Kritik der Stuttgarter Ärzteschaft: Rufnummer 116 117 – "Patienten kommen nicht durch"

  • Das war zum damaligen Zeitpunkt bei hohen Infektionszahlen einer sehr gefährlichen Variante auch durchaus sinnvoll, um weitere Infektionen zu verhindern.

    Und wie wurde die ambulante Versorgung der Patienten sichergestellt?

    You know as well as I do decisions made in real time are never perfect. Don't second-guess an operation from an armchair. [Noah Vosen]

    Oldschool EMS. The Gold Standard of Ass Kickin'!

  • Und wie wurde die ambulante Versorgung der Patienten sichergestellt?

    Es ging bei den Patienten ja um die Covid-Erkrankung selbst, die entweder zu Hause mit Unterstützung von Paracetamol, Ibu, Novalgin und anderen Adjuvantien auskuriert werden kann oder bei schwerem Verlauf eingewiesen werden muss. Bei beidem ist letztlich kein Bereitschafts-Arzt vor Ort notwendig (vielleicht für ein Rezept, welches aber auch am nächsten Tag beim HA abgeholt werden kann). Wenn ein Patient schwere Symptome wie Luftnot hat und eingewiesen werden muss, reicht ein RTW zum Transport mit Sauerstoff aus, ansonsten natürlich auch unterstützt durch ein NEF.


    Aktuell ist die Situation ja eher so, dass die Patienten andere Erkrankungen haben und Covid lediglich begleitend auftritt. Ob man als Bereitschafts-Arzt hier auch ablehnen kann, würde ich bezweifeln.

  • Es ging bei den Patienten ja um die Covid-Erkrankung selbst, die entweder zu Hause mit Unterstützung von Paracetamol, Ibu, Novalgin und anderen Adjuvantien auskuriert werden kann oder bei schwerem Verlauf eingewiesen werden muss. Bei beidem ist letztlich kein Bereitschafts-Arzt vor Ort notwendig (vielleicht für ein Rezept, welches aber auch am nächsten Tag beim HA abgeholt werden kann).

    Hmm. Aber wäre der ärztliche Notfalldienst nicht die ideale Instanz, um zu beurteilen, ob eine Einweisung angebracht ist? Das war ja in vielen Fällen zweifelhaft. Und ich sehe da die gleiche Gefahrtragungspflicht wie beim Rettungsdienst. Schutzkleidung passt ja auch Ärzten.

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  • Hmm. Aber wäre der ärztliche Notfalldienst nicht die ideale Instanz, um zu beurteilen, ob eine Einweisung angebracht ist? Das war ja in vielen Fällen zweifelhaft. Und ich sehe da die gleiche Gefahrtragungspflicht wie beim Rettungsdienst. Schutzkleidung passt ja auch Ärzten.

    Da es bei Covid damals sehr viele sehr schnell schlechter werdende Patienten mit einer sehr hohen Sterblichkeit auch bei jüngeren gab, habe ich fast alle Patienten mit Dyspnoe mit in die Klinik genommen. Ich halte das auch heute noch für gerechtfertigt, selbst, wenn die Patienten nach mehreren Stunden wieder entlassen worden sind. Die Entscheidung zur Entlassung wurde dann aber nach einer mehrstündigen Beobachtung und weiterer Diagnostik getroffen und nicht nach einer kurzen körperlichen Untersuchung und einer SpO2-Ableitung für 15 Minuten.


    Wieso soll man zusätzlich Menschen, egal ob Arzt oder nicht, einem Infektions-Risiko aussetzen, wenn die Entscheidung zu einer Einweisung ohnehin bei deutlicher Symptomatik wie Luftnot feststeht? Was für einen Gewinn, außer dem Gefühl, dass andere sich ruhig auch dem Risiko aussetzen dürfen/ können, erwartest du dir dabei?

  • wenn die Entscheidung zu einer Einweisung ohnehin bei deutlicher Symptomatik wie Luftnot feststeht?

    Das war ja mitnichten bei allen Patienten der Fall. Viele hatten ja nur leichte Beschwerden. Dass ein Patient mit Dyspnoe in die Klinik gehört, steht ja außer Frage.

