "Look for the helpers. You will always find people who are helping.”


    • Fred Rogers

  • Man muss dann jedoch auch die Folgen der Warnungen ohne Schadeneintritt im Auge haben. Wenn die Risikowahrnehmung aufgrund zu vieler Warnungen abnimmt, dann ist damit auch nichts gewonnen. Tausend mal ist nichts passiert; und dann hat es zoom gemacht ...

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • Ganz ehrlich: Wenn du nicht 100%ig sagen kannst, ob Stadt A oder Sadt B getroffen wird, dann würdest du doch auch lieber beiden Städten Bescheid sagen, oder?

    Kommt drauf an, wovon ich „getroffen“ werden könnte und welche Konsequenz die Warnung für mich hat. Gewitter? Starkregen? Sturm? Also Sammelbegriff „Wetter“? Hohe Pegelstände der nahen Flüsse mit Einstellung des Schiffsverkehrs?
    Oder eher Extremereignisse wie Fächenbrände oder Hochwasser, die die Wohnbebauung bedrohen?

    Für den ersten Teil brauche ich persönlich keine Warnung per Katastophen(!)-App.