Mannheimer Stadträte und Ärzte rügen Rettungsdienstplan des Landes / Normenkontrollverfahren beim VGH Baden-Württemberg

  • Wenn man einmal von der Reanimation und der Seitenlage absieht - was ist den wirklich zeitkritisch und kann ohne Material (App-Ersthelfer) oder wenig Material (HvO) schon gemacht werden ?

    Blutungen stoppen fällt mir ein, das ist aber wirklich selten das es stark blutet und keine Ersthelfer da ist (zumindest nach meiner Erfahrung).

    Wärmeerhalt draußen wäre auch noch ein Thema

    Was helfen diese Systeme für die 60 Minuten von Alarm bis richtiges Krankenhaus bei den kritischen Arbeitsdiagnosen ?

    Oder anders gefragt: was muss man tun damit der RTW 5 Minuten weniger vor Ort ist?

  • Wenn man einmal von der Reanimation und der Seitenlage absieht - was ist den wirklich zeitkritisch und kann ohne Material (App-Ersthelfer) oder wenig Material (HvO) schon gemacht werden ?

    Blutungen stoppen fällt mir ein, das ist aber wirklich selten das es stark blutet und keine Ersthelfer da ist (zumindest nach meiner Erfahrung).

    Aber das ist doch schon eine ganze Menge und genau da machen solche Systeme, wo sie bereits implementiert sind, den Unterschied für den Patienten. Gerade weil RTW und NEF das in der Fläche nicht leisten können (unabhängig davon, ob die Hilfsfrist 10, 12 oder 15 Minuten beträgt).

    Und das sind auch Einsatzstichworte, für die ich mich als Ersthelfer in meine Nachbarschaft aus der Freizeit heraus alarmieren lassen würde.

  • Wenn man einmal von der Reanimation und der Seitenlage absieht - was ist den wirklich zeitkritisch und kann ohne Material (App-Ersthelfer) oder wenig Material (HvO) schon gemacht werden ?

    Blutungen stoppen fällt mir ein, das ist aber wirklich selten das es stark blutet und keine Ersthelfer da ist (zumindest nach meiner Erfahrung).

    Wärmeerhalt draußen wäre auch noch ein Thema

    Was helfen diese Systeme für die 60 Minuten von Alarm bis richtiges Krankenhaus bei den kritischen Arbeitsdiagnosen ?

    Oder anders gefragt: was muss man tun damit der RTW 5 Minuten weniger vor Ort ist?

    Genau das ist doch das Problem. Für die wenigen Einsätze (Rea, Ersticken, lebensbedrohliche Blutung) würde es sich nie und nimmer rentieren die RTW vorzuhalten um die (in diesen Fällen notwendige) Hilfsfrist von wenigen Minuten einzuhalten. Für alle anderen Fälle reicht es auch, wenn der RTW nach 10-15 (oder sogar mehr) Minuten kommt.
    Darum bin ich ja für gestaffelte Hilfsfristen. In den o.g. Fällen muss dann einfach alles was irgendwie in der Nähe ist hingeschickt werden (egal ob FR, Polizei, FW, KTW usw.). Weil wenn der RTW hier halt erst nach 15 Minuten (als erstes Hilfsmittel) kommt, brauch ich ihn bös gesagt auch gar nicht mehr. Darum ist es auch so wichtig, für diese Fälle zu evaluieren, ob ein FR alarmierbar gewesen ist, ob er gekommen ist usw.
    Für das ACS, den Stroke usw. reicht die normale Hilfsfrist aus (auch wenn es zeitkritische Notfälle sind, macht ein paar Minuten hin oder her normalerweise keinen relevanten Unterschied; und die 60 Minuten kann ich eher durch eine zügige Versorgung und Transportstrategie erreichen).

    Und für nicht lebensbedrohliche Traumen reicht ggf. auch eine längere Hilfsfrist (im Durchschnitt wird das nächste Rettungsmittel ja trotzdem schneller vor Ort sein).

  • Einige haben es bereits schon geschrieben, es ist aus meiner Sicht die Kombination aus allem "Guten!"...


    - Polizei als FR mit einem AED für Bolus, Rea, etc.

    - Zivile Laienhelfer für die bewusstlose Person / Rea

    - Handlungskompetenz bundesweit einheitlich für NFS!

    - NFS auf Motorrädern, als Selbstfahrer in einem NEF (NFS Einsatzfahrzeug ;) )

    - RS & RS Plus (1 jährig!? ) als Transportkomponente. (RS fährt NEF wenn NFS benötigt)

    - NA wird von RS gefahren (besser als der NA fährt - Börse, oft keine Ortskenntnis etc.)

    - Gerne auch eine Weiterbildung für NFS - Advanced NFS oder was auch immer

    - 116117 in Leitstellen einbinden mit CallTakern nach System nach Evidenz, natürlich auch für die Anrufannahme der 112!

    - Krankentransport durch Zentrale Leitstellen - mind. aber mit Zugriffsmöglichkeit per GPS Ortung für FR.


    Das ist vermutlich nur ein Bruchteil der Dinge, die aus meiner Sicht kommen müssen damit die von Daniel richtigerweise angesprochene Ausblutung verhindert werden kann. Und bei einer Rea ist es auch von Vorteil, wenn 6-8 Personen vor Ort sind. Sieht man meiner Meinung nach sehr gut in den Dokus aus dem Ausland.

    Klare aufeinander aufbauende Ausbildung, Gerne auch mit einem RS in knapp 3 Monaten - dann aber 1 Jahr, 3 Jahre, 5 Jahre (als Studium?) bis zum "Gold Standard". Für jeden was dabei, wie die eigene Kompetenz und Wünsche sind. Und am Ende kann dann der NA mit fachspezifischen Wissen und Fertigkeiten für die harten Fälle dazu kommen.


    Einfach mal aus vielen anderen System das sinnvollste für Deutschland kopieren. Nicht immer versuchen alles neu zu erfinden!


    Edit: Und technisch ist es kein Problem die aktuellen Systeme an "Ersthelfer-Apps" in ein Leitstellensystem einzubinden und mit Sicherheit auch eine anonyme "Ping"-Möglichtkeit für jeden dringenden Einsatz zu ermitteln. Dann erfährt man auch relativ schnell, wer zumindest von den bisher gemeldeten Personen in der Nähe gewesen wäre. Kurzes Opt-In mit klarer Erklärung, ich behaupte mind. 75% würden solch einer Erhebung zustimmen!

  • Einfach mal aus vielen anderen System das sinnvollste für Deutschland kopieren. Nicht immer versuchen alles neu zu erfinden!

    Tatsache ist, dass trotz all der genannten und auf den ersten Blick "sinnvollen" Dinge, es zu KEINER relevanten und v.a. nachhaltigen Entlastung der Systeme gekommen ist.


    So lange man nur eine "Blutstillung", aber keine definitive Versorgung des "Patienten Gesundheitswesen" durchführt, hält man das Ganze zwar am Leben, aber es wird nicht besser.

  • UndTatsache ist, dass trotz all der genannten und auf den ersten Blick "sinnvollen" Dinge, es zu KEINER relevanten und v.a. nachhaltigen Entlastung der Systeme gekommen ist.


    So lange man nur eine "Blutstillung", aber keine definitive Versorgung des "Patienten Gesundheitswesen" durchführt, hält man das Ganze zwar am Leben, aber es wird nicht besser.

    unbestritten. Die meisten von René angesprochenen Punkte würden auch eher der Schlagkräftigkeit des RDs dienen, nicht der Entlastung (aber es ging ja eben auch um Sinn und Zweck der Hilfsfrist).

    Dass es ganz viele Massnahmen bzw. eine komplette tabula rasa bräuchte um den Patienten Gesundheitswesen zu heilen steht auf einem ganz anderen Papier (falls das überhaupt möglich ist und die palliative Situation noch abgewendet werden kann).

  • Hier gibt es doch den ein oder anderen mit Kontakte in die Landespolitik.


    Was läuft denn nun nach dem VGH Urteil?


    Das KIT Gutachten ist erst mal ausgesetzt, alle Vorhalteerweiterungen eingefroren laut mir bekannten Bereichsausschüssen mangels Rechtsgrundlage. Das kann man ja nicht ewig aussitzen.

