Unterlassene Hilfeleistung bei Hausnotruf

  • Derzeit läuft in Darmstadt (HE) einen Prozess gegen einen Hausnotrufanbieter.
    Eine Kundin hatte das Armband zum Duschen ausgezogen und kam danach in eine hilflose Lage.
    Entgegen den vertraglich vereinbarten Leistungen wurden nach dem Auslösen des 24-Std-Alarms keine relevanten Massnahmen getroffen.
    Die betagte Frau verstarb mehrere Tage danach im KH, nachdem die Whg. von einer Verwandten betreten wurde.


    http://www.ffh.de/news-service…tung-beim-hausnotruf.html

    raphael-wiesbaden


    Artikel 1
    (1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.


    Selig sind die geistig Armen - nur: kann der Himmel die ganzen Seligen auch wirklich aufnehmen ?

  • Zwei Fragen an die Juristen: Werden hier nicht Vertragsrecht (=Zivilrecht?) und Strafrecht durcheinandergeworfen? Und bräuchte es für den (strafrechtlichen) Vorwurf nicht die Kenntnis eines akuten Notfalls?


    Gruß, Christian

  • Mit Signal? Das halte ich aus Erfahrung für hart übertrieben. Insbesondere diese 24h- Uhren produzierten bei meinem letzten AG zu 99% Fehlalarme und wurden daher zum Schluß nur noch auf ausdrücklichen Wunsch überhaupt aktiviert. Mit Signal angefahren wurde nur in Ausnahmesituationen (zur Türöffnung bei konkreten Hinweisen auf eine Notlage und zugleich alarmiertem Rettungsdienst). Ich schließe mich Christian Betgen an, ob hier wirklich unterlassene Hilfeleistung vorliegt würde ich doch bezweifeln.

  • Kann ich als jemand der in dem Fachbereich als FK arbeitet bestätigen - Eine extrem kleine Anzahl von 24h Alarmen führt zu einem Behandlungsbedarf (1-2%).
    Nichts desto trotz wird natürlich jeder Alarm angefahren.
    Die unterlassene Hilfeleistung würde ich auch nicht sehen, ein Unterlassungsdelikt dürfte aber vorliegen.


    Die Sondersignalsituation stellt sich bei uns gar nicht - wir haben keines. (Spannender Weise sind wir trotz geringer Fahrzeugdichte bei Parallelalarmierung des RD trotzdem in 50% der Fälle vor dem RD da - Optimierter Ausrückzeiten sei dank)

  • Begehen durch Unterlassen, §13 StGB?
    Aber eben nicht Verstoß gegen §323 c) StGB?




    Das ist keine Beurteilung meinerseits, nur so verstehe ich den Beitrag, den Jörg nicht versteht.

    Under pressure, you don't rise to the occasion. You sink to your level of training.

  • Begehen durch Unterlassen, §13 StGB?
    Aber eben nicht Verstoß gegen §323 c) StGB?




    Das ist keine Beurteilung meinerseits, nur so verstehe ich den Beitrag, den Jörg nicht versteht.


    Das begehen durch Unterlassen setzt aber doch ein (strafbares) Unterlassen voraus, oder?

  • Die Sondersignalsituation stellt sich bei uns gar nicht - wir haben keines. (Spannender Weise sind wir trotz geringer Fahrzeugdichte bei Parallelalarmierung des RD trotzdem in 50% der Fälle vor dem RD da - Optimierter Ausrückzeiten sei dank)

    Wie funktioniert das denn? Schlaft ihr im Auto oder müssen die Jungs vom RTW noch dreimal um den Block laufen?!

  • Als RTW-Besatzung oder als HNR-Fahrzeuglenker?


    bzw. wie oft ist dann die vergessene Tagestaste bzw. eine menschenleere Whg. bei vergessener Abmeldung dann der Auslöser?

    raphael-wiesbaden


    Artikel 1
    (1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.


    Selig sind die geistig Armen - nur: kann der Himmel die ganzen Seligen auch wirklich aufnehmen ?

  • Wie funktioniert das denn? Schlaft ihr im Auto oder müssen die Jungs vom RTW noch dreimal um den Block laufen?!


    Nur mal vorsichtshalber der Hinweis auf folgendes Thema: Ausstattung von Hausnotruf-Fahrzeugen mit Sondersignal

    The reason I talk to myself is because I’m the only one whose answers I accept. George Carlin

  • Zwei Fragen an die Juristen: Werden hier nicht Vertragsrecht (=Zivilrecht?) und Strafrecht durcheinandergeworfen? Und bräuchte es für den (strafrechtlichen) Vorwurf nicht die Kenntnis eines akuten Notfalls?


