Mannheimer Stadträte und Ärzte rügen Rettungsdienstplan des Landes / Normenkontrollverfahren beim VGH Baden-Württemberg

  • Der Z.n. Sturz, der in Ruhe einen aushaltbaren Schmerz hat und im Verlauf ggf. eine prozedurale Analgesie für die Immobilisation und Lagerung benötigt, wäre z.B. ein klassischer R0, zumindest in meinen Breitengraden.


    Die Analgesie führt dann der RTW durch? Oder kommt das NEF auch ohne Sonderrechte?

    Under pressure, you don't rise to the occasion. You sink to your level of training.

  • Die Analgesie führt dann der RTW durch? Oder kommt das NEF auch ohne Sonderrechte?

    Ja, Analgesie durch den NotSan mit Esketamin / Midazolam ohne Notarztbeteiligung. Ein Opiat soll demnächst laut Buschfunk ebenfalls hierzu freigegeben werden.

  • Meiner Meinung nach ist der RD eben auch durchaus für Akutfälle (wie den o.g.) zuständig, die nicht unbedingt mit Sondersignal angefahren werden müssen. Ein KTW könnte hier (mit der aktuellen Regelausstattung und -besetzung) halt auch nur bedingt helfen.
    Die Definition eines Notfalls bedingt m.E. nicht unbedingt Blaulicht, sondern eine zeitnahe Versorgung.
    Ich behaupte mal, dass sogar nur die allerwenigsten Notfälle wirklich vom Einsatz von Sondersignal profitieren (schon gar nicht auf der Rückfahrt ins KH).

  • Ja, Analgesie durch den NotSan mit Esketamin / Midazolam ohne Notarztbeteiligung. Ein Opiat soll demnächst laut Buschfunk ebenfalls hierzu freigegeben werden.

    Ein Notfall ohne Sondersignal ist also eine Situation, bei der das Eintreffen des Arztes für die Verabreichung von Btm nicht abgewartet werden kann? Widersprüchlicher geht es ja kaum ...

  • Ab dem Zeitpunkt wird es ja zum Notfall...

    Kommt ja bisher auch vor, dass du ohne Sonder zum Einsatz fährst und das NEF mit Sonder nachrückt.


    ...und dann sind wir wieder bei der Nachforderungssituation. Muss halt ein NA "anfahren&umdrehen" weil zwischenzeitlich die Indikation durch die Gabe weggefallen ist.

  • Ein Notfall ohne Sondersignal ist also eine Situation, bei der das Eintreffen des Arztes für die Verabreichung von Btm nicht abgewartet werden kann? Widersprüchlicher geht es ja kaum ...

    Rechtswissenschaft vs. Medizin 🤷🏼

  • Die Analgesie führt dann der RTW durch? Oder kommt das NEF auch ohne Sonderrechte?

    warum soll nicht auch das NEF bei einem dringenden aber nicht vital bedrohlichem Problem ohne Sondersignal anfahren. Z.B. könnte ich mir hier eine durch die SOP nicht ausreichende Analgesie oder eine Medi-Allergie vorstellen. Und nein, der KV Arzt, wäre hier keine Alternative. Weil zwischen zeitnaher Versorgung und „ich komm dann mal wenn die Praxis zu ist“ liegen halt doch immer noch Welten (ganz davon abgesehen, dass der Hausarzt u.U. mit einer komplexeren Analgesie mit BTM u./o. Ketamin etc. auch überfordert wäre). In meiner Region in CH wartest Du manchmal bis zum nächsten Tag auf den Notfallarzt…

  • Rechtswissenschaft vs. Medizin 🤷🏼

    Nene. Gesetz, nicht Wissenschaft. Muss man wirklich noch überlegen, wie man damit umgehen soll, was sich der Gesetzgeber da mal wieder beim eiligen Reinschreiben gedacht hat. So aus wissenschaftlicher Sicht ist es lediglich etwas anstrengend, dass seit Jahren nie ein wirklich durchdachtes regulatorisches Konzept verfolgt wird.

    Lügen ist keine Kunst. Kunst ist, anderen die Wahrheit in einem neuen Licht zu zeigen.

  • Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat über den Eilantrag entschieden. Die Luft wird dünner für die Auslegungspraxis des Innenministeriums BaWü…


    https://verwaltungsgericht-stu…iz-bw.de/pb/,Lde/17432611

    Zitat

    Die 16. Kammer des Verwaltungsgerichts Stuttgart hat im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes mit Beschluss vom 06.11.2023 entschieden, dass das Land Baden-Württemberg die Hilfsfrist für das ersteintreffende Rettungsmittel vorläufig neu nach den Vorgaben des Urteils des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 05.05.2023 - 6 S 2249/22 - zu berechnen hat (16 K 5276/23).“


    Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz (Eilantrag) ist - soweit er zum Entscheidungszeitpunkt noch anhängig war - erfolgreich. Die Antragsteller haben einen Anspruch auf eine Umsetzung des Urteils des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 05.05.2023. Dieser Anspruch folgt unmittelbar aus Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG). Denn die strikte Umsetzung verbindlicher Gerichtsentscheidungen ist für alle Behörden in jeder Situation unverbrüchlicher Bestandteil rechtsstaatlicher Verwaltungskultur. Werden Gerichtsentscheidungen nicht umgesetzt, muss die Justiz zur Wahrung ihrer Autorität in der Lage sein, die effektive Durchsetzung ihrer Urteile gegenüber der öffentlichen Hand sicherzustellen. In seinem Urteil rügt der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg insbesondere, dass die gesetzliche Hilfsfrist von möglichst 10 Minuten nach dem Rettungsdienstplan als maßgebliche Planungsgröße überhaupt keine Rolle spielt. Der Zielerreichungsgrad sei in der Vergangenheit regelmäßig nur bezogen auf die gesetzliche Höchstfrist von 15 Minuten erhoben worden. Es könnten daher „aktuell keine belastbaren Aussagen dazu getroffen werden […], inwieweit die 10-Minuten-Frist in der Notfallrettung in der Praxis eingehalten wird“. Daraus geht ohne Zweifel hervor, dass die bisherige statistische Erhebung der hilfsfristrelevanten Rettungseinsätze ungeeignet ist, um eine Planung zu gestalten, die die Einhaltung der 10-Minuten-Frist umsetzen kann. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung ebenfalls deutlich herausgearbeitet, welche Einsätze in der statistischen Auswertung zur Zielerreichung der Einhaltung der Hilfsfrist zu berücksichtigen sind, dass heißt statistisch zu erheben sind. Auf eine Berechnung der Hilfsfrist unter Berücksichtigung dieser Grundsätze haben die Antragsteller mithin einen Anspruch. Indem das Innenministerium mit seinen Schreiben vom 11.07.2023 und 30.08.2023 die Regierungspräsidien sinngemäß angewiesen hat, die Hilfsfrist einstweilen nicht neu zu berechnen, läuft dies der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes inhaltlich zuwider. Das Land Baden-Württemberg kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, ohnehin ein neues Gesetz beschließen zu wollen. Soweit die statistische Erhebung der Zielerreichung bei Zugrundelegung einer Hilfsfrist von 10 Minuten verlangt wird, kann diese ohne weiteres schon vor dem Erlass eines neuen Gesetzes erfolgen. Schließlich benötigt das Land Baden-Württemberg diese Zahlen ohnehin im Rahmen der Neufassung des Gesetzes.

  • Die Seite der Tagesschau berichtet:


    https://www.tagesschau.de/inla…t-macht-bw-druck-100.html


    Daraus:

    Zitat


    Die Kläger erklärten: "Wir fordern nach dieser erneuten und herben gerichtlichen Niederlage für das Land Baden-Württemberg den Rücktritt von Innenminister Thomas Strobl, der die volle politische Verantwortung für die Rechtsbeugung und damit auch für die Missachtung von Leib und Leben in Baden-Württemberg trägt." Strobl sei verantwortlich für unwirksame und unzureichende Regelungen. Er habe es versäumt, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen.

  • Ich bin mir nicht immer sicher, dass der Rettungsdienst in den anderen Bundesländern so viel besser organisiert ist. Zwar mögen die Landkreise und kreisfreien Städte dort mehr "Macht" haben, weil diese eben die Rettungsdienstträger sind - anders wie in BaWü eben. Aber wirklich besser organisiert ist der Laden "Rettungsdienst" dort auch (oft) nicht. Siehe am Beispiel Landkreis Gifhorn in den letzten Tagen oder die sehr unterschiedlich ausgeprägten SOP im ganzen Land. Durch die förderalistisch geprägten Fürstentümer ist der (qualitative) Organisationsgrad in Deutschland sehr unterschiedlich (das ist nun nicht speziell auf die ÄLRD bezogen, sondern auch auf Verwaltung und den Willen dahinter).

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • Das sollte mitnichten heißen, dass es wo anders besser läuft! Ich mag Ba-Wü und bin gerne und oft dort. Aber ich denke auch (mit meinem minimalistisch-juristischen Sach"verstand"), dass diese Urteile viele andere Bundesländer gerade arg ins schwitzen bringen.

  • Aber ich denke auch (mit meinem minimalistisch-juristischen Sach"verstand"), dass diese Urteile viele andere Bundesländer gerade arg ins schwitzen bringen.

    Ja, den Gedanken hatte ich auch schon.

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • Noch mal so nebenbei für die Juristen hier:


    - Auch für Patienten mit besonderen Anforderungen an den Rettungsdienst (Neugeborene, Säuglinge oder Adipöse) muss ein funktionierendes Rettungsdienstsystem aufgebaut werden. Die Einsätze der erforderlichen Rettungsfahrzeuge fallen ebenfalls in die Hilfsfristberechnung.



    Beruft sich diese Aussage auf den Teil des Grundgesetzes (Artikel 2, Abs. 2, Satz 1)?


    Denn das wäre in der Tat auch für den Rest von Deutschland recht bedeutend. Mein Landkreis macht genau genommen nullkommanix für Adipositas-Patienten und verlässt sich auf freiwillige Vorhaltungen und ehrenamtliche Motivation einer KatS-Einheit, um für diese Patientengruppe Sicherheit zu erzeugen. Genau das erzeugt täglich Probleme in der Notfallrettung (lange Eintreffzeiten) und im Krankentransport (planbare sollen und wollen sie nicht übernehmen und ein privater Krankentransport außerhalb des öffentlichen Rettungsdienst hat nahezu nie freie Kapazitäten dafür).

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • Eine einheitliche Rettungschance für alle möglichen Fälle wäre sicherlich wünschenswert, doch fehlt mir der Glaube, solche ”Bedingungen” jemals in der Wirklichkeit noch erleben zu können....Gibt es eigentlich Beispiele für solche Rettungsdienstregionen in Deutschland, Europa oder im Rest der Welt, in denen alle Fläche die gleiche Chance haben?

  • Ich hoffe doch mal stark, dass wir das nicht auch noch bezahlen müssen.

    They say God doesn't close one door without opening another.

    Please, God, open that door. :oncoming_fist_light_skin_tone:

  • Ich hoffe doch mal stark, dass wir das nicht auch noch bezahlen müssen.

    Zumindest wäre es doch schön, wenn es nicht dem Zufall oder dem persönlichen Engagement Einzelner überlassen wäre, ob es z.B. ein Kinder-/Säuglings-NEF gibt oder nicht.