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  • Das war ja mitnichten bei allen Patienten der Fall. Viele hatten ja nur leichte Beschwerden. Dass ein Patient mit Dyspnoe in die Klinik gehört, steht ja außer Frage.

    Ja, und die können zuhause bleiben und durch überwiegend rezeptfreie Medikamente unterstützt, sich dort auskurieren. Wie bei einem grippalen Infekt ist hier ebenfalls kein Arzt vor Ort nötig.


    Deswegen sag ich ja: Leichte Symptome, kein hohes Fieber, keine Luftnot, keine Brustschmerzen o.Ä. -> im Bett auskurieren; hohes Fieber, Luftnot, Vigilanzminderung, starke körperliche Schwäche o.Ä. -> Klinik.


    Beide Entscheidungen können in einer Pandemie-Lage, wo Menschen ab 21 Uhr nicht mehr das Haus verlassen dürfen, viele Geschäfte schließen müssen, Ansammlungen von mehr als 5 fremden Personen (oder so ähnlich) verboten werden, in großem Maße medizinisches Personal krankheitsbedingt ausfällt, eine Übersterblichkeit von teilweise über 30 Prozent herrscht, es erst später einen wirksamen Schutz durch eine Impfung gibt, Operationen abgesagt werden, es einfach alles dafür getan wird, Kontakte zu vermeiden, dann auch gerne einmal ohne direkten Arztkontakt getroffen werden. Nicht umsonst durften auch Hausärzte erstmals über Telefon Diagnosen stellen. Warum müssen dann in dieser Ausnamesituation unbedingt sich noch ein Arzt und dessen Gehilfe einem Infektionsrisiko aussetzen, für eine Entscheidung, die über das Telefon anhand der Symptomschilderung nicht anders getroffen werden würde?

  • Wow. Um den ÄBRD Arzt zu schützen, betreibt man telefonisch mutmaßlich eine nicht unrelevante Übertriage und setzt damit den Rettungsdienst und die Kliniken unnötigen infektiösen Kontakten aus. Nett.

  • Das war auch mein Gedanke; dass der Rettungsdienst aufgrund diesen Verhaltens des ÄND (gleiches gab es auch rund um Hannover zu beobachten) unnötig / überbeansprucht wird. Obwohl ich Hilope auch verstehen kann bzw. seine Begründung (die ja auch nicht so falsch ist). Aber letztendlich wird die (ggf. unnötige) nicht auf einen Arzt des ÄND, sondern auf zwei Sanis des RD abgewälzt. Also anstatt einer Person werden zwei Personen einer ggf. unnötigen Infektionsgefahr ausgesetzt. Eigentlich nur eine Problemverschiebung.

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • Ich meine, dass die seit einiger Zeit nun auch Facharzttermine vermitteln über die 116117. Dieses war durch die Politik so gewünscht. Vielleicht ist das auch der Grund (oder einer der Gründe), warum es nun gar nicht mehr funktioniert. Anfangs konnte man die 116117-Fuzzies gut erreichen. Gut, entscheidungsfreudig und organisatorisches Geschick hatten sie noch nie. Aber schneller erreichbar war sie wenigstens.


    Vorteil "damals" war (als der ÄND noch lokal disponiert wurde durch die HiOrgs), dass es Direktleitungen für den kurzen Dienstweg gab. Auch waren Absprachen besser möglich oder auch Nachfragen zur konkreten Eintreffzeit. Sogar die Organisation eines "Ersatz-NEF" war so möglich (zwar ohne Blaulicht und nicht so extrem aufgerüstet, aber ggf. schnell verfügbar um einen RTW beistehen zu können). Zwar gibt es nun eine einheitliche Nummer, was mMn der einzige erkennbare Vorteil aus der ganzen Umorganisation des ÄND ist. Alles andere hat sich verschlimmbessert.

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • Die geheime Durchwahl haben wir als ILS schon länger. Mal geht es schnell, mal dauert es oder man wird rausgeworfen.
    durchstellen dürfen wir RD-Besatzungen aber keine Patienten. Da wird dann gemeckert.


    Die Ärzte bekommen schutzausrüstung durch die KV gestellt.
    Können also geschützt rein wie wir.
    trotzdem lehnen es viele ab.