  • Du glaubst gar nicht, wie viele Personal- oder Vorhaltegutachten in meiner Ecke schon ausgesessen wurden und jährlich neu aufgerollt wurden, um dann doch wieder ergebnislos abgebrochen wurden.

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • Der VGH Baden-Württemberg hat inzwischen den Volltext zur o.g. Entscheidung veröffentlicht:


    http://lrbw.juris.de/cgi-bin/l…023&nr=38870&pos=6&anz=68


    Besonders spannend zur Hilfsfrist-Entscheidung die Absätze ab Nr.123, zur Rechtsgrundlage der Vorabdelegation die Nr.116 bis 118.

  • zur Rechtsgrundlage der Vorabdelegation die Nr.116 bis 118.

    Naja, dass eine Vorabdelegation erst nach einer gesetzlichen Regelung im RDG (oder jedenfalls in einem materiellen Gesetz) möglich ist, ist ja nicht neu und (soweit ich sehe - der Wiss. Dienst des Deutschen Bundestages hat das ganz schön zusammengestellt) wohl überwiegende Auffassung.

  • Naja, dass eine Vorabdelegation erst nach einer gesetzlichen Regelung im RDG (oder jedenfalls in einem materiellen Gesetz) möglich ist, ist ja nicht neu und (soweit ich sehe - der Wiss. Dienst des Deutschen Bundestages hat das ganz schön zusammengestellt) wohl überwiegende Auffassung.

    Klar. Das hat sich nur im Ländle noch nicht zu jedem rumgesprochen.

  • Mannheimer Morgen von heute:


    https://www.mannheimer-morgen.…ig-ist-_arid,2127338.html


    Daraus:

    Zitat

    Passiert ist seit dem Urteil nicht viel. Das Innenministerium zieht sich darauf zurück, dass das VGH keine Sofortmaßnahmen, welche die Kläger zur Einhaltung der Zehn-Minuten fordern, verlangt hat. Zuständig seien Krankenkassen und Hilfsorganisationen. Der Rettungsdienstplan, den das Gericht für rechtswidrig erklärt hat, ist aber weiter in Kraft. Und das Ministerium hat ausdrücklich abgelehnt, darauf berufende Detail-Rettungsdienstpläne für einzelne Städte oder Landkreise aufzuheben.

    In zwei Schreiben des Ministeriums, die dieser Redaktion vorliegen, heißt es: Die zehnminütige Hilfsfrist gelte als erfüllt, wenn sie in 75 Prozent der Fälle eingehalten wird. Die Vorgabe der Richter „weicht deutlich von den Realitäten der Notfallrettung ab“. Das Ministerium sehe da „grundsätzlichen Handlungsbedarf“, der aber „wegen der damit verbundenen technischen und regulatorischen Anpassungen nicht kurzfristig umsetzbar ist“.

    Die Kläger sind empört. „Hierdurch gilt in Baden-Württemberg faktisch eine rechtswidrige Rechtslage fort“, sagt Pitz. „Die Missachtung geltenden Rechts und die rechtswidrige Weisung der faktischen Formgebung der für unwirksam erklärten Norm des Rettungsdienstplans“, so Pitz, versuche das Ministerium „offenbar damit zu rechtfertigen, dass ihm die Anwendung geltenden Rechts unmöglich sei“.“

    und

    Zitat

    „So steht es in einem neuen Schriftsatz, den Pitz nun verfasst hat. Die meisten bisherigen Kläger tragen ihn mit – nur die CDU, für die sich zuvor stellvertretend Stadträtin Marianne Seitz bei den Klägern einreihte, ist nicht mehr dabei. Schließlich geht es jetzt auch direkt gegen das Innenministerium. Es soll durch einen beim Verwaltungsgericht Stuttgart gestellten Antrag per Erlass einer einstweiligen Anordnung gezwungen werden, die Zehn-Minuten-Frist umzusetzen und alle Beschlüsse, die dagegen sprechen, aufzuheben.


