Bundestag beschließt besseren Schutz für Be­amte und Rettungskräfte

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    Sicherheits- und Rettungskräfte werden künftig durch neue Straftatbestände geschützt. Diese sind in einem Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU und SPD (18/11161) enthalten, den der Bundestag am Donnerstag, 27. April 2017, mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen beschlossen hat. Das „Gesetz zur Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften" droht bei tätlichen Angriffen auf Polizisten, ermittelnde Staatsanwälte, Feldjäger und andere Sicherheitskräfte mit bis zu fünf Jahren Haft.


    Deutscher Bundestag

  • Zitat

    [...] gegen die der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen beschlossen hat.

    Was genau für Gründe haben den die Fraktionen der Linken und der Grünen eingebracht, die gegen ein Gesetz zum besseren Schutz (bzw. höhere Strafen) von Polizei, usw., sprechen?

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • Von den Linken weiß ich es nicht, bei dern Grünen hat man verlautbaren lassen, dass es sinnvoller sei wenn an anstatt eines "Sonderfalls" die bestehenden Rechtsrahmen nutzen würde und diese ggf. konsequenter einsetzen würde.

  • Was genau für Gründe haben den die Fraktionen der Linken und der Grünen eingebracht, die gegen ein Gesetz zum besseren Schutz (bzw. höhere Strafen) von Polizei, usw., sprechen?


    Mal davon ausgehend, dass der Rettungsdienst höchst selten mit einem klar kalkulierenden bewaffneten Räuber konfrontiert sein wird, sondern vielmehr mit Personen in einer Ausnahmesituation (Alkohol, Drogen oder schlicht überforderte Menschen) werden härtere Strafen nichts bringen und schon gar keinen besseren Schutz bieten. Die überlegen nicht im Sinne "für 6 Monate Knast mache ich es, für 2 Jahre nicht".


    Damit bleibt dem einzelnen Betroffenen höchstens die Befriedigung, dass der Täter besonders hart bestraft worden ist - aber dann stellt sich natürlich die Frage, ob wir jetzt von Strafe oder schon von Rache reden.


    Der bestehende Rahmen der richterlichen Möglichkeiten dürfte vollkommen ausreichend sein, wie es letztlich umgesetzt wird, ist eine andere Sache. Aber da sorgt die Gewaltenteilung für wenig Einflussmöglichkeiten.

  • Das förderalistische Problem ist ja eher, dass Gesetze auf Bundesebene auf verschiedene Mentalitäten und Ressourcen (sowohl in der Exekutive wie auch Jurisdiktion) in den einzelnen Bundesländern treffen.

  • Was genau für Gründe haben den die Fraktionen der Linken und der Grünen eingebracht, die gegen ein Gesetz zum besseren Schutz (bzw. höhere Strafen) von Polizei, usw., sprechen?


    Die Strafbarkeit des Widerstandes gegen Vollsteckungsbeamte diente ursprünglich auch mal dazu, auch den Täter zu schützen, weil dieser eventuell im Affekt, aus Angst oder aus einer Verzweiflungssituation heraus ein Polizisten o.ä. attackiert hat. Durch diese "Gesetzesverschärfung" wird der Vollstreckungsbeamter bzw. die "hilfeleistende Person" als schützenswerter im Vergleich zum normalen Bürger dargestellt. Attackiere ich nun einen Feuerwehrmann oder eine Polisten, werde ich härter bestraft als würde ich einen Mitbürger attackieren. Damit wird der Täterschutzgedanke des ursprünglichen Gesetzes konterkariert und der Polizist/Feuerwehrmann/Retter/... in eine exponierte Rolle gehoben. Daher finde ich die Argumentation, den vorhandenen Rechtsrahmen besser zu nutzen, anstelle mit drastischeren Strafen zu drohen durchaus schlüssig.


    PS: Widerstand gegen das staatliche Gewaltmonopol härter zu bestrafen als gegen Mitbürger ist tendentiell eher ein Merkmal autokratischer und weniger eine Merkmal demokratischer Staaten.

  • Mir ging es nicht (nur) um eure Gründe. Diese haben wir, wenn ich mich recht erinnere, schon einmal ausführlich besprochen. Ich bin tatsächlich an den genauen Gründen der beiden Fraktionen interessiert.


