Bayern will Notfallsanitätern rechtssicheres Handeln ermöglichen

  • Zitat

    In Bayern haben die Durchführenden des Rettungsdienstes und die verantwortlichen Ärztlichen Leiter Rettungsdienst gemeinsam eine sogenannte Kompetenzmatrix zur Umsetzung der in § 2a des Notfallsanitäter-Gesetzes (NotSanG) aufgeführten Maßnahmen vorgelegt. Mit den darin aufgeführten drei Anwendungskategorien soll ein Überblick geschaffen werden, welche Maßnahmen durch Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter eigenverantwortlich durchgeführt werden können. Diese Maßnahmen setzen weiterhin voraus, dass zusätzlich ein Notarzt hinzugezogen wird. Zur Durchführung der Maßnahmen ist das Eintreffen des Notarztes allerdings ausdrücklich nicht abzuwarten

    Link zum Artikel auf skverlag.de


    Download der "Kompetenzmatrix für Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter in Bayern zu § 2a und § 4 Abs. 2 Nr. 1c NotSanG"

  • Mein persönlicher Eindruck: Zurück in 1989, genau so repressiv, nur wesentlich komplizierter und mit Abstand bürokratischer.

    You know as well as I do decisions made in real time are never perfect. Don't second-guess an operation from an armchair. [Noah Vosen]

    Oldschool EMS. The Gold Standard of Ass Kickin'!

  • Dafür wurde gestern der neue Bayern-RTW 2023 vorgestellt. Voll innovativ. Mit Heckwarnbeklebung, elektrohydraulischer Trage, Suchscheinwerfer und so. Nur der Sauerstoff muss immer noch kompliziert und wenig förderlich für den Rücken über den Patientenraum getauscht werden. Zu mindestens habe ich hinten links keine Außenklappe gefunden...

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • Es ist wirklich schwierig, nicht polemisch zu antworten...

    Ein vom Innenministerium in Auftrag gegebenes Gutachten hat kürzlich die Schließung von rund 60 Notarztstandorten in Bayern beschlossen.

    Seitdem ist die Presse wieder voll mit Artikeln, warum Patienten ohne die Anwesenheit eines seit zehn Jahren im Ruhestand befindlichen Allgemeinmediziners ohne nennenswerte Skills ohne Notärzte unterversorgt sind und Rettungssanitäter (sic!) ja nur lebenserhaltende Maßnahmen bis zum Eintreffen des Notarztes beherrschen.

    Meinem Eindruck nach wird durch Teile der Ärzteschaft inzwischen wieder deutlich offensiver kommuniziert, dass die Standardversorgung jedes Notfallpatienten (wobei "Notfall" besonders im internistischen Bereich hierbei sehr liberal definiert ist) durch den Notarzt zu erfolgen hat.

    Dazu passt auch das neue Hobby eines regionalen ÄLRD, nun bei jedem (!) Apoplex ohne Notarztnachforderung anhand der Status 4-Zeit nachzurechnen, ob eine Nachforderung ohne zeitlichen Verzug möglich gewesen wäre oder ob ein Rendezvous während der Fahrt, ggf. auch mit einem RTH, möglich gewesen wäre. Entsprechende Stellungnahmen werden dann natürlich eingefordert.

  • Mein persönlicher Eindruck: Zurück in 1989, genau so repressiv, nur wesentlich komplizierter und mit Abstand bürokratischer.

    Bei den Medikamenten / Maßnahmen ist doch nichts wirklich restriktives dabei?


    /E: Ok, ich hab mir nur die Matrix angeschaut und nicht gelesen, das trotzdem weiterhin immer ein NA hinzugezogen werden soll.

    Do your job right – Treat people right – Give all out effort – Have an all in attitude.

    ~ Mark vonAppen

    Einmal editiert, zuletzt von Spirou ()

  • Naja... als schnelle Beispiele:

    Warum jetzt Thiamin, dessen m.W.n. einzige Indikation bei der Wernicke-Enzephalopathie liegt (die im Rettungsdienst gleichwohl exotisch wie für den Unerfahrenen schwierig zu diagnostizieren ist) im grünen Feld ist, d.h. im schulischen Unterricht abschließend behandelt wird, dafür das deutlich wichtigere und regelmäßiger angewandte ASS oder Furosemid den Nachweis extraschulischer Kompetenzen erfordert, erschließt sich mir nicht so ganz.