    Solch ein Antrag ist ungewöhnlich; es gibt auch kaum formale Regeln dafür. „Aber es ist ja auch höchst ungewöhnlich, was da passiert“, sagt Pitz: „Der Rechtsstaat geht ja davon aus, dass sich der Staat an Urteile seiner Gerichte hält!“ Weil das Land das nicht tue, müsse man eben erneut den Rechtsweg beschreiten, weil sonst weiter das Grundrecht auf Leben verletzt werde.“

  • Ein Kommentar dazu aus dem Mannheimer Morgen:


    https://www.mannheimer-morgen.…oriert-_arid,2127313.html


    Daraus:

    Zitat

    Das Grundproblem ist, dass es beim Rettungsdienst nicht um Barmherzigkeit geht. Es handelt sich vielmehr um ein knallhartes Geschäft, in dem um Marktanteile und Einfluss gerungen wird. Andere Bundesländer schaffen zwar problemlos kürzere Hilfsfristen, regulieren das Thema aber viel stärker. In Baden-Württemberg überlässt das Land dieses Geschäft allein den Hilfsorganisationen und Krankenkassen, welche die Spielregeln dafür selbst aufstellen dürfen. Das Innenministerium setzt nur den Rahmen und berücksichtigt sehr weitgehend deren Interessen. Niemand schaut genau hin, ob das mit den Rechten der Bürger vereinbar ist. Genau das haben die Richter gerügt und verlangt, dass die Rettungsdienstplanung aus Sicht der Patienten und deren (Grund-)Rechte zu erfolgen hat. Doch im Stuttgarter Innenministerium nimmt man das nur achselzuckend zur Kenntnis.

    Die Frage ist, ob hier einfach die Fachabteilung des Ministeriums weiter so vor sich hinwurstelt oder ob die politische Führung des Hauses, sprich Minister Thomas Strobl, das sogar billigt. Beides wäre skandalös, denn auch Minister und Ministerialbeamte sind nun mal an Recht und Gesetz und damit an Gerichtsurteile gebunden.“

  • Welche Bundesländer sollen das denn sein?

    Hessen hat beispielsweise 10 Minuten in 90% und 15 Minuten in 95% ab erkennen des Vorliegen eines Notfalls (meist Einsatzerstellung in ELR), heist Dispozeit und Ausrückezeit zählen bereits dazu, sodass effektiv noch 8, bzw. 13 Minuten übrig bleiben, was man doch deutlich am dichteren Rettungswachennetz merkt. Hier wurde in den letzten Jahren auch aufgeräumt, was die Erfüllung angeht, die natürlich trotzdem nicht überall eingehalten wird, da auch hier zu wenig Personal, wie überall.

    Ob die reine Abstufung nach

    Notfall ohne Sonderrechte (R0),

    Notfall mit Sonderrechte (R1),

    Notfall mit Sonderrechte und Notarzt (R2) zielführend ist darf sehr in Frage gestellt werden.

  • Notfall ohne Sonderrechte, ein Konstrukt welches meiner Meinung nach nur existiert um einen RTW zu einem Low Code Einsatz zu disponieren und diesen natürlich auch abzurechnen.


    Problem nur: alle KT unter diesem R0 führen am Ende nur zur Erhöhung der Vorhaltezeiten RTW, obwohl sie eigentlich zur Erhöhung der KTW führen sollten.


    Gerade in einem Mischsystem (RTW/MZF/KTW) für mich unhaltbar. Andere LK differenzieren da deutlich besser. Da gibt es extra das Stichwort "KT mit RTW", sehr gut für die Auswertung.

  • Der Z.n. Sturz, der in Ruhe einen aushaltbaren Schmerz hat und im Verlauf ggf. eine prozedurale Analgesie für die Immobilisation und Lagerung benötigt, wäre z.B. ein klassischer R0, zumindest in meinen Breitengraden.


    Natürlich wird leider auch viel als R0 getarnt, was eigentlich ein K wäre, alle RTW-Einsätze allerdings mit Signal zu beschicken, halte ich aus Sicht des Mitarbeiterschutzes jedoch für überzogen.

  • Hessen hat beispielsweise 10 Minuten in 90% und 15 Minuten in 95%

    Moin,


    ich meinte doch nicht schönere gesetzliche Regelungen sondern besser funktionierende Hilfsfristerreichungsgrade in der Realität. Auch gesetzliche Vorgaben sollten smart sein.... Da kenne ich bisher KEIN Bundesland......


    https://www.aerzteblatt.de/nac…-Hessen-nicht-eingehalten