Alarmierende Ergebnisse beim Verdi-Nachtdienstcheck in Kliniken in Heidelberg

  • Ich glaube, dass wird sicher so gut wie überall sein. Auch ich konnte nie in Ruhe Pause machen, es sei denn ich konnte die Station verlassen. Am Wochenende oder in der Nacht ging das Mangels Personal jedoch nicht! Und das war schon vor mehr als 20 Jahren so...


    Gruß

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • Also so neu sind diese Zustände aber nicht wirklich.
    Und das ist nicht nur in Heidelberg so.


    Wir haben grundsätzlich Nachts nicht selten eine verkürzte Pausenmöglichkeit, meistens ist der Nachtdienst mit einer Pflegekraft besetzt.
    Im Glücksfall ein Schüler/-in dabei :kaffee:

  • Ganz ehrlich, im Moment bin ich soweit zu sagen, wer sich nach 6 Stunden die gesetzlich zu stehende Pause nicht nimmt, ist selbst Schuld. Unsere Geschäftsleitung brüstet sich damit, das Arbeitszeitgesetz einzuhalten und erwartet sogar von der Belegschaft, dieses einzuhalten. Im Pausenbereich sieht es in der Realität natürlich mies aus. Deswegen würde ich nach 6 Stunden einfach die Station verlassen (sofern diese ohnehin nicht bezahlt wird). Die Klinik hat einen Versorgungs- und Sicherstellungsauftrag, nicht der Arbeitnehmer. Und schon gar nicht kann der Arbeitnehmer gezwungen werden, dauerhaft und geplant gegen Gesetze zu verstoßen.

  • Im Arbeitszeitgesetz steht, dass es unter seltenen Umständen möglich sein kann, dass dem Arbeitgeber nicht zugemutet werden kann, eine Pausenablösung zu organisieren. Für diesen Fall wird die Pause bezahlt.
    Es bleibt natürlich jedem selbst über lassen, auf seinem Stundenzettel zu schauen, ob das damm entsprechend eingetragen ist. Und wer das nicht macht, ist in der Tat selbst Schuld.

  • Die Pause wird bezahlt und der AG beruft sich darauf, dass eine Pausenablösung für alle Station nicht zu organisieren sei. Warum dem bei einem Konzern mit deutlich über 5000 Mitarbeitern so ist, bleibt mir schleierhaft. Die MAV spielt das Spiel jedoch mit und brüstet sich noch mit der "bezahlten Pause".

  • Naja, bei entsprechender Arbeitsauslastung sehe ich das wirklich eher entspannt. Ne Kollegin im Nachtdienst, die einfach nur "da sein muss" und vier mal die Nacht auf die Klingel geht, kann ihre Pause bezahlt auch am Arbeitsplatz machen - vorausgesetzt, es gibt keine Nachbarstation, mit der man sich ablösen kann.


    Als PDL-Rufdienst sehe ich immer wieder, dass sich über "ich kann ja keine Pause machen" aufgeregt wird, bei Nachfrage, warum man sich nicht mit der Nachbarstation zusammentue um sich gegenseitig abzulösen, Pseudoargumente wie "ich kenn die Patienten nicht", Übergabe etc. vorgebracht werden. Meist kommt dann halt doch raus, dass es in manchen Fällen einfach nur Bequemlichkeit ist.
    Aber das soll jetzt nicht eine falsche Meinung meinerseits wiederspiegeln: Prinzipiell bin ich absolut für geregelte Arbeitszeiten mit entsprechenden Pausen. Nichts desto trotz muss halt manchmal auch hier mit dem XMV arbeiten.


    Auf "meiner" Intensivstation zum Beispiel kommt immer wieder die Aussage, dass eine ununterbrochene Pause nicht möglich sei, weil ja immer wieder ein Monitor alarmiere, eine Infusion durch sein, das Telefon klingele etc. Und die Station könne man ja auch nicht verlassen. Wenn man dann nachfragt, wollen aber alle Mitarbeiter gemeinsam frühstücken - an einem großen gedeckten Tisch. Auf Station. Da braucht sich dann keiner zu wundern, wenn das unterbrechungsfrei nicht klappt. Selbstverständlich haben alle Mitarbeiter (von Notfallsituationen mal abgesehen) die Möglichkeit, alleine in einem abseits der Station gelegenen Aufenthaltsraum ohne Telefon und ohne Monitoranschluss zu essen. Aber alleine will halt niemand. Also muss sich die Mannschaft halt entscheiden. Das haben sie getan, und trotzdem ist es vielen jetzt nicht recht. Und die würden dann natürlich auch in einer solchen Umfrage sich entsprechend äußern.


    Wer übrigens sehen will, wie toll es allgemein bei uns ist, darf mal hier schauen...


    Gruß, Christian

  • Wer übrigens sehen will, wie toll es allgemein bei uns ist, darf mal hier schauen..


    Diese Liebe, diese Harmonie, dieser gegenseitige Respekt und die Zufriedenheit...ein schönes Beispiel für "Fiktion trifft Realität" :biggrin_1:


    Ist dieser Imagefilm eine direkte Reaktion auf die ver.di-Aktion?

