Fehler im Praktischen Jahr: Medizinstudent wegen Babytod verurteilt

  • Zitat

    Ich weiss zwar nicht, was deine polemik hier soll, meine Meinung ist, dass ein Menschenleben nicht unbedingt mit Tagessätzen abzugleichen ist.


    Dann sag doch mal was eine angemessene Strafe ist, in Anbetracht der Tatsache das der Tod fahrlässig herbeigeführt wurde?

    The reason I talk to myself is because I’m the only one whose answers I accept. George Carlin

  • Zitat

    Auf so Fragen antworte ich nicht.


    Dann sag doch auch einfach nicht das die Strafe zu milde ist.

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  • Ich weiss zwar nicht, was deine polemik hier soll, meine Meinung ist, dass ein Menschenleben nicht unbedingt mit Tagessätzen abzugleichen ist.


    Es ist auch nicht Sinn und Zweck einer Strafe, ein Menschenleben auszugleichen.
    Vielleicht sollte sich der eine oder andere hier mal mit unserem Rechtssystem oder Rechtsphilosophie im Allgemeinen auseinandersetzen.


    J.

  • Hier ist aber kein Gerichtsverfahren, sondern ein Rettungsdiensforum.

    Er steht ja auch dafür gerade.

    Wie immer bei konkreten juristischen Themen gilt: Hast Du die Akte nicht gelesen, kannst Du es nicht beurteilen. Dann ist ein bisschen Demut angezeigt, finde ich.

    Und in diesem Rettungsdienstforum habe ich kundgetan, das ich das Gerichtsurteil begrüße. Eine Meinung in einem Forum. Das ist doch okay?


    Das finde ich ja auch gut.


    Wie immer wenn die Medien berichten gilt: Es wird sicher nicht die ganze Wahrheit sein, und es werden sicherlich viele Infos fehlen. Dennoch ist es Usus das man sich an Hand von Nachrichten eine Meinung bildet. Ob nun zu diesem Thema oder einem Anderen, egal ob Gerichtsverfahren oder nicht. Mich wundert nun das man ausgerechnet hier feststellt das eine Beurteilung von Außen immer etwas flach sein wird.

    Under pressure, you don't rise to the occasion. You sink to your level of training.

  • Als ob der Tod eines Kindes man so von dem Schuldigen unbeeindruckt hingenommen wuerde. Als ob diese Tatsache nicht auch das Leben dieses "Taeters" nachhaltig veraendern wuerde und zwar unabh. von der Frage ob Haft oder Geldstrafe.

  • Zitat

    Nach der Verurteilung eines Medizinstudenten wegen fahrlässiger Tötung ermittelt die Staatsanwaltschaft Bielefeld nun doch gegen die Klinik. Es sei ein Ermittlungs­verfahren eingeleitet worden, bestätigte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft auf Anfrage. Der Blick richte sich auf die „Verantwortlichen der Kinderklinik“ im Evan­gelischen Krankenhaus Bielefeld.


    Quelle

  • Zitat

    die antwort liegt in der mitte, finde ich. einerseits liegt auf der hand, dass der student einen vermeidbaren, tödlichen fehler gemacht hat. die entscheidung des berufungsgerichtes finde ich angemessen, weil sie einerseits ein deutliches zeichen setzt, andererseits aber bewusst davon abstand nimmt, die künftige karriere zu beenden, bevor sie angefangen hat.


    Es ist immer schwer, Fälle zu beurteilen, ohne alle Fakten zu kennen. Die Verhängung einer Geldstrafe unterhalb der magischen Grenze von 91 Tagessätzen halte ich allerdings in der Regel bei groben Verstößen gegen selbstverständliche Sorgfaltspflichten, die zum Tod eines Menschen führen, für verfehlt, obschon sie gerade im medizinischen Bereich alles andere AKS selten sind. Ich neige dann manchmal ketzerisch zu der Frage, warum der unaufmerksame oder übermüdete Arzt anders behandelt werden sollte als der unaufmerksame oder übermüdete Fernfahrer.


    (Interessant finde ich auch immer die Argumentation, man sollte ihm das Leben nicht verbauen. Sie geht ja wohl davon aus, dass er keine beruflichen Chancen mehr hat, wenn jemand bei seiner Bewerbung erfährt, dass er wg. fahrlässiger Tötung verurteilt ist. *Wenn* das so sein sollte, gibt es dafür dann nicht einen guten Grund? Oder andersherum: wenn dieses einmalige Versagen nicht gegen ihn spricht, warum schadet es dann, wenn jemand es erfährt? Und: ist es ggü. Vorgesetzten, Kollegen und Patienten nicht wenig verantwortungsvoll, ihnen einen Kollegen "unterzuschieben", den sie nicht haben wollten, wenn sie von seiner Tat wüssten?)

  • Wie man hört, hat der junge Mann während des Verfahrens keine (besonders große) Einsicht in sein Fehlverhalten gezeigt, was bei der Staatsanwaltschaft wohl nicht allzu gut ankam.


    J.

  • der erfolg der tat spricht natürlich für sich gesehen für eine deutlichere strafe. ohne besonders viel über den vorliegenden fall zu wissen, bin ich trotzdem der ansicht, dass eine geldstrafe unterhalb der 91-tagessatz-schwelle angemessen ist. dafür sprechen schließlich all die faktoren, die im verlauf dieses threads erörtert worden sind, zB die eigenschaft, student zu sein, der eigentlich diese verantwortung nicht hätte übernehmen dürfen, es aber doch getan hat, weil dies in der klinik so üblich ist. die GKP hat wohl auch nicht besonders sicher kommuniziert, die spritze war nicht beschriftet und hat auf den venenzugang gepasst. übrigens ist ein PJler kein arzt. ein PJler ist meiner ansicht nach vergleichbar mit einem angehenden piloten in der phase des simulator-trainings. er hätte halt einfach kein echtes flugzeug fliegen dürfen. wenn man sich jetzt zu recht fragt, warum ers dann tut, dann denke ich an die kommunikationsgepflogenheiten in den mir bekannten krankenhäusern, und finde, dass die eine hinreichende erklärung dafür sind.

  • Zwischenzeitlich ist das Urteil im Volltext veröffentlicht, einschließlich einer umfangreichen Beschreibung des tatsächlich zugrundeliegenden Geschehens und der Rahmenumstände.


    M. E. sehr gut geeignet, um es zu lesen und anschließend kritisch über schnelle eigene Urteile anhand von Presseberichten zu refkletieren.


    http://www.justiz.nrw.de/nrwe/…1_13_Urteil_20130814.html

  • Wo genau liegen für dich die Differenzen zu dem hier angenommen Szenario?

    Land zwischen den Meeren,
    vor dem sich sogar die Bäume verneigen,
    du bist der wahre Grund,
    warum Kompassnadeln nach Norden zeigen!

  • Der Text ist nun wirklich sehr ausführlich und informativ. Sicherlich werden einige daraus für das eigene Arbeiten den ein oder anderen Schluss ziehen - zumindest mir tut so eine Art Warnschuss (unabhängig von der juristischen, viel eher auf Basis der medizinischen und sozialen Komponente) hin und wieder ganz gut, um manche Sachen doch genauer zu reflektieren und zu bedenken.


    Auch wenn man in diesem Text nur eindeutig erfahren kann, dass der PJ'ler diesen Fehler offensichtlich allein begangen hat, so sehe ich viel eher einen systemischen Fehler und neben einem Kommunikationsproblem auch eine Verkettung unglücklicher Umstände.
    Wenn man sich anschaut, wie unterschiedlich das Tätigkeitsprofil von PJ'lern und Famulanten (Praktikanten) ist, so muss man sich doch teilweise einfach nur wundern...


    Ich denke, dass der Kollege - auch ohne die jetzt verhängte Geldstrafe - durch die Situation an sich und die folgenden Prozesse mehr als genug gestraft ist...

  • Ich bin doch überrascht, wie viele sich hier über den PJ'ler stellen, ihn als dumm bezeichnen. Genau das ist es, was eine vernünftige Fehlerkultur NICHT ist. Aus meinem Hauptberuf als Fluglotse kenne ich eine richtige Fehlerkultur. Beinahe täglich reden wir mit Kollegen über Situationen, die sie entweder selber erlebt haben oder von einem anderen Kollegen erzählt bekommen haben. Ich habe es noch nie erlebt, selbst wenn es z.B. zu einer Annährung zwischen zwei Flugzeugen kam, dass wir über den Kollegen geurteilt hätten oder ihn und seine arbeit schlecht geredet haben. Wir reden darüber, weil wir uns dadurch einen Lernprozess erhoffen.
    Ohne Frage kommt man hier und da auch zum dem Schluss, dass der Kollege einen Fehler begangen hat, eine Situation falsch eingeschätzt hat. Aber die Frage geht dann dahin: Wie kam es dazu? War der Sektor überlastet? Wenn ja, warum? War eine Tendenz der Sektorüberlast bereits zu erkennen und wenn ja, wie können wir uns in Zukunft davor schützen?
    Wir haben anonyme Meldesysteme, in denen wir Dinge melden können, damit Verfahren sicher gemacht werden können. Regelmäßig gibt es Safety Letter, die auf eine neu aufgetretene Gefahr hinweisen.


    Als es beim Frankfurt Tower zu einer echt knackigen Annäherung zwischen einem durchstartenden A380 und einem startenden A320 kam, kam von Außerhalb der Ruf nach der Suche nach dem Schuldigen. Intern wurde geguckt: Woran lag es, wie verhindern wir es. Und wieder hat sich gezeigt, dass nicht ein einzelner Fluglotse oder Pilot für so etwas verantwortlich gemacht werden kann, sondern viele viele Faktoren mitspielten. Der Mensch ist nur das letzte Glied in der Kette. Schade, dass wir diese Person in der heutigen eigentlich so entwickelten Gesellschaft trotzdem immer noch hängen sehen wollen.


