[…] Beim DRK im Kreis Rottweil versteht man die Welt nicht mehr. Fahrer von Rettungsfahrzeugen müssen bei Geschwindigkeitsübertretungen – im Einsatz – plötzlich Stellung beziehen. Das Landratsamt sorgt damit für gewaltige Irritationen
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Vorgehen des LRA völlig überraschend
DRK-Kreisverbandsgeschäftsführer Ralf Bösel zeigt sich auf Nachfrage unserer Redaktion höchst verwundert über das Gebaren des Landratsamts. Dies käme völlig überraschend. Er bestätigt: "Die Bußgeldstelle hat aktuell bei einzelnen Sonderrechtsfahrten eine Anhörung an die Mitarbeiter versandt, mit der Aufforderung einer Stellungnahme." Ihm seien vier Fälle bekannt.
Bei allen Mitarbeitern habe klar eine Einsatzfahrt mit Sonder- und Wegerechten vorgelegen. "Wir hatten dies der Bußgeldstelle auch nachgewiesen – dennoch wurden die Anhörungen an die Mitarbeiter versandt", erklärt er. Die Verunsicherung bei den Mitarbeitern sei nun groß.
DRK belegt Einsatzfahrten mit Sonder- und Wegerechten
Bisher, erklärt Bösel, sei das Vorgehen so: Gemessene Geschwindigkeitsüberschreitungen von Einsatzfahrten werden von der Bußgeldstelle an das DRK gemeldet und anhand der Alarmierungsdaten der Integrierten Leitstelle wird überprüft, ob die Fahrer mit Sonder- und Wegerechten unterwegs waren. "Diese Meldung geben wir an den Landkreis zurück und die einzelnen Verfahren werden folgend eingestellt. Diese Vorgehensweise wird in angrenzenden Landkreisen ebenso gehandhabt", betont Bösel.
Verweis auf Paragraf 35 der StVO
Zugrunde liege Paragraf 35 der Straßenverkehrsordnung (StVO): Fahrzeuge des Rettungsdienstes sind von den Vorschriften dieser Verordnung befreit, wenn höchste Eile geboten ist, um Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden.
Klar ist auch: Die Beachtung der Sicherheit und Ordnung ist von den Fahrzeugführern zu beachten. Dies sei den Mitarbeitern natürlich bekannt, betont der Kreisgeschäftsführer. Es würden zudem spezifische Fahrsicherheitstrainings durchgeführt.
Rechtlich gesehen ist kein Tempolimit definiert
Doch wie ist die rechtliche Lage? Ralf Bösel sagt: "Das offensichtlich neu angestrebte Verfahren des Landkreises wirft für uns Fragen auf. Rechtlich gesehen ist kein Tempolimit für Einsatzfahrzeuge, welche mit Sonderrechten auf Anfahrt sind, definiert."
108 Stundenkilometer innerorts
Zu den Fällen äußert sich Bösel zwar nicht im Detail, doch hinter den Kulissen ist zu erfahren, dass es sich bei den Geschwindigkeitsübertretungen unter anderem um Tempo 108 innerorts und um 68 km/h in einer 30er-Zone handelt. Zu schnell für ein Rettungsfahrzeug? Der Kreisverbandsgeschäftsführer erklärt, dass Maßstab bei den Einsatzfahrten stets die Sicherheit sei. Einsatzfahrten mit Sonderrechten könnten nicht rechtlich mit Privatfahrten verglichen werden. "Ist zum Beispiel ein Rettungswagen zu einem Kindernotfall unterwegs und durchquert dieser eine 30-er Zone, ist schnell die doppelte Geschwindigkeit und darüber erreicht", sagt er.
Grundsätzlich spielten das Verkehrsaufkommen, Straßen- und Sichtverhältnisse, Wetter, Übersicht, Uhrzeit und vieles mehr eine Rolle. Mittlerweile habe das DRK ein Schreiben an den Kreis "zur Aufklärung" gesandt.
DRK schreibt ans Landratsamt
Und was sagt die Behörde? Auf Nachfrage teilt Pressesprecherin Brigitte Stein mit: "Das Landratsamt arbeitet das Thema Überschreitung der Geschwindigkeit bei Nutzung von Wege- und Sonderrechten gerade grundsätzlich auf. Ziel ist, die Blaulichtfahrt, bei der es oft um Leib und Leben geht, und die Sicherheit im Straßenverkehr vernünftig abzuwägen." Auch bei der Nutzung von Wege- und Sonderrechten müsse die öffentliche Sicherheit und Ordnung gebührend berücksichtigt werden. "Es muss vermieden werden, dass ein unbeteiligter Dritter oder die Fahrer selbst zu Schaden kommen."
Dabei solle der bürokratische Aufwand für die Rettungskräfte in maßgeblichen Fällen möglichst gering sein, wird betont. Die Bußgeldstelle stelle nach Abwägung – insbesondere bei geringeren Überschreitungen – die Mehrzahl der Fälle vorneweg ein. Aber: "Als Grundlage für eine sachgerechte Ermessensentscheidung kann es erforderlich sein, weitere Informationen zusammenzutragen", heißt es in Bezug auf die neuen Anhörungen. "In Fällen erheblicher Überschreitung der zugelassenen Höchstgeschwindigkeit gilt dies umso mehr." Jeder Fall müsse einzeln geprüft werden.
"In der Regel" kein Führerscheinverlust
Die Angehörigen der Blaulichtfraktionen müssten "in der Regel" jedoch keinen Führerscheinverlust befürchten, heißt es – eine Formulierung der Behörde, die einen Führerscheinentzug damit nicht völlig ausschließt. Und weiter erklärt die Sprecherin: "Der Bußgeldbehörde obliegt in Sondersituationen, wie bei der Nutzung von Wege- und Sonderrechten, ein Ermessensspielraum, sodass von den im bundeseinheitlichen Tatbestandskatalog vorgesehenen Fahrverboten abgesehen werden kann."
Bösel: Strafzettel kann nicht sein
Was nun letztlich die Konsequenzen sein sollen, bleibt offen. Und es bleibt auch bei den DRK-Mitarbeitern die Frage, wie das Landratsamt ermessen will, welches Tempo bei einem Einsatz noch in Ordnung ist, und welches nicht?
Für DRK-Kreisgeschäftsführer Ralf Bösel ist klar: "Der Ausstellung eines Strafzettels mit Bußgeld steht die Befreiung der Rettungsfahrten nach Paragraf 35 StVO mit Wege- und Sonderrechten entgegen." Und: Von diesem Vorgehen müssten dann ja alle Blaulichtfraktionen betroffen sein: DRK, Feuerwehr, THW und Polizei. Man könne sich die Intention und Zielsetzung des Landkreises nicht erklären.
Inzwischen wurde von Seiten des DRK-Betriebsrats in Rottweil eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Leiterin der Straßenverkehrsbehörde eingereicht[…]
erschienen am 22.06.2022
Quelle: https://www.schwarzwaelder-bot…44-b563-91df1f7e185d.html