Rettungsdienst fährt in Baden-Württemberg zu selten zum Traumazentrum

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    Die Stelle zur trägerübergreifenden Qualitätssicherung im Rettungsdienst Baden-Württemberg (SQR-BW) hat heute ihren vierten Qualitätsbericht vorgelegt.


    SK-Verlag

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    Die Werte der Kapnometrie bzw. Kapnographie bei Intubation haben sich gegenüber dem Vorjahr um 7,5% auf 80,3 % verbessert. Dennoch komme die Kapnometrie in einigen Rettungsdienstbereichen nur bei jeder zweiten, an einigen Notarztstandorten sogar nur bei jeder dritten Intubation zur Anwendung. Einzelne Standorte hätten bei keiner einzigen Intubation eine Kapnometrie dokumentiert.

    Gibt es etwa noch Bereiche, die über keine Kapnometrie bzw. Kapnographie verfügen? Warum sonst sollte man sich einem so wichtigen Monitoringwert nach einer Intubation bzw. bei einer Beatmung verweigern? Nicht dran gedacht? Das ist mir auch schon öfters aufgefallen, dass die Kapnometrie nicht automatisch mit der Intubationsvorbereitung gerichtet wird.


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    Eine Blutzuckermessung erfolge leider auch bei Patienten mit GCS < 8 in nur 84,3% aller Fälle.

    Das ist echt krass! Bei "uns" ein Standardwert, der neben HF/Puls, RR und SpO2 irgendwie immer mit erhoben wird. Auch bei ansprechbaren und orientieren Patienten. Gibts einen venösen Zugang, dann gibt es auch eine BZ-Messung (ja, aus Venenblut - der Frage vorweg greifen). Wo das nicht notwendig ist, da wird dann bei Bedarf so gemessen (Kapillarblut). Sollte doch eigentlich selbstverständlich sein, dass alles was nicht GCS 15 ist auch eine Blutzuckermessung verdient hat, oder nicht?


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    Der primäre Transport in die nächste geeignete Klinik werde beim Polytrauma nur in 72,1% durchgeführt, davon würden 44% in ein regionales und 56% in ein überregionales Traumazentrum gefahren/geflogen werden. Besonders in Rettungsdienstbereichen, in denen nicht mindestens ein regionales Traumazentrum vorhanden sei, liege das Indikatorergebnis teils deutlich unter dem Landeswert. Es ist damit das schlechteste aller Transportzielindikatoren. An den nächsten geeigneten Kliniken lag es nicht, ihre Aufnahmebereitschaft lag bei allen Transportzielindikatoren bei ca. 99%.

    Wo könnte hier der Grund dafür zu finden sein? Zu lange Transportzeiten? Das wäre auf jeden Fall etwas, was ich im Rahmen der Intensivverlegungen auch vom platten Land kenne. Da gibt es häufig Sekundärtransporte mit RTH, ITH und ITW bei entsprechenden Verletzungen (und auch Erkrankungen, die in Schwerpunkt-/Maximalversorger müssen).


    Gruß

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • Im übrigen muss man die BaWü-Retter aber auch mal loben. Im Regelfall wird ja immer gemotzt das die so komische Verhältnisse haben (Kreis bzw. kreisfreie Stadt hat nichts zu melden, usw.). Aber eines ist doch ziemlich gut: Das es eine landesweite Stelle gibt, die qualitative Messergebnisse sammelt und veröffentlicht. Das würde ich mir für mein Bundesland auch wünschen! Im Kreis wäre auch schon mal nicht schlecht...


    Gruß

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • Ich persönlich halte es für hoch wahrscheinlich, dass schlechte Benchmarkwerte wie zB fehlende Kapno beim Intubierten oder fehlender BZ Wert bei GCS<8 auch an der zT miserablen Dokumentationsqualität der Kollegen liegen. Garbage in, garbage out.