    Und warum Levetiracetam und Ceftriaxon für den Notfallsanitäter unerreichbar sein sollen erschließt sich mir angesichts der überschaubaren Indikationen auch nicht so wirklich - wirkt alles etwas willkürlich.

  • Dazu passt auch das neue Hobby eines regionalen ÄLRD, nun bei jedem (!) Apoplex ohne Notarztnachforderung anhand der Status 4-Zeit nachzurechnen, ob eine Nachforderung ohne zeitlichen Verzug möglich gewesen wäre oder ob ein Rendezvous während der Fahrt, ggf. auch mit einem RTH, möglich gewesen wäre.

    Da kann man eigentlich nur noch Mitleid haben.

  • Naja... als schnelle Beispiele:

    Warum jetzt Thiamin, dessen m.W.n. einzige Indikation bei der Wernicke-Enzephalopathie liegt (die im Rettungsdienst gleichwohl exotisch wie für den Unerfahrenen schwierig zu diagnostizieren ist) im grünen Feld ist, d.h. im schulischen Unterricht abschließend behandelt wird, dafür das deutlich wichtigere und regelmäßiger angewandte ASS oder Furosemid den Nachweis extraschulischer Kompetenzen erfordert, erschließt sich mir nicht so ganz.

    Und warum Levetiracetam und Ceftriaxon für den Notfallsanitäter unerreichbar sein sollen erschließt sich mir angesichts der überschaubaren Indikationen auch nicht so wirklich - wirkt alles etwas willkürlich.

    Thiamin vielleicht deswegen;


    Zitat
    • Kernbotschaft: „Alle Patienten mit unklarer Bewusstseinsstörung sollten intravenös Thiamin erhalten.“

    https://news-papers.eu/?p=12424

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    ~ Mark vonAppen

  • Der Artikel klingt, bei allem Respekt, erst einmal sehr nach Einzelmeinung.

    Damit will ich keinesfalls ausschließen, dass Prof. Ittner nicht vollumfänglich richtig liegt, aber der Artikel nennt keinerlei Studien und ich kann mich auch nicht erinnern, abseits der genannten Wernicke-Enzephalopathie beim Alkoholkranken davon gelesen zu haben - was mich, wäre Thiaminmangel ein so wichtiger äthiologischer und prognostischer Faktor, etwas verwundert.

  • Dann steckt vermutlich die Thiamin-Industrie dahinter.

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    ~ Mark vonAppen

  • Was soll die Polemik?

    Nehmen wir für uns in Anspruch, evidenzbasiert zu handeln oder nicht?

    Und mir fehlt im Artikel eben diese Evidenz - plausible physiologische und biochemische Überlegungungen sind nur ein Teil davon.

  • Was soll die Polemik?

    Nehmen wir für uns in Anspruch, evidenzbasiert zu handeln oder nicht?

    Und mir fehlt im Artikel eben diese Evidenz - plausible physiologische und biochemische Überlegungungen sind nur ein Teil davon.

    Es wird mit Sicherheit Überlegungen geben warum Dinge da jetzt in welcher Spalte auftauchen. Die SOPs in meinem Bereich beinhalten auch keine Begründungen, warum etwas wie festgelegt wurde. Diese lassen sich aber idR durch Nachfrage erfahren.


    Zum Artikel von news-papers: Es handelt sich dabei um eine Zusammenfassung des dort genannten Artikels, der von mehreren Autoren geschrieben wurde und mit entsprechender Literatur untermauert wurde. Die Meinung ist nun auch kein bayrischer Sonderfall, sondern durchaus auch international vertreten. Siehe:


    Zitat

    Achtung! Bei Patienten mit potentiellem chronischem C2-Abusus / chronischer Mangelernährung sollte bei Hypoglykämie zusätzlich zu Glukose frühzeitig (spätestens in der Notaufnahme) Vitamin B1 (Thiamin) 100mg verabreicht werden.


    https://nerdfallmedizin.blog/2020/10/03/hypoglykamie/


    Zitat

    Suspect Wernicke encephalopathy in any patient that is at risk of malnutrition or malabsorption and has any one of the classic symptoms

    https://coreem.net/core/wernicke-encephalopathy/

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    ~ Mark vonAppen

  • Es handelt sich dabei um eine Zusammenfassung des dort genannten Artikels, der von mehreren Autoren geschrieben wurde und mit entsprechender Literatur untermauert wurde.

