[Englisch]Bericht aus dem KH welches in las Vegas beim Anschlag hunderte Verletzte versorgt hat

  • Jeder Internist in Deutschland bekommt eine Pleurapunktion hin und mit einem Sono in der Hand ist der Weg dazwischen kürzer als man denkt. Und die korrekte Anlage einer Thoraxdrainage lernt man bereits im Studium. Ich hatte das Vergnügen auf einer Notaufnahme die Famulatur "in einer Einrichtung der ambulanten Versorgung" ableisten zu dürfen. Dort waren auch einige FÄ für Notfallmedizin aus unterschiedlichen Ländern, v.a. Frankreich, beschäftigt. Ehrlich gesagt war ich gerade von den praktischen Fähigkeiten nicht besonders beeindruckt. Das waren sicherlich gute Ärzte, aber die Fertigkeiten im Detail standen hinter denen der Fachkollegen doch erheblich zurück. Konkret beziehe ich mich da auf's Sono, ZVK und Intubation. Thoraxdrainagen sind außerhalb des Schockraums selten und da haben das die Chirurgen dann doch eher selbst gemacht. Aber das sind nur Eindrücke und meine persönliche Meinung, natürlich. Wenn man allerdings mal drüber nachdenkt, ob man die einzelnen Fertigkeiten eher auf der Notaufnahme trainiert oder im OP / in der Funktionsabteilung erscheint es zumindest mir auch schnell logisch, dass jemand, der fast ausschließlich in der Notaufnahme eingesetzt wird, nicht unbedingt eine gleichwertige praktische Erfahrung erlangt.

    Land zwischen den Meeren,
    vor dem sich sogar die Bäume verneigen,
    du bist der wahre Grund,
    warum Kompassnadeln nach Norden zeigen!

  • Ich will dir deine Erfahrungen nicht absprechen, ich hab aber komplett gegenteilige gemacht.
    Z.B. gingen in der letzten Famulatur die Patienten zur Punktion allesamt auf ITS oder in die Funktion und wurden oberärztlich punktiert. Die Masse der Internisten waren da sicher nicht in der Lage zu. Zumal die Thoraxdrainage nochmal eine ganz andere Nummer ist.


    Und bei 1-2 Sonogeräten auf einer ZNA läuft es in so einer Situation sicher eher auf blind stechen hinaus. Da ist natürlich eine gewisse Erfahrung hilfreich, und die herrscht in einer amerikanischen Notaufnahme nunmal vor. Da Las Vegas im letzten Jahr etwa 140 Morde, zum Großteil mittels Schusswaffen hatte, kann man über die Anzahl der Verletzten mit Schusswunden sicher spekulieren.


    Das ist kein Plädoyer für eine eigene Fachdisziplin Notfallmedizin, aber wenn man hier eine solche Lage abarbeitet fehlen sicherlich in der Anfangsphase entweder Chirurgen im OP oder Chirurgen in der Notaufnahme.

  • Neben der personellen Situation, bei der es ja wenigsten eine Chance gibt, sie kurzfristig durch nachrückende Kräfte zu verbessern, macht mir aber auch die materielle Seite Sorgen.


    Unsere Krankenhäuser reduzieren ja immer mehr ihre Bestände, es gibt oft nur noch eine Apotheke für einen ganzen Klinikverbund.....


    Wo soll da im Fall der Fälle die Reserve herkommen. Gerade dieser Punkt wäre dabei mit Hilfe von Geld im Vorfeld gut zu regeln. Aber da sehe ich aktuell auch keinen Willen.


    Eddy

  • Ich glaube aber auch, dass das auch maßgeblich von der Art des MANV abhängig ist. Ein oder zwei Dutzend "normale" Verletzte wird ein Krankenhaus zwar bei der Ressource "Personal" fordern, weniger jedoch bei Verbandstoffen, Infusionen, oder ähnliches. Da würde es erst problematischer werden, wenn seltene Ressourcen benötigt werden, die bei Kontakten Toxinen bzw. CBRN-Gefahren geschehen. Eine Vielzahl davon zu versorgen wird da dann auch kritisch, was die Vergügbarkeit von entsprechenden Antidoten betrifft. Auch die Dekon P/V würde ein Problem sein.


    Man könne nun meinen, dass man Dekon P/V Einheiten an die Krankenhäuser sendet. Macht auch sinn, aber die Verfügbarkeit solcher Einheiten und deren Ausstattung (gerade für P+ oder V) ist nicht so berauschend, um damit eine Vielzahl von kontaminierten Patienten vor mehreren Krankenhäusern zu dekontaminieren zu können. Die Vorlaufzeit wäre der nächste Punkt.