    Ansonsten hast du Recht, Dorsk


    Viel Verbesserungspotential

  • Die Auswertung zum Thema Traumazentrum ist sicher zutreffend. Falsche Krankenhäuser als Zielklinik zu dokumentieren wäre ja Blödsinn.
    Das deckt sich auch mit persönlichen Erfahrungen. "Jetzt fahren wir halt erst mal nach...., Verlegen kann man dann immer noch.......die haben doch auch ein CT zur Diagnostik......". Das bekommt man bei manchen einfach nicht raus.


    Was Kapno und BZ angeht sehe ich wie Jojo auch eher das Dokumentationsproblem.

  • Auch wenn solche Erhebungen zu begrüssen sind, sollten auch solche Zahlen hinterfragt werden. Speziell bei der Auswahl des Transportziels von Polytraumen sollte berücksichtigt werden, dass mit dem Schwarzwald und der Schwäbischen Alb ein erheblicher Teil des Landes durch Gebirgsstrukturen gekennzeichnet ist und nicht jedes Trauma-Zentrum in adäquater Zeit, vor allem bei Nacht (und vielleicht noch bei schlechtem Wetter), erreichbar ist. Da wird es evtl. auch mal notwendig sein, primär ein Kreiskrankenhaus anzufahren, wenn das nächste Trauma-Center erst nach einer Stunde Transportzeit erreicht wird.

  • Auch wenn solche Erhebungen zu begrüssen sind, sollten auch solche Zahlen hinterfragt werden. Speziell bei der Auswahl des Transportziels von Polytraumen sollte berücksichtigt werden, dass mit dem Schwarzwald und der Schwäbischen Alb ein erheblicher Teil des Landes durch Gebirgsstrukturen gekennzeichnet ist und nicht jedes Trauma-Zentrum in adäquater Zeit, vor allem bei Nacht (und vielleicht noch bei schlechtem Wetter), erreichbar ist. Da wird es evtl. auch mal notwendig sein, primär ein Kreiskrankenhaus anzufahren, wenn das nächste Trauma-Center erst nach einer Stunde Transportzeit erreicht wird.

    Deswegen sprach ich auch schon das Problem der ggf. langen Transportzeiten an. Ich könnte mir daher hier tatsächlich vorstellen, dass das eben ein Problem sein könnte, auf dem platten (bergigen) Land. Also ja, hier hinterfragen. Stimmt!

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • Ich persönlich halte es für hoch wahrscheinlich, dass schlechte Benchmarkwerte wie zB fehlende Kapno beim Intubierten oder fehlender BZ Wert bei GCS<8 auch an der zT miserablen Dokumentationsqualität der Kollegen liegen.


    Was Kapno und BZ angeht sehe ich wie Jojo auch eher das Dokumentationsproblem.


    Das wäre echt der Hammer, wenn das wirklich so wäre. Warum sich die Arbeit machen Werte zu erheben wenn man diese nicht dokumentiert? Ich würde eher damit rechnen, dass sich jemand Werte ausdenkt, weil er sich die Arbeit nicht machen will. Aber so? Komisch! Man muss sich auch über etwas im klaren sein: Nicht dokumentiert = nicht gemacht! (*)


    (*) Auch ein Grund, warum "hier" mindestens drei Vitalparameter über mindestens 15 Minuten dokumentiert sein müssen, da sonst die Krankenkassen eine Verweigerung oder Versorgung vor Ort eines RTW nicht als Versorgung anerkennen.


    Gruß

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • Auch wenn solche Erhebungen zu begrüssen sind, sollten auch solche Zahlen hinterfragt werden. Speziell bei der Auswahl des Transportziels von Polytraumen sollte berücksichtigt werden, dass mit dem Schwarzwald und der Schwäbischen Alb ein erheblicher Teil des Landes durch Gebirgsstrukturen gekennzeichnet ist und nicht jedes Trauma-Zentrum in adäquater Zeit, vor allem bei Nacht (und vielleicht noch bei schlechtem Wetter), erreichbar ist. Da wird es evtl. auch mal notwendig sein, primär ein Kreiskrankenhaus anzufahren, wenn das nächste Trauma-Center erst nach einer Stunde Transportzeit erreicht wird.

