BtMG-Verstoß: Sanitäter injiziert Fentanyl

  • Ein Notfallsanitäter hat während eines Notarzteinsatzes am 02.07.2021 einem Patienten Fentanyl injiziert und landete deshalb vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft beklagte, dass der Mann in seiner Funktion als Notfallsanitäter gegen das Betäubungsmittelgesetz verstoßen habe.

    In einer privaten Box habe der Sanitäter wissentlich und willentlich mindestens eine Ampulle Fentanyl mitgeführt, die er dem Patienten verabreichte, ohne Rücksprache mit dem anwesenden Notarzt zu halten.

    Der Sanitäter war also nicht berechtigt, das Fentanyl zu verabreichen. Des Weiteren war das Fentanyl als stark wirkendes Opiat dazu geeignet, gesundheitliche Schäden bei dem Patienten hervorzurufen.


    Quelle: https://www.rechtsdepesche.de/…aeter-injiziert-fentanyl/

  • Das ein Notfallsanitäter Fentanyl eigenverantwortlich gibt, finde ich erst einmal nicht so schlimm. Jedoch sollte dieses zuvor in SOP (und Gesetzen) geregelt sein. Richtig stutzig macht mich aber das hier:

    Zitat

    "In einer privaten Box habe der Sanitäter wissentlich und willentlich mindestens eine Ampulle Fentanyl mitgeführt ..."

    Private Box? Ich hoffe doch, dass es sich nicht wirklich eine richtige private Box mit privat (illegal) beschafften Fenta-Ampullen handelte.

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • […]

    In einer privaten Box habe der Sanitäter wissentlich und willentlich mindestens eine Ampulle Fentanyl mitgeführt, die er dem Patienten verabreichte, ohne Rücksprache mit dem anwesenden Notarzt zu halten[…]


    Der zweite Teil des Satzes macht mir deutlich mehr Kopfzerbrechen! Patienten Medikamente applizieren ohne Rücksprache mit dem anwesenden??? Notarzt......

  • Ach so, ja. Der Teil auch...

    Ich komme aus Ironien, das liegt am sarkastischen Meer.

  • Beides mehr als bedenklich: Jemand fährt als nicht Berechtigter Fentanyl durch die Gegend und spritzt ohne Team-Rücksprache während eines Einsatzes einfach Medikamente. So bringt man den Rettungsdienst bzgl. BTM-Gabe sicher nicht voran.

  • Und vermutlich stimmt nicht die Hälfte davon... Der Halbsatz "die er dem Patienten verabreichte, ohne Rücksprache mit dem anwesenden Notarzt zu halten." könnte einfach nur unglücklich formuliert sein und meinen, "die er dem Patienten verabreichte, ohne Rücksprache mit einem Notarzt zu halten", um zu verdeutlichen, dass er es auf Anweisung mit einem Notarzt vor Ort ggf. gedurft hätte. Auch das Mitführen in der "privaten Box" scheint sich ja im Zuge des Verfahrens anders dargestellt zu haben, sonst wäre es vermutlich auch anders ausgegangen und nicht mit 3.000,--€ erledigt... Ich war auch nicht dabei, aber nicht zuletzt dank diesem Forum musste ich schon immer wieder feststellen, dass man nicht jeder Headline und jedem Bericht ohne weiteres vollen Glauben schenken darf...

  • Da er wegen „Verabreichung“ und nicht wegen „Besitz“ von BTM verurteilt wurde, dürfte die mitgeführte „Box“ wohl nicht privat gewesen sein.

  • Interessanter Weise sieht das Staatsministerium des Inneren (Bayern) eine Fentanylgabe als §2a Gabe im Rahmen des rechtfertigenden Notstandes als gedeckt.

  • Aber ist das nicht ein Widerspruch in sich? Wenn die Fentanyl-Gabe unter die Erlaubnis des § 2a NotSanG fällt, dann braucht man ja keine Rechtfertigung, weil der Tatbestand nicht erfüllt ist.


    Entweder es ist gemäß § 2a NotSanG erlaubt, oder das ist es nicht, und dann brauche ich eine Rechtfertigung nach § 34 StGB. In letztem Falle muss - und das scheint mir der wesentliche Unterschied zu sein - vorher ein Notarzt alarmiert worden sein.

    You know as well as I do decisions made in real time are never perfect. Don't second-guess an operation from an armchair. [Noah Vosen]

    Oldschool EMS. The Gold Standard of Ass Kickin'!

  • Da er wegen „Verabreichung“ und nicht wegen „Besitz“ von BTM verurteilt wurde, dürfte die mitgeführte „Box“ wohl nicht privat gewesen sein.

    Das lässt sich daraus nicht schließen; der unerlaubte Besitz von Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Nr. 3 BtMG) tritt als Auffangtatbestand regelmäßig hinter die zahlreichen anderen Tatmodalitäten zurück.

    Beides mehr als bedenklich: Jemand fährt als nicht Berechtigter Fentanyl durch die Gegend und spritzt ohne Team-Rücksprache während eines Einsatzes einfach Medikamente. So bringt man den Rettungsdienst bzgl. BTM-Gabe sicher nicht voran.

    Scheint jedenfalls ein lustiger Fall gewesen zu sein, wenn die Darstellung denn insoweit stimmig ist.