    Man kann solche Sachverhalte aus Zeitungsberichten ja immer nur sehr schwer, wenn überhaupt entnehmen - aber wenn ich mal von üblichen Strukturen ausgehen:


    1. Wer sich vertraglich verpflichtet, eine ständig besetzte Zentrale zu unterhalten und auf Notrufe zu reagieren, ggf. in einem Zeitrahmen X einen hinterlegten Schlüsel vor Ort zu bringen und nach Auslösung eines 24-h-Alarms nach dem Rechten zu sehen, der übernimmt damit in strafrechtlicher Sicht eine Garantenstellung für das Wohlergehen des HNR-Kunden, weil er freiwillig (gegen Bezahlung) die vorstehend genannten Obhuts- und Beistandspflichten übernimmt.


    2. Wer trotz bestehender vertraglicher Vereinbarung nach Auslösung eines 24-Alarmes nicht vor Ort die Wohnung überprüft, der verletzt eine - hier ausdrücklich vereinbarte - Sorgfaltspflicht. Es ist schließlich gerade der Sinn der 24-h-Alarme, dass bei einem Unfall, einer Erkrankung, einem Sturz oder was auch immer auch dann Hilfe kommt, wenn ein Alarm nicht ausgelöst werden konnte. Die Verletzung von Sorgfaltspflichten ist das, was im Strafrecht mit "Fahrlässigkeit" bezeichnet wird.


    3. Wenn jemand es unterlässt, eine von ihm als Garant übernommene Sorgfaltspflicht zu erfüllen, und dadurch kausal der HNR-Kunde verletzt wird (also bspw. einen Gesundheitsschaden oder Schmerzen erleidet) oder gar stirbt, und es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststeht, dass er bei Erfüllung der Sorgfaltspflicht Verletzung oder Tod ausgeblieben wären (oder (Verletzungen) nicht so schwer geworden wären oder (der Tod) erst deutlich später eingetreten wäre), dann liegt eine fahrlässige Körperverletzung oder fahrlässige Tötung vor.


    Problematisch ist zumeist insbesondere und vor allem der Kausalitätsnachweis. Hier stellt sich dann die Frage: Hätte die Kundin, wenn sie binnen 24 h gefunden worden wäre und nicht irgendwann später, mit Sicherheit überlebt? Eine fahrlässige Körperverletzung dürfte allerdings recht sicher vorliegen.


    Die im Pressebeitrag geschilderte unterlassene Hilfeleistung kann ich allerdings nicht so recht nachvollziehen. Denn dann müsste der Verantwortliche um einen konkreten Unglücksfall gewusst haben. Das war hier offenbar gerade nicht der Fall.

  • Wie funktioniert das denn? Schlaft ihr im Auto oder müssen die Jungs vom RTW noch dreimal um den Block laufen?!


    Ein bisschen vom einen, ein bisschen vom anderen:D :-P
    Eine Stadt die tatsächlich dank relativ günstiger Infrastruktur und hoher Dichte (ehemals gute Sozialisten=> 12 Stöcker) vergleichsweise gut erreichbar ist. Dazu dann hoch motivierte HNR Mitarbeiter vs. mitunter eher "übermäßig gelassene" RD Kollegen. Dazu gute Software (Mit Alarmeingang kriegt der Kollege bereits den Weg berechnet, die Fahrtroute ist uhrzeitabhängig optimiert,zusätzlich sind schwierige Zugangsituationen mit Fotos dokumentiert, Intensivkunden werden speziell geschult, etc.) auf einem Tablet. Sicherlich ist das so nicht reproduzierbar und auf andere Gebiete übertragbar - Ich bin für ein ganzes Bundesland zuständig und kann dies eben nicht überall übertragen...Aber es macht ein wenig stolz :-O


    Damit das klar ist: Wir reden nicht von ewigen Zeiten - Im Regelfall unter 90 Sekunden. Das eigentliche Ziel lautet auch "paralleles Eintreffen mit dem RTW" um die Aufsperrhilfe zu gewährleisten. Es handelt sich auch um eine relativ geringe Zahl von Fällen (Unter 50/Jahr), da überhaupt nur ein ganz geringer Teil der HNR Einsätze eine RTW Parallelalarmierung bedingen (und da noch ein ganz großer Teil entweder selber öffnet oder Dritte die Tür öffnen).