    Mein Wald- und Wiesenkrankenhaus in der Kleinstadt (aber ein Schwerpunktversorger) hält eine fahrbare Kiste (in der Art eines Essenswagens) vor, wo Infusions- und Verbandmaterial für 50 Verletzte vorgehalten werden. Zusätzlich gibt es ein Leitsystem mit kegeln, Tafeln, usw. sowie Westen für die Klinikeinsatzleitung in einem verschlossenen Raum in unmittelbarer Nähe zur Notaufnahme und Haupteingang. Nur mit dem restlichen Alarmplan, was das Personal und Führung betrifft, da wird es wohl eher dran scheitern, sagt mir mein Gefühl.


    Gruß

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • Die Erfahrungen vom Breitscheidplatz haben gezeigt, dass das Klinikpersonal sofort und in überwältigender Anzahl bereit war einzuspringen . [Inwiefern das nur für Großstädte gilt, kann ich allerdings nicht bewerten]


    Ich meine, dass wir an anderer Stelle auch bereits diskutiert hatten, dass es durch die dynamische Lage an sich aber auch durch polizeiliche Maßnahmen, Verkehrsbehinderungen - und -störungen schwer sein kann, dienstfreies ärztliches und Pflegepersonal in die Krankenhäuser zu bekommen. In diese Problematik schließe ich übrigens Mitglieder der BF, FF und HiOrgs mit ein.


    Und zum Thema Materialvorhaltung, Zentral-Apotheken etc.:
    Da bleibt wohl nur das eigene Engagement übrig - Wir haben als rein ehrenamtliche HiOrg, die keinen direkten Zugriff auf einen Rettungswache, einen GW-SAN o.ä. hat, auf eigene Kosten mehrere ManV-Erstversorgungssets gemäß DIN 13156 gepackt.

  • Zitat

    dass es durch die dynamische Lage an sich aber auch durch polizeiliche Maßnahmen, Verkehrsbehinderungen - und -störungen schwer sein kann, dienstfreies ärztliches und Pflegepersonal in die Krankenhäuser zu bekommen. In diese Problematik schließe ich übrigens Mitglieder der BF, FF und HiOrgs mit ein.


    Genau das hat eine Ärztin des Bergmannsheil (Brand einer Etage) auch berichtet, die bei einem Symposium über die Brandnacht berichtet hat - auch ohne terroristische Lage wurde seitens der Polizei großzügig abgesperrt und es war - trotz der Uhrzeit - schwer, zur Arbeitsstelle zu kommen. teilweise wurde dann nach vorzeigen der Mobiltelefone (Eingang des Anrufes des Krankenhauses), teilweise auch durch andere Legitimationen (Mitarbeiter-Parkausweis ect). Einlass gewährt - bei einer wirklichen Terrorlage mit dem Risiko eines möglicherweise Second Hits im Bereich der Krankenhäuser wird so eine Legitimation sicherlich nicht ausreichend sein.
    Ich habe zwar auch einen MA-Ausweis, habe ihn aber auch nicht ständig dabei (ich würde mich auf meinen Arztausweis verlassen - und sonst ist halt "Pech gehabt").

  • bei einer wirklichen Terrorlage mit dem Risiko eines möglicherweise Second Hits im Bereich der Krankenhäuser wird so eine Legitimation sicherlich nicht ausreichend sein.


    Die Frage ist ob die Absicherung von Krankenhäusern in Polizei-Konzepten im Rahmen einer Amok- oder Terrorlage überhaupt vorgesehen ist.
    Könnte mir vorstellen, dass man sich dort selber was stricken muss da die polizeilichen Kräfte (gerade am Anfang) alle im Einsatz sind.

  • Ich will dir deine Erfahrungen nicht absprechen, ich hab aber komplett gegenteilige gemacht.
    Z.B. gingen in der letzten Famulatur die Patienten zur Punktion allesamt auf ITS oder in die Funktion und wurden oberärztlich punktiert. Die Masse der Internisten waren da sicher nicht in der Lage zu. Zumal die Thoraxdrainage nochmal eine ganz andere Nummer ist.


    Und bei 1-2 Sonogeräten auf einer ZNA läuft es in so einer Situation sicher eher auf blind stechen hinaus. Da ist natürlich eine gewisse Erfahrung hilfreich, und die herrscht in einer amerikanischen Notaufnahme nunmal vor. Da Las Vegas im letzten Jahr etwa 140 Morde, zum Großteil mittels Schusswaffen hatte, kann man über die Anzahl der Verletzten mit Schusswunden sicher spekulieren.


    Das ist kein Plädoyer für eine eigene Fachdisziplin Notfallmedizin, aber wenn man hier eine solche Lage abarbeitet fehlen sicherlich in der Anfangsphase entweder Chirurgen im OP oder Chirurgen in der Notaufnahme.