    Auch dann muss man an die Kliniken herantreten und nachfragen warum es keine ausreichende Anzahl an lokalen oder regionalen Traumazentren im Rahmen eines DGU Trauma-Netzwerkes gibt (hier eine Übersichtskarte).


    Ansonsten muss man aber positiv hervorheben: Wenigstens gibt es irgendwelche (öffentlich zugänglichen) Datensätze.

  • Ja, sicher. Die spannende Frage ist jedoch eher die, warum man das nicht zu Papier bringt?

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • Dafür kann ich mir schon Gründe vorstellen.
    Kein Bewusstsein für die Relevanz, Stress bei der Patientenversorgung und keine Zeit zur rechtzeitigen Dokumentation, Anschlussalarmierung aus S8 und Protokoll noch nicht fertig, Notarzt bekommt Folgeeinsatz aus S7, steigt um und gibt der RtW-Besatzung ein schludrig ausgefülltes Protokoll mit...

  • Ist nicht die Dokumentation der Kapno für den weiteren Verlauf relativ Hupe? Beim RR oder der Frequenz, klar, da ist natürlich auch der Trend wichtig. Aber die Kapno ist doch vor allem ein Hilfsmittel um zu checken, dass der Tubus liegt, bzw. dass man ein bisschen an der Beatmung drehen muss?!

  • Ist nicht die Dokumentation der Kapno für den weiteren Verlauf relativ Hupe? Beim RR oder der Frequenz, klar, da ist natürlich auch der Trend wichtig. Aber die Kapno ist doch vor allem ein Hilfsmittel um zu checken, dass der Tubus liegt, bzw. dass man ein bisschen an der Beatmung drehen muss?!


    Nein, die Kapno ist ein indirekter Parameter fürs Herz-Kreislaufsystem (z.B. Effektivität der HDM, ROSC...), der Beatmung in korrellation zum Stoffwechsel (hypo/Hyperkapnie), ggf. auch Dokumentation einer Therapie (milde Hyperventilation bei V.a. Hirndruck) usw. - bei einem spontanatmenden Patienten kann damit auch die Atemfrequenz überwacht werden - Von daher finde ich die Dokumentation der Werte schon sinnvoll.

  • Auch wenn solche Erhebungen zu begrüssen sind, sollten auch solche Zahlen hinterfragt werden. Speziell bei der Auswahl des Transportziels von Polytraumen sollte berücksichtigt werden, dass mit dem Schwarzwald und der Schwäbischen Alb ein erheblicher Teil des Landes durch Gebirgsstrukturen gekennzeichnet ist und nicht jedes Trauma-Zentrum in adäquater Zeit, vor allem bei Nacht (und vielleicht noch bei schlechtem Wetter), erreichbar ist. Da wird es evtl. auch mal notwendig sein, primär ein Kreiskrankenhaus anzufahren, wenn das nächste Trauma-Center erst nach einer Stunde Transportzeit erreicht wird.


    Das ist tatsächlich nicht so der Faktor. Durch die hohe Anzahl an Klinikschließungen im Südwesten kommst du in weiten Teilen des Schwarzwaldes ganz automatisch in ein Traumazentrum (Freiburg, Offenburg, Villingen-Schwenningen, Karlsruhe), da dies einfach die einzige verbliebene Klinik ist. Einzig im äußersten Südschwarzwald käme man hier ggf. noch in die Versuchung, da hier noch einige kleinere Häuser übrig sind (Waldshut, Neustadt).
    Das Problem ist wohl eher dahingehend zu bewerten, dass man an einigen Orten zwanghaft versucht das eigene Haus zu stützen bzw. dies einzubeziehen.

  • Zitat

    Das wäre echt der Hammer, wenn das wirklich so wäre.


    Das war aber auch mein erster Gedanke.


    Zitat

    Warum sich die Arbeit machen Werte zu erheben wenn man diese nicht dokumentiert?


    Abneigung gegen Bürokratie, fehlendes Verständnis für die doppelte Bedeutung der Dokumentation, Vergessen der "weniger wichtigen" (weil unauffälligen) Werte bei der nachträglichen Erstellung der Dokumentation auf dem Transport.