RD Schweiz - Paramedic vs. NA-System - quo vadis?

  • SG hat seine Studie auch auf der DINK vorgestellt, ich schätze dass es 2014 oder 15 gewesen ist. Hat wohl damals für etwas Unruhe geführt. Vielleicht findest du dort etwas.


    Ich kann aber das ganze kurz zusammenfassen, falls es interessiert.

  • Ein paar Details:


    Die Studie wurde mit Genehmigung der Ethik-Kommission erstellt, da hierzu die Weitergabe von Daten erforderlich gewesen sind.
    Es wurden rund 200 Einsätze (NACA-4 und höher) ausgewertet und mit den Berichten der aufnehmenden Spitäler verglichen.
    Es handelt sich hierbei um ein Regionalspital, ein Kantonsspital, eine Universitätsklinik und ein privates geführtes Krankenhaus mit hohem Versorgungsstandard.
    Knapp 170 Fälle konnten ausgewertet werden.
    Alle Einsätze wurden von dipl. Rettungssanitätern geleitet.
    Es gibt die Möglichkeit eines Telefonsupport 24/7 durch einen leitenden Arzt Anästhesie
    Delegierte Massnahmen werden regelmässig, min. 1 mal im Jahr überprüft u. ggf. auch verändert..
    Protokolle aber NACA 4 werden grundsätzlich vom ärztlichen Leiter überprüft.


    Von Interesse war die Zuverlässigkeit der rettungsdienstlichen Arbeitsdiagnose gegenüber der klinischen Diagnosenstellung (Zeitpunkt: das Verlassen der Notaufnahme).
    Zeitmanagement.
    Wurden Algorithmen entsprechend der Arbeitsdiagnosen angewandt.


    Verschiedene Fazit wurden gezogen:



    In rund 4 % aller Notfalleinsätze könnte ein Notarzt einen Benefit für den Patienten darstellen! Um in diesen wenigen Fällen überhaupt einen Nutzen für den Patienten zu erbringen, sind die geforderten Anforderungen an den Notarzt (CH/D) nicht ausreichend. In diesem Fall ist ein besonders erfahrender Intensivmediziner notwendig, welcher permanent eigenverantwortliche Entscheidungen in diesem Umfeld trifft - also im Prinzip Facharzt mit langjähriger Erfahrung Intensiv/Anästhesie/Notaufnahme.


    Möglicherweise profitiert der Patient in dieser Gruppe eher von einem schnellen Transport, als von einer Versorgung durch einen high-performance-Notarzt - dies wurde in der Studie nicht speziell untersucht, jedoch vom Autor angesprochen.


    75 % der gestellten Arbeitsdiagnosen (an einem sehr strengen Raster gemessen) waren korrekt gestellt. Bei Abweichungen kam es zu keinen Schädigungen des Patienten. Also wurde ein ACS vermutet und entsprechend behandelt, dieses sich jedoch später als eine Interkostalneuralgie entpuppte, war dies eine falsche Diagnose - die Behandlung hatte aber keine Nachteile für die Patienten (Bsp). Damit liegt die Zuverlässigkeit präklinischen Arbeitsdiagnosen auf der selben Ebene, wie in anderen präklinischen Systemen.


    Am häufigsten wurde eine Sepsis übersehen.
    Die meisten Abweichungen waren: ACS vs.skelettomuskuläres Problem und Schlaganfall vs. Hirnblutung


    Die Frage, ob sich in Anbetracht dieser Zahlen eine finanziell aufwendige Notarztvorhaltung rechtfertigt - dies bei vorhandener zuverlässiger Luftrettung - stellt der Autor soweit zur Diskussion.

  • Sepsis: hätte retrospektiv ein qSOFA Score geholfen?


    CVI vs. ICB warum wurde das als Fehler definiert? Ist ja quasi beides SR und cCT
    Hätte man das nicht fusionieren können oder müssen, ausser es ist ein CT präklinisch vorhanden?



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    Oscar Wilde, irischer Schriftsteller, 1854 - 1900


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  • Zitat

    Macht doch schon einen gewaltigen Unterschied, ib ich mich präklinisch für ein Haus mit oder ohne Neurochirurgie entscheide.


    So ist es und zwischen CVI und ICB kann man präklinisch i.d.R. schon unterscheiden und gehören dann wo anders hin als der "normale" CVI, wobei meines Wissens nach die AHA als Zielspital eines mit Neurochirurgie favorisiert.


    Aber interessante Studie und deckt sich auch mit meinen Erfahrungen im Einsatzalltag. Ich verstehe den Sinn nicht warum man ein gut Funktionierendes System mit RS/Anästhesie, wie zB im Aargau, durch ein NA System ersetzen will. Wobei das ja zum Glück erst mal Hinfällig geworden ist, versucht bzw die Planung war da.

  • So ist es und zwischen CVI und ICB kann man präklinisch i.d.R. schon unterscheiden und gehören dann wo anders hin als der "normale" CVI, wobei meines Wissens nach die AHA als Zielspital eines mit Neurochirurgie favorisiert.


    Aber interessante Studie und deckt sich auch mit meinen Erfahrungen im Einsatzalltag. Ich verstehe den Sinn nicht warum man ein gut Funktionierendes System mit RS/Anästhesie, wie zB im Aargau, durch ein NA System ersetzen will. Wobei das ja zum Glück erst mal Hinfällig geworden ist, versucht bzw die Planung war da.


    naja gut ist immer relativ. Wenn ich wie aus guter Quelle weiss, dass es einige RD gibt, die nicht immer den Anästhesie Pfleger stellen können, oder ein anderer RD mit seinem Anästhesie NEF nur zum eigenen Personal ausrücken darf, dann halte ich das nicht für gut.