  • Zu dem "privaten Täschchen" ein Gedanke:
    Nicht alle RD führen ihre BTM an der Person mit, sondern sie sind im Fahrzeug eingeschlossen. Ich kann mir hier vorstellen, dass besagter Mensch sich nun privat eine kleine BTM-Box für den Gürtel besorgt hat um die BTM eben griffbereit zu haben und nicht erst aus dem Auto holen zu müssen.
    Soviel zum Versuch der Ehrenrettung.

  • Aber ist das nicht ein Widerspruch in sich? Wenn die Fentanyl-Gabe unter die Erlaubnis des § 2a NotSanG fällt, dann braucht man ja keine Rechtfertigung, weil der Tatbestand nicht erfüllt ist.


    Entweder es ist gemäß § 2a NotSanG erlaubt, oder das ist es nicht, und dann brauche ich eine Rechtfertigung nach § 34 StGB. In letztem Falle muss - und das scheint mir der wesentliche Unterschied zu sein - vorher ein Notarzt alarmiert worden sein.

    Nach § 2a NotSanG wird die Fentanyl-Gabe sicher nicht erlaubt sein. § 13 Abs. 1 Betäubungsmittelgesetz erfordert, dass Btm nur im Rahmen einer ärztlichen Behandlung verabreicht werden. Die eigenständige Behandlung durch den NotSan ist gerade keine ärztliche Behandlung.


    Diskutabel könnte sein, ob durch ärztliche SOP/SAA/BPR im Sinne einer Vorabdelegation eine ärztliche Behandlung vorliegen kann. Das ist aber juristisch mindestens umstritten und m. E. eher zu verneinen. Der konkrete Fall lag aber offenbar auch anders.

  • Zweifelsohne. Ich wollte nur anmerken, dass ich für eine Maßnahme, die nach § 2a NotSanG erlaubt ist, keine Rechtfertigung brauche. Es ging mir also um die Conclusio, nicht um die Prämissen. Dass die Btm-Gabe durch NotSan besonders heikel ist, steht ja aus dem genannten Grund außer Frage.

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  • Ich kenne mehrere Rettungsdienstbetreiber, die eine eher unglückliche Lösung für das mitführen von Betäubungsmitteln zum Patienten vorsehen und kenne tatsächlich viele Kollegen, die sich selbst ein Gürteltaschenampullarium besorgt haben. Daher besteht auch für mich die Hoffnung, dass wirklich nur die Box privat war - und das fände ich nicht so schlimm. Wenn das Fentanyl privat war, hätte ich doch größere Probleme damit. Das steht dort aber genau genommen auch gar nicht.


    Wieso Medikamente ohne Absprache mit dem anwesenden Notarzt gegeben werden, wirft allerdings, sofern es so war, Fragen auf. Das wäre schon hart... ich kann mir aber kaum vorstellen, dass es bei einem einfachen Missverständnis zu einer Anzeige gekommen wäre, denn sie Staatsanwaltschaft muss das Ganze ja auch erstmal mitbekommen. Und da stelle ich mir ohne Anzeige schwierig vor.

    Land zwischen den Meeren,
    vor dem sich sogar die Bäume verneigen,
    du bist der wahre Grund,
    warum Kompassnadeln nach Norden zeigen!

  • Konstruierter Kasus: NEF zur Analgesie (mit)alarmiert, Notarzt meint es wäre keine Analgesie notwendig bzw führt unzureichende Analgesie durch (bisschen Novalgin oder PCM) und fährt wieder.. Patient lässt sich schmerzbedingt aber immer noch nicht (im)mobilisieren, bzw leidet weiter sichtbar Schmerzen.

    Als RettAss damals leider regelmäßig erlebt und ich vermute auch heute nicht völlig unrealistisch. Wir hatten damals auch BTM auf dem Auto und ich war schon das ein oder andere Mal versucht - der Gedanke an Knast und Arbeitslosigkeit hat mich allerdings davon abgehalten ;-)

  • Das wäre aber ein komplett anderes Setting.

    Ich sage ja konstruiert. Ob es nun so oder völlig anders war wissen wir ja nicht. Und ich persönlich bezweifel mal, dass der NotSan das Medikament aufgezogen und gespritzt hat, während der Notarzt neben ihm stand und offensichtlich ja anderer Meinung war. Daher wäre ein Notarzt war im Einsatz beteiligt, dann aber nicht mehr da für mich zumindest plausibel. Oder andersherum, Notarzt war noch nicht da. Für mich geht das aus dem Artikel nicht hervor.

  • Ich kenne zumindest einen NFS, der gerne mal unabgesprochen eigene Therapievorstellung auch bei NA-Anwesenheit in die Tat umsetzt, wenn man nicht aufpasst, weil natürlich nur er den Plan hat und der NA und andere Beteiligte völlig ahnungslos sind. Da sehr häufig der NEF-Fahrer die Opiate an die Einsatzstelle mitführt (z.B. auch durch eine kleine Box) und damit auf diese zugreifen kann, halte ich es zumindest für möglich, dass, wie eingangs beschrieben, der NFS auf Eigeninitiative und ohne Absprache Fentanyl verabreicht hatte. Bei solch einem Ablauf wäre auch eine anschließende Anzeige zumindest nachvollziehbar (wenn das zum Beispiel nicht das erste Ding dieser Art war).