    Ich habe den besagten Artikel nun im Notarzt gelesen, tatsächlich stammt er von mehreren Autoren.
    Damit muss ich meine erste Kritik an die Seite "news-paper.eu" richten, die ihn falsch referenzierte und das notwendige "et al." wegließ.

    Trotzdem überzeugt mich der Artikel nicht, auch nicht die Literatur. Die genannten biochemischen Zusammenhänge mögen alle valide sein, doch bevor ich eine derart deutliche Empfehlung ("Alle Patienten mit unklarer Bewusstseinsstörung sollten intravenös Thiamin erhalten" - der Stellenwert beim deliranten Alkoholiker ist unbestritten, doch ist mitnichten jeder bewusstlose Patient ein deliranter Alkoholiker) ausspreche, bedarf es Studien, die auch einen Benefit für den Patienten belegen.
    Eine mögliche Fragestellung für den Anfang wäre der Thiamin-Spiegel bei Aufnahme (wobei ich jetzt ohne Recherche nicht sagen kann, ob und wie einfach dieser sich bestimmen lässt) - ist dieser bei einer relevanten Anzahl von vigilanzgeminderten Patienten erniedrigt?

    Zitat

    Zitat Achtung! Bei Patienten mit potentiellem chronischem C2-Abusus / chronischer Mangelernährung sollte bei Hypoglykämie zusätzlich zu Glukose frühzeitig (spätestens in der Notaufnahme) Vitamin B1 (Thiamin) 100mg verabreicht werden.

    Das ist aber eine deutlich andere Aussage als das im Artikel genannte „Alle Patienten mit unklarer Bewusstseinsstörung sollten intravenös Thiamin erhalten.“

  • Sorry, aber sie Liste ist doch im Witzeheft veröffentlicht worden, oder?

    Die meinen das nicht ernst. Die können das nicht ernst meinen. Hallo Bayern! Gibt es bei euch medizinisch geschultes Personal oder nur Schamanentum?

    Oder habe ich die maximal falsch verstanden? Da hast ja nix Hand und Fuß, das widerspricht sich doch alles quasi selbst?

  • Meine erste Überlegung zu dem Artikel war: Warum muss Bayern jetzt den §2a in dieser Form ausdifferenzieren? Ich habe den Sinn und Zweck des Paragraphen immer anders Verstanden... hier wirkt es so, als ob man ihn als rechtliche Grundlage zur Vorabdelegation benutzt und sich um eine anständige (auch rechtliche) Ausgestaltung des §4 Abs. 2 Nr. 2c drücken möchte!

    Allerdings wäre ein solcher Maßnahmenkatalog ein riesiger Fortschritt in meinem Bereich. Vorliegend ist das Ganze ja sogar kreisübergreifend. Deswegen finde ich es garnicht so übel! Einzig die zwingende NA-Nachforderung, auch wenn die Klinik schneller erreichbar ist, widerspricht den Anforderungen des §2a.

  • Die ÄLRD meinten damals ja auch den rechtfertigenden Notstand aka die Notkompetenz definieren zu können. Das geht in meinen Augen in dieselbe Richtung.

  • Meine erste Überlegung zu dem Artikel war: Warum muss Bayern jetzt den §2a in dieser Form ausdifferenzieren? Ich habe den Sinn und Zweck des Paragraphen immer anders Verstanden... hier wirkt es so, als ob man ihn als rechtliche Grundlage zur Vorabdelegation benutzt und sich um eine anständige (auch rechtliche) Ausgestaltung des §4 Abs. 2 Nr. 2c drücken möchte!