    Zur rechtlichen Situation hat THH eigentlich alles gesagt.

  • Zitat

    Mit Signal? Das halte ich aus Erfahrung für hart übertrieben. Insbesondere diese 24h- Uhren produzierten bei meinem letzten AG zu 99% Fehlalarme und wurden daher zum Schluß nur noch auf ausdrücklichen Wunsch überhaupt aktiviert. Mit Signal angefahren wurde nur in Ausnahmesituationen (zur Türöffnung bei konkreten Hinweisen auf eine Notlage und zugleich alarmiertem Rettungsdienst). Ich schließe mich Christian Betgen an, ob hier wirklich unterlassene Hilfeleistung vorliegt würde ich doch bezweifeln.


    Du hast recht. Natürlich ist das in den meisten Fällen quatsch. Aber mein AG argumentiert damit dass die Feuerwehren auch zu jeder ausgelösten Brandmeldeanlage mit Signal und einem kompletten Löschzug anfährt.
    Mein Kommentar bezog sich natürlich auf den Einsatz des RTW. Ein HNR Fahrzeug wird dann gar nicht mehr entsannt von meinem AG. Es gibt aber natürlich auch noch andere HNR Anbieter aber da sind die Regelungen "anders" ?

    "...Was Sie brauchen haben Sie und was Sie nicht haben brauchen Sie auch nicht.."

    Einmal editiert, zuletzt von Manne ()

  • Du hast recht. Natürlich ist das in den meisten Fällen quatsch. Aber mein AG argumentiert damit dass die Feuerwehren auch zu jeder ausgelösten Brandmeldeanlage mit Signal und einem kompletten Löschzug anfährt.


    Wobei der Vergleich ja nun ganz schön hinkt, da die BMA-Auslösung ja eher mit einem aktiven Alarm ohne Kontakt zu vergleichen ist. Es liegt ja ein aktiver Grund für den Alarm vor, auch wenn er teils durch Defekte ausgelöst wird.

  • Wir entsenden zu allen aktiven Alarmen, die durch die Hausnotrufbetreiber uns (der Leitstelle) gemeldet werden, grundsätzlich ein Löschfahrzeug mit, wenn der Hausnotrufbetreiber nicht sicher stellen kann, dass ein Schlüssel vor oder zeitgleich mit dem Eintreffen des RD vor Ort sein kann. Und wenn der Schlüssel länger braucht, dann wird ggf. die Tür auch schon vorher geöffnet. Es ist leider auch oft so, dass selbst die Hausnotruffuzzis mit Schlüssel nicht in die Wohnungen kommen, da die meist alten Kunden oft ein sehr großes Sicherheitsbedürfnis haben (Schlüssel steckt von innen, alle Türen in der Wohnung zusätzlich abgeschlossen, usw.).


    Der Hausnotruf nimmt regelhaft nur mit uns Kontakt auf wenn dieser den Rettungsdienst benötigt. Vergessene Tagesmeldungen u.ä. werden komplett alleine abgearbeitet, Schlüssel werden beim RD nicht vorgehalten (war aber vor 20 Jahren hier noch oft so). Der Hausnotrufdienst ist regelhaft oft schon vor Ort, wenn der Rettungsdienst alarmiert wird. Das klappt eigentlich sehr gut, organisatorisch wie fachlich (hier besonders der JUH Hausnotrufdienst).


    Gruß

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • Wir haben die Schlüssel unserer HiOrg auf der Wache. Und bei aktiv Alarm ohne Sprechkontakt fährt der RTW mit Signal, bei ausbleibenden Tagesmeldungen ohne Signal an. Ich glaube bei uns im Kreis gibt es nur ein HNR-Auto. Dieses fährt aber nur zum Anschließen von HNR-Geräten und ähnlichem raus. Alle Alarme werden bei uns durch den RTW bedient. Und natürlich gehört unsere RD-Bereich zu den Bereichen in welchen die Hilfsfrist nicht gehalten wird.

  • Zitat

    Und natürlich gehört unsere RD-Bereich zu den Bereichen in welchen die Hilfsfrist nicht gehalten wird.


    ...andere Länder, andere Sitten. Wenn RTW oder auch KTW aus der öffentlichen Vorhaltung irgendwelche privatwirtschaftlichen Geschäftsfelder bearbeiteten, würde uns unsere BF mit dem nackten A**** ins Gesicht springen.