    Krasses Pferd, dass dies so unterschiedlich gehandhabt wird, hätte ich nicht gedacht. Was die Räumlichkeiten angeht, ja klar, wenn ich keine Funktionsabteilung habe und meine Notaufnahme / Ambulanz nicht auf weitergehende Maßnahmen eingerichtet ist, dann bleibt dafür am Ende nur die Intensiv. Auch die Anzahl der Sonogeräte ist nichts, was man schätzen kann, das hängt rein von der Philosophie ab. Entweder sind sie so schwer zu finden wie der heilige Gral oder sie stehen hinter jeder zweiten Ecke. Aber die Punktion an sich steht im Weiterbildungskatalog und es ist eigentlich überraschend, dass die Assistenten darin anscheinend nicht ausgebildet werden / sind. Ich habe als Famulant sowohl auf der Notaufnahme als auch auf Station Pleurapunktionen unter Anleitung durchführen dürfen. Eine Thoraxdrainage finde ich jetzt auch eher nicht schwieriger, sicherlich, ist der Maßstab insgesamt größer aber auch das Zielareal. So ein Erguss muss ja doch etwas genauer anvisiert werden. Und was hilft dem potentiellen deutschen Facharzt für Notfallmedizin (oder dem Französischen) die Zustände in amerikanischen Notaufnahmen? Der Zusammenhang erschließt sich mir nicht. Man kann ich ja schwerlich dort ausbilden und alle drei Jahre für ein Jahr zum Training rüberschicken. Wäre nicht so sinnvoll. Aber ich bin auch wirklich gar nicht sicher, ob im entsprechenden Fall tatsächlich zuerst die Chirurgen oder die belegbaren OP Säle knapp würden. Wird am Ende auch lokal unterschiedlich sein.

    Land zwischen den Meeren,
    vor dem sich sogar die Bäume verneigen,
    du bist der wahre Grund,
    warum Kompassnadeln nach Norden zeigen!

  • Und zum Thema Materialvorhaltung, Zentral-Apotheken etc.:
    Da bleibt wohl nur das eigene Engagement übrig - Wir haben als rein ehrenamtliche HiOrg, die keinen direkten Zugriff auf einen Rettungswache, einen GW-SAN o.ä. hat, auf eigene Kosten mehrere ManV-Erstversorgungssets gemäß DIN 13156 gepackt.

    Da habe ich neulich auch etwas gesehen :cool_1: : https://www.facebook.com/malte…ed/posts/1945082719092063

  • Krasses Pferd, dass dies so unterschiedlich gehandhabt wird, hätte ich nicht gedacht. Was die Räumlichkeiten angeht, ja klar, wenn ich keine Funktionsabteilung habe und meine Notaufnahme / Ambulanz nicht auf weitergehende Maßnahmen eingerichtet ist, dann bleibt dafür am Ende nur die Intensiv. Auch die Anzahl der Sonogeräte ist nichts, was man schätzen kann, das hängt rein von der Philosophie ab. Entweder sind sie so schwer zu finden wie der heilige Gral oder sie stehen hinter jeder zweiten Ecke. Aber die Punktion an sich steht im Weiterbildungskatalog und es ist eigentlich überraschend, dass die Assistenten darin anscheinend nicht ausgebildet werden / sind. Ich habe als Famulant sowohl auf der Notaufnahme als auch auf Station Pleurapunktionen unter Anleitung durchführen dürfen. Eine Thoraxdrainage finde ich jetzt auch eher nicht schwieriger, sicherlich, ist der Maßstab insgesamt größer aber auch das Zielareal. So ein Erguss muss ja doch etwas genauer anvisiert werden. Und was hilft dem potentiellen deutschen Facharzt für Notfallmedizin (oder dem Französischen) die Zustände in amerikanischen Notaufnahmen? Der Zusammenhang erschließt sich mir nicht. Man kann ich ja schwerlich dort ausbilden und alle drei Jahre für ein Jahr zum Training rüberschicken. Wäre nicht so sinnvoll. Aber ich bin auch wirklich gar nicht sicher, ob im entsprechenden Fall tatsächlich zuerst die Chirurgen oder die belegbaren OP Säle knapp würden. Wird am Ende auch lokal unterschiedlich sein.


