Andere Stadt, gleiches Thema.
Quelle: https://www.mopo.de/hamburg/po…rtw-kommt-loeschfahrzeug/
[…] Mehr Einsätze, aufwendigere Einsätze, hohe Personalausfälle: Die Corona-Pandemie hat dem Rettungsdienst in Hamburg alles abverlangt. Viele Retter hatten auf auf baldige Besserung gehofft, doch die Situation soll noch schlimmer geworden sein. Krass: In manchen Fällen fahren sie statt im Rettungswagen (RTW) derzeit im Löschfahrzeug zu einem medizinischen Notfall.
In den vergangenen zwei Jahren musste der Rettungsdienst der Feuerwehr zusätzlich zum üblichen Aufkommen an Einsätzen auch viele Transporte von Corona-Infizierten fahren – das führte zu einer deutlich höhreren Auslastung. Weil sich auch viele Mitarbeiter selbst mit dem Virus infizierten, fehlte häufig Personal. Zeitweise war die Zahl der erkrankten Beamten so hoch, dass kurzzeitig ganze Wachen außer Dienst genommen wurden.
Rettungsdienst in Hamburg überlastet
Unterstützung von Hilfsorganisationen wie dem DRK und den Johannitern beim Transport von Corona-Patienten ließ aus Sicht der Deutschen Feuerwehr-Gewerkschaft DeFeuG jedoch zu wünschen übrig: Die Organisationen fühlten sich der steigenden Zahl von Einsätzen personell nicht gewachsen. Der Grund: Die Rettungswagen (RTW) müssen nach einer solchen Fahrt aufwendig desinfiziert werden und stehen währenddessen nicht zur Verfügung. Das bedeutet mehr Bedarf an Fahrzeugen und Personal. Für die Feuerwehr Hamburg bestand hingegen eine Pflicht, solche Transporte zu übernehmen.
Nun sinkt die Zahl der schwer erkrankten Corona-Patienten zwar – doch von Entlastung keine Spur: Noch immer sind die Besatzungen von Rettungswagen täglich fast ohne Unterbrechung unterwegs und hasten von einem Einsatz zum nächsten.
Personalschwund in Krankenhäusern sorgt für zusätzliche Probleme
Zusätzlich werden die Retter mit langen Fahrtzeiten belastet – denn auch die Notaufnahmen der Krankenhäuser sind wegen Personalnot am Limit. „Es kommt häufig vor, dass Krankenhäuser schon am frühen Morgen ihre Notfallambulanz sperren, weil sie ausgelastet sind. Dann fahren wir mit dem Rettungswagen kreuz und quer durch die Stadt zu einer Klinik, die noch Kapazitäten hat“, sagt ein Feuerwehrmann zur MOPO. Seinen Ausführungen zufolge sei es zum Beispiel nicht selten, dass ein in Lokstedt Erkrankter schließlich in der Notaufnahme in Sasel landet.
Durch diese zusätzlichen Strecken sei der Rettungswagen lange Zeit gebunden. Das wiederum bringe die Einsatzzentrale in Not. Nach MOPO-Informationen wird häufig versucht, dies mit den Besatzungen von Löschfahrzeugen zu kompensieren: Die Wagen werden dann außer Dienst genommen, damit deren Teams in die Reserve-Rettungswagen steigt.
Laut Gewerkschaft sei die Situation am vergangenen Samstag besonders dramatisch gewesen. Demnach sei am Abend im Hamburger Westen kein einziger freier Rettungswagen verfügbar gewesen. Daraufhin mussten im Süden stationierte Rettungswagen ihren Standort in den Westen der Stadt verlegen. Da auch dies augenscheinlich nicht ausreichte, wurde zusätzlich im Süden ein Löschfahrzeug außer Dienst genommen, hieß es. Man habe dadurch weitere Rettungsdienst-Ressourcen freigesetzt, um wenigstens den Innenstadtbereich absichern zu können. Die Folge: Die Bürger:innen im Süden seien dem überlasteten System hilflos und nichtsahnend ausgeliefert gewesen.
Aber auch das reicht häufig nicht aus, um das sogenannte Schutzziel zu erreichen: Das besagt, dass binnen acht Minuten nach Eingang eines Notrufes ein adäquates Einsatzfahrzeug am Einsatzort sein soll. Laut dem Feuerwehrmann sei es daher schon vorgekommen, dass die Kräfte wegen der geringen Zahl an einsatzbereiten Rettungswagen mit einem Löschfahrzeug zu medizinischen Notfällen ausrücken mussten. Zwar ist dann schnell medizinisch ausgebildetes Personal vor Ort – doch ein Löschwagen hat nicht das Equipment eines RTW.
Statt erwarteten Rettungswagen rückt Löschfahrzeug an
Die Deutsche Feuerwehr-Gewerkschaft (DeFeuG) hat die politischen Verantwortlichen in den vergangenen Monaten immer wieder darauf hingewiesen, dass der Rettungsdienst in Hamburg weit über seine Kapazitäten hinaus belastet wird. Die von der Feuerwehr Hamburg veröffentlichten Daten und Zahlen des Jahresberichtes 2021 belegen die Hinweise, die die MOPO bekommen hat.
Der Gewerkschaft zufolge hat die Leitstelle der Feuerwehr 2021 mehr als 309.000 Rettungsdiensteinsätze koordiniert, von denen mehr als 250.000 durch die Feuerwehr selbst geleistet wurden. Im Vergleich zu 2020 ist das eine Steigerung um mehr als 24.000 Einsätze. Ein Sprecher der Gewerkschaft zieht einen dramatischen Vergleich: Ein kaum noch einzudämmender Flächenbrand sei im Bereich Rettungsdienst längst außer Kontrolle geraten.
Rettungsdiensteinsätze um mehr als 24.000 angestiegen
Auf einer Pressekonferenz in der Innenbehörde wurden diese Zahlen von Feuerwehrchef Dr. Christian Schwarz und Innensenator Andy Grote (SPD) am 21. Juni vorgestellt. Laut Schwarz habe sich das Einsatzaufkommen in der wachsenden Stadt Hamburg über die Jahre und Jahrzehnte stetig erhöht. Kurz: mehr Einwohner, mehr Notfälle.
Nach MOPO-Informationen spielt außerdem aber auch eine Rolle, dass zu spät um Nachwuchs geworben wurde. Die Zahl der Auszubildenden kann die Zahl der in Pension gehenden Beamten kurzfritig nicht ausgleichen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Feuerwehr-Akademie in Billbrook zu klein geworden ist, um der Menge an nötigen Nachwuchskräften gerecht zu werden[…]