Akademisierung des Notfallsanitäters?
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Da lobe ich mir bei allen Unzulänglichkeiten und dem teilweise Ausnutzen des Systems doch unser solidarisches Gesundheitssystem.
Da sind wir einer Meinung (auch, wenn ich mir ein noch konsequenteres Solidaritätsprinzip wünschen würde).
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Und die Erfahrung zeigt, dass gerade die „Sozialschwachen“ und chronisch Erkrankten (über die sog. IV) deswegen beraten werden und entsprechend über die Versicherungen doch abgedeckt werden.
Das klappt aber in Deutschland selbst unter den aktuelle Bedingungen nicht, das wird mit zunehmender finanzieller Belastung sicherlich auch nicht anders werden. Grundsätzlich würde ein entsprechender Wechsel nur gehen, wenn die Patienten 1. wirklich entsprechend beraten und betreut werden würden und 2. die Erstattung ohne Diskussionen zeitnah erfolgen würde.
Der typischen Szene rund um den Hauptbahnhof / ZOB und Amtsgericht kann der Rettungsdienst nicht wirklich helfen.
Ich meine jetzt nicht die Sozialschwachen mit den sozialen Problemen, sondern die wie mit z.B. geringer Rente o.ä. die nicht mal eben 1000,-€ oder mehr ansparen können für einen Krankentransport bzw. Rettungsdiensteinsatz. Klassisch gesprochen Oma Piepenbring mit Ihrer 400€ Rente oder der Langzeitabreitslose mit seiner Grundsicherung.
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Ich sehe das mit dem Vorfinanzieren und erstattet bekommen auch kritisch. Nicht wenige haben nicht mal eben 1000€ für einen Notarzteinsatz auf der hohen Kante, und die die das haben, werden zu einem großen Teil privat versichert sein. Wie gut die Erstattung durch die gesetzlichen Krankenkassen funktioniert weiß jeder, der sich schon mal eine Leistung genehmigen lassen musste. Abgesehen davon hat die Praxisgebühr ja gezeigt was passiert, wenn der Gang zum Arzt Geld kostet.
Was da meiner Meinung nach deutlich mehr bringen könnte wäre das Ausbauen des Hausbesuchsdienstes und der Bereitschaftspraxen. Diese dann am besten in räumlicher Nähe zur Notaufnahme, damit diese den Männerschnupfen zum Allgemeinmediziner, andersrum aber die Praxis den Thoraxschmerz unkompliziert zum Kardiologen schicken kann.
Die Triage am Telefon sehe ich da gar nicht mal so als Problem. Disponenten müssen doch auch heute schon die Dringlichkeit abschätzen können und entscheiden, ob da sofort der RTW mit Blaulicht hin fährt oder in 2h ein KTW vorbei kommt. Dann kann ich doch auch in 3h den Bereitschaftsarzt hinschicken.
Das System müsste aber soweit verändert werden, dass man einen nicht dringlichen Patienten auch warten lassen kann, ohne dafür einen auf den Deckel zu bekommen. Im ambulanten Bereich warten die Leute mit absoluter Selbstverständlichkeit 2 Monate auf einen MRT-Termin, warum kann man dann nicht mal 2h auf den Bereitschaftsarzt warten? Dafür muss es aber natürlich auch genug Bereitschaftsärzte geben...
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Die Triage am Telefon sehe ich da gar nicht mal so als Problem. Disponenten müssen doch auch heute schon die Dringlichkeit abschätzen können und entscheiden, ob da sofort der RTW mit Blaulicht hin fährt oder in 2h ein KTW vorbei kommt. Dann kann ich doch auch in 3h den Bereitschaftsarzt hinschicken.
Wo gibt es das denn?
Ich kenne lediglich die disponieren von KTW nachdem ein Arzt den Patienten gesehen hat, ansonsten eben "neuerdings" das Disponieren von NTW / N-KTW statt RTW, aber dann mit sofortigem ausrücken. -
Nun ja, das Entsenden von KTW zu Notfalleinsätzen kommt (hier) schon vor. Hat aber Seltenheitswert aufgrund der hohen Auslastung der KTW für
Taxifahrten, ...Pardon, für den qualifizierten Krankentransport. Wenn es jedoch mal passen sollte und keine RTW (in der Nähe) verfügbar sind, dann fährt auch der KTW zu den Notfalleinsätzen (als First Responder oder übernimmt komplett, wenn es geht). Im Regelfall (Spitzenauslastung; der Berliner würde Ausnahmezustand sagen) wird dann jedoch nach Dringlichkeit sortiert und ggf. HLF als First Responder entsendet (in der großen Stadt; auf dem Land nicht - aber da kneift es auch nicht so oft wie in der großen Stadt). -
Aber dann doch nicht erst nach 2h?