    Also Pleurapunktion ist nicht gleich Thoraxdrainage und elektive Thoraxdrainage ist nicht gleich Notfall-Thoraxdrainage.
    Auch wenn uns die Qualifikation auf dem Papier vorgaukelt, dass jeder Arzt mit Fachkunde Rettungsdienst/WB Notfallmedizin Thoraxdrainagen gelegt hat und diese auch im Notfall legen kann - wir alle wissen doch wie die Realität aussieht.
    Und auch nicht jeder Chirurg kann unter Notfallbedingungen routiniert eine Thoraxdrainage legen (von nicht Unfall- und Allgemeinchirurgen mal ganz abgesehen). Von Internisten wollen wir gar nicht erst reden. Und auch Anästhesisten können das nicht per se. Sollte man in seiner Intensivzeit mal gemacht haben, klar, aber zwischen sollte man, 2-4 Drainagen gelegt haben und für den Notfall fit sein liegen eben Welten.
    Deutschland ist da - eben weil zum Glück keine US-amerikanischen oder südafrikanischen Bedingungen bei uns herschen - relativ unbe/geübt.
    Um so mehr ein Grund regelmäßig zu trainieren. Nur leider ist dieser Bedarf, bzw die Bereitstellung von Geld und vor allem Zeit zu dessen Umsetzungen in den deutschen Kliniken noch nicht angekommen.


    PS: Durfte in Famulatur und PJ in D schon ThxDrains legen, habe es in Afrika gemacht und lege pro Jahr auf Intensiv 2-4 Drainagen. Fühle ich mich deshalb bereit in einem MASCAL-Szenario unter gibt nichts-hast nichts Bedingungen bei gerade akut sterbenden Patienten Thoraxdrainagen zu legen? Ne... naja, ich weiß nicht... uns so wird es in Deutschland wohl vielen gehen...


    PPS: Wann sollen die hochgelobten Notfallmediziner Fachärzte denn auf ihre Zahlen (= Übung kommen?). Im Schockraum gibt es den Chirurgen, wo er auch in zukungt sicher sein wird, denn da gehört er hin (und wird sich dort die Drainage auch nicht nehmen lassen, denn er braucht die delber für seinen Katalog) und elektive Thoraxdrainagen in der Notaufnahme? Was soll das bitte also für eine Indikation sein? So viele Spontanpneus gibt es jetzt nun auch wieder nicht... Bleibt also OP und Intensiv weiterhin der einzige Ort wo man diese vernünftig lernen und regelmäßig durchführen kann. Wobei man die OP-Drainage nicht mit der klassischen Thoraxdrainage nach Monaldi/Bülow vergleichen kann... denn die Technik und Umgebungsbedingung unterscheidet sich meist erheblich.

  • Aber ich bin auch wirklich gar nicht sicher, ob im entsprechenden Fall tatsächlich zuerst die Chirurgen oder die belegbaren OP Säle knapp würden.


    Mich würde es ja mal interessieren ob am Krankenhaus angedockte kassenärztliche Notfallfallpraxen oder MVZ in den internen Alarmplänen der Krankenhäuser auftauchen - Ich sehe da auch räumliche und personelle Reserven die man aktivieren könnte.

  • Die Auslastung und Gesamtlage der Krankenhäuser in den USA ist im Allgemeinen wesentlich prekärer als hier, insbesondere was die Notaufnahmen betrifft. Von daher glaube ich nicht, dass sie uns da in irgendeiner Form nachstehen.


    Ich denke, dass hier die fehlenden Fähigkeiten einzelner Häuser durch die dezentrale Struktur ausgeglichen werden können.
    In Las Vegas hat man binnen einer Stunde über 215 Patienten mit Schusswunden in ein Krankenhaus gebracht, binnen einer Stunde könnte man hier je nach Region zwischen 5 und 20 Krankenhäuser erreichen und zudem noch per RTH umverteilen.


    Ansonsten sind die Voraussetzungen in den amerikanischen Großstädten sicherlich besser, mehrere Verletzte mit Schusswunden gehören da quasi zu jeder Samstagnacht, während man in Deutschland vermutlich nicht mehr als 10 in seiner Chirurgenkarriere sieht.


    Das Problem mit der dezentralen Verteilung ist nur, dass sie nur klappt wenn alle mitspielen. Und das war ja in LV im Anfangsbereich nicht der Fall, ein erster Schwung Patienten wurde einfach privat oder per Streifenwagen in das betreffende Krankenhaus gebracht.
    Selbiges hat man in Deutschland im Rahmen von Rammstein sehr massiv gehabt, im Rahmen der Loveparade wohl im kleineren Ausmaß.


    Generell sehe ich das Problem gar nicht mal in der Erstversorgung sondern im auch in diesem Artikel angesprochenen "Flow" von Patienten - Ich würde stark befürchten, dass die Notaufnahmen einfach volllaufen werden weil es "im Haus dahinter" an Kapazität und mitunter auch Improvisierung mangelt.

  • Ja, das Wort "Terror" oder "Amok" wird sicher Emotion in die Sache gebracht haben und die Motivation ausgelöst haben zu helfen.


    ... und die Bestätigung des Ereignisses durch die sehr zeitnahen Berichte der (sozialen!) Medien.

    They say God doesn't close one door without opening another.

    Please, God, open that door. :oncoming_fist_light_skin_tone: