Die Blaulichtnomaden - Personalnot im Rettungsdienst

  • Woran liegt es eigentlich, dass Kliniken und Rettungsdienste so gerne Leih-Personal einstellen? Können die das irgendwie anders abschreiben oder steuerlich geltend machen oder gibt es dafür Sondertöpfe oder Ähnliches? Die können ja nicht wirklich alle so blöd sein.

    Neben den Dingen, die der Kollege Rene P. schon sagte, wären da noch folgende Dinge zu nennen:


    • Personaluntergrenzen in der Pflege; siehe PpUGV; bei Unterschreitung müssen Stationen geschlossen werden (was hier ganz häufig passiert, dauerhaft sogar) und die Möglichkeit von Sanktionen (Strafzahlungen, Vergütungsabschlag) besteht
    • Im Rettungsdienst können durch den Rettungsdienstträger (Kreis, kreisfreie Stadt) ebenfalls Strafzahlungen den durchführenden Betreibern (Hilfsorganisationen) auferlegt werden, wenn diese ihre vertraglichen Leistungen nicht erbringen können (Abmeldung von Rettungsmitteln aufgrund Personalmangel bzw. -ausfall). Hier ist es schon zu empfindlichen Strafen gegenüber den Hilfsorganisationen gekommen.

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • Woran liegt es eigentlich, dass Kliniken und Rettungsdienste so gerne Leih-Personal einstellen? Können die das irgendwie anders abschreiben oder steuerlich geltend machen oder gibt es dafür Sondertöpfe oder Ähnliches? Die können ja nicht wirklich alle so blöd sein.

    Ich kann jetzt nur für den Bereich außerhalb des RD sprechen.

    Leihpersonal stellt niemand gerne ein. Es dient eigentlich nur dazu Belastungsspitzen abzufedern, zeitlich befristete Projekte zu unterstützen oder bestimmtes Fachwissen zu erhalten, bis das eigene Personal das Fachwissen hat (Stichwort: Übernahme von neuen Aufgaben).


    Externe Berater, ANÜ etc. wird in den mir bekannten Firmen aus anderen Kostenstellen finanziert. Günstig ist es ausdrücklich nicht. Als Unternehmen kann man es aber - wenn man geschickt ist - steuerlich als "Verluste/Ausgabe" angeben.


    Ansonsten würde ich der Aussage aus Beitrag #4 widersprechen.

    Auch wenn immer wieder behauptet wird, dass es gerade goldene Zeiten für Leiharbeitnehmer wären und die guten Mitarbeiter in diesen Bereich gehen.

    Bis auf wenige Ausnahmen waren andere Führungskräfte und ich von den Leistungen der Externen immer enttäuscht. Fachwissen so la la, nach wenigen Monaten sind die internen Leistungsträger deutlich besser. Vom Menschlichen her regelmäßig schwierige Personen, so dass es nicht verwundert, dass die Person in der letzten "Festanstellung" gekündigt wurde. Work-Life-Balance ist deutlich schlechter als bei allen regulären Angestellten.

    Und für alle, die als Selbstständige und damit Sub-Auftragnehmer beim eigentlichen Auftragnehmer arbeiten bleibt am Ende nicht mehr viel übrig. Kritisch ist da auch immer zu betrachten, wenn man über den Auftragnehmer nicht sozialversichert ist, nur teilweise im Jahr arbeitet und nicht selber für die Rente vorsorgt. Machen sich viele von diesen Leuten keine Gedanken und das böse Erwachen kommt dann kurz vor Schluss. Im Monat 4000 Euro netto und mehr gehabt, jetzt Altersarmut.

  • Ich kann jetzt nur für den Bereich außerhalb des RD sprechen.

    Leihpersonal stellt niemand gerne ein. Es dient eigentlich nur dazu Belastungsspitzen abzufedern, zeitlich befristete Projekte zu unterstützen oder bestimmtes Fachwissen zu erhalten, bis das eigene Personal das Fachwissen hat (Stichwort: Übernahme von neuen Aufgaben).