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Unsere Leitstelle unterscheidet KTW Einsatze auch nach Dringlichkeit.
u.a.
KTW sofort
KTW bis 1 Stunde
KTW bis 4 Stunden
Und wenn für ein KTW sofort (z.B. Pat. mit v.a. Appendizitis der von der Arztpraxis ins KH muss) kein KTW verfügbar ist wir das ganze zu einem MZF/RTW Einsatz. Ähnliches bei KTW bis 1 Stunde.
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Und die Leitstelle disponiert einen KTW bis 4h bei einem Notruf?
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Wo gibt es das denn?
Ist hier Standard, dass auch ein KTW zu einem Patienten fährt, den vorher noch kein Arzt gesehen hat. In anderen Bundesländern ist dies ein Ding der Unmöglichkeit, ich weiß
Wenn der „Notfall“ nun mal keiner ist, aber der Patient trotzdem ins Krankenhaus/MVZ/Facharztpraxis muss, dann legt der Telefonist eben einen KTW-Einsatz an. Und auch wenn Fahrten, bei denen die Patienten „ungesehen“ sind Vorrang haben vor bspw Entlassfahrten, kann es trotzdem dauern, bis da ein Auto kommt. Alles ungesehene sofort mit einem Fahrzeug zu bedienen wäre zumindest in meinem Bereich schlicht nicht möglich. Und ist meiner Meinung nach auch nicht nötig, die Triage durch die Disponenten funktioniert hier ziemlich gut.
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Ist hier Standard, dass auch ein KTW zu einem Patienten fährt, den vorher noch kein Arzt gesehen hat. In anderen Bundesländern ist dies ein Ding der Unmöglichkeit, ich weiß
In NRW auch absolut üblich. Sonst würde der RD in den größeren Städten auch sofort zusammenbrechen.
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Aber dann doch nicht erst nach 2h?
Nein - oder besser jein. Die KTW werden nur disponiert, wenn diese zufällig verfügbar sind. Das kommt hier aber quasi nie bis ganz selten im Jahr mal vor. Im Regelfall dann eine sofortige Disposition. Es wird aber generell bei Spitzenauslastung auch nach Dringlichkeit disponiert. Die bewusstlose Person bekommt den RTW eher als die Person mit Schmerzen im Fuß nach "umknicken". Oder auch, dass nicht-dringliche RTW-Verlegungen länger liegen bleiben (quasi täglich). Das erst 2 oder 4 Std. später Hilfe entsendet wird eher nicht. Das passiert nur bei Krankentransporten (teilweise erst 4 bis 8 Stunden später, Einweisungen und Terminfahrten (Dialyse, Bestrahlung) vor Entlassungen). Planbare Sekundärtransporte und ITW-Transporte werden auch mal länger nach "hinten" geplant.
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Wir schweifen ab.
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Und die Leitstelle disponiert einen KTW bis 4h bei einem Notruf?
Bei einem Anruf. Ob ein Anruf bei der ILS auch zwingend ein Notruf ist, oder ein MIssbrauch von Notrufen (§ 145 StGB), oder etwas dazwischen, ist eine Frage des Einzelfalls.
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Vielleicht bin ich als Aussenstehender des deutschen RD (kenne nur den schweizer RD wirklich gut) blauäugig oder falsch informiert.
Sollte ich falsch liegen, bitte ich um Korrektur:Ist es nicht so, dass in DE der Einsatz des RD direkt mit der Krankenkasse verrechnet und komplett bezahlt wird? Ausserdem wird die Vorhalteleistung durch die KK finanziert, stimmt das?
Sollte es wie oben beschrieben sein, sehe ich genau in diesem „rundum-sorglos-Paket“ aber einen grossen Schwachpunkt im System. Wenn ich persönlich nichts (direkt) für den Einsatz bezahlen muss, ist die (Hemm-)Schwelle den RD aufzubieten sicherlich relativ klein und die Einsatzzahlen, speziell bei Einsätzen, die eigentlich nichts für den RD sind, werden sicherlich nicht zurückgehen, egal wie viele Fahrzeuge man in Dienst stellt.Wieso auch? Ein Taxi ins Krankenhaus muss ich selber bezahlen, den RD nicht…
Auch wir haben immer mal wieder Einsätze, die eigentlich nichts für den RD sind, diese halten sich allerdings zumindest in meiner Region in Grenzen.Ein Grund dafür ist sicherlich, dass die Vorhalteleistung nicht durch die Krankenkassen bezahlt wird, sondern der RD sich selber über die Einsätze finanzieren muss (ggf. mit einer Defizitgarantie der Gemeinde/des Kantons).
