Werden in Köln die Einsatzmittel bedarfsgerecht disponiert?

  • Zitat

    Die Stadt Köln hat ca. 65.000 Rettungsdiensteinsätze des 1. Halbjahres 2023 ausgewertet, die von der Leitstelle der Feuerwehr Köln disponiert wurden. Ermittelt wurde, ob die entsandten Einsatzmittel ausreichend qualifiziert, überqualifiziert oder unterqualifiziert waren. Demnach seien primär entsandte Notfall-Krankentransportwagen (N-KTW) in 96,7% der Einsätze bedarfsgerecht und nur in 3,3% der Fälle unterqualifiziert eingesetzt worden. Bei den unterqualifiziert bedienten Einsätzen sei keine Wiederbelebung dabei gewesen und es hätte nur 33 Fälle gegeben, in denen ein höherwertiges Einsatzmittel nachbestellt werden musste. In 20,4% dieser Einsätze sei eine Behandlung im vertragsärztlichen System ausreichend gewesen.


    Die Entsendung eines RTW sei in 99,3% der Fälle auf Grundlage des initialen Notfallmeldebildes gerechtfertigt gewesen, in 0,7% der Einsätze musste zusätzlich ein Notarzteinsatzfahrzeug nachgefordert werden. Retrospektiv und auf Grundlage eines vervollständigten Notfallmeldebildes betrachtet seien in 54,2% der Einsätze ein N-KTW und in 14,2% dieser Einsätze die Konsultation des vertragsärztlichen Systems ausreichend gewesen. In ca. 3% der Fälle sei keine Patientin und kein Patient vor Ort angetroffen worden.

    Link zum Artikel auf skverlag.de

  • In Köln ist also die Disposition der RTW nicht mehr zu optimieren, aber über 50% der Einsätze sind retrospektiv nichts für den RTW?

    Under pressure, you don't rise to the occasion. You sink to your level of training.

  • Der o.g. Artikel sagt rein überhaupt nichts aus, da es keinen Methodenteil gibt. Die Bewertungsgrundlage ist daher nicht bekannt, wie auch das grundsätzliche Dispositionssystem oder die AAO. Insbesondere die Komponenten N-KTW ist sehr dimensionslos, da weder die Besetzung bekannt, noch die in/für Köln ggf über die Norm hinausgehende Bestückung (zB mit Medikamenten). So kann man dann auch schwerlich auf eine objektive Bewertung der Kennzahlen, geschweige denn der im Artikel getroffenen Schlussfolgerungen schließen oder diese nachvollziehen.

    Vllt mal ganz interessant, wenn das ganze als echter wissenschaftlicher Artikel aufbereitet wird und irgendwo erscheint, so aber in meinen Augen eher unter Datenmüll zu verordnen.

    Und ja, ich kann M1k3 kritische Bewertung nachvollziehen...

  • Vielleicht etwas sachlicher von mir:


    Köln lehnt eine strukturierte, standardisierte Abfrage ab. Wenn also die Disposition zu >99% korrekt war, kann das nur bedeuten, dass fast 99% der Notrufenden einen RTW erhielten. Vor allem ist Köln dafür bekannt nur sehr sehr sehr wenige Einsätze an den KÄND abzugeben.


    Spannend wäre ja die Frage, wie man die RTW Disposition reduzieren kann ohne echte Notfallpatienten zu übersehen. Und spannend wäre wie AI oder Videotelefonie dabei helfen können. Solange aber jeder Disponent nach Gefühl alarmiert, wird das schwierig zu erfassen. Und solange das so ist wundere ich mich über 99% richtige Disposition...

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  • Köln lehnt eine strukturierte, standardisierte Abfrage ab. Wenn also die Disposition zu >99% korrekt war, kann das nur bedeuten, dass fast 99% der Notrufenden einen RTW erhielten. Vor allem ist Köln dafür bekannt nur sehr sehr sehr wenige Einsätze an den KÄND abzugeben.

    Nur dass ich es richtig verstehe. In der Millionenstadt Köln wird komplett freihand abgefragt? Keine Softwareunterstützung?


