AOK BW will "KTW-light" einführen

  • Eine aktuelle Pressemitteilung der AOK Baden-Württemberg:


    "Notfallversorgung: Neue Fahrzeugklasse soll helfen, Leben zu retten


    Stuttgart, 6. Februar 2017 Trotz
    umfangreicher Investitionen der Krankenkassen: Immer noch kommen zu viele Rettungswagen
    in Baden-Württemberg bei Notfalleinsätzen zu spät – zumindest gemessen an der
    sogenannten Hilfsfrist, die als wichtiger Teil der Rettungskette definiert, wie
    viel Zeit zwischen dem Notruf und ihrem Eintreffen der Rettungskräfte am
    Unglücksort verstreichen darf. Neben der wachsenden Zahl von Einsätzen liegt einer
    der Gründe im System: „Zu oft werden Rettungswagen für andere Zwecke wie beispielsweise
    Krankentransporte eingesetzt und stehen so nicht für wichtige Notfalleinsätze
    zur Verfügung“, vermutet Enrique-Dietrich Vetter, Rettungsdienst-Experte bei
    der AOK Baden-Württemberg. Ein neues Modell der AOK Baden-Württemberg
    verspricht Abhilfe.



    In Baden-Württemberg werden jedes Jahr
    rund 800.000 Mal Patientinnen und Patienten, die nicht mehr selbstständig mobil
    sind, per Krankentransport von Klinik zu Klinik oder auch von zuhause zu einem
    Arzttermin gefahren. Zu oft, so Vetter, würden für diese sogenannten
    Krankentransporte Rettungswagen eingesetzt. „Dabei sind 50 Prozent der Krankentransporte
    unkritische Entlassfahrten von der Klinik nach Hause, für die selbst ein
    Krankenwagen eigentlich viel zu umfangreich ausgestattet ist.“ Das nehme der
    Notfallrettung die nötige Flexibilität, denn die verbleibenden Rettungswagen
    müssten dadurch häufig längere Wege zu den Notfallpatienten zurücklegen als
    nötig.


    Gemeinsam mit dem Arbeiter-Samariter-Bund
    (ASB) Baden-Württemberg e. V. hat die Südwest-AOK daher eine neue
    Fahrzeugklasse entwickelt, die beispielsweise bei Klinikentlassungen oder
    Arztbesuchen zukünftig Transporte mit übernehmen soll. Der sogenannte KTW-light
    gewährleistet den Patienten die notwendige medizinische Sicherheit und die
    Trageunterstützung, benötigt allerdings weniger medizinische Ausstattung als
    Kranken- und Rettungswagen. „Wir gehen davon aus, dass der KTW-light schon in
    diesem Jahr zehn Prozent der Krankentransporte übernehmen wird und so die
    Krankenwagen und damit die Rettungswagen spürbar entlastet“, prognostiziert
    Vetter. Er wird bereits 2017 nahezu flächendeckend eingesetzt.


    Der KTW-light ist mit zwei medizinisch geschulten
    Personen besetzt, von denen eine mindestens ein ausgebildeter Sanitäter oder
    eine ausgebildete Sanitäterin ist. An Bord finden sie alles, was sie für den
    Transport benötigen. Dazu gehören eine Krankenfahrtrage und ein Tragestuhl
    ebenso wie ein automatisierter externer Defibrillator (AED) für den Notfall. „Die
    Patientensicherheit besitzt für uns dabei oberste Priorität. Jeder KTW-light
    muss, bevor er zum Einsatz kommt, vom TÜV überprüft und abgenommen werden“, so
    Vetter. Im Unterschied zu Kranken- und Rettungswagen fällt der KTW-light allerdings
    nicht unter das Rettungsdienstgesetz. Er besitzt daher kein Blaulicht und ist
    nicht über Funk mit der Leitstelle verbunden."

  • Dann müssen ja nur noch die Krankenhäuser, Arztpraxen ect. auch das richtige "Rettungs"mittel bestellen...
    Oft wird doch einfach aus bequemlichkeit die 19222 angerufen, anstatt dem Zustand des Patienten entsprechend die schon bestehenden unqualifizierten Krankentransportunternehmen zu bemühen.

  • Was ich an der ganzen Sache nicht verstehe:


    Wenn ein KTW-light kommt, dann wird der doch sicherlich einen niedrigeren Tarif bezahlt bekommen, als ein "echter" KTW. Und dafür soll ich dann ein Fahrzeug unterhalten, dass außer Blaulichter und BOS-Funk alles auch an Bord haben soll (AED, Trage, Tragestuhl...). Und da ich den beiden Besatzungsmitgliedern auch Mindestlohn bezahlen muss, spare ich doch nicht wirklich viel Geld.


    Den einzigen Vorteil sehe ich darin, dass ich mehr Einfluss auf die Disposition nehmen könnte. Aber eine Zentrale zu unterhalten kostet doch auch Geld.


    Der KTW-Tarif ist doch in BW eh schon so knapp bemessen, wie soll denn da der Tarif für den KTW-light aussehen.


    Das erscheint mir völlig der falsche Weg zu sein. Besser wären auskömmliche KTW-Tarife, ganz besonders in den Rand- und Nachtzeiten. Und unbedingt bräuchte es z. B., eine Zusatzpauschale, wenn nach einer Infektfahrt der KTW 1 Stunde desinfiziert wird. Das alles bringt nämlich die Wirtschaftlichkeit so an den Rand, dass keine Luft da ist, um z. B. auch nachts einen KTW zu besetzen.


    Eddy

  • In "meinem" Kreis in Brandenburg hat ein Gutachten ergeben, dass der KTW kaum ausgelastet ist. Also hat man die KTW Vorhaltezeit verkürzt, und einen weiteren RTW in den Dienst genommen. Ihr könnte ja mal raten, womit die drei RTWs nun den ganzen Tag beschäftigt sind. (Tipp: Leben retten ist es nicht!)





    :mauer:

    Under pressure, you don't rise to the occasion. You sink to your level of training.

  • Zitat

    Ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll....


    Lachen bekommt dir besser :)


    Gesendet von meinem SM-G930F mit Tapatalk

    Wenn man tot ist, ist das für einen selbst nicht schlimm, weil man ja tot ist. Schlimm ist es aber für die anderen...
    Genau so ist es übrigens wenn man doof ist...

    Einmal editiert, zuletzt von DaniRA ()

  • Ich halte das für einen Versuch, auch weiterhin die Ausbeutung von FSJlern und Bufdis im Krankentransport zu ermöglichen. Ein nennenswerter Unterschied zu einem KTW heavy fällt mir jedenfalls nicht ins Auge.


  • Das Modell ist ganz einfach erklärt: Der KTW "light" unterliegt wie angesprochen nicht dem RDG. Dementsprechend können die Kassen hier deutlich freier den Tarif festlegen und schön darauf bauen, dass sich alle unterbieten. Außerdem wird mit Sicherheit bei den Personalkosten gespart. Wenn man genau hinsieht steht nämlich dort etwas von einem "Sanitäter", nicht Rettungssanitäter" als Beifahrer. Faktisch wird das vermutlich so aussehen, dass ein SanH/RDH sowie ein "geeigneter Fahrer" das Ding besetzen, ich wette auf einen FSJ+eine Mindestlohnkraft oder zwei FSJ.
    Das teure am KTW ist nicht die Ausstattung, diese stellt auf die Laufzeit berechnet kaum den Kostenfaktor dar. Das teure ist das Personal, die Betriebskosten und zu einem viel geringeren Anteil das Grundfahrzeug . die medizinische Ausrüstung macht über die Laufzeit unter 5% der Kosten eines Fahrzeuges aus. In diesem Modell dürften es eher 1-2% sein.


    Was die Gebühren angeht: Die Kassen stehen grade massiv unter Druck die KTW Tarife zu erhöhen da der Einfluss auf die Notfallrettung nicht mehr abzustreiten ist. Mit Ausnahme des ASB gibt es hier eine deutliche und harte Front von Seiten der Leistungserbringer gemeinsam mit den Behörden.
    Dementsprechend kann es auch einfach sein, dass die AOK auf diesem Weg versucht die "derzeitigen" Tarife weiter zu tragen - Für Rund 60€ und mit dem oben genannten Personalmodell ist durchaus ein "grade so" wirtschaftlicher Betrieb machbar (Außerdem sparst du dir die Leitstellenvermittlungsentgelte ein).


    Es ist übrigens eben grade kein "BTW"/"unqualifizerter Krankentransport". Es ist genau das nicht. Diesen gibt es ja schon und dieser ist -ironischer Weise- in BaWü stellenweise ja gleich teuer oder teurer als der qualifizierte KTW. Es ist ein direkter Angriff auf den KTW, da der qualifizierte KTW eben bis jetzt oftmals über genau die Leistungen definiert wurde die der "semi-qualifizierte KTW" auch erbringen kann. Es ist damit ein direkter Angriff auf den KTW Markt und damit auch auf die Stellensituation der hauptamtlichen RS.


    Um es mal klar zu sagen: Ein RDL eines befreundeten Landkreises hat mal für sich durchgerechnet, dass er 22 Mann entlassen müsste wenn der "KTW light" in seiner schlimmsten Ausprägung kommt.


    So long,
    Krumel


    PS: erinnert sich noch jemand an meinen Beitrag zum Thema DRK in BaWü und welche Organisation ich da als verstärkter Preis-nach-unten-Treiber benannt hab?

  • Den einzigen Vorteil sehe ich darin, dass ich mehr Einfluss auf die Disposition nehmen könnte. Aber eine Zentrale zu unterhalten kostet doch auch Geld.


    Eddy

    Wo der ASB in BaWü den Vorteil einer schon existierenden Zentrale für den unqualifizierten KTP / IKTP hat.
    Und das ASB BaWü ist ja so wie ich das Lese, der Hauptinitiator dieser Idee....

  • Nach meiner vorläufigen Einschätzung hätte die Einführung des AOK-Modells folgende Konsequenzen:


    Der KTW-light unterfällt nicht mehr dem Rettungsdienstgesetz, sondern dem Personenbeförderungsgesetz. Hieraus folgt:

    - Es existieren keine gesetzlichen Vorgaben zur Qualifikation und Fortbildung des Personals,
    - es besteht keine gesetzliche Verpflichtung mehr, dass eine Person den Patienten während der Fahrt betreut,
    - es besteht kein Schiedsverfahren bzgl. der Tarife mehr,- es besteht für diese Fahrzeuge keine Betriebspflicht mehr,
    - das Vermittlungsmonopol der Leitstelle entfällt, sodass der Patient/das Krankenhaus direkt beim Anbieter "bestellen" muss,
    - es fällt keine Vermittlungsgebühr der Leitstelle an, die derzeit bei ca. 20-30 EUR liegt.


    Es besteht die Gefahr, dass der qualifizierte Krankentransport durch nicht auskömmliche Tarife faktisch abgeschafft wird, da es keine Anbieter mehr gibt die diesen durchführen. Somit bliebe nur noch der billigere KTW-light.


    Insbesondere mit dem Begriff KTW-light erweckt man den Eindruck, dass es sich um einen qualifizierten Krankentransport handelt.

    Möglicherweise drohen den Ärzten Regresse, wenn sie anstatt einen "normalen" KTW bestellen, anstatt einen KTW light, sodass die Ärzte - um das Riskio eines Regresses zu vermeiden - auf den „KTW-light“ zurückgreifen, obgleich der Patient eigentlich mit einem echten qualifizierten Krankentransport transportiert werden müsste.

    Die Krankenhäuser sind im Rahmen des Entlassmanagements auf schnell verfügbare Transportmittel angewiesen, sodass die Gefahr besteht, dass Patienten nicht das für sie nach den Krankentransport-RiLi angedachte Transportmittel erhalten. Insbesondere im Hinblick auf Infektionstransporte sehr problematisch.

    Die Anbieter müssen im Rahmen der Personalplanung keine Rettungssanitäter mehr vorhalten, sondern es genügt ein Sanitätshelfer. Und zur Not könnte man auch medizinisch völlig unausgebildete Kräfte einsetzen. Dann würde man vielleicht gegen den Vertrag mit den Kassen verstoßen, jedenfalls aber nicht gegen geltendes Recht. D.h. selbst wenn unqualifiziertes Personal eingesetzt würde, könnte die Aufsichtsbehörde nichts dagegen tun.

  • Möglicherweise drohen den Ärzten Regresse, wenn sie anstatt einen "normalen" KTW bestellen, anstatt einen KTW light, sodass die Ärzte (...) auf den „KTW-light“ zurückgreifen, obgleich der Patient eigentlich mit einem echten qualifizierten Krankentransport transportiert werden müsste.


    Bei den meisten Krankentransporten dürfte es sich um keine wirklich qualifizierte Dienstleistung handeln, sondern um einen Transport von A nach B. Der Händedruck zur Begrüssung ist doch oft das Maximum an medizinischer Leistung.


    Ob man allerdings mit dem KTW-light wirklich Geld sparen kann, wird sich zeigen. Viel schlechter, als ein RS (D) im Krankentransport kann man ja eigentlich nicht mehr verdienen.

  • Das Argument mit dem KTW-light die Hilfsfristen verbessern zu wollen, wird genau zum Gegenteil führen.


    Die echten KTW´s werden immer weniger Auslastung erfahren, der Anteil an unwirtschaftlichen Transporten wird dabei zunehmen. Infektfahrten mit nachfolgender Desi werden die KTW-light-Unternehmen bei Möglichkeit ablehnen. Auch Fahrten, wie z. B. Heimbeatmung... sind ja mit der KTW-Pauschale heute schon nur über den Ausgleich kurzer Transporte finanziell leistbar.


    Wenn aber das Verhältnis schwieriger Transporte zu einfacher Transporte immer schlechter wird, bedeutet dies automatisch den Wegfall weiterer echter KTW. Und von den Rand- und Nachtzeiten wollen wir mal gar nicht reden.


    Und damit werden wir wieder in ein Mehrzweckfahrzeugsystem gezwungen werden, nur dass die Autos dafür jetzt noch größer sind und ein Notfallsanitäter dabei sein muss. Und dafür wird man dann auch die Masse an Notfallsanitätern nicht finden.......


    Ein Teufelskreis. Keine Ahnung, was den ASB in BA.-Wü. reitet, für ein solches Projekt den Steigbügelhalter zu machen.


    Eddy

  • Ein Teufelskreis. Keine Ahnung, was den ASB in BA.-Wü. reitet, für ein solches Projekt den Steigbügelhalter zu machen.


    Wenns nicht so traurig wäre, wäre es zum Schmunzeln: Der SPD-nahe ARBEITER-Samariter-Bund fördert und fordert eine Preisdumping-Maßnahme mit Untergrabung der Mindestqualifikationsanforderungen beim Personal: möglichst billig, möglichst unqualifiziert, möglichst nah am Mindestlohn.


    Was sagen eigentlich die Gewerkschaften und Berufsverbände zu diesem als innovativ getarnten Angriff auf die ohnehin schlechte Struktur im Krankentransportwesen des Musterländles?


    Dieses ganze Projekt hat doch nur einen Zweck: noch billiger zu werden.
    Wer glaubt, dass dadurch Rettungswagen von Krankentransporten entlastet würden, glaubt auch an den Osterhasen.


  • Was sagen eigentlich die Gewerkschaften und Berufsverbände zu diesem als innovativ getarnten Angriff auf die ohnehin schlechte Struktur im Krankentransportwesen des Musterländles?



    Die wollen gerne Presslufthörner auf dem KTW-Light :greeting:

    “When I was a boy and I would see scary things in the news, my mother would say to me, "Look for the helpers. You will always find people who are helping.”


    • Fred Rogers

  • Auch wenn bei "uns" die KTW-Pauschalen um das dreifache höher sind wie in BaWü, so würden wir uns um mehr Sondermietwagen ("KTW-light") freuen. Denn die werden hier z.Zt. immer weniger (obwohl es noch viele davon gibt), so das wir immer mehr zu tun haben. Und ein sehr großer Teil der KTW-Fahrten sind tatsächlich keine richtigen KTW-Fahrten.


    Letztendlich ist es immer das gleiche, wenn man über Probleme im Bundesland BaWü liest. Ihr habt da unten einfach ein beschissenes Rettungsdienstgesetz. Der größte Fehler ist einfach, dass die Trägerschaft nicht bei Kreis bzw. der kreisfreien Stadt liegt. Und das niemand in der Politik die notwendigen Eier dazu in der Hose hat, dieses am Beispiel der anderen Vorbild-Bundesländer zu ändern (wo Rettungsdienst deutlich erfolgreicher funktioniert - zu mindestens was die Hilfsfristen betrifft), die Macht der Krankenkassen zu beschneiden und das (korrupte oder durch Vetternwirtschaft verseuchte) HiOrg/Lokal-/Landespolitik-System in die Schranken zu weisen. Wenn man hier immer so mitliest, dann bekommt man immer das Gefühl, dass man besser einen Bogen um Baden-Württemberg machen sollte. Zu mindestens wenn man krank werden sollte...


    Gruß

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • Ich habe das Falsche studiert...
    aber wie kann man noch billiger unterwegs sein, als einen KTW mit 2 FSJlern/Bufdis zu besetzen?
    Wollen die mir allen Ernstes sagen, dass die RS-Ausbildung in der Kalkulation noch einen großen Kostenfaktor darstellt?