Die Rechnung für den Einsatz geht immer direkt an den Patienten, welcher den Einsatz bezahlen muss, bevor er von der Krankenkasse eine Rückvergütung bekommt. In der Regel beläuft sich die Rückvergütung auf einen relativ niedrigen, pro Jahr begrenzten Anteil, sofern man keine entsprechende Zusatzversicherung hat.
Als Beispiel: ein Primäreinsatz kostet bei uns in der Region pauschal CHF 1‘050, zzgl. CHF 7 pro gefahrenen KM. Nachts und am WE kommt noch ein Zuschlag von 25% dazu.
Die Hemmschwelle, den RD für leichte Erkrankungen/Verletzungen aufzubieten, ist somit relativ hoch und wir sind mit verhältnismässig wenigen RTW’s für wirkliche Notfälle verfügbar.
Mir stellt sich nun die Frage, ob eine Systemanpassung oder eine Änderung der Finanzierung u.U. zu einer deutlichen Entlastung des RD führen könnte, wo dann auch eine allfällige Akademisierung des NFS eher Platz hätte, da dann auch die Wahrscheinlichkeit von mehr Einsätzen mit NACA 5+, wie von dir gewünscht, steigen würde und sich somit Forschungsfelder z.B. für die (Mit-)Erarbeitung von RD-spezifischen Leitlinien und SOP‘s auftun.Rechnung und Co.
witzigerweise war es in de Kliniken bisher immer so, dass der Patient nicht die Rechnung erhalten hat, sondern nur den Eigenanteil an die Krankenkasse überweisen muss (sog. Tiers Payant). Das unterschreibt er ja auch beim Eintritt…https://www.atupri.ch/support-…tiers-payant-tiers-garant
Auch die meisten Hausärzte, erst recht die Gruppenpraxen gehen seit ein paar Jahren vermehrt dazu über!
beim Unfall Zahl die Versicherung sowieso immer alles, egal ob BU (Berufsunfall) oder NBU (nicht Berufsunfall aka Freizeitunfall)https://www.comparis.ch/krankenkassen/unfallversicherung
Also reden wir quasi nur von ACS, CVI und Co.
und ja, die Eigenbeteiligung kann recht hoch werden, bei Arzt Terminen , je nach Wahl der Beteiligunghttps://www.oekk.ch/de/themen-…nPFk0fa6NCWxoCGyMQAvD_BwE
https://www.comparis.ch/kranke…ettung-zusatzversicherung
https://www.bag.admin.ch/bag/d…t-und-Rettungskosten.html
und wie oft hatte ich in der Notaufnahme Kunden, die die teure Rettung nicht gerufen haben? Einige in den 5 Jahren!Auch bei Unfällen
auch ist nicht die IV (Invalidenversicherung) primär zuständig sondern wenn Rente (sog. AHV) oder IV nicht ausreichen, stellt man Antrag auf EL (Ergänzungsleistungen) stellenhttps://www.ahv-iv.ch/p/5.01.d
Die Ergänzungsleistungen (EL) zur AHV und IV werden mit allgemeinen Steuermitteln vom Bund und den Kantonen finanziert. Der Anteil der EL an den Ausgaben aller Sozialversicherungen beträgt 3%. -
Ich sehe das Schweizer System der RD Finanzierung auch eher kritisch. In einem „Erst-Welt-Land“ sollte sich der Ersthelfer nicht überlegen müssen, ob der Erkrankte den RD überhaupt möchte bzw. ihn sich leisten kann (regelmässige Diskussion in EH Kursen). In unserem ländlichen RD kommen die STEMI grossteils privat ins (falsche) Spital mit entsprechendem Zeitverlust (auch hier spielt die finanzielle Überlegung mit eine Rolle).
Und auf der anderen Seite hat man trotzdem die „0815-Einsätze“ wo man sich fragt, warum da jetzt der RD anreisen musste (was wiederum auch am schlecht organisierten ÄND System liegt).
Klar, man könnte sich relativ günstig für Rettungs- und Transportkosten versichern lassen. Aber wer denkt da im Alltag schon dran.
