Akademisierung des Notfallsanitäters?

  • Das hör ich von RettAss die kein EKG lesen können (oder wollen?) auch immer wieder über NotSan. Sowas langweilt mich.

    Ne, die Kritik am Studium gibt es Querfeldein. Vom altgedienten Polizeimeister über Haupt/Oberkomissare bis in den höheren Dienst. Es dauert einfach viel länger bis die Kollegen Straßen/Alltagstauglich werden und auch der Umgang, bzw die Herangehensweise an/mit Problemen und Konflikten scheint teilweise ein Problem.

    Das hat einfach was damit zu tun, dass ein Studium und eine Berufsausbildung zwei Paar Schuhe sind. Jedes für sich kann gut sein, aber sie sind nicht per se austauschbar. Und nicht immer ist das Studium äquivalent oder besser geeignet. Und das nicht alles besser wird, dadurch, dass nur noch Abiturienten Zugang haben.. naja, dass ist wohl wirklich kein Geheimnis.

  • Bei den Hebammen gibt es schon seit Jahren einen massiven Bewerber-Überschuss, da kann man problemlos die Einstiegsvorraussetzungen hochsetzen. Den gibt es bei der Pflege oder im RD aktuell nicht. Und so lange die Tätigkeiten nach dem Studium ähnlich die der Ausbildung sind, werden sich da eher weniger bewerben (können). Die schlechten Bedingungen ändern sich durch ein Studium nicht.

  • also ich weiß ja nicht - bei uns ist seit jahren ein Bewerberüberschuss auf die NFS Ausbildung zu verzeichnen.

    Das ist ja schön, bringt aber nichts, wenn die kurz nach der Ausbildung/ dann Studum zu einem großen Teil wieder den Beruf verlassen. Genau das ist doch das Problem. Und die schlechten Arbeitsbedingungen werden eben durch das Studium nicht besser.

  • Das ist ja schön, bringt aber nichts, wenn die kurz nach der Ausbildung/ dann Studum zu einem großen Teil wieder den Beruf verlassen. Genau das ist doch das Problem. Und die schlechten Arbeitsbedingungen werden eben durch das Studium nicht besser.

    ist ja die Frage, warum die gehen, und ob sie nicht bleiben würden… ;-)

    Under pressure, you don't rise to the occasion. You sink to your level of training.

  • Während einer privaten Veranstaltung kam ich ins Gespräch mit einer Polizistin, dabei ging mir auf: Die meisten Polizeien sind akademisiert. Die Polizistin fand das auch gut. Als ehemalige RettAss'in fand sie auch, dass das für NotSan sinnvoll wäre.


    EDIT: Wer Interesse an dem SZ Artikel hat..... *zwinkizwonki*

    Das Problem bei der Polizei ist. Alles was früher der mittlere Dienst gemacht hat muss jetzt der gehobene Dienst machen. Bessere Aufstiegschancen gibt es deshalb aber nicht. Freunde von mir sind nach der Schule mit Abitur zur Polizei und haben dort studiert. Sind dann als Kommissar mit A9 eingestellt worden und nach vielen Jahren Oberkommissar mit A10 geworden. Wirkliche Aufstiegschancen gibt es an der Stelle kaum noch, wenn man nicht zu den Abschlussbesten gehört hat oder immer nur (limitierte) Spitzenbeurteilungen bekommt. Viele bleiben bei A10 hängen, was man im mittleren Dienst mit A9z auch hätte schaffen können (mit deutlich mehr Zeit und nicht in der Masse). Man hätte nur die Stellen dafür einrichten müssen.


    Alle die "normal" studiert haben mit Bachelor und Master und in den öffentlichen Dienst gegangen sind (z.B. Lehrer am Gymnasium oder Verwaltung) sind jetzt im Bereich A13 bis A15 und müssen keinen Schicht- und Wechseldienst machen.


    Hinter vorgehaltener Hand sagen viele Polizisten, dass es in NRW ein großer Fehler war den mittleren Dienst abzuschaffen. Viele gute Bewerber mit Realschulabschluss gehen jetzt in andere Bundesländer oder zur Bundespolizei und sind weg.