    Weiß jemand, ob hier extern begutachtet wurde und ob man Unterlagen dazu findet? Bei der Stadt Köln selbst bin ich leider nicht fündig geworden

  • Ich kann mal fragen, kenne da noch welche aus längst vergangenen Leben. Mal schauen ob ich die noch erreiche.


    Soweit mir bekannt ist es in Köln so, dass es letztlich mehrere "Ebenen" in der Leitstelle gibt. Eine Gruppe nimmt nur an und haut die Daten in den PC. Danach erfolgt durch eine Art Dispatcher erst die Zuteilung der Einsatzmittel und deren Alarmierung. Wieder andere sind dann quasi am Funk und regeln Rückmeldungen, Nachforderungen und Co. und dann gibt es da eine noch die Entscheider quasi als Lagedienst- bzw. Schichtleitung.

    Daher wundert mich die Zahl noch mehr.


    Spannend fand ich auch die Zahl der NEF - Nachforderungen. Hier würde mich mal interessieren wieso diese so extrem niedrig ist. Wurde überdimensioniert oft ein NEF bereits mit bestellt? Haben die Freigaben der NFS ausgereicht? Oder war man, Großstadt sei dank, ja eh gleich in der Klinik?

  • Soweit mir bekannt ist es in Köln so, dass es letztlich mehrere "Ebenen" in der Leitstelle gibt. Eine Gruppe nimmt nur an und haut die Daten in den PC. Danach erfolgt durch eine Art Dispatcher erst die Zuteilung der Einsatzmittel und deren Alarmierung. Wieder andere sind dann quasi am Funk und regeln Rückmeldungen, Nachforderungen und Co. und dann gibt es da eine noch die Entscheider quasi als Lagedienst- bzw. Schichtleitung.

    Daher wundert mich die Zahl noch mehr.

    Naja, die Trennung zwischen Calltaker, Dispatch und zusätzlichen Funksprechern ist ja eigentlich State-of-the-art... weltweit... so seit den 80ern.

  • Soweit mir bekannt ist es in Köln so, dass es letztlich mehrere "Ebenen" in der Leitstelle gibt. Eine Gruppe nimmt nur an und haut die Daten in den PC. Danach erfolgt durch eine Art Dispatcher erst die Zuteilung der Einsatzmittel und deren Alarmierung.

    Naja, die Trennung zwischen Calltaker, Dispatch und zusätzlichen Funksprechern ist ja eigentlich State-of-the-art... weltweit... so seit den 80ern.

    Konguent bis auf eine Unschärfe: Wer legt hier jeweils die Priorität fest? Der Calltaker? So kenne ich es, aber aus dem Monschi-Zitat geht es nicht eindeutig hervor. Man könnte es auch so lesen, dass die Funktion nach dem Calltaker die Priorität festlegt.

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  • Normalerweise legt der Calltaker das Stichwort fest, die AAO die Priorität, der Dispatcher aber anhand des Tagesgeschehens die reale Dispositionsreinfolge.

  • Naja, die Trennung zwischen Calltaker, Dispatch und zusätzlichen Funksprechern ist ja eigentlich State-of-the-art... weltweit... so seit den 80ern.

    Was nicht gut sein muss deswegen. Kann ich aber nicht beurteilen. In D ist es aber, zumindest soweit meine geringen Einblicke diese Aussage erlauben, wohl eher nicht so.

    Konguent bis auf eine Unschärfe: Wer legt hier jeweils die Priorität fest? Der Calltaker? So kenne ich es, aber aus dem Monschi-Zitat geht es nicht eindeutig hervor. Man könnte es auch so lesen, dass die Funktion nach dem Calltaker die Priorität festlegt.

    Das kann ich dir leider nicht sagen. Ich vermute aber, dass das Stichwort der Anrufannehmer vorgibt und danach dann die Autos entsprechend der Hinterlegung zugeteilt werden.

  • Ein Problem des Calltaker-Dispatcher-Problems ist leider auch, dass als Calltaker regelhaft die Kollegen eingesetzt werden, die die geringste Qualifikation und Erfahrung besitzen. Der Notrufdialog läuft meiner Erfahrung nach gezielter, inhaltlich besser und flüssiger, wenn ein gut ausgebildeter und rettungsdienstlich erfahrender Kollege diesen führt. Denn zum RTW zuteilen gehört nur etwas Organisationsgeschick (oder einfach nur auf die Maus klicken).

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • Als jemand aus einer „normalgroßen“ Kreisleitstelle (Mindestbesatzung 3 Kollegen, künftig eher 4 bzw. in Kernzeiten sogar 5), in der tagsüber die Trennung Calltaker-Dispatcher angewandt wird (aufgrund des Aufkommens an KT und RD angewendet werden muss!) bin ich immer wieder erstaunt, wie das in größeren Versorgungsbereichen ohne so eine Trennung funktioniert. Hier sind alle Kollegen gleichberechtigt, aber einer hat den Überblick und kann durchaus auch mal einen nahe stehenden KTW zur Erstversorgung abziehen. Ich muss mir in der Notrufabfrage halt keinen Kopf machen, welches Fahrzeug anfährt und kann mich voll drauf konzentrieren, umgekehrt kann ich als Dispatcher in Ruhe schon im laufenden Dialog schauen, welche Einsatzmittel günstig stehen - also zusätzlich zum Vorschlag des Leitrechners. Und entsprechend Ausgleich in Form von Wachverlegungen/Gebietsabsicherungen schaffen. Wie man das in Köln bewerkstelligt, ohne dass man sich in die Quere kommt ist mir ein Rätsel.


    In solchen Strukturen fahren doch sicher ständig RTW in Status 3 aneinander vorbei, oder?

  • Ein Problem des Calltaker-Dispatcher-Problems ist leider auch, dass als Calltaker regelhaft die Kollegen eingesetzt werden, die die geringste Qualifikation und Erfahrung besitzen. Der Notrufdialog läuft meiner Erfahrung nach gezielter, inhaltlich besser und flüssiger, wenn ein gut ausgebildeter und rettungsdienstlich erfahrender Kollege diesen führt. Denn zum RTW zuteilen gehört nur etwas Organisationsgeschick (oder einfach nur auf die Maus klicken).

    Das unterschreibe ich so. Hier ist mit Einführung des SNAS der Trend in die Richtung gegangen als Calltaker Menschen mit keiner bis wenig Erfahrung in der Notfallmedizin einzusetzen. Die Abfragequalität wurde deutlich schlechter und das Einsatzaufkommen der Notfallrettung ging durch die Decke!

  • In solchen Strukturen fahren doch sicher ständig RTW in Status 3 aneinander vorbei, oder?

    Das passiert auch in Leitstellen, die das Calltakter-Dispatcher-Prinzip anwenden. Ab einer bestimmten Größe gibt es so viele Einsätze, die können ein oder zwei RD-Dispatcher nicht mehr so im Blick haben, dass das nicht passiert. Trotz GPS.

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • Ab einer bestimmten Größe gibt es so viele Einsätze, die können ein oder zwei RD-Dispatcher nicht mehr so im Blick haben, dass das nicht passiert. Trotz GPS.

    Es soll ja auch noch Städte geben, da fahren RTW der Berufsfeuerwehren ohne GPS umher und rücken nach Einsätzen auch zunächst einmal wieder an die Wache ein, damit jaa abwechselnd gefahren wird....Diese Fahrzeuge sind dann nicht ortungsfähig und fahren für die Leitstelle unsichtbar frei in der Gegend umher....Das kann dann ja auch nicht funktionieren....

  • Zu der Gruppe Leitstellen gehören wir hier jedoch nicht.


    Um die Kurve wieder nach Köln zu bekommen: Ich wundere mich schon, dass Köln (angeblich, wo genau stand das noch mal?) keinerlei qualitätssichernde Maßnahmen bei der Notrufabfrage nutzt. Das kann man sich eigentlich nicht vorstellen. Die publizierten Ergebnisse sind jedoch schon etwas merkwürdig. Das kann aber auch an der Kürze der Nachrichtenbeiträge vom SK-Verlag liegen.

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • In Köln ist also die Disposition der RTW nicht mehr zu optimieren, aber über 50% der Einsätze sind retrospektiv nichts für den RTW?

    Ja, aber das war unmöglich vorherzusehen, bis man beim Patienten war. Die Leitstelle kann ja nicht hellsehen, die Disposition war fast immer völlig richtig (und interessanterweise wurde beim N-KTW nie überdisponiert).

    Ein Problem des Calltaker-Dispatcher-Problems ist leider auch, dass als Calltaker regelhaft die Kollegen eingesetzt werden, die die geringste Qualifikation und Erfahrung besitzen.

    Das ist das, was mich an einer solchen Aufteilung oft fasziniert, ja.

  • Das man die weniger qualifizierten Kollegen als Calltaker einsetzt ist halt ein Führungsproblem - wobei es für AMPDS auch Studien gibt,die einen Vorteil von komplett unqualifiziertem Personal gegenüber medizinisch ausgebildetem Personal sehen.(Sehe ich persönlich aber auch anders)


    Die Trennnung zum Funk ist aber schlicht rein organisatorisch notwendig, verkürzt die Alarmierungszeiten nachweislich und senkt das Stresslevel der Calltaker enorm, da sie nicht mehr nebenbei noch das Einsatzgeschehen "im Blick" haben müssen (letzteres beeinflusst auch die Abfrage Qualität negativ). Auch für die RD Besatzungen ist eine fehlende Trennung nur nachteilig - sie erhalten weniger Koordination, haben ggf. eine längere "Rückmeldezeit" bis auf (ggf. lebensbedrohliche) Notrufe ihrerseits jemand antwortet,etc.

    Und das Argument "es gehen Infos verloren" ist spätestens in Zeiten des Datenfunks eigentlich hinfällig - Absolut alles gehört gescheit digital dokumentiert&ggf. mit übertragen.


    Nur weil es in der deutschen Kleckerles Leitstellenlandschaft nicht flächendeckend umgesetzt wird ist es deswegen nicht weniger weltweiter Standard (und wird auch in DE ja schon seit den 80ern umgesetzt).


    Im Bereich der großen Leitstellen ist das auch gar nicht anders machbar, erst Recht da ja ggf. gar nicht alle Plätze voll ausgestattet sind. Und auch sonst sind 32 potentielle Abfragende kaum koordinierbar.

    Hier macht eine Trennung einerseits zwischen Calltaker-Funk aber ggf.auch zur Bettenvergabe durchaus Sinn - und in großen Bereichen muss ggf. sogar noch einmal geografisch getrennt werden.


    Anders ist das 3D Schach,dass du mittlerweile als Dispatcher spielen musst gar nicht anders zu bewältigen. Und eigentlich betrifft das imho auch die Landleitstellen - denn deren 3D Schach ist nicht minder kompliziert und eigentlich muss (viel mehr als in der Großstadt) auch das Geschehen bei den Nachbarn mit im Auge behalten werden.


    Die Problematik ist imho eher,dass die Qualifikation und Qualität vieler deutscher Leitstelle halt mäßig bis schlecht ist und viele Notrufabfragesysteme keinerlei wissenschaftliche Basis haben.

  • Hier ist mit Einführung des SNAS der Trend in die Richtung gegangen als Calltaker Menschen mit keiner bis wenig Erfahrung in der Notfallmedizin einzusetzen. Die Abfragequalität wurde deutlich schlechter und das Einsatzaufkommen der Notfallrettung ging durch die Decke!

    Das wird immer wieder behauptet, aber in den Orten wo ich Einblick habe ist das durch zahlen nicht zu bestätigen. Der Berliner Feurewermann meckert auch gerne über das neue System (das seit über 15 Jahren Anwendung findet), aber wenn man mal Berlin (>95% standardisierte Notrufabfrage) mit Köln vergleicht (keine Vorgabe) stellen wir rein Fahrzeugmäßig fest:

    Köln hat eine Millionen Einwohner und 88 RTW.
    Berlin hat 3,6 Millionen Einwohner und 120 RTW, dabei ist Berlin flächenmäßig drei mal so Groß wie Köln, mit einer deutlich höheren Bevölkerungsdichte.


    Es scheint mir, dass Köln sehr großzügig mit der Beschickung ist. Das wäre in Berlin gar nicht möglich. Und so fragt man sich schon, ob SNAP (SNAS) wirklich das Übel ist... ;)

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