    Das andere ist die Kostenseite. Wenn ich jede Ambulanz mit RS und Anästhesie/RS besetze, dann muss ich fragen, ob das noch gerechtfertigt ist.

  • Ja meistens kann man unterscheiden
    Aber ich war auch nach 4 min mal bei einerm Massennbluten was auch ein CVI hätte sein können. Ohne GCS Minderung, Schmerz oder Trauma. Aber das ging damals eh in die Uni



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  • Ja meistens kann man unterscheiden


    Das ist ein Observer-Bias.


    Wenn mich mein Gedächtnis nicht täuscht dann liegt der Anteil der Blutungen bei ca. 20%, der der cerebralen Ischämien bei 80 % (ohne Trauma etc!). Wenn du nach der Devise handelst: Der hat eine Blutung, dann liegst du in ca. 80 % der Fälle falsch. Wenn du sagst der hat ne cerebrale Ischämie, dann biste in 80 % richtig.
    Das führt dazu, dass du gefühlt bei den meisten Patienten, es "richtig" einschätzen kannst.


    Tatsächlich aber ist es so, dass man diese Patienten nur durch ein rasches CCT detektieren/differenzieren kann. Daher wäre es durchaus sinnvoll Neurologie und Neurochirurgie an einem Ort zu bündeln. In Deutschland ist das leider in der Fläche historisch bedingt nicht immer möglich, da die Neurologie den "Nervenärzten" entspringt und oftmals an die Psychiatrie angelehnt waren. Das bedeutet viele alte neurologische Kliniken waren weit von den "richtigen" Krankenhäusern entfernt. Das bessert sich aber aktuell. :-)


    Ich persönlich bringe einen Patienten immer am liebsten an einen Ort, wo beides vorgehalten wird. Wenn ich nun diese Möglichkeit nicht habe, liege ich aber rein statistisch gesehen, mit der Stroke Unit primär richtig. Auch muss nicht jede Blutung, wenn es sich um ein fokalneurologisches Defizit handelt, immer operativ versorgt werden. Hier spielen die Lokalisation der Blutung und das Ausmaß eine Rolle.


    Bei den cerebralen Ischämien hat man aber immerhin die Illusion der zeitnahen Lyse bzw. der Thrombektomie.


    Bei den tief bewußtlosen Patienten wiederum ist es meiner Meinung nach anders. Da würde ich grundsätzlich zur Neurochirurgie tendieren. Da geht es dann bei Hirndruck um jede Minute.
    Wobei der Patient im Falle einer Basilarristhrombose in der Neurochirugie leider auch schlechte Karten hat... außer man entscheidet sich couragiert zu einer Lyse.


    --> Man kann sich präklinisch mit der Entscheidung und den Konsequenzen nie zu 100% sicher sein.

  • "Ich persönlich bringe einen Patienten immer am liebsten an einen Ort, wo beides vorgehalten wird."


    ich sehe das auch so.... das meinte ich auch mit meiner Aussage
    leider eben örtlich bedingt nicht immer möglich

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  • Worin liegen denn die Vorteile eines Systems mit RS/Anästhesie gegenüber einem System mit "nur" RS HF?


    Auch wenn die Fragestellung in der Arbeit von Dr. Graf nicht behandelt wurde, so wurden die darin ausgewerteten Behandlungen in der Regel durch RS HF durchgeführt, oder sehe ich das falsch?

    Views and opinions are my own.


    “The electric light did not come from the continuous improvement of candles.” - Oren Harari

  • Die Studie von Dr. Graf fand in einem Rettungsdienst statt, der keine Anästhesie/RS kennt (genau genommen, gibt es im Spital einen Anästhesiepfleger, der auch RS ist). Die Anästhesie-Pflege ist dort - streng genommen - ausschliesslich für das Airway-Management (Narkose) zuständig und auch nicht für alle Einsätze und Standorte verfügbar. Eine Leitung des Einsatzes durch die Anästhesie ist nur bei Notfall- und Intensivverlegungen vorgesehen gewesen.


    Daher lässt sich ein grundsätzlicher Benefit des Anästhesie/RS nicht aus der Studie ermitteln. Aber es ist richtig, dass die Einsätze unter Leitung eines RS durchgeführt worden sind.


    Da Dr. Graf zwischenzeitlich ÄLRD mehrerer Rettungsdienste ist (auch mit Anästhesie/RS), wäre dies sicher eine interessante Anregung für eine aufbauende Studie. Ich spreche ihn an, wenn ich ihn das nächste Mal sehe.

  • Vielleicht noch eine kurze Erklärung an die Kollegen aus Deutschland - falls noch jemand von euch mitlesen sollte (Hände hoch):


    Der Anästhesie/RS ist keine Person, die als Notarzt-Ersatz oder in "Notarzt-Kompetenz" ausrückt!


    Eine solche Definition hört man gelegentlich, praktisch nur von Personen, die von nördlich des Rheins kommen (und ich meine hier nicht Schaffhausen). Es handelt sich hier um einen im korrekten Terminus "dipl. Experten Anästhesie NDS" mit der Ausbildung Rettungssanitäter (also entweder RS mit Anästhesie oder Pflegefachperson mit Anästhesie-Ausbildung und RS).


    Ihm wird, ebenso wie dem TS/RS, ärztliche Massnahmen delegiert, d.h. eine Behandlungsfreiheit, wie es Ärzten zusteht (in der Schweiz nur Ärzten mit FMH-Titel, also Fachärzten) gibt es nicht. Also darf auch nur die Anästhesie Massnahmen durchführen, die delegiert sind. In welchem Umfang obliegt dem ÄLRD.

  • Hand hoch ;)



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