    Knüpfe dich nicht an Geringes, es zieht dich ab und hinab, fügt dir Geringeres zu.

  • Es ist ein grundsätzlich politisches Problem.
    Während meiner pflegerischen Ausbildungszeit von 1975 - 1978 war die Misere des Nachtdienstes schon nichts Neues.


    Das politische Problem hat zwei Seiten:


    1.
    die traditionelle Unfähigkeit von Pflegekräften zum berufspolitischen Engagement - egal ob Gewerkschaft oder Berufsverband.
    Wo es keine nennenswerte Interessenvertretung gibt, besteht von der "Gegenseite" keinerlei Handlungsdruck.
    Die Opferlämmer sind also zum grossen Teil selbst schuld.


    2.
    Die Kosten des Gesundheitswesens tragen Krankenkassen- und Steuerzahler.
    Jeder Mensch -auch das RFP- hätte gerne stabile Beitragssätze bzw. die grösstmöglichste Leistung bei geringstmöglichstem Beitrag.
    Die Berufszufriedenheit, die sich u.a. in der zeitlichen Zugehörigkeit im Arbeitsfeld zeigt - wird nicht unwesentlich mit der Vergütung bzw. den sozialen Leistungen erreicht.
    Egal, welcher politischen Richtung man angehört:
    lieber wird die Botschaft vernommen, daß alles preisstabil bleibt als die Nachricht der Verbesserung für einen Berufsbereich, der aber leider-leider mit höheren Beiträgen verbunden ist.
    Aufgrund der engagierten Interessenvertretung aller anderen Mitspieler im Gesundheitssystem werden diese nämlich nichts von ihrem Anteil abgeben.


    3.
    Deswegen werden wir auch in zwanzig Jahren noch die Jammerei über den Pflegekräftemangel hören.
    Wir werden weiter lesen, daß dt. Fachkräfte lieber im Ausland arbeiten, weil es dort mehr Geld und Anerkennung gibt.
    Wir werden ebenso "tolle" Vorschläge serviert bekommen, daß wieder einmal eine bestimmte Migrantengruppe die Kartoffeln aus dem Feuer holen soll.
    (Für die Jüngeren hier: bereits in den 50-er-Jahren wurden Koreaner nach -D- geholt um den Pflegekräftemangel zu kompensieren; in der Aera Kohl hat man jeden studierten Traktoristen und Melker aus den Tiefen der UdSSR mit mehr oder weniger mit Druck zur (Alten)Pflegekraft umgeschult.
    Nach dem Zusammenbruch der DDR halt man "selbstverständlich" junge Menschen ihrer Heimat entrissen, damit hierzulande die Kurse besetzt werden konnten - und man war noch stolz darauf.)


    Mein Fazit:
    es wird sich absolut NICHTS ändern.

    raphael-wiesbaden


    Artikel 1
    (1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.


    Selig sind die geistig Armen - nur: kann der Himmel die ganzen Seligen auch wirklich aufnehmen ?

  • Nach dem Zusammenbruch der DDR halt man "selbstverständlich" junge Menschen ihrer Heimat entrissen, damit hierzulande die Kurse besetzt werden konnten - und man war noch stolz darauf.)


    Entführt hat man sie, mit Säcken über den Köpfen und Kalaschnikovmündungen im Nacken! !!! !!!!!!!


    :praising:

  • Nein.
    Wie Du wissen wirst, brach die DDR-Wirtschaft zusammen; teilweise war sie total marode, teilweise waren Massnahmen der Treuhand auch suboptimal.
    Jugendliche dort haben auf jeden Fall den völligen Zusammenbruch eines Systems erlebt, indem sie aufgewachsen waren.
    Sie erlebten ferner eine Rat- und Hilflosigkeit bei den üblichen erwachsenen Vorbildern.


    Mangels Ausbildungs- und Arbeitsplätzen standen Jugendliche mit einem Schulabschluss nur die Möglichkeit zur Verfügung, den bisherigen Lebensbereich zu verlasssen, damit mehrere hundert km weiter eine berufliche Option aufgenommmen werden konnte.
    Damit kam es zu einem völligem Bruch mit der bisherigen Lebenswelt - unfreiwillig.


    Westdeutsche Arbeitgeber wetteiferten förmlich darum, neue Arbeitskräfte zu finden.
    Das waren nicht nur irgendwelche obskuren Firmen, auch Caritas und Diakonie, ganze Klinikverbände, teilweise Städte und Gemeinden schlugen kurzerhand im Osten auf und sammelten Azubis ein.
    Das wurde auch offen gar nicht als Hilfsaktion propagiert - die Medien berichteten durchaus über derartige Anheueraktionen.


    Das Ergebnis habe ich in meiner Region - und hier in meiner Tätigkeit an Altenpflegeschulen - dann selbst mitbekommen:
    mit dem System völlig unerfahrene Menschen - ohne Familienangehörige und den gewohnten Freundeskreis.