  • Ich fände es wie gesagt auch einen Fehler, die NotSan „Grundausbildung“ zu akademisieren. Die Akademisierung sollte darauf aufbauend weitere Aufstiegschancen mit z.B. Führungs-, Organisations-, QM- und je nach Systemänderung auch medizinischen Kompetenzen bieten.

    Und auch das wäre eine Möglichkeit um eine Abwanderung des Personals zu verringern.

    Weil da gibt es aktuell halt so gut wie gar nichts greifbares, „befördert“ auf die wenigen „Pöstchen“ wird oft nach Organisations(zuge)hörigkeit und Nasenfaktor.

  • Bei den Hebammen gibt es schon seit Jahren einen massiven Bewerber-Überschuss, da kann man problemlos die Einstiegsvorraussetzungen hochsetzen. Den gibt es bei der Pflege oder im RD aktuell nicht. Und so lange die Tätigkeiten nach dem Studium ähnlich die der Ausbildung sind, werden sich da eher weniger bewerben (können). Die schlechten Bedingungen ändern sich durch ein Studium nicht.

    Der Anteil der Bewerber*innen mit Abitur geht jedoch seit Jahren zurück. Auch liegt die durchschnittliche Verweildauer im Beruf der Hebammen / Entbindungspfleger bei knapp sieben Jahren (Stand 2018, Hebammenverband). Damit ist die Verweildauer auch nicht so viel besser wie im Rettungsdienst, obwohl auch hier die Bewerberzahl oft hoch ist. Irgendwo liegt also der Hase schon im Pfeffer. Und das wird eher an den bisher vorgefundenen Arbeitsbedingungen liegen. Eine (mögliche) Akademisierung, die von der EU, dem Wissenschaftsrat, Gesetzgeber oder wem auch immer auch gewollt ist, kann nur einen Teil der Probleme lösen. Da gibt es in der Tat noch mehr zu tun. An der Anzahl der Bewerber lässt sich das wohl aber nicht zwingend festmachen, wie ich finde.

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • Ich fände es wie gesagt auch einen Fehler, die NotSan „Grundausbildung“ zu akademisieren. Die Akademisierung sollte darauf aufbauend weitere Aufstiegschancen mit z.B. Führungs-, Organisations-, QM- und je nach Systemänderung auch medizinischen Kompetenzen bieten.

    Und auch das wäre eine Möglichkeit um eine Abwanderung des Personals zu verringern.

    Weil da gibt es aktuell halt so gut wie gar nichts greifbares, „befördert“ auf die wenigen „Pöstchen“ wird oft nach Organisations(zuge)hörigkeit und Nasenfaktor.

    Das Problem wird sein, dass mich ein Studium nicht automatisch in solche Positionen hebt, sondern es wird auch weiterhin aufgrund sehr begrenzter Stellen den "Nasenfaktor" geben. Als Beispiel gibt es im öD eine Reihe von Volljuristen (beide Staatsexamen), die nicht die entsprechenden Punkte erreicht haben und damit nicht in die Beamten-/Richterschiene kommen. Die sind dann u.a. als Sachbearbeiter in TVöD E 9c eingruppiert. Da reicht auch ein Bachelor.

  • Das Problem wird sein, dass mich ein Studium nicht automatisch in solche Positionen hebt, sondern es wird auch weiterhin aufgrund sehr begrenzter Stellen den "Nasenfaktor" geben. Als Beispiel gibt es im öD eine Reihe von Volljuristen (beide Staatsexamen), die nicht die entsprechenden Punkte erreicht haben und damit nicht in die Beamten-/Richterschiene kommen. Die sind dann u.a. als Sachbearbeiter in TVöD E 9c eingruppiert. Da reicht auch ein Bachelor.

    Wenn man als Volljurist im öD für EG9x arbeitet, ist man aber auch selbst Schuld.

  • Nicht alle Juristen verdienen (gerade zu Beginn der Selbstständigkeit) gut. Da ist der geregelte Job mit festem Gehalt, Urlaub etc. die bessere Alternative. Aber es erstaunt doch immer wieder.