Die Lösung läge mMn in CH wie auch in D in einem Ausbau der nicht-rettungsdienstlichen ambulanten Dienste (ÄND, Community Nurse, NF Praxen, Pflegedienste, psychiatrische Notdienste usw.) und wenn die Angebote da sind in einer konsequenten „Triage“ in den Leitstellen.
Aktuell bleibt oft halt auch hier nur der „Beatmungsbus“ für alle Fälle…
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Ich sehe das Schweizer System der RD Finanzierung auch eher kritisch. In einem „Erst-Welt-Land“ sollte sich der Ersthelfer nicht überlegen müssen, ob der Erkrankte den RD überhaupt möchte bzw. ihn sich leisten kann (regelmässige Diskussion in EH Kursen). In unserem ländlichen RD kommen die STEMI grossteils privat ins (falsche) Spital mit entsprechendem Zeitverlust (auch hier spielt die finanzielle Überlegung mit eine Rolle).
Und auf der anderen Seite hat man trotzdem die „0815-Einsätze“ wo man sich fragt, warum da jetzt der RD anreisen musste (was wiederum auch am schlecht organisierten ÄND System liegt).
Klar, man könnte sich relativ günstig für Rettungs- und Transportkosten versichern lassen. Aber wer denkt da im Alltag schon dran.
Die Lösung läge mMn in CH wie auch in D in einem Ausbau der nicht-rettungsdienstlichen ambulanten Dienste (ÄND, Community Nurse, NF Praxen, Pflegedienste, psychiatrische Notdienste usw.) und wenn die Angebote da sind in einer konsequenten „Triage“ in den Leitstellen.
Aktuell bleibt oft halt auch hier nur der „Beatmungsbus“ für alle Fälle…
da kann ich mich voll und ganz anschliessen, pro Schicht fallen 1-2 Einsätze an welche durch einen Communitydienst hätten abgearbeitet werden können.
Weiterhin gibt es in gewissen spitalgebundenen RDs immer noch „prima Visum“ Vorgaben, da wird der Pat. primär ins eigene Haus verbracht und dann entscheidet der kundige „Assistenzarzt“ ob es ein Zentrumsspital braucht. RDkundige unabhängige Akademiker braucht’s es aus meiner Sicht unter anderem in den entsprechenden Kantonalen Gremien.
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Es gibt einen neuen Vortrag von Prof. Dr. Gordon Heringshausen zur Akademisierung im Rettungsdienst.
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Interessanter Vortrag mit interessanten Argumenten!
Das was und wie es dargestellt wird ist aus meiner Sicht recht gut gemacht, leider erzeugt der Vortrag aber zumindest bei mir einen faden Beigeschmack. Zwei Punkte die aus meiner Sicht recht klar herausgestellt werden sind:
1. Ist nur durch eine Akademisierung eine Professionalisierung und ein Evidenz basiertes Arbeiten möglich.
2. Sind hat die Akademisierung ein überwiegend persönliche Benefit.
Sicher ist, dass eine Akademisierung ein evidenzbasiertes Handeln einfacher macht, allerdings kann man das auch in nicht akademisierten Bereichen etablieren. Wichtiger als die Art der Qualifizierung (duale Ausbildung vs. Studium) ist es doch, dass man die Menschen für den Beruf begeistert und sie schon in der Ausbildung damit vertraut macht sich entsprechende Quellen zu suchen. Wichtig ist doch auch, dass wir ein generellen Wechsel brauchen, denn ein evidenzbasiertes Arbeiten funktioniert nur dann, wenn es den über gestellten Ebenen mitmachen. Solang eine Chefetage (sei es Arbeitgeber oder ÄLRD oder ... ) nicht evidenzbasiert handeln und das so festlegen, solange bringt auch ein Studium nichts.
Ein erster richtiger und wichtiger Schritt zu Professionalisierung wäre aus meiner Sicht mehr Gesellschaften o.ä. wie der DBRD, die DGRe und andere. Wir müssen darstellen, dass wir viele sind und das wir mehr machen wie nur von A nach B fahren. Wenn uns das gelingt ist ein erster Schritt in Richtung Professionalisierung gemacht und daraus lassen sich zig weitere Ableiten, letzten Endes kann das auch dazu führen, dass die HiOrg; BF und Co. bei einer Diskussion um bessere Ausbildungen weniger Gewicht bekommen. -
Es gibt einen neuen Vortrag von Prof. Dr. Gordon Heringshausen zur Akademisierung im Rettungsdienst.
Ein sehr angenehmer Mensch, auch seine Vorlesungen waren immer super. Kann ich weiter empfehlen.