    Eben, aber in anderen Branchen macht man ja auch aktiv was um Personal zu werben und zu halten. Aus irgendeinem Grund muss das im Gesundheitssystem ja egal sein und ich verstehe nicht warum.

  • In anderen Branchen ist man einfach nur deutlich flexibler was die Personalanwerbung betrifft, weil man mit der Ausbildung nicht so reglementiert ist.


    Personal halten ist heute ein Ding der Unmöglichkeit. Wenn die Leute persönlich unzufrieden sind, dann gehen sie. Mehr Geld ist kein Motivationsfaktor. Das hilft maximal kurzfristig. Ist eine Frage der inneren Einstellung jedes einzelnen.


    Gesundheitssystem:

    Nehmen wir mal nur den Rettungsdienst

    Hauptschulabschluss --> keine 18 Jahre bei Schulabschluss, anschließend bis 18 warten --> Ein Leben lang Rettungssanitäter. Alternative du musst einen Realschulabschluss machen oder du musst eine andere zweijährige Ausbildung machen --> Anschließend 3 Jahre Notfallsanitäterausbildung. Ist schon mal ein Teil des möglichen Personalpools weg.


    Realschulabschluss --> keine 18 Jahre bei Schulabschluss, ich mache eine Ausbildung in einem anderen Beruf --> der nächste Teil des möglichen Personalpools weg


    Abitus --> Mit 18 ist es da ggf schon knapp bei Abitur nach 12 Jahren Schule, aber Ziel ist ja auch eher zu studieren. Also ggf. 3 Jahre Ausbildung und dann doch mit dem Studium beginnen oder gleich Studium --> nächster Teil des möglichen Personalpools weg.


    Man grenzt den verfügabren Personalpool massiv ein.


    Warum nimmt man nicht die Haupt- und Realschüler und überbrückt die Zeit bis sie 18 Jahre alt sind mit einer geeigneten (schulischen) Ausbildung? Machen Berufsfeuerwehren inzwischen auch.


    Die Lücke zwischen 3 Monate RS und 3 Jahre NotSan ist zu groß. Es fehlt aus meiner Sicht eindeutig der RettAss mit seinen 2 Jahren.


    Quereinsteiger mit Training on the Job - wie es in der Industrie gemacht wird - fehlt komplett.

    Durchlässigkeit bzw. Anerkennnung von Ausbildungen im gesamten Gesundheitssektor --> Fehlt komplett.


    Man müsste das gesamte System Ausbildung im Gesundheitssektor überdenken, aber das wird man mit dem Lobbyismus der dort herrscht niemals schaffen. Da besteht auch seitens der Mitarbeiter wenig Interesse.

  • Ich sag jetzt mal was (vermutlich) Unpopuläres:


    Neu aus meiner Sicht ist auch die allgegenwärtige Erwartungshaltung, dass man sich in jedem Berufsfeld ein Leben lang weiterentwickeln kann und alle möglichen Aufstiegschancen hat.
    Das ist zwar nachvollziehbar (und im Sinne des „lebenslangen Lernens“ auch wichtig), aber halt nicht in jeder Branche und mit jeder Ausgangsqualifikation realistisch.

    „Früher“ (Allgemeinverwendung) hat man halt nach der Realschule einen Ausbildungsberuf erlernt und darin 45 Jahre gearbeitet. Da hat sich sicher (und ich will das gar nicht werten) auch die subjektive Erwartungshaltung verändert.


    Und übrigens: Letztlich ist das in akademischen Berufen nicht unbedingt anders. Ich als Lehrer z.B. mache auch vom Berufseinstieg bis zur Pensionierung mehr oder weniger immer das Gleiche, ohne besonders viele Aufstiegschancen oder Entwicklungsmöglichkeiten zu haben. Da ich meine Tätigkeit aber mag und gerne ausübe, ist das auch völlig okay. Vielleicht ist der Anspruch der permanenten „beruflichen Evolution“ manchmal auch ein Floh im Ohr…

  • Jörg Holzmann

    Korrigiere mich, aber ich hatte immer den Eindruck, dass wenn man bereit ist, ein wenig über seinen Tellerrand hinaus zu schauen, durchaus sehr viel Entwicklungsmöglichkeiten mit der Qualifikation als Notfallsanitäter hat. Dass das nicht immer ein steiler (finanzieller) Aufstieg nach oben ist, mag sicherlich richtig sein. Aber das man irgendwie gefangen ist im Job auf dem RTW habe ich nie so gesehen und erlebt.


