[Englisch]Bericht aus dem KH welches in las Vegas beim Anschlag hunderte Verletzte versorgt hat

  • Wie würde sowas bei uns ausgehen?


    Die Leitstelle müsste sich, nachdem über IVENA MANV ausgelöst und die ersten Patienten zugewiesen wurden, mit dutzenden Telefonanrufen von Ärzten und Pflegekräften der Notfallpflege rum ärgern, da keine Betten, Ärzte oder Pflegepersonal zu Versorgung vorhanden sind, sowie warum ausgerechnet "unser" Krankenhaus 6 von 100 verletzten Patienten abbekommt, es würde doch auch andere Krankenhäuser geben, wo die Patienten hin könnten. Die RTW würden sich in den Notaufnahmen die Reifen eckig stehen, bis diese dann (endlich) nach 45 Minuten ihre Patienten übergeben können.


    So in etwa stelle ich mir das vor, weil mir das seit Jahren so der Alltag zeigt. Ausnahmesituationen mit Vollauslastung haben wir jeden Tag (mehr als 75% aller 70 RTW im Einsatz) mindestens zweimal über 2 bis 3 Stunden. So haben auch die Notaufnahmen der großen Krankenhäuser jeden Tag mehrmals Mini-MANV. Ich mag daher nicht glauben, dass die Krankenhausalarmpläne für externe Schadenslagen im Realfall so funktionieren wie dieses die Theorie vorsieht.


    Gruß

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.


  • Ich glaube das nicht.
    In tatsächlichen (!) Extremlagen werden auch die sonst schwierigsten Krankenhäuser und ihr Personal über sich hinauswachsen, was Ausschöpfung von Kapazitäten und Motivation angeht.

  • Die Auslastung und Gesamtlage der Krankenhäuser in den USA ist im Allgemeinen wesentlich prekärer als hier, insbesondere was die Notaufnahmen betrifft. Von daher glaube ich nicht, dass sie uns da in irgendeiner Form nachstehen.


    Ich denke, dass hier die fehlenden Fähigkeiten einzelner Häuser durch die dezentrale Struktur ausgeglichen werden können.
    In Las Vegas hat man binnen einer Stunde über 215 Patienten mit Schusswunden in ein Krankenhaus gebracht, binnen einer Stunde könnte man hier je nach Region zwischen 5 und 20 Krankenhäuser erreichen und zudem noch per RTH umverteilen.


    Ansonsten sind die Voraussetzungen in den amerikanischen Großstädten sicherlich besser, mehrere Verletzte mit Schusswunden gehören da quasi zu jeder Samstagnacht, während man in Deutschland vermutlich nicht mehr als 10 in seiner Chirurgenkarriere sieht.

  • Ich glaube das nicht.
    In tatsächlichen (!) Extremlagen werden auch die sonst schwierigsten Krankenhäuser und ihr Personal über sich hinauswachsen, was Ausschöpfung von Kapazitäten und Motivation angeht.

    Ich hoffe dieses auch, wenn ich ehrlich bin. Die täglichen Erfahrungen sind dahin so schlecht (ja, die Notaufnahmen, Ärzte und das Personal der Notfallpflege ist tatsächlich überlastet), dass ich mir einfach nicht vorstellen kann, dass ein (in Zahlen: 1) Krankenhaus plötzlich 200 Verletzte versorgen kann, so wie der Alarmplan dieses verspricht. Berlin und München haben gezeigt, dass es gut geht. Aber ich habe da ein Gefühl das da nicht weg gehen will. Wir üben es einfach nicht regelmäßig und realistisch genug. Mir fehlt der Beweis, dass es funktioniert.

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • binnen einer Stunde könnte man hier je nach Region zwischen 5 und 20 Krankenhäuser erreichen und zudem noch per RTH umverteilen.

    Die Verlegungskapazitäten sind je nach Tages- und Jahreszeit sowie der Witterung auch sehr unterschiedlich, somit ggf. sehr eingeschränkt bis gar nicht verfügbar. Da ich mich jeden Tag landesweit mit Notfall- und dringenlichen Verlegungen beschäftige, kann ich Dir sagen, dass das ganz häufig nicht mal eben mit ITW, ITH oder RTH funktioniert. Weil oft im Einsatz oder wegen Wetter nicht verfügbar (die Luftvariante).


    Bei einem MANV mit mehreren dutzenden Schwerverbrannten in den Nachtstunden vor gut 10 Jahren sind neben den eigenen ITW, ITH und GRTW auch die der benachbarten Bundesländer los gedüst, was mehrere Stunden in Anspruch genommen hatte, und die Kapazitäten hätten doch nicht gerreicht, wenn man wirklich viele Patienten hätte weiterverlegen hätte wollen. So einfach ist das nicht immer mit ITW, ITH und RTH zu rechnen. Da wird ganz viel am normalen Rettungsdienst kleben bleiben.


    Gruß

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  • In Berlin hat, soviel ich weiß, kein Krankenhaus mehr als drei Patienten des Anschlags abbekommen.

    Ich habe mich da vermutlich nicht gut genug ausgedrückt. Diese Verteilung meinte ich auch. Das die Krankenhäuser nicht zu viele abgekommen haben. Aber wenn ich mich recht erinnere, waren doch in Berlin und München unglaubliche viele Ärzte und Pflegepersonal nach Alarmauslösung verfügbar. Das fand ich überraschend positiv. Das kann ich mir hier irgendwie gar nicht vorstellen. Vielleicht bin ich aufgrund der täglichen schlechten Erfahrungen hier so negativ zum Flaschenhals Notaufnahme eingestellt.

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • In Berlin hat, soviel ich weiß, kein Krankenhaus mehr als drei Patienten des Anschlags abbekommen.


    Ich habe gerade nochmal in den Vortragsfolien eines Vortrags, den ich hören durfte, nachgesehen und muss dich leider berichtigen: CVK bekam initial 4 rote Patienten plus eine ungenannte Zahl gelber Patienten.
    Aber auch das liegt von dem was das Virchowklinikum laut eigenen Aussagen und Alarmplänen im Regelbetrieb bewältigen kann nicht so weit entfernt (Regelbetrieb: bis zu drei Schockräume gleichzeitig also zwei).



    Da manche Kliniken nicht mal definierte Alarmpläne für Hoch- bzw Überlastsituationen haben, seh ich da echt schwarz sollte es mal zu einem Anschlag dieser Grösenordnung kommen...

  • Das liegt wohl auch an der medialen Wirkung.


    Interessant wäre, wie man das Personal nachträglich entlohnt hat. ;-)



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    Under pressure, you don't rise to the occasion. You sink to your level of training.

  • Im Alltag versucht ja aber jeder seine Belastung soweit möglich zu reduzieren, das ist vermutlich einfach menschlich. Man empfindet es einfach als ungerecht, dass es einen jeden Tag trifft und die anderen es viel besser haben. Es ist aber auch menschlich, dass man in extremen Situationen auch viel mehr leisten kann und die meisten das dann auch wollen.


    Als bei uns vor einigen Jahren ein Brand in einem Pflegeheim war, wurde mit vielen Patienten gerechnet. Das nächst gelegene Krankenhaus hatte in der Aufnahme damals 5-6 Behandlungskabinen. Die haben dann von allen Stationen alles verfügbare Notfallmaterial, Sauerstoff und freie Betten organisiert. Jede Station hätte auf Abruf eines Pflegekraft schicken müssen.


    Schlussendlich sah man sich in der Lage 30 Patienten zu versorgen. Gleichzeitig. Bekommen haben sie 3 Patienten.


    Also wenn es muss, geht schon viel.

  • Das ist auch eine der Erklärungen, die ich für München und Berlin habe. Es ist mal was wo die Kacke am dampfen war. Ist wahrscheinlich auch mit uns Rettern so. Wenn der Anruf kommt, ob man frei ist für den nächsten Einsatz, macht das sicher auch einen Unterschied, ob man zum MANV nach Terror soll oder ins Pflegeheim zu Oma Clostridien-Müller mit Kreislauf bei Durchfall seit Tagen. Nur so kann ich mir erklären, dass die so geplagte Pflege und die Ärzte so zahlreich erschienen sind.

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • Die Erfahrungen vom Breitscheidplatz haben gezeigt, dass das Klinikpersonal sofort und in überwältigender Anzahl bereit war einzuspringen . [Inwiefern das nur für Großstädte gilt, kann ich allerdings nicht bewerten]

  • Hi

    Klinikpersonal sofort und in überwältigender Anzahl bereit war einzuspringen . [Inwiefern das nur für Großstädte gilt, kann ich allerdings nicht bewerten]

    ich glaube das lag eher am Einsatzstichwort.
    Grüße Dani

    Wenn man tot ist, ist das für einen selbst nicht schlimm, weil man ja tot ist. Schlimm ist es aber für die anderen...
    Genau so ist es übrigens wenn man doof ist...

  • Ja, das Wort "Terror" oder "Amok" wird sicher Emotion in die Sache gebracht haben und die Motivation ausgelöst haben zu helfen. Wäre bei mir sicher nicht anders. Verstehe ich.

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • Eins der größten Probleme sehe ich im Fehlen der Fachärzte für Notfallmedizin in den Notaufnahmen. Meiner Erfahrung nach sind Chirurgen, von Ausnahmen abgesehen, nur bedingt zur Atemwegssicherung geeignet. Außerdem fehlt in Deutschland zum Glück generell die breite Expertise für Schussverletzungen.


    Ich denke der gleiche Fall, egal in welcher Stadt Deutschlands, hätte mehr Opfer gefordert.


    Und nein ich habe keine Studien dazu. Ist nur eine non evidence based´te Einzelmeinung...

  • Ob dies mit einem Facharzt für Notfallmedizin besser wäre, darf allerdings bezweifelt werden.

    Land zwischen den Meeren,
    vor dem sich sogar die Bäume verneigen,
    du bist der wahre Grund,
    warum Kompassnadeln nach Norden zeigen!

  • Ich frag mich eher was passiert wenn die ganze Situation mit einer CRBN-Lage kombiniert ist. Einer persönlichen kleinen, nicht repräsentativen, Umfrage unter Bekannten im Gesundheitssystem nach würde da nämlich plötzlich kaum noch einer kommen (und wohl der ein oder andere sogar gehen)...

  • Was natürlich der unbestreitbare Vorteil der amerikanischen FÄ für Notfallmedizin ist, ist die Tatsache, dass diese mehrere lebensrettende chirurgische Sofortmaßnahmen beherrschen, alle voran die Thoraxdrainage.
    Damit dürften hier nur wenige wirklich vertraut sein, und die Chirurgen werden dann im OP gebraucht.