    Klar. Aber auch im öD wird man als Volljurist (und Berufsanfänger) i.d.R. in EG13 oder vergleichbar eingruppiert. Zumindest nicht in E9.

  • Während einer privaten Veranstaltung kam ich ins Gespräch mit einer Polizistin, dabei ging mir auf: Die meisten Polizeien sind akademisiert.

    Und, arbeitet die Verkehrspolizei bei der Unfallaufnahme oder die Bereitschaftspolizei bei einem Fußballspiel jetzt wissenschaftlicher?

    Die Polizistin fand das auch gut.

    Es hat alles seine zwei Seiten.


    Der primäre Grund für die "Akademisierung" ist üblicher der Wunsch, eine bessere Besoldung anbieten zu können, d.h. nicht mehr in den mittleren Dienst (Polizei(ober)meister) einzustellen, sondern nur noch in den gehobenen Dienst (Polizeikommisar). Das ist natürlich nett. Das Studium ist auch nett, wenn man denn dafür gemacht ist.


    Nur ist es eben immer noch so, dass die Landespolizei geschlossene Einheiten (Bereitschaftspolizei) hat, dass es den Streifendienst in Wechselschicht und die Verkehrspolizei gibt - und die meisten Aufgaben dort erfordern schlicht kein Studium. Wer also insgesamt nur noch in den gehobenen Dienst einstellt, verliert auf der einen Seite diejenigen, die mit einem Studium weniger anfangen können als mit einer Ausbildung und läuft auf der anderen Seite Gefahr, dass er die "Akademiker" durch nicht-akademische Tätigkeiten frustriert. [1]


    Denn das ist genau der Punkt: in erheblichem Umfang macht die Polizeikommisarin exakt dasselbe, was vorher die Polizei(ober)meisterin gemacht hat. Mit dieser Akademisierung ist keinerlei Änderung der Tätigkeit verbunden.


    Deshalb muss man sich sehr fragen, ob es dort, wo es keine starren Besoldungsvorgaben gibt, nicht sehr viel sinnvoller ist, stattdessen einfach die (gut) ausgebildeten Kräfte besserzu bezahlen - statt die Ausbildung durch ein Studium zu ersetzen, ohne dass sich Tätigkeiten oder Befugnisse in irgendeiner Weise ändern.


    [1] Ich finde daher den baden-württembergischen Weg, der neben dem Bachelorstudium weiterhin eine Ausbildung anbietet, so dass bei der Schutzpolizei weiterhin im mittleren und im gehobenen Dienst gearbeitet wird (mittleren Dienst bei der Kriminalpolizei gibt es m.W. allerdings nicht mehr für Neueinstellungen), nicht schlecht. Es gibt Verwendungen bei der Polizei, gerade bei der Kriminalpolizei und in speziellen Verwendungen, die von einem Studium profitieren; es gibt aber weiterhin nicht wenige Stellen, bei denen ein Studium, objektiv betrachtet, wenig Sinn macht.

  • Klar. Aber auch im öD wird man als Volljurist (und Berufsanfänger) i.d.R. in EG13 oder vergleichbar eingruppiert. Zumindest nicht in E9.

    Dafür ist man überqualifiziert, ja. Aber auch als Lehrer oder Arzt kann man natürlich Taxi fahren, im Callcenter arbeiten oder als Sachbearbeiter fachnah oder fachfremd tätig werden.

  • Klar. Aber auch im öD wird man als Volljurist (und Berufsanfänger) i.d.R. in EG13 oder vergleichbar eingruppiert. Zumindest nicht in E9.

    Aber auch nur, wenn die erreichte Punktzahl aus beiden Staatsexamen ausreichend hoch ist um überhaupt in das Auswahlverfahren zu kommen. Ansonsten landen diese Kandidaten tatsächlich schnell im gD oder sind ganz raus. Komplett unrealistisch ist E9 für Juristen zum Start nicht.

