Tagesschau: Wenn Notfallsanitäter nicht helfen dürfen

  • Zitat

    Wie groß dabei deutschlandweit die Unterschiede sind, zeigt eine nicht-repräsentative Umfrage von Report Mainz. Auf Anfrage in bundesweit 299 Rettungsdienstbereichen hat das ARD-Politikmagazin 120 Antworten erhalten.


    Im Umfrage-Durchschnitt sind 17 Medikamente zur Gabe durch Notfallsanitäter freigegeben, ohne dass ein Notarzt hinzugerufen werden muss. Die Zahlen liegen jedoch weit auseinander. Im Rettungsdienstbezirk Nordfriesland sind es beispielsweise 38 Medikamente. In Bayern dürfen Notfallsanitäter landesweit nur vier Medikamente geben, ohne einen Notarzt nachzufordern. In Bottrop in Nordrhein-Westfalen ist es sogar nur ein einziges Medikament.


    https://www.tagesschau.de/inve…ng-rettungswagen-100.html

    Under pressure, you don't rise to the occasion. You sink to your level of training.

  • Da hat man sich mit der Gabe von Tranexamsäure durch NFS bei Patienten mit einer Blutererkrankung ja ein richtig relevantes und ständig zu beobachtendes Beispiel gewählt.

    Das war sicher der journalistischen Dramaturgie geschuldet. 15 Urapidil beim hypertensiven Notfall ziehen nicht wirklich.

  • "Wie groß dabei deutschlandweit die Unterschiede sind, zeigt eine nicht-repräsentative Umfrage"


    Da war ein echter Wissenschaftler am Werk.


    Im Ernst: Schade, dass dieses Thema immer noch unter falschen Prämissen und mit Vorwürfen ad personam diskutiert wird. Es wäre an der Zeit, das sachlich anzugehen.

    Lügen ist keine Kunst. Kunst ist, anderen die Wahrheit in einem neuen Licht zu zeigen.

  • Das war sicher der journalistischen Dramaturgie geschuldet. 15 Urapidil beim hypertensiven Notfall ziehen nicht wirklich.

    Ja, möglich. Die Umfrage zeigt vielleicht aber auch, dass, von Ausreißern abgesehen, die Lage gar nicht mehr so dramatisch oder bescheiden ist, wie noch vor ein paar Jahren. Interessant wäre, wie viele Medikamente tatsächlich in der Mehrheit gegeben werden dürfen. Die Angabe des Medians wäre daher hilfreicher gewesen.


    Außerdem suggeriert der Tagesschau-Text völlig falsch, dass NFS in Bottrop oder woanders hilflos neben dem Patienten stehen müssen. Sie müssen nur deutlich öfter einen NA hinzuziehen als in anderen Gebieten, wenn sie Medikamente geben. Das ist ein erheblicher Unterschied zur Überschrift. Damit liegt Herr König mit seiner zitierten Aussage zum System der Freigabe durch ÄLRD völlig daneben (auch wenn man natürlich hier einiges verbessern könnte).


    Ich würde es auch bezweifeln, dass der "normale" NFS durch die reine Tätigkeit im RD dauerhaft fast 40 Medikamente sicher beherrschen kann.

  • Was sollen das vor allem für Medikamente sein? Laut hessischen Ausbildungsalgorithmen lernt der Azubi dort den Umgang mit 23 Medikamenten, zzgl. VEL, inkl. drei BTMs, Glukose sowie Sauerstoff. Selbst wenn man noch Heparin, Metoprolol, Adenosin und Tranexamsäure dazupacken würde, käme man noch nicht auf 30 Medikamente. Und mit den Hessen-Algorithmen kann man schon sehr vernünftig arbeiten, sofern sie auf Kreisebene entsprechend als Grundlage zur ÄLRD-Freigabe genutzt werden.

  • Passend zum Threadtitel greift Report Mainz das Thema heute auch auf.

    They say God doesn't close one door without opening another.

    Please, God, open that door. :oncoming_fist_light_skin_tone:

  • ... Damit liegt Herr König mit seiner zitierten Aussage zum System der Freigabe durch ÄLRD völlig daneben...