    Es war sicher regelhaft gut gemeint.
    Doch "gut gemeint" ist das Gegenteil von "gut gemacht".
    Ich persönlich hätte als Arbeitgeber ggf. ebenso verfahren, wer weiss ?-( .
    Doch 25 Jahre später halte ich es für eine Selbstverständlichkeit offen zuzugeben, daß nicht alles optimal gelaufen ist.

    raphael-wiesbaden


    Artikel 1
    (1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.


    Selig sind die geistig Armen - nur: kann der Himmel die ganzen Seligen auch wirklich aufnehmen ?


  • Diese Liebe, diese Harmonie, dieser gegenseitige Respekt und die Zufriedenheit...ein schönes Beispiel für "Fiktion trifft Realität" :biggrin_1:


    Ist dieser Imagefilm eine direkte Reaktion auf die ver.di-Aktion?


    Nö, und hat ja auch nix damit zu tun. Das ist ein Film zur Unterstützung bei der Anwerbung neuer Pflegekräfte direkt im IMC- und Intensivbereich. Zu sehen unter anderem auch "meine" Intensiv und IMC.
    Tatsächlich ist es so, dass Einarbeitungen je nach Station unterschiedlich ausfallen, aber meist doch ganz ordentlich geplant sind. Und natürlich kommt es häufig vor, dass Einarbeitungen wegen Krankheit kürzer ausfallen, als geplant, aber in der Regel klappt das schon. Auch die individualisierten Arbeitszeiten ermöglichen wir zu einem gewissen Grad, der vom restlichen Team mitgetragen wird.


    Im Film wird nix falsches erzählt. Es gibt jede Menge Fortbildungen, die Uniklinik ist großzügig bei Weiterbildungen, es können regelmäßig Leute auf Kongresse gehen.


    Dass die Arbeitsbelastung extrem hoch ist, dass man oft einspringt, dass man oft auf anderen Stationen aushelfen muss, davon ist natürlich nicht die Rede.


    Aber - und nicht nur, weil ich selbst in der Leitung bin: Ich kann meinen Arbeitgeber wirklich weiterempfehlen. Es gibt Mägel, die gibt es wo anders auch. Aber es gibt auch positive Sachen. Und die gibt es nur bei uns (zum Beispiel 7-10% mehr Lohn als bei vergleichbaren anderen Kliniken, Einspringzuschlag etc).


    Gru?, Christian

  • Kleine Anekdote:
    Ich habe als Führungskraft die Situation gehabt,dass die Abteilung vorher keine fixen Pausenregelungen hatte. Sprich: Es wurden 8h im Dienstplan bzw. den Verträgen festgeschrieben (ein Teil der Mitarbeiter arbeitet ja Gleitzeit) und die Pause nicht fix definiert. Rechtlich natürlich hochgradig fragwürdig, für den Mitarbeiter aber mit dem Vorteil, dass er a) nach 8h nach Hause gehen kann b) keine Vorgabe über die Pause hat -im Endeffekt ist es dem Chef ja wurscht ob der Mitarbeiter seine Mittagspause lieber aufteilt, früher geht, usw.-.
    Ein Vorschlag bzw. Drängen meinerseits auf die Pausenregelung wurde mit großem Unverständnis Seitens der Belegschaft beantwortet...Nunja..Irgendwer meinte wohl damals sich über den "unzumutbaren Eingriff in seine persönliche Freiheit bei der Pausengestaltung" bei Betriebsrat beschweren zu müssen.
    Erfolgt der Geschichte? Jetzt konnte Seitens der Führung natürlich nicht mehr weggeschaut werden, der Betriebsrat drängte -zu Recht- auf die Einhaltung der rechtlichen Vorgabe... Mit dem Effekt, dass die Pausen fest vorgegeben sind, die Mitarbeiter effektiv natürlich eine halbe Stunde später "nach Hause gehen" (die halbe Stunde Mittagspause sehen die meisten ja als "Arbeitszeit" an, auch wenn nicht gearbeitet wird) und Pausen strikt genommen werden müssen....Theoretisch muss ein Mitarbeiter der die Pause nicht im vorgegebenen Zeitraum nimmt obwohl ihm dies zumutbar gewesen wäre vom Chef ermahnt bzw. abgemahnt werden, genauso wenn außerhalb der Pausenzeiten bzw. Pausenzuteilungen Pausen genommen werden (Stichwort Raucher bzw. der gemeinsame Morgenkaffee).



    Eine befreundete PDL hat übrigens fast die gleiche Story erlebt wie Christian Betgen: Es sollte zukünftig fix mit Rotation (sprich jede Station stellt die Springer Kraft für eine bestimmte Zeit) eine Springer-Kraft geschaffen werden die über die Station rotiert um die Pausen zu garantieren.
    Resultat? Es kam einen Shit-Storm erster Güte inklusive lokaler Presse, Briefe an den Bischof (ist ein kirchlichen Haus), Zeter und Mordio in allen Bahnen.
    "Man muss dann ja seine Patienten einmal mehr übergeben, "man kennt die Patienten nicht", "man kann sich die Pausenzeit nicht mehr aussuchen", "man kann nicht mehr mit XY gemeinsam in die Pause gehen", usw....


    Man sieht also: Auch für die "andere Seite" ist es bei weitem nicht so einfach mit der Pausenregelung umzugehen.