    Über die Sachlage zu urteilen und sie zu beurteilen, dafür ist dieses Forum. So wie Schumzel es geschrieben hat. Damit wir davon lernen. Über den Menschen zu urteilen und ihn zu bestrafen: Dafür gibt es Gerichte.


    Leider ist es in unserer Gesellschaft ganz hoch angesehen, ständig und ununterbrochen über andere Menschen zu urteilen, ihnen ihre Fehler vorzuwerfen , vermutlich um sich selber besser zu fühlen oder so. Ich weiß es nicht. Wie selten hört man mal: Das kann ich nicht beurteilen, da müsste ich mir erst einlesen. Oder: Die Person kenne ich nicht. Kann ich daher nicht beurteilen, ob der dumm ist". Nein, man bedient sich lieber Halbwahrheiten, Hörensagen, der Gruppendynamik und natürlich dem eigenen Schubladendenken. Es ist ja auch so schön einfach.


    Über den Fall, wie er passiert ist kann ich urteilen und vor allen Dingen: Kann ich etwas lernen. Über den Menschen jedoch nicht. Dafür haben wir die Justiz.

    “When I was a boy and I would see scary things in the news, my mother would say to me, "Look for the helpers. You will always find people who are helping.”


    • Fred Rogers

  • Auch wenn man in diesem Text nur eindeutig erfahren kann, dass der PJ'ler diesen Fehler offensichtlich allein begangen hat, so sehe ich viel eher einen systemischen Fehler und neben einem Kommunikationsproblem auch eine Verkettung unglücklicher Umstände.


    Ich denke, aus dem Urteilstext kann man im Gegenteil sehr gut erkennen, dass es strukturelle und individuelle Fehler mehrerer Personen gab, dass dies aber nicht dazu führt, einen einzelnen von seinem Fehler zu entlasten.


  • Auch in diesem Beitrag wird, wie Hauke es in seinem Beitrag bereits tat, ein Vergleich mit der Luftfahrt hergestellt.

  • Ich denke, aus dem Urteilstext kann man im Gegenteil sehr gut erkennen, dass es strukturelle und individuelle Fehler mehrerer Personen gab, dass dies aber nicht dazu führt, einen einzelnen von seinem Fehler zu entlasten.


    Es ist schon mal gut, daß das ersichtlich geworden ist. Wenn alle daraus lernen, kann so ein Urteil eine Chance sein.

  • Ich bin doch überrascht, wie viele sich hier über den PJ'ler stellen, ihn als dumm bezeichnen. Genau das ist es, was eine vernünftige Fehlerkultur NICHT ist.

    Wo wird der Herr dumm genannt? :-(

    Under pressure, you don't rise to the occasion. You sink to your level of training.

  • Wortwörtlich wurde er das hier nicht, aber man kann auch nicht mehr davon sprechen, dass es nur im Subtext mitschwang:


    Ich begrüße diese Entscheidung.


    Er nahm die unbeschriftete Spritze, und hatte keine Informationen dazu. Einfach irgendwas spritzen MUSS Strafe hageln. Das es so ausging ist traurig für die Mutter. Ich hoffe der PJler begreift was er getan hat.


    Wer in der Medizin unterwegs ist, spielt nicht im Sandkasten.



    Fehlermanagement ist wichtig, aber ein Mensch mit nem halben hirn wird eine unbeschriftet daliegende Spritze doch nicht in ein Kind spritzen...... irgendwo hört Fehlermanagement auf und grobe Fahrlässigkeit fängt an..... ich frage mich mal ob alle Bedanker auch so mit dem Medizinstudenten umgehen würden die ihr Kind gerade getötet hat.
    Abgesehen davon haben sogar wir extra Spritzen für orale Applikation....das KH hat viel Arbeit vor sich was die Definition von überwachter Ausbildung undsicherer Materialumgang betrifft.


    [...]
    Unabhängig vom Organisationsverschulden, das in meinen Augen besteht, hat dieser Mensch (der medizinisch Vorgebildet sein möchte, und bald selbstständig an Menschen tätig werden will) eine unbeschriftete Spritze genommen, und den Inhalt in einen Patienten gespritzt. Egal ob er nun PJler, Arzt, GuKP, RettAss oder Putzfrau war, für diese dumme Aktion MUSS er grade stehen, wenn daraus ein Schaden entsteht. Es war ja keine Kleinigkeit, sondern ein Kind ist gestorben. Und nicht weil im Stress ein Fehler passierte, sondern weil er zu faul, desinteressiert, dumm, kurzsichtig war, noch mal zu fragen, was damit ist.


    Eine moderne Fehlerkultur darf doch nicht Narrenfreiheit bedeuten für schlichtweg unüberlegte und dumme Aktionen die Menschenleben kosten!
    [...]


    Ich finde die Interpretation von Hauke sehr treffend.

    Land zwischen den Meeren,
    vor dem sich sogar die Bäume verneigen,
    du bist der wahre Grund,
    warum Kompassnadeln nach Norden zeigen!