    Wann lag er das denn nicht? Entschuldigung, aber mittlerweile ist der Mann doch nur noch populistisch unterwegs.

  • Damit liegt Herr König mit seiner zitierten Aussage zum System der Freigabe durch ÄLRD völlig daneben

    Wann lag er das denn nicht? Entschuldigung, aber mittlerweile ist der Mann doch nur noch populistisch unterwegs.


    Zitat

    Marco König, Vorsitzender des Deutschen Berufsverbandes Rettungsdienst, kritisiert im Interview mit Report Mainz: "Das System Ärztlicher Leiter Rettungsdienst, so wie es jetzt ist, ist gescheitert." Er spricht von "Standesdünkel" und kritisiert, dass noch immer die Kompetenzen der Notfallsanitäter in Frage gestellt würden. Er fordert mehr einheitliche Standards.


    Wo oder wie genau liegt er denn völlig daneben? Wenn man schon Populismus vorwirft, bin ich auf die nuancierte, sachliche Antwort gespannt.

    Under pressure, you don't rise to the occasion. You sink to your level of training.

  • Wo oder wie genau liegt er denn völlig daneben? Wenn man schon Populismus vorwirft, bin ich auf die nuancierte, sachliche Antwort gespannt.

    Genauso nuanciert wie der pauschale Vorwurf des Standesdünkels oder noch nuancierter?

  • Um mal etwas einzuwerfen: Wir haben 16 Bundesländer mit 16 Landesrettungsdienstgesetzen, x Landkreisen und fast ebensovielen ÄLRD.
    Alleine in Bayern, wo alle Landkreise erst einmal die gleichen Voraussetzungen (vier Medikamente!!!) haben, sehe ich alleine zwischen meinem Landkreis und dem Nachbarlandkreis große Unterschiede: Während mein ÄLRD sehr gerne Stellungnahmen liest und diese immer unter der Prämisse "Durfte er das überhaupt?" bearbeitet und ständig "Konsequenzen", "strengste Beobachtung" und "letzte Ermahnung" im Raum stehen, gibt's nebenan konstruktive Kritik, lobende Worte und eher Rücfragen der Sorte "was waren in diesem Moment euere Abwägungen?" und dazwischengegrätscht wird nur bei mutwilligen oder grob fahrlässigen Verstößen. Ein System, zwei Personen, zwei Welten.

    Die Aussage "Das System ÄLRD ist gescheitert" ist somit für mich grob populistisch. Das System wird von Menschen mit Inhalt gefüllt, die ihren Auftrag unterschiedlich interpretieren. Vielleicht muss einfach nur der Auftrag klarer formuliert werden?

  • ...
    Alleine in Bayern, wo alle Landkreise erst einmal die gleichen Voraussetzungen (vier Medikamente!!!) haben, ...

    Wo sind es denn nur 4 Medikamente? Im Anhang mal die Bestückung eines jeden Bayern RTW mit Medikamenten, diese werden auf jedem RTW vorgehalten und Notfallsanitäter applizieren diese entsprechend eigenständig nach NotSanG §2a.


    4 medikamente nach NotSanG §5 Abs 2c, richtig. aber wen interessieren diese denn noch seit herauskommen des NotSanG §2a? In meinem RDB keinen. Hier wird munter die geeignete Analgesie für isolierte Extremitätenverletzungen gegeben (eben nicht immer nur Stur Piritramid), Blutdrücke gesenkt oder gehoben ohne Notärztliches zutun. Stress mit irgendwem? nö.


    https://lasa.cirs.bayern/ords/…GETFILE_EMPF:::FILE_ID:21



    EDIT: In der "Empfehlungsliste" (btw verbindlicher Charakter - ein Betreiber der die Fzg nicht so ausstattet hat ein ziemliches Problem, außer der ZRF kontrolliert nicht gut.) - alles auf dem RTW vorgehalten mit der Ausnahme der Antidota. (Da wünscht man sich vor allem Kohle schon häufig auf dem RTW)

  • Wo oder wie genau liegt er denn völlig daneben? Wenn man schon Populismus vorwirft, bin ich auf die nuancierte, sachliche Antwort gespannt.