    Und selbst wenn man für immer auf dem RTW bleibt. Es gibt so viele unterschiedliche Arbeitgeber in unterschiedlichen Wachgebieten, die alle ihre Vor - und Nachteile haben und ein bisschen Abwechslung in den Berufsalltag bringen können.

    “When I was a boy and I would see scary things in the news, my mother would say to me, "Look for the helpers. You will always find people who are helping.”


    • Fred Rogers

  • Jörg Holzmann

    Korrigiere mich, aber ich hatte immer den Eindruck, dass wenn man bereit ist, ein wenig über seinen Tellerrand hinaus zu schauen, durchaus sehr viel Entwicklungsmöglichkeiten mit der Qualifikation als Notfallsanitäter hat. Dass das nicht immer ein steiler (finanzieller) Aufstieg nach oben ist, mag sicherlich richtig sein. Aber das man irgendwie gefangen ist im Job auf dem RTW habe ich nie so gesehen und erlebt.


    Und selbst wenn man für immer auf dem RTW bleibt. Es gibt so viele unterschiedliche Arbeitgeber in unterschiedlichen Wachgebieten, die alle ihre Vor - und Nachteile haben und ein bisschen Abwechslung in den Berufsalltag bringen können.

    Ja, eben!

  • Und übrigens: Letztlich ist das in akademischen Berufen nicht unbedingt anders. Ich als Lehrer z.B. mache auch vom Berufseinstieg bis zur Pensionierung mehr oder weniger immer das Gleiche, ohne besonders viele Aufstiegschancen oder Entwicklungsmöglichkeiten zu haben. Da ich meine Tätigkeit aber mag und gerne ausübe, ist das auch völlig okay. Vielleicht ist der Anspruch der permanenten „beruflichen Evolution“ manchmal auch ein Floh im Ohr…

    ich denke der Unterschied ist, dass Du in Deinem Beruf bereits von Beginn an vollumfänglich das machen darfst, was Du auch gelernt hast.
    Der NotSan wird in vielen Bereichen immer noch so „klein gehalten“ oder eben durch die Masse an „Bagatelleinsätze“ so wenig gefordert, dass ein motiviertes Arbeiten auf lange Sicht gar nicht möglich ist.
    Um z.B. für mich zu sprechen: ich war vor knapp 15 Jahren an dem Punkt, dem RD nach auch schon gut 10 Jahren den Rücken zu kehren, weil der Job unter den damaligen Bedingungen keine Herausforderungen geboten hat. Der Schritt in die Schweiz hat mir diese Optionen geboten und deshalb bin ich immer noch im RD. Und beim NotSan hat sich da nicht viel geändert. Klar kann man sagen: hast Du ja vorher gewusst, was das für ein Job ist… aber dann darf man sich auch nicht wundern, dass man keine Leute mehr dafür findet.
    Aber egal ob in D oder CH: Gewisse Karriereoptionen würden dem RD trotzdem gut tun. Das braucht auch nicht jeder. Viele sind mit ihrem Status quo ja zufrieden. Aber um auch die „unterforderten“ zu halten, wäre ein Plan meines Erachtens durchaus nötig.

    Und um aufs Temporärpersonal zurückzukommen: ein einfacher Grund warum Betriebe darauf zurückgreifen ist, dass sie eben gar niemand anderen mehr bekommen (teilweise geht es soweit, dass einzelne Betrieb nicht einmal mehr Temporärpersonal bekommen). Das schlimme ist, dass es tatsächlich in den Köpfen nicht ankommt, dass man an den Arbeitsbedingungen einfach mal grundlegend was ändern muss (oder es ist für die Gesamtheit des Personals wirklich nicht kurzfristig finanzierbar).