    Beschwerden, welche wir einige schreiben, gehen an den LV DRK. Reaktionen?🙈


    alles in allem wäre der Rückbau in die ILS gut.

  • durchstellen dürfen wir RD-Besatzungen aber keine Patienten. Da wird dann gemeckert.

    Wieso nicht? Die 116117 stellt doch auch ständig Patienten zur 112 durch.

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • Was sind denn das für Call-Center? Machen die dann nur den ÄND oder bedienen die auch noch andere Branchen?

    Die Callcenter werden nach meiner Kenntnis von der KV betrieben und übernehmen nur diee Aufgaben. Neben der Vermittlung des ÄBD gehört dazu auch der Terminservice, der online oder eben auch am Telefon erfolgt; jedenfalls während der Corona-Pandemie, die jetzt ja bekantlich vorbei ist, war auch da die 116117 die Anlaufstelle für entsprechende Fragen.

  • Das war auch mein Gedanke; dass der Rettungsdienst aufgrund diesen Verhaltens des ÄND (gleiches gab es auch rund um Hannover zu beobachten) unnötig / überbeansprucht wird. Obwohl ich Hilope auch verstehen kann bzw. seine Begründung (die ja auch nicht so falsch ist). Aber letztendlich wird die (ggf. unnötige) nicht auf einen Arzt des ÄND, sondern auf zwei Sanis des RD abgewälzt. Also anstatt einer Person werden zwei Personen einer ggf. unnötigen Infektionsgefahr ausgesetzt. Eigentlich nur eine Problemverschiebung.

    doch, die ist gerade was COVID angeht sogar gefährlich falsch. Die stille Hypoxie kann nämlich nur durch eine genauere körperliche und apparative Untersuchung ausgeschlossen werden. meinem Verstädnis des ärztlichen Ethos entspricht das nicht (vor allem da man sich ja adäquat schützen kann). Das aber eine KV/ÄBD so vorgeht entscheidet, wundert mich leider nicht. Klar kann das auch durch den RD erfolgen. Aber der ist eine Hochwertressource und hat hier erstmal nichts zu suchen (wir reden hier vom nicht luftnötigen Patienten).

  • Wir haben hier sogar einen niedergelassenen Hausarzt (mit KV-Zulassung!) der die Behandlung von Covid - Patienten, zu Hause oder in der Praxis, anlehnt. Begründung: er wäre schon so alt, dass er selber zum Risikoprofil gehöre und daran halte er sich.

    Die Patienten dürfen aber gerne nach durchgestandener Infektion wieder zu ihm kommen. Bis dahin alles Gute und Ibu 600 hilft.

  • Wow. Um den ÄBRD Arzt zu schützen, betreibt man telefonisch mutmaßlich eine nicht unrelevante Übertriage und setzt damit den Rettungsdienst und die Kliniken unnötigen infektiösen Kontakten aus. Nett.

    Wow, damit nicht 100 sondern nur 98 Patienten in eine Notaufnahme kommen, riskiert man auch noch den Ausfall der ambulanten Versorgung und unnötige Infektionen von medizinischem Personal.


    Ja, den Rettungsdienst trifft es als Transport-Komponente, aber das geht eben nicht anders. Ich möchte doch noch mal denjenigen sehen, der einen Patienten in der damaligen Situation eher daheim gelassen als in die Klinik gebracht hatte.

  • Ich glaube, dass ihr verschiedene Patienten vor Augen habt. Es geht hier um Leute, die nicht offensichtlich ins KH müssen. (Nicht offensichtlich =/= offensichtlich nicht) Diese Patienten wirst du /hast du vermutlich kaum zu Gesicht bekommen.

  • Wir haben hier sogar einen niedergelassenen Hausarzt (mit KV-Zulassung!) der die Behandlung von Covid - Patienten, zu Hause oder in der Praxis, anlehnt. Begründung: er wäre schon so alt, dass er selber zum Risikoprofil gehöre und daran halte er sich.

    Die Patienten dürfen aber gerne nach durchgestandener Infektion wieder zu ihm kommen. Bis dahin alles Gute und Ibu 600 hilft.