    Welches System denn? Der "Ärztliche Leiter RD" ist ja bundesweit nicht mal richtig definiert. Ihn gibt es in einigen Bundesländern nicht mal, in anderen gibt es "vereinsinterne" und keine behördlichen, oder ehrenamtliche. In anderen Bundesländern gibt es eine Pyramide aus ÄLRD bis hin zum Landes-ÄLRD. Dann gibt es Berlin mit mehreren parallel und dann wieder welche, die staatliche Vorgaben umsetzen müssen und welche denen diese Umsetzungen nur empfohlen werden.
    Weiter geht es mit den Aufgaben. Wenn ich diese nur auf die Medi-Freigaben an NotSan zuspitze (wie es König hier mMn tut) dann ist auch dies schlicht falsch. In NRW kommt bspw. noch QM hinzu in anderen Bundesländern auch noch Beschwerdemanagement und Rechtsgutachten. Kat-Schutz oder Großschadensfälle sind auch eine Baustelle des ÄLRD - zumindest mancherorts, auch nicht überall. Und all diese Punkte sind mitnichten vollständig.
    Das mit einander zu vergleichen und dann global zu sagen: "Der ÄLRD als Funktion ist gescheitert" ist so dermaßen eindimensioniert, dass man hier bei einem Vorsitzenden einer Interessensvertretung doch klar das "Abschaffen" mithören kann. Und das ist schlicht populistisch, sorry. Fakten so zu verdrehen und so verquer darzustellen ohne Gegenvorschlag, ohne präzise Analyse, ohne Differenzierung ist grotesk. Und (da bin ich auch sicherlich voreingenommen) das ist seriöser Vereinsarbeit unwürdig, sorry.

  • Die Aussage "Das System ÄLRD ist gescheitert" ist somit für mich grob populistisch.

    Diese Aussage ist sehr provokativ, das stimmt. Ein kleiner Funken Wahrheit steckt jedoch drin, da es auf die Uneinheitlichkeit der Versorgung von Notfallpatienten in der Präklinik hinweist. Denn scheinbar sind wir nicht in der Lage, die Patienten überall in Deutschland gleich gut zu versorgen. Evidenz, Leitlinien und Co; so hängt es doch vom Glück des Patienten ab, ob er zur richtigen Zeit am richtigen Ort krank wird oder sich verletzt. Und das begrenzt sich nicht nur auf den Umfang der Medikamente für die NotSan, sondern geht auch weiter über Struktur, Organisation und Ausstattung des Rettungsdienstes sowie der Fort- & Weiterbildung von Mitarbeitern (ärztlich wie nicht-ärztlich), usw. Das ist ein (oder das grundlegende) Problem der föderalen Struktur des Rettungsdienstes in Deutschland.

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • Wie du richtig feststellst: Das ist nicht die Schuld oder Verantwortung der individuellen ÄLRD, sondern unseres föderalistischen Systems.

    Daraus ein Scheitern des Systems ÄLRD zu folgern ist ebenso plump-populistisch wie zu sagen, das bekanntlich ebenfalls hochföderalistisch organsierterte deutsche Schulsystem sei gescheitert.

  • Wo oder wie genau liegt er denn völlig daneben? Wenn man schon Populismus vorwirft, bin ich auf die nuancierte, sachliche Antwort gespannt.


    Ich frage mich, ob es weniger dünkelhaft ist, einem Berufsstand Dünkel vorzuwerfen, dem man selbst nicht angehört. Es muss aber jeder für sich wissen, wie er auf andere Menschen zugeht und was er sich davon verspricht.


    Über das inhaltliche Thema spreche ich einigermaßen regelmäßig mit verschiedenen ÄLRD und nehme auch an Diskussionen mit einer ganzen Reihe davon teil. Das erlebe ich ausnahmslos als differenziert und komplett fachlich geprägt. Sehr interessant übrigens, wenn man sich die Argumente einfach mal anhört.

    Lügen ist keine Kunst. Kunst ist, anderen die Wahrheit in einem neuen Licht zu zeigen.