  • ich denke der Unterschied ist, dass Du in Deinem Beruf bereits von Beginn an vollumfänglich das machen darfst, was Du auch gelernt hast.
    Der NotSan wird in vielen Bereichen immer noch so „klein gehalten“ oder eben durch die Masse an „Bagatelleinsätze“ so wenig gefordert, dass ein motiviertes Arbeiten auf lange Sicht gar nicht möglich ist.
    […]

    Und du glaubst, dass ich in der Schule von früh bis spät intellektuell ausgelastet bin? Wenn ich z.B. Vokabeltests von Fünftklässlern korrigiere? Oder dass ich 14 Semester an der Uni war, um Satzglieder bestimmen zu lassen oder zum drölften Mal formale Merkmale von Inhaltsangaben zu vermitteln?


    Der Alltag in den allermeisten Berufen besteht vermutlich (und gottseidank) ganz überwiegend aus Routineabläufen, Wiederholung von Alltäglichem (deshalb heißt das ja so) und gelegentlichen Herausforderungen.


    Bei allem (sicherlich nötigem) Reformbedarf: Vielleicht ist ein Teil der Unzufriedenheit auch selbst eingeredet. Ich flüchte auch nicht aus dem Beruf, weil einige Aspekte nerven. And believe me: they do!

  • Eins hast du noch vergessen.. Wir verdienen kein Geld (in der Fläche), wir kosten nur Geld. "Verdient " wird an und mit anderen Stellschrauben und das Personal wirkt für den Zahlenschubser erstmal beliebig austauschbar (bis auf Ausnahmen).

  • Zum Beitrag von Jörg und nachfolgend:


    berufliche Zufriedenheit kann sich in einem Aufstieg niederschlagen - muß es aber nicht.

    Ich unterstelle jetzt einfach das Jörg sicher auch Schuldirektor sein/werden könnte - aber was bringt ihm das?


    In der Theorie kann jede exam. Pflegekraft Pflegedienstleitung werden bzw. jeder NFS den Aufstieg zum Rettungsdienstleiter.

    Selbst wenn es kein Verlassen des Berufs gäbe wissen wir alle:

    - das kann nicht jeder (Voraussetzungen fehlen und sind auch nicht erwerbbar)

    - das will auch nicht jeder (auch wenn es sehr viel besser bezahlt würde)


    Ein Indianer zu sein ist ggf. sehr viel besser wie ein Häuptling.

    Es bleibt also der Faktor "Zufriedenheit am Arbeitsplatz" damit sich die Indianer keinen neuen Stamm suchen.


    Insofern sind bspw. irgendwelche Vertragsstrafen nicht die Lösung...sie kommen erst dann wenn das Kind in den Brunnen gefallen sind.

    Sehr viel wichtiger wären fest definierte Vorgaben bei der Arbeitsplatzgestaltung, den Dienstplanmodellen usw. und eine gesicherte Finanzierung dieser um Mitarbeiter (jeder Branche) im Beruf zu halten.

    raphael-wiesbaden


    Artikel 1
    (1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.


    Selig sind die geistig Armen - nur: kann der Himmel die ganzen Seligen auch wirklich aufnehmen ?

  • Woran liegt es eigentlich, dass Kliniken und Rettungsdienste so gerne Leih-Personal einstellen? Können die das irgendwie anders abschreiben oder steuerlich geltend machen oder gibt es dafür Sondertöpfe oder Ähnliches? Die können ja nicht wirklich alle so blöd sein.

    Neben den anderen genannten Punkten ist die Quote an Leiharbeitern in den meisten Betrieben weiterhin eher niedrig, so dass die 10 oder 20 Prozent besser bezahlter Arbeitnehmer nicht so sehr ins Gewicht fallen, als wenn man alle deutlich besser bezahlt oder Stationen und OP-Säle geschlossen werden müssen bzw. Fahrzeuge nicht fahren (ggf. sogar mit zusätzlicher Strafzahlung).


    Man könnte umgekehrt auch fragen, warum heuern nicht einfach alle Arbeitnehmer bei Leiharbeitsfirmen an, wenn das da so toll ist? Die können ja auch nicht alle so blöd sein?