  • Aber auch nur, wenn die erreichte Punktzahl aus beiden Staatsexamen ausreichend hoch ist um überhaupt in das Auswahlverfahren zu kommen. Ansonsten landen diese Kandidaten tatsächlich schnell im gD oder sind ganz raus. Komplett unrealistisch ist E9 für Juristen zum Start nicht.

    Es gibt auch Stellen für Juristen im öffentlichen Dienst außerhalb von Richteramt und Staatsanwaltschaft. Da spielt die Punktezahl keine unmittelbare Rolle, das sind ganz normale Bewerbungsverfahren. Und da ist die Schlange der Bewerber*innen nicht zwangsläufig lang, wenn es überhaupt eine gibt. Denn auch EG13 ist für Volljuristen jetzt nicht unbedingt das Maß aller Dinge…

  • Es gibt schon noch einiges mehr an Bundes- und Landesministerien / -behörden, die eine Mindestpunktzahl verlangen. Nicht nur Richteramt oder Staatsanwaltschaft.

    Und dort gibt es eine lange Schlange an Bewerbern plus Auswahlverfahren.


    Zu glauben alle Juristen würden gut bezahlt werden und EG 13 bzw. A13 wäre eine so schlechte Bezahlung trifft es nicht. Gerade bei den Berufsanfängern ist der Anteil derer, die (stundenbereinigt) im Bereich des Mindestlohns arbeiten, nicht gerade gering.

    Die wenigsten Juristen haben wirklich ein hohes Gehalt. Die mit den sechsstelligen Jahresgehältern sind eher die Ausnahme mit deutlich höheren Anforderungen an die Punkte als der öD.

  • Es gibt schon noch einiges mehr an Bundes- und Landesministerien / -behörden, die eine Mindestpunktzahl verlangen. Nicht nur Richteramt oder Staatsanwaltschaft.

    Freilich. Es gibt aber auch Kommunen, Mittelbehörden (Regierungspräsidien), Fachbehörden, Verbände usw., deren Notenanforderungen überschaubar sind.

    Zu glauben alle Juristen würden gut bezahlt werden und EG 13 bzw. A13 wäre eine so schlechte Bezahlung trifft es nicht. Gerade bei den Berufsanfängern ist der Anteil derer, die (stundenbereinigt) im Bereich des Mindestlohns arbeiten, nicht gerade gering.

    Die Einstellungschancen wechseln; derzeit ist die Lage aber durchaus günstig.

    Die wenigsten Juristen haben wirklich ein hohes Gehalt. Die mit den sechsstelligen Jahresgehältern sind eher die Ausnahme mit deutlich höheren Anforderungen an die Punkte als der öD.

    Auch das hängt davon ab, was man miteinander vergleicht. Die Großkanzleien mit Einstiegsgehältern zwischen 100-120.000 EUR brutto stellen ähnliche Notenanforderungen wie die Justiz; die Arbeitszeiten unterscheiden sich hingegen deutlich.

  • Die Großkanzleien mit Einstiegsgehältern zwischen 100-120.000 EUR brutto stellen ähnliche Notenanforderungen wie die Justiz; die Arbeitszeiten unterscheiden sich hingegen deutlich.

    Und um den Bogen zu schließen: Für vieles von dem, was die dann da machen, braucht man auch kein Studium ;).


    Im Übrigen ist ein offenes Geheimnis, dass alle aus demselben Bewerberpool schöpfen. Der ist hinsichtlich gut qualifizierter Nachwuchsjuristen überschaubar. Aber das nur am Rande.

    Lügen ist keine Kunst. Kunst ist, anderen die Wahrheit in einem neuen Licht zu zeigen.

  • Der Podcast Gesundheit.Macht.Politik hat eine Professorin für Hebammenwissenschaften interviewt zur Akademisierung des Hebammenberufs.


    Es lohnt sich meiner Meinung nach reinzuhören:

    https://gmp-podcast.de/blog/gmp077/


    Link zur Professorin: https://www.eh-berlin.de/hochs…ng/detail/melita-grieshop

    Under pressure, you don't rise to the occasion. You sink to your level of training.