    Im übrigen streite ich einige Aussagen hier auch nicht ab. Ich würde es durchaus auch begrüßen, wenn vorhandene Gesetze (und Strafen) härter umgesetzt werden würden. Aber ich habe auch nichts dagegen einzuwenden, wenn die Gesetze (bzw. Strafen) härter werden. Auch wenn dieses, wie richtig bemerkt, bei einigen Personen (wie z.B. Securo diese genannt hatte) wohl nichts bringen oder verhindern wird. Auch finde ich, dass selbstverständlich auch der normale Bürger ein schützenswertes Gut ist. Jedoch begibt sich dieser wenn nur freiwillig in eine Gefahrensituation. Die BOS müssen sich Gefahren stellen (oder können sie ggf. nicht umgehen). Ich finde es daher auch nicht schlimm, wenn man uns Retter als besonders schützenwert definiert.


    P.S. Im übrigen hat ein Jurist vor einigen Tagen die Aussage (mündlich, ggü. Auszubildenen) getroffen, dass zukünftig eher mit einer Abnahme von harten Strafen zu rechnen ist, weil man eher eine Resozialisation anstrebt, diese mit harten Strafen nicht machbar wäre.


    Gruß

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • Ich bin tatsächlich an den genauen Gründen der beiden Fraktionen interessiert.


    Ähm, die stehen im Artikel. ;-)

  • Ach mist. Den hab ich vorhin noch nicht gelesen, als ich mit dem Handy drin war. :positiv:

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • Insbesondere die Argumentation der Linken finde ich auch schlüssig. Beim Thema Gaffer ist es ein wenig anders, da es sich hierbei tatsächlich um eine Rechtslücke handelt - eine Unterlassene Hilfeleistung ist beim "Gaffen am Feuerwehreinsatz" nicht mehr zu unterstellen. Bis jetzt waren wir dahingehend halt oft im OWi Recht-und das ist in Deutschland halt schon eher lasch.

  • Die Strafbarkeit des Widerstandes gegen Vollsteckungsbeamte diente ursprünglich auch mal dazu, auch den Täter zu schützen, weil dieser eventuell im Affekt, aus Angst oder aus einer Verzweiflungssituation heraus ein Polizisten o.ä. attackiert hat.


    Das ist eine valide Überlegung.


    Durch diese "Gesetzesverschärfung" wird der Vollstreckungsbeamter bzw. die "hilfeleistende Person" als schützenswerter im Vergleich zum normalen Bürger dargestellt. Attackiere ich nun einen Feuerwehrmann oder eine Polisten, werde ich härter bestraft als würde ich einen Mitbürger attackieren.


    Das aber eben auch. Zwei - meines Erachtens überzeugende - Gründe sprechen dafür:


    1. Insbesondere Vollzugsbedienstete können es sich im Gegensatz zum Mitbürger eben nicht aussuchen, ob sie aktiv werden wollen oder sich lieber heraushalten. Der Staat, der ihnen diese Aufgabe zuweist, ist dann auch verpflichtet, sie besonders gegen Übergriffe zu schützen.


    2. Wer Vollzugsbedienstete tätlich angreift, wendet sich damit nicht in erster Linie gegen die Person, sondern gegen das, wofür sie steht, nämlich die staatliche Ordnung. Und das ist problematisch, weil ein Rechtsstaat nur dann bestehen kann, wenn seine Entscheidungen grundsätzlich - und sei es auch unwillig - akzeptiert werden und nicht regelmäßig erzwungen werden müssen. Wenn gegen Falschparker nur noch Abschleppen und gegen Rotlichtfahrer nur noch Rammen hilft, wenn titulierte Forderungen nicht mehr bezahlt werden und der Gerichtsvollzieher den Schuldner an die Heizung fesseln lassen muss, bevor er pfänden kann, geht eine Gesellschaft in Chaos unter. Deshalb wieder auch und gerade in rechtsstaatlichen Demokratien der "Widerstand gegen die Staatsgewalt" schwerer als Auseinandersetzungen Privater untereinander.


    (Mir ist dabei durchaus bewusst, dass man das auch gegenläufig sehen und die Sichtweise in den Vordergrund stellen kann, dass jemand, gegen den soeben "Gesetze, Rechtsverordnungen, Urteile, Gerichtsbeschlüsse oder Verfügungen" vollzogen werden, sich in einer Ausnahmesituation befindet; wer einmal den Fahrer eines Oberklassefahrzeugs erlebt hat, dessen falsch geparktes "heilig's Blechle" gerade abgeschleppt wird, kann sich das sicher lebhaft vorstellen. :biggrin_1:)


    PS: Widerstand gegen das staatliche Gewaltmonopol härter zu bestrafen als gegen Mitbürger ist tendentiell eher ein Merkmal autokratischer und weniger eine Merkmal demokratischer Staaten.


    Dafür hätte ich gerne einen Beleg ...

  • Wer sich 1938 mit der GeStaPo angelegt hat...


    Ist das nicht ein bisschen übers Ziel hinaus? Es macht ja schon einen Unterschied, ob man z.B. wegen einer anderen Meinung zusammengeschlagen und verschleppt wird oder ob man helfende Kräfte, also z.B. Sanis und Feuerwehrleute aus welchen Gründen auch immer, angreift.


    Am Ende bleibt es noch, wie immer, bei einer individuellen Entscheidung durch einen Richter. Und das ist auch gut so. Wenn jemandem neben Drogen - oder Alkoholproblemen auch die besondere Ausnahmesituation bescheinigt wird, sollte man ihm das schon "anrechnen", also strafmildernd bewerten. Im Gegenzug sollte jemand schon härter Bestrafen, der grundlos auf Sanis einprügelt, einfach nur, weil sie eine Uniform tragen und damit "zum bösen System" gehören.

    “When I was a boy and I would see scary things in the news, my mother would say to me, "Look for the helpers. You will always find people who are helping.”


    • Fred Rogers

  • Die Frage ist, was denn den Ersthelfer, der dem am Boden liegenden Drogi hilft vom Rettungsdienstmitarbeiter unterscheidet.
    Beide haben die Verpflichtung zu helfen, mit dem Unterschied, dass man dem Rettungsdienstmitarbeiter ggf.unterstellen könnte er wusste worauf er sich einlässt.

  • Ist das nicht ein bisschen übers Ziel hinaus?

    nein. das bezog sich auf den letzten absatz von thh direkt darüber. wer sich in einem autokratischen system mit den vertretern der staatlichen gewalt angelegt hat, hatte immer ein überproportional großes problem. das gilt exemplarisch für das naziregime und auch für die DDR.

  • Zu 1.

    Insbesondere Vollzugsbedienstete können es sich im Gegensatz zum Mitbürger eben nicht aussuchen, ob sie aktiv werden wollen oder sich lieber heraushalten


    Etwas populistisch und drastisch ausgedrückt, könnte man sagen "Niemand muss Bulle sein!". Soll heißen: das Gesetz "schützt" die Institution Polizei und nicht das Individuum Polizeihauptkommissar Müller. Der Staat ist verpflichtet seine Bürger gegen Übergriffe zu schützen, dies tut er im StGB. "Den Polizisten" aufgrund von Befindlichkeiten von Individuen - wie z.B. dem unerträglichen Herrn Wendt - als schützenswerter zu betrachten als den normalen Bürger ist absurd. Überall wird proklamiert, die Gewalt gegen die Polizei nehme zu, ein Blick in die Statistik offenbart jedoch, dass die tätlichen Angriff eben nicht ansteigen. Das an den Türrahmen klammern, während der Gerichtsvollzieher mich durch die Polizei aus meiner Wohnung entfernen lässt, ist eine verständliche Reaktion, aber nun mal eine die Statistik nach oben treibende Widerstandandshandlung.