    Klar dürfte sein, dass die Mehrheit der Menschen weiterhin das sesshafte, geregelte Leben dem unsteten vorziehen und statt jede Woche woanders unterwegs und vielleicht nur am Wochenende (wenn überhaupt) zu Hause zu sein, lieber täglich bei der Familie und/ oder dem Freundeskreis ist. Das wissen vermutlich auch die meisten Arbeitgeber, so dass man auch in Zukunft auf einen gewissen Stamm an Personal setzen kann, und den fehlenden Teil flexibel zukauft. Das kommt insgesamt günstiger, als alle besser zu bezahlen oder dauerhaft beschäftigen zu müssen.

  • In der Theorie kann jede exam. Pflegekraft Pflegedienstleitung werden bzw. jeder NFS den Aufstieg zum Rettungsdienstleiter.

    Na ich hoffe doch nicht. In der Pflege wirst Du ohne Studium sicher nicht mehr Fuss in der Leitungsebene fassen können. Und die Zeiten sollten auch bei Rettungsdienstleitern hoffentlich vorbei sein. Die praktischen Beispiele, die keine weitere Qualifikation dazu erworben haben, sind ganz oft absolute Fehlbesetzungen.

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.


  • Der Alltag in den allermeisten Berufen besteht vermutlich (und gottseidank) ganz überwiegend aus Routineabläufen, Wiederholung von Alltäglichem (deshalb heißt das ja so) und gelegentlichen Herausforderungen.

    bitte nicht falsch verstehen. Mir geht es nicht darum, dass man nur mit „fünf Polytraumen jeden Tag glücklich wird“. Ich wollte eher andeuten, dass im eigentlichen Tätigkeitsbereich die Kompetenzen und Anforderungen falsch gewichtet sind. Um beim schulischen Vergleich zu bleiben: Arbeiten von Fünft-Klässlern korrigieren ist Deine originäre Aufgabe. Wenn man Dich aber regelmässig als Schülerlotse einsetzen würde, Du ab und zu mal Arbeiten korrigieren „dürftest“ und ausnahmsweise mal unterrichten, weil der „Oberlehrer“ nicht verfügbar ist, würde das wahrscheinlich anders ausschauen.

    Und bezüglich der Aufstiegschancen geht es mir eben gerade nicht darum, nur „Häuptlinge“ zu generieren (da gibt es nur wenige Stellen naturgemäss), sondern eben im gerade im notfallmedizinischen Bereich noch Weiterentwicklungsoptionen zu bieten.

  • ch denke der Unterschied ist, dass Du in Deinem Beruf bereits von Beginn an vollumfänglich das machen darfst, was Du auch gelernt hast.
    Der NotSan wird in vielen Bereichen immer noch so „klein gehalten“ oder eben durch die Masse an „Bagatelleinsätze“ so wenig gefordert, dass ein motiviertes Arbeiten auf lange Sicht gar nicht möglich ist.

    Es gibt aber auch Bereiche, dessen SOP ganz okay sind. Bei mir in meiner Ecke ist vieles auch nicht perfekt (vor allem die Technik und Arbeitsorganisation nicht), die SOP sind aber okay. Das Problem ist nur, dass man quasi nie in die Verlegenheit kommt, diese auch anzuwenden, weil man ständig nur Grütze abarbeiten muss. Ich habe in den letzten 12 Tagen insgesamt 5 Tagdienste auf dem RTW gemacht (7-19 Uhr), ca. 30 Einsätze dabei abgearbeitet und musste genau zwei Male überhaupt meinen Rucksack auf machen. Nur zweimal musste die Trage überhaupt wirklich genutzt werden. Der Rest ist quasi gelaufen. Und immer wieder die gleiche Grütze:

    • Krankentransporte mit dem RTW (Auch Entlassungen; auch einmal komplett gelaufen. Von Station zum RTW, im RTW auf dem Betreuersitz, vor der Haustüre aus dem RTW ausgestiegen und in die zweite Etage gelaufen. Selbstständig! Musste aber ein KTW machen, Taxi und Sondermietwagen sind ja so schlecht zu bekommen. Und da kein KTW da war, musste eben der RTW ran...)
    • ...das habe ich schon seit zwei Wochen (u.a. roter geschwollener Zeh seit einer Woche = schnell, ein RTW)
    • ...Hausarzt will nicht raus kommen
    • ...ärztlicher Notdienst nicht erreichbar (20 min Warteschleife)
    • ...ärztlicher Notdienst verweist sofort an Rettungsdienst (leichte Dyspnoe und Fieber seit mehreren Tagen ohne Verschlimmerung; Bauchschmerzen seit zwei Wochen; usw.)
    • ...ich kenne den Patienten nicht (Pflegekraft)
    • ...ich bin heute den ersten Tag aus dem Urlaub zurück (Pflegekraft)
    • ...ich komme von einer anderen Station (wieder eine Pflegekraft)
    • ...dafür kann ich keine Verantwortung übernehmen (ratet mal; wieder eine Pflegekraft)
    • ...ein System, was quasi nur eine Antwort kennt: RTW schicken!
    • ...Katheter gezogen - ein Notfall !!!1!!11 (und ich bin Krankenpfleger, könnte theoretisch den Mist gleich selbst erledigen, weil ich das gelernt habe und 1.000 mal gemacht habe)
    • ..."hier beliebig irgendeine andere Scheiße einsetzen"


    Also ja, die Bagatelleinsätze nerven mittlerweile richtig. Und das geht vielen Kollegen so. Ich bin mal gespannt ob es eine Beschwerde wegen dem roten, dicken Zeh seit einer Woche gibt. 10 Minuten vor Feierabend waren zwei Notfallsanitäter not amused, Patientin und Pflegekraft des Pflegeheimes waren sich keinem Problem bewusst. Ist ja schließlich ein Notfall...

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

    Einmal editiert, zuletzt von Harris NRÜ ()

  • Na ich hoffe doch nicht. In der Pflege wirst Du ohne Studium sicher nicht mehr Fuss in der Leitungsebene fassen können. Und die Zeiten sollten auch bei Rettungsdienstleitern hoffentlich vorbei sein. Die praktischen Beispiele, die keine weitere Qualifikation dazu erworben haben, sind ganz oft absolute Fehlbesetzungen.

    Das habe ich jetzt vorausgesetzt.

    Ich bin allerdings kein Freund davon sofort "Pflegemanagement" zu studieren und keine Ahnung von der Praxis zu haben.


    Also für bd. Berufszweige:

    grundlegende Berufsausbildung und spätere Weiterbildung/Qualifikation.

    raphael-wiesbaden


    Artikel 1
    (1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.


    Selig sind die geistig Armen - nur: kann der Himmel die ganzen Seligen auch wirklich aufnehmen ?

  • Das habe ich jetzt vorausgesetzt.

    Ich bin allerdings kein Freund davon sofort "Pflegemanagement" zu studieren und keine Ahnung von der Praxis zu haben.


    Also für bd. Berufszweige:

    grundlegende Berufsausbildung und spätere Weiterbildung/Qualifikation.

    Da gehe ich mit!

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • Natürlich ist zunächst der Arbeitgeber dafür verantwortlich, dass der Arbeitnehmer Rahmenbedingungen vorfindet, in denen er gerne und langfristig arbeiten möchte.

    Aber auch der Arbeitnehmer, also der individuelle Mensch, hat eine Verantwortung sich selbst und seinen Kollegen gegenüber, ob er zufrieden ist oder eben nicht.


    Im Rettungsdienst hat sich vieles verändert, zum Guten, aber auch zum Schlechten. Ich fand es aber immer erstaunlich, wie man zu quasi jedem Schichtbeginn erstmal zusammenkam und sich gegenseitig zu bestätigen, wie schlecht denn wirklich alles ist, mit der Folge, das bereits junges, motiviertes Personal von Anfang an eingetrichtert wird: Hier ist alles schlecht. Ich kann mich noch daran erinnern, wie ich mit einem ganz jungen NfS auf dem Auto saß. Ich war bereits nur noch als Aushilfe tätig, 30 Jahre alt, ca. 11 Jahre im Rettungsdienst. Der junge Kollege hat 12 Stunden am Tag auf die Patienten, auf die Leitstelle, auf die Krankenhäuser und auf seinen Arbeitgeber geschimpft. Am zweiten Tag ist mir dann der Kragen geplatzt.


    Ich kann es zum einen nicht verstehen, wie man sich schon so früh von dieser ganzen Negativität anstecken lassen kann. Ich kann aber noch viel weniger verstehen, warum er dann nicht etwas daran ändert. Der Kollege war 22 oder 23 Jahre alt und hatte alle Möglichkeiten. Aber stattdessen wurde nur geschimpft. Ich habe ihm recht deutlich gemacht, dass er was ändern oder seine Klappe halten soll. Die Stimmung nach dem Gespräch war etwa unterkühlt ;-)


    Selbst in meinem Hauptberuf, wo die Rahmenbedingungen wirklich astronomisch gut sind, gibt es Kollegen, die von Schichtbeginn bis Schichtende nur am schimpfen sind. Das Phänomen gibt es wohl in jedem Beruf. Jeder ist - und damit möchte in den Bogen zum Anfang schlagen - selbst dafür verantwortlich, wie viel Negativität er an sich ran lässt. Ich gehe damit sehr bewusst um und lasse vieles davon dadurch auch aktiv nicht an mich heran. Weil ich das, was ich tue, wahnsinnig gerne tue. Und ich lasse mir das von anderen nicht kaputt reden.


    Es gibt sehr viele Faktoren, die die Attraktivität der Arbeit ausmachen. Aber ein Faktor sind wir eben auch selbst und wie wir neuen Leuten den Beruf präsentieren und den Alltag vorleben. Provokativ gesagt: Vielleicht sind einige Kollegen auch selbst dafür verantwortlich, dass der Nachwuchs nicht mehr bleiben möchte.

    “When I was a boy and I would see scary things in the news, my mother would say to me, "Look for the helpers. You will always find people who are helping.”


    • Fred Rogers

  • Aber auch der Arbeitnehmer, also der individuelle Mensch, hat eine Verantwortung sich selbst und seinen Kollegen gegenüber, ob er zufrieden ist oder eben nicht.

    Dieser Satz bringt es, neben dem Rest natürlich, auf den Punkt. Ich bin immer wieder erstaunt darüber, dass viele Kollegen im Blaulicht- und Gesundheitsgewerbe nicht in Gewerkschaften und Berufsverbänden organisiert sind. Das Geld für die Mitgliedbeiträge kann sogar bei der jährlichen Lohnsteuer abgesetzt werden. Und trotzdem sind es so wenige. Wenn viel mehr Kollegen organisiert wären und auch bereit wären mal auf die Straße zu gehen oder sich in Arbeitsgruppen für irgendwas zu motivieren, dann könnten wir mehr erreichen. Sicher, oft fehlt die Kraft dafür. Aber es wird dann auch nicht besser. Und ja, sicher ist bei Verdi und DBRD nicht alles super toll. Aber es geht um die Masse. Viele können Druck machen. Wenige nicht. Dann gibt es eben weiterhin schlechte Tarifverträge und Prof. Dr. Dr. Dr. Dr. PD Sefrin ist weiterhin der Borgia der Rettungsdienstpäpste in Deutschland und erklärt dem Land, was richtig und was falsch für den Rettungsdienst und das Rettungsfachpersonal ist.


    Im Rettungsdienst herrscht mMn zusätzlich das Problem, dass ein großer Teil der Kollegen nicht lange im Rettungsdienst verbleiben wollen, weshalb häufig kein Interesse an langfristigen Entwicklungen und Änderungen des Systems besteht (denn sowas ist langwierig und bei Eintritt ist man vermutlich schon über alle Berge).

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • Im Rettungsdienst herrscht mMn zusätzlich das Problem, dass ein großer Teil der Kollegen nicht lange im Rettungsdienst verbleiben wollen, weshalb häufig kein Interesse an langfristigen Entwicklungen und Änderungen des Systems besteht (denn sowas ist langwierig und bei Eintritt ist man vermutlich schon über alle Berge).

    …und hier beisst sich die Katze wieder in den Schwanz 🤷🏻‍♂️😉