    Erstens darf ein Hausarzt die Behandlung von Patienten ablehnen, zweitens ist es sicher nicht sinnvoll, einen infektiösen Patienten in eine Arztpraxis zu setzen und so 20 andere Personen zu gefährden und drittens ist bei den aktuellen Varianten Ibu und alles Gute auch die Therapie der Wahl.

  • Wow, damit nicht 100 sondern nur 98 Patienten in eine Notaufnahme kommen, riskiert man auch noch den Ausfall der ambulanten Versorgung und unnötige Infektionen von medizinischem Personal.


    Ja, den Rettungsdienst trifft es als Transport-Komponente, aber das geht eben nicht anders. Ich möchte doch noch mal denjenigen sehen, der einen Patienten in der damaligen Situation eher daheim gelassen als in die Klinik gebracht hatte.

    aber im Gegenzug den Ausfall Rettungswagen in Kauf nehmen? Der Vergleich hinkt doch sehr. Und wir reden hier nicht von 2 weniger in die Notaufnahme!
    Fakt ist doch, bekommt ein Arzt der Bereitschaftsdienst hat Kenntnis von einer medizinischen Erkrankung, diese primär keine lebensbedrohliche Lage aufzeigt, hat er sich zum Patienten zu bewegen, egal ob mit oder ohne COVID! Dafür wird er bezahlt.

    Wenn ein Rettungsmittel vor Ort, den ÄBD nachfordert, hat dies einen Grund. Seine Pflicht hat hier der Arzt nicht damit getan, das er nach Motto „Ihr seit doch sowieso schon, dann nehmt ihn kurz mit, sollen die sich es im Krankenhaus anschauen!“ verfährt. Und wenn man den Rettungsdienst/Notfallrettung komplett gegen die Wand fahren will, d ann vertritt und publiziert man weiter die Meinung, der Rettungsdienst fährt sowieso ins Krankenhaus…Solange Ärzte einen KTW und RTW nicht auseinander halten können, können sie auch erstmal die Hilfesuchende besuchen. Mit den Schutzausrüstungen welche sie von der KV gestellt bekommen haben.

    Nicht böse sein Hilope, aber auch Ärzte sind keine mehr zu schützenden Götter als jeder RD‘ler. Jeder hat seine Aufgabe und die hat er zu erfüllen.

  • Ja, weiß nicht, ist für mich eigentlich eine Art von Triage... In der Klinik werden die Patienten ja auch triagiert - und auch vor jedem Transport wird ein Patient (zumindest sieht das System es so vor) per se erst mal triagiert.


    These ist doch: COVID-Patienten waren auch telefonisch zu triagieren in "braucht einen Transport" oder "braucht IBU und eine Wärmflasche". Die ganzen Zwischenkategorien von "muss ich mir genauer anschauen, weil ich aufgrund des aktuellen AZ vielleicht ableiten kann, dass..." gibt es in der Darstellung oben ja nicht. Wenn wir in dem Bild bleiben heißt das, erweiterte Diagnostik oder Maßnahmen unter Arzt-Vorbehalt wird es vor Ort nicht geben. Lediglich die Entscheidung, ob der Patient transportiert werden muss oder IBU ausreichend ist. Die Entscheidung kann, so die These, aber auch am Telefon getroffen werden. Dann geht es doch nicht mehr darum, dass der Arzt sich "zu fein" ist, dem Infektionsrisiko auszusetzen. Dann geht es doch nur noch darum die knappe Ressource Arzt nicht einem unnötigen Infektionsrisiko auszusetzen. Zum Patienten "IBU reicht" fährt ja (zumindest denkt das System so) auch kein RTW. Nur zu "muss transportiert werden".


    Dass der Patient, der selbst gegoogelt hat und sich deshalb wirklich ganz sicher ist, dass er nicht nur COVID, sondern auch noch den äußerst gefährlichen transilvanischen Pockenvirusinfekt hat, im Anschluss doch noch einen RTW bekommt, weil er zusätzlich die 112 ruft, ist sicher die Schattenseite des Ausnahmefalls. Daran hätte allerdings auch der Bereitschaftsarzt leider eher nichts ändern können...