    Zu 2.
    Im StGB hat der Staat Spielregeln aufgestellt, die verhindern sollen, dass das von Dir genannte gesellschaftliche Chaos eintritt und stellt Zuwiderhandlungen unter Strafe. Zur Kontrolle der Einhaltung diese Regeln hat er die Polizei installiert. Die Polizei benötigt bestimmte Befugnisse um ihre Aufgabe nachkommen zu können, diese hat der Staat ihr auch zugesprochen. Über all dem steht jedoch das Grundgesetz, welches an sehr prominenter Stelle - und damit mit mutmaßlich sehr hoher Wichtigkeit - sagt, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind. Nun hat der Staat als Gesetzgeber gesagt, dass das Schubsen eines Polizisten drastischer zu bestrafen sei, als das Schubsen des Nachbarn. Natürlich könnte man sagen: der Polizist ist der Staat, den müssen wir schützen, aber da ist der Fehler in der Denkweise. Ja, der Polizist (als Individuum) ist der Staat, der Nachbar ist aber auch der Staat und der Busfahrer ebenfalls. Der Polizist als Institution ist ein Instrument des Staates, zur Überwachung der Einhaltung der Spielregeln. Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte richtet sich also natürlich gegen Staat, weil sich jede Zuwiderhandlung gegen das StGB gegen den Staat richtet. Ich weiß, dass Du das anders gemeint hast und ich weiß auch, dass die Polizei als Instituion als Zielscheibe gegen den Staat dient. Die Conclusio kann aber dann nicht sein, die Polizei als Individum als schützenswerter zu betrachten, sondern sie muss darin liegen, die bestehende Gesetze zum Schutze des Staates und zum Schutze seiner Bürger konsequent anzuwenden. Das Schubsen eines Polizisten oder das Wehren gegen eine Zwangsvollstreckung sind keine Akte, die den Staat und seine Ordnung ins Wanken bringen. Für staatsgefährdenden Straftaten gibt es Gesetze, ebenso wie für Gewalttaten an Individuen.



    Dafür hätte ich gerne einen Beleg ...


    Dafür habe ich jetzt keine valide Quelle, aber Clara Vicula hat schon ein prominentes Beispiel gebracht und rein gefühlsmäßig würde ich mich lieber in den Niederlanden oder Kanada mit der Polizei anlegen als in Russland, der Türkei oder in Saudi-Arabien, China, gar Nordkorea.
    Autoritäre Staaten sind in der Regel auch Polizeistaaten und ein maßgebliches Kriterium für einen Polizeistaat sind massive Repressionen bei Widerstandshandlungen und eine mangelhafte Gewaltenteilung.
    Nochmal überspitzt dargestellt - natürlich ist D kein Polizeistaat: die Initiative für die Verschärfung von §114StGB kam ganz massiv von Seiten der Polizei, die Exekutive hat die Legislative also unter enormen Druck gesetzt. Auch ein zu berücksichtigender Faktor bei der Bewertung dieses Gesetzes.

  • Wer sich 1938 mit der GeStaPo angelegt hat...

    Den Vergleich finde ich unpassend. Die Sanktionen die im Dritten Reich verhängt wurden sprengen in Relation zur DDR jegliche Vergleichsmaßstäbe. Im Dritten Reich reichten Angleichung und Gleichschaltung für viele Menschen nicht aus, um sich vor Verfolgung zu schützen. Auch hatte die Gestapo andere Aufgaben, als unsere Landes- oder Bundespolizei um die es ja bei der aktuellen Gesetzesänderung hauptsächlich geht.


    Zudem ist es in der Demokratie legitim, das auch die Exekutive sich für mehr Eigenschutz einsetzen darf. Auch dort arbeiten letztendlich Bürger wie wir alle. Ist ja nicht so, dass solche Rechte eingefordert wurden, die einen Polizeistaat/Autokratie ausmachen.

  • Auch dort arbeiten letztendlich Bürger wie wir alle.


    Du sagst es: wie wir alle. Ergo: keine Extrawurst bei der Strafandrohung.


    Clara Vicula hat übrigens nicht die Gestapo mit der Polizei verglichen, sondern ein Beispiel für ein autokratisches System/einen Polizeistaat genannt, in welchem Verfehlungen ggü. der Exekutive härter bestraft wurden als Verfehlungen gegen Mitbürger.

  • Den Vergleich finde ich unpassend.

    unpassend finde ich, dass du mir unterstellst, ich würde irgendwas vergleichen (wobei du ja eher gleichstellen meinst). nochmal: ich bezog den GeStaPo-kommentar auf die frage, ob man in autoritären systemen mit schärferen konsequenzen rechnen muss, wenn man widerstand leistet. und das trifft auf die beiden beispiele zu, die ich genannt habe: das MfS der DDR und die GeStaPo. ich habe keinen bezug zwischen den beiden hergestellt.