    Allerdings wäre ein solcher Maßnahmenkatalog ein riesiger Fortschritt in meinem Bereich. Vorliegend ist das Ganze ja sogar kreisübergreifend. Deswegen finde ich es garnicht so übel! Einzig die zwingende NA-Nachforderung, auch wenn die Klinik schneller erreichbar ist, widerspricht den Anforderungen des §2a.

    Mir bereiten viele Medikamente auf der "gelben" Liste Bauchschmerzen: Hier muss fortan gegenüber dem ÄLRD eine gesondert erworbene Kompetenz nachgewiesen werden.
    Die Gabe von Heparin/ASS beim ACS/STEMI, die Gabe von Dimetinden bei Anaphylaxie oder von Furosemid beim kardialen Lungenödem vor Eintreffen des Notarztes ist jedoch vielerorts gelebter Alltag. Die Indikation dürfte größtenteils unumstritten sein, Alternativen gibt es keine und eine frühestmögliche Gabe ist durch die entsprechenden Leitlinien gefordert. Auch erkenne ich beim Risiko-/UAW-Profil keine gravierenden Probleme als bei vielen Medikamenten auf der "grünen" Liste, ganz im Gegenteil.
    Wer dies nun macht ohne diese gesondert erworbene Kompetenz nachzuweisen darf sich fortan erfahrungsgemäß wieder auf viel Gesprächsbedarf seitens der ÄLRD gefasst machen.

  • Mein sachlich und fachlicher Kommentar dazu ist: Die haben Lack gesoffen, oder?

    Ich wäre gerne bei deren Treffen dabei gewesen, als sie die Liste verhandelt/beschlossen haben.. da müssen medizinische Laien und/oder bewusstseinserweiternde Drogen im Spiegel gewesen sein. Milder kann man es leider nicht ausdrücken..

    Da sind Medikamente bei grün, die würde ich gar nicht, bzw sehr restriktiv/nur nach TNA Konsultation freigeben und welche bei rot, die ich auch meinen Sohn (Kindergarten) eigenverantwortlich gegen lassen würde.

    Und die Koniotomie als nicht beherrschbar zu definieren? Lachhaft!

    Ebenso was die Regionalanästhesie angeht.. ist für Deutschland sicherlich jetzt nicht das Problem, aber in anderen Ländern bereits sehr erfolgreich durch Paramedics durchgeführt. Also Evidenzniveau "Idiotenmeinung".. da platzt mir echt der Sack.. oder der Kopf.. oder beides...!

  • Allerdings wäre ein solcher Maßnahmenkatalog ein riesiger Fortschritt in meinem Bereich. Vorliegend ist das Ganze ja sogar kreisübergreifend.

    Kann es sein, dass du da einem Missverständnis aufliegst? Es bedarf für den §2a keinerlei Maßnahmenkatalog. DU darfst HEUTE in GANZ DEUTSCHLAND alles, was du beherrscht und was Leben rettet durchführen. Das ist toll, und sollte gleichzeitig mit Augenmaß angewendet werden.


    Einen "Maßnahmenkatalog" bedarf es dann, wenn jemand anderes einen Teil der Haftung übernimmt. Wenn bspw. im Kreis NF die Indikation zur Oxytocingabe in SOPs abgebildet ist, und du als überprüfter NotSan nun dieses Medikament gemäß SOP anwendest, dann haftet für die Indikation (bei richtiger Anwendung der SOP) der ÄLRD. Für eben jene Fälle bedarf es eines Maßnahmenkatalogs.


    Die Matrix ist ein Versuch, das Handeln der NotSan einzuschränken, UND auch noch die NEF Alarmierung sicherzustellen. Und losgelöst vom Pyramidenprozess (der grade in der Abstimmung für 3.0 ist) ist es auch noch.


    Ausgerechnet die ÄLRD BY haben ja erst kürzlich bekundet, es bedürfe kaum einer Delegation (und diese wäre auch kaum möglich), weil ja im Notfall gemäß 2a gehandelt werden könne. Nun hat man sich überlegt, dass man die Maßnahmen nach 2a doch irgendwie reglementieren wollte. Mir gehts da gedanklich so wie VK Retter, CJ, und Pillenhändler.

    Under pressure, you don't rise